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WöchenUich erschemen drei Numnnen. P:änume:.UionS - Preis 22 > Silbergr. (j Me.) »ikNeyährüch, Z THIr. für LaS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin dei Deir n. Comp., Iägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Poü-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 1844. Berlin, Dienstag den 27. Februar England. Dublin, von I. Venedey. Ein Beweis, daß auch das größere deutsche Publikum sich jetzt mehr als früher für die politischen Ereignisse des Tages interessirt, ist wohl, daß, wenn irgendwoher jetzt die Zeitungen ein Ereigniß von größerer Bedeutung melden, auch sofort im Buchhandel mehrere selbständige Werke erscheinen, die sich mit diesem Ereignisse beschäftigen und seine Bedeutung nach allen Seiten hin darzulegen suchen. Gleichzeitig sind uns seit kurzem drei Werke zuge kommen, die das Land zum Gegenstand haben, das, trotz seiner Armuth, es wagt, dem reichsten und mächtigsten Lande Europa's den Fehdehandschuh hinzuwerfen, und das, trotz des Rufes von Rohheit und wilder Leidenschaft lichkeit, in welchem seine Bewohner stehen, doch dem Winke eines unschein baren waffenlosen Mannes gehorcht, der durch ein einziges Wort die empörten Wogen zu beschwichtigen weiß. Von den drei Werken über Irland, die bald hinter einander von Kohl, Moriarty und Venedey erschienen, ist das erste in der bekannten Weise des Verfassers ein mit der Treue eines alten niederländischen Malers entwor fenes Bild von dem Leben und Treiben, von dem Elend und den Hoffnungen der grünen Erin; das zweite ist eine Monographie des Agitators von einem seiner in Deutschland eingebürgerten Landsleute, und das dritte endlich eine sowohl vom historischen als vom politischen Standpunkt ausgearbcitete Dar stellung der heutigen wie der früheren Zustände Irlands. Das letztgedachte Buch, ein so eben erschienenes Werk in zwei Bänden °), umfaßt die Ausgaben sowohl der Kohl'schcn als der Moriarty'schcn Arbeit und dürfte sich daher, als ein Leitfaden bei Allem, was jetzt und in der nächsten Zeit die Zeitungen aus Irland berichten, eines großen Publikums zu erfreuen haben. Zn den An sichten über die Nothwendigkcit der Beibehaltung der Union zwischen England und Irland, die jetzt noch auf dem Kontinente verbreitet find, wird dieses Buch unzweifelhaft eine große Modification bewirken. Der Verfasser schickt seinen lokalen Schilderungen und politischen Betrachtungen eine Geschichte Irlands voran, wobei er unter Anderem sagt! „Wer einen Blick auf die Karte Europa's wirft, kommt sehr leicht zu dem Schlüsse, daß die Union zwischen Irland und England in der Natur, der Lage beider Inseln begründet ist- Und gerade weil dieser Schluß so einfach, so natürlich erscheint, so auf ebener Hand liegt, ist es oft sehr schwer, fiw zu überzeugen, daß ein entgegengesetzte« Streben das einzig naturgemäße ist. Es ist wahr, die Union zwischen England und Irland ist in der Geographie begründet, — aber die Repeal der Union steht in der Geschichte beider Länder in ganz anderer blutiger Lapidarschrift eingchauen. England hat Ir land siebenhundert Jahre mißhandelt und mißregiert und schon hierdurch das Recht verwirkt, Irland noch länger an seinen souverainen Willen zu fesseln. Irland verlangt heute eine lokale Gesetzgebung und Administration für seine lokalen, irländischen Interessen, so hoch und so weit diese reichen. England ist allein Schuld, daß alle Interessen Irlands heute rein irländisch, oft den englischen direkt entgegengesetzt sind. In ganz Europa würde eine solche For derung kaum den geringsten Anstand finden. In Deutschland hat jeder Staat seine Sonderverwaltung, und eS fehlt nur die Gesammt-Organisation, in Preußen jede Provinz ihre lokale Gesetzgebung, in Frankreich jedes Departe ment seinen Rath. Irland verlangt im Wesentlichen nichts Anderes; nur ist nicht zu leugnen, daß gerade durch sicbcnhundertjährige Mißregierung Irland in einer Lage ist, England gegenüber eine sehr große, eng abgeschlossene Pro vinz zu bilden, die fast zu groß ist, um als eine Provinz zu handeln und be handelt zu werden. Das kann und wird dann die Ursache zu vielen Reibungen geben; aber an wem die Schