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und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg uud Brand. " Verantwortlicher Redakteur Julins Braun in Freiberg. - . 7— — 31. Jahrgang. — > 'N/» 1 Erscheint joden Wochentag Abends 6 Uhr für den Inserate werden bis Vormittags N Uhr angcnom» - 122. Donnerstag, den S». Mm. 1879. Nachbestellungen aus de« m»«I V«8ekl«1t für den Monat Juni werden von sümmtlichm Postanftalte» wie von der »nterzeichnete» Expedition und den bekannte« Aus gabestelle« ia Freiberg, Brand, Halsbrücke und Käm merswalde zum Preise vou 75 Psg. augeuomme«. Lxpsüition äe8 „fi-eibei-ger ^nreigen unä lagvblatt." Das neue Reichsland. Bekanntlich nahm der Reichstag jüngst einen Antrag an, worin an Fürst Bismarck das Ersuchen gerichtet wurde, darauf hinzuwirken, daß Elsaß - Lothringen eine selbständige, im Lande befindliche Regierung erhalte. Die Einbringung dieses Antrages war im Einverständniß mit dem Reichskanzler erfolgt, welcher bei Berathung desselben in einer ausführlichen Rede sein Programm in Betreff des neuen Reichslandes entwickelte. Der jetzt vorgelegte Entwurf entspricht durchaus jenem Programm. Die Ne gierung des Neichslandes wird in das Land selber verlegt; die Befugnisse des Landesausschusses, der in seiner Mit- gliederzahl eine Verstärkung erfährt, werden erweitert; das Reichsland erhält eine Vertretung im Bundesrathe, freilich nur mit beralhender Stimme. Um Elsaß-Lothringen eine Anzahl wirklicher Stimmen im Bundesrathe zuweisen zu können, müßte zuvor die Konstituirung desselben zu einem selbständigen Bundesstaate stattfiuden, was ohne sehr schwierige Auseinandersetzungen zwischen den verbündeten Regierungen nicht möglich ist Einen Vertreter mit lediglich berathender Stimme kann der Bundesrath bei sich zulassen, denn es wird da durch in seiner Zusammensetzung nichts geändert. Bis jetzt wurde die Vertretung der retchsländischen Interessen durch die vom Kaiser damit beauftragten Mitglieder des Bundesrathes—Unterstaatssekretär Herzog undOberpräsident v. Möller — thatsächlich wahrgenommen. In Zukunft wird ein vom Landesausschuß erwählter und vom Kaiser be stätigter Delegirter sich als die Stimme Elsaß-Lothringens im Bundesrath vernehmen lassen. Dem Landesausschuß wird daS Recht eingeräumt, Gesetze vorzuschlageu, was dem Ansehen jener Körperschaft kehr förderlich ist, an den Bedingungen für das Zustandekommen eines Landesgesetzes jedoch nichts ändert. Ebenso muß es die Autorität dieser Körperschaft heben, daß ihren 34 aus der Wahl der drei Bezirkstage hervorgehenden Mitgliedern noch 24 hinzutre ten, die in den vier größten Städten: Straßburg, Colmar, Mühlhausen und Metz von den Gemeinderäthen, in den 20 Landkreisen von den Delegirten der Gemeinderälhe ge wählt werden. Wichtiger als diese Neuerungen sind jedoch die Umgestal tungen, welche die Verwaltung erfahren soll. Zunächst befin det sich die Regierung fortan im Lande selbst. Gleichzeitig wird an die Spitze des Reichslandes als Repräsentant des Kaisers ein Statthalter gestellt, auf welchen gewis lanÄsherrliche Befugnisse übertragen werden. Akte, d auf Grund dieser Generalvollmacht der Statthalter voll zieht, bedürfen der Gegenzeichnung des Staatssekretärs, der an der Spitzt des Ministeriums für Elsaß Lothringen steht und der gleichzeitig die Kontrole darüber übt, da jene Akte innerhalb der Kompetenz des Statthalters liegen Der Statthalter tritt aber andererseits an die Stelle dcs Reichskanzlers in allen reichsländischen Angelegenheiten und hat wie dieser die Befugniß, Stellvertreter mit ressor mäßiger Selbständigkeit sich substituiren zu dürfen. So blei denn für den Reichskanzler außer der allgemeinen politischen Verantworlichkeit nur die Mitwirkung bei solchen kaiser- ichen Verwaltungsakten übrig, die in die Sphäre ter vom Kaiser sich Vorbehalten«» und nicht auf den Statt halter übertragenen landesherrlichen Befugnisse fallen, z. B. die Ernennung und Abberufung des Statthalters, Organi- ation des reichsländischen Ministeriums. Auf dieses Mini- ierium mit dem Sitz in Straßburg gehen über: 1> die Befugnisse des Vorstandes des Reichskanzleramts für Elsaß- Lothringen, welches aufgehoben wird; 2) die Befugnisse des Reichsjustizamtes in Bezug auf Elsaß-Lothringen; 3) die Befugnisse des Oberpräsidiums zu Straßburg, welches gleichfalls ausgehoben wird, ->- nur die „außerordentlichen Gewalten" des Oberpräsidenten gehen auf den Statthalter über; 4) die Befugnisse des Bundesraths in Betreff der elsassffch-lothringifchcn Landcsverwaltung, ihrer Pensions- und Kautionsverhältnisse. Die Organisation des Mini steriums bleibt kaiserlicher Verordnung Vorbehalten. An seiner Spitze steht mit den Funktionen eines Premiermini sters ein „Staatssekretär", welchem das Gesetz die Rechte und die ministeriellen Verantwortlichkeiten eines dem Reichs kanzler nach Maßgabe des Gesetzes vom 17. März 1878 substituirten Stellvertreters zuweist. An der Spitze der einzelnen Abteilungen stehen „Unterstaalssekretäre". Diese Beamten wie die Ministerialräthe werden vom Kaiser unter Gegenzeichnung des Statthalters ernannt; die übrigen höheren Ministerialbeamten ernennt der Statthalter unter Gegenzeichnung des Staatssekretärs. Aus alledem geht hervor, daß beim Reichskanzler die beste Absicht besteht, dem Reichslande anf dem Wege zur staatlichen Selbständigkeit so weit entgegen zu kommen, als das Interesse des Reiches zur Zeit nur irgend gestattet. Tie neuen Einrichtungen sind auch dazu geeignet, den Geschäftsgang der Landesverwaltunq wesentlich zu verein- achen und der Bevölkerung durch die Wahlen zu den Be zirkstagen und zum Landesausschusse einen erheblichen Ein fluß darauf zu sichern. Komplizirt erscheint nur das Ver- hältniß des Statthalters, insofern derselbe einmal in Ver tretung des Kaisers landesherrliche Befugnisse ausübt und dann durch die ministerielle Verantworlichkeit des Staats sekretärs gedeckt sein muß; und zweitens, ohne daß über seine eigene Verantwortlichkeit eine Bestimmung getroffen wird, an die Stelle des Reichskanzlers tritt und gemisst Akte des Kaisers gegenzeichnet. Es scheint fast so, als ob die Errichtung einer Statthalterschaft zunächst nur als ein Versuch aufgefaßt wird, da die Ernennung und Abberu fung des Statthalters wie die Feststellung seiner Befug nisse von dem kaiserlichen Ermessen abhängig gemacht ist. Vielleicht darf man dies aber auch als einen Wink für die Elsaß-Lothrlnger betrachten, daß es nur bei ihnen steht, die so sehnlich gew ünschte staatliche Selbständigkeit allmälig zu erlangen oder nicht. -j-* Vie Levölkerungsverhaltmsse des deutschen Reichs. ii. Am meisten gebraucht und am verständlichsten für das große Publikum ist der Gegensatz von Stadt und Land. Für statistische Forschung bietet er jedoch ungeheure Schwierigkeiten, zumal bei internationaler Statistik. Der statistische Kongreß hat sich deshalb genöthigt gesehen, eine statistische Stadtbevölkerung in dem Sinne zu schaffen, daß die Bevölkerung von Ortschaften von mehr als 2000 Ein wohnern als städtische Bevölkerung betrachtet wird. Dar nach beträgt die städtische Bevölkerung 32»/» der Gesammt- bevölkerung des deutschen Reichs (nach der Volkszählung von 1871). In Sachsen beträgt die städtische Bevölkerung 49°/,, in Preußen 31°/», in Württemberg 27°/» und in Baiern nur 23°/» der Gesammtbevölkerung. Nach den uns vorliegenden Veröffentlichungen des bairischen statistischen Bureaus wohnen in Baiern nicht weniger als 31 Prozent )er Bevölkerung in Gemeinden mit 500 Einwohnern und darunter, dagegen in Gemeinden mit 10000 Einwohner« und darüber nur 13 Prozent der Bevölkerung. Die Stu dien über das Anhäufungsverhältniß der Bevölkerung führe« auf die in der neuern Zeit überall bemerkbare Anziehungs kraft der größeren Städte, insbesondere der eigentliche« Großstädte. Wie allgemein diese Strömung ist und wie ehr sich dieselbe nicht etwa nur bet den rasch anwachsende« Großstädten geltend macht, zeigen die Ergebnisse der bai rischen Volkszählung von 1875. Darnach betrug die Be völkerungszunahme seit 1871 iu den unmittelbaren Städte« 10,9 Prozent, in den Bezirksämtern (also vorwiegend plattes Land) nur 2» Prozent. Ganz richtig ist dieses Resultat ireilich nicht, weil in der Pfalz ansehnliche städtische Ge meinwesen den Bezirksämtern unterstellt sind. Von de« deutschen Großstädten sind am schnellsten gewachsen Berlin, Hamburg, BreSlau, Leipzig, Stuttgart, Hannover, Frank furt a. M., Bremen rc. Binnen 14 Jahren (von 1861 bis 1875) hat sich die Bevölkerung von Berlin, Breslau, j Leipzig, Stuttgart und Hannover fast um das Dopp. (te ver mehr l Schon aus diesen wenigen statistischen Ergebnisse« - ist die der Neuzeit in hohem Grade eigenthümliche Neigung der Bevölkerung zum städtischen Leben deutlich ersichtlich. Wenden wir uns zur Betrachtung des inneren GefügeS der Bevölkerung, so tritt uns unter deren, statistisch erfaß baren Verschiedenheiten vor AllemdasGeschlechtsvsrhält- nrß entgegen. Ob ein Knabe oder ein Mädchen geboren wirb, scheint im Einzelmn so zufällig zu sein, daß eine un regelmäßige Zusammensetzung der Bevölkerung nach dem Geschlecht sich geradezu als wahrscheinlich darstellt. Lang jährige statistische Beobachtungen in allen Kulturländer« haben jedoch cezeigt, daß das Streben der Natur im Gro ßen und Ganzen auf das Gleichgewicht beider Geschlechter gerichtet ist, indem auf etwa 106 Knaben 100 Mädchen geboren werden. Die Sterblichkeit der Knaben ist aber in den ersten Jahren so groß, daß gerade in den gesell schaftlich und sittlich zumeist entscheidenden Jahren in der Regel ein ziemliches Gleichgewicht beider Geschlechter her gestellt ist. Im weiteren Verlaufe des Lebens wird aller dings die Manneskraft rascher verbraucht, als Vie Frauen kraft, so daß in vielen Ländern bet Berücksichtigung der Gesammtbevölkerung einiger Ueberschuß der Personen weib lichen Geschlechtes bleibt. Während in Europa 1021 Frauen auf 1000 Männer kommen, treffen im deutsche« Reiche 1037 Personen weiblichen Geschlechts auf 1000 Männer. Unter den deutschen Partikularstaaten Haden (nach dcrVolkszählung von 1871*) Württemberg und Baier« den relativ größten Ueberschuß weiblicher Bevölkerung. Auf 1000 Personen männltchcn Geschlechts inffen solche weiblichen Geschlechts in Württemberg 1076 und in Baier« 1053, in Preußen hingegen nur 1029. Dieser große Ueber- schuß an Frauen in Cüdteutschland liegt namentlich in der enormen Kindersterblichkeit, welche in einem großen Theile Süddeutschlands herrscht. Da die Knaben im zarten Kin desalter mehr gefährdet sind als die Mädchen, so schwillt die größere Sterblichkeit der Knaben oft ungeheuer an. Außerdem rührt der größere Ueberschuß des weiblichen Ge schlechts in Süddeutschland von der bedeutenden Aus wanderung hei, da in der Regel mehr Männer als Frauen sortziehen. Auch die größere Lebensbedrohung, welche di- Natur dem Knaben als böses Geschenk in die Wiegt legt und ihn durch das ganze Leben begleitet, ist ein Grund für das Ueberwtegen des weiblichen Geschlechts in Europa. Daß nach den vorliegenden statistischen Mittheilungen alle vier anderen Erdtheile einen Männerüberschuß haben sollen, kommt hier um so weniger in Betracht, als wahrscheinlich in den nichtchristlichen Ländern die Registrirung der Frauen unvollständiger als jene der Männer ist, diese Ergebnisse also wenig Glaubwürdigkeit beanspruchen können. * Die bezüglichen Ergebnisse der letzten Volkszählung sind, soweit unö bekannt, noch nicht veröffentlicht. Tagesschau. Freiberg, 28. Mai. In der gestrigen Sitzung des Reichstages machte vor Eintritt in die Tagesordnung der Präsident v. Seyde witz darauf aufmerksam, daß gleich nach den Pfingstferie« die Feier der goldenen Hochzeit des KaiserpaarcS stattfin- det und suchte demgemäß um die Ermächtigung iür das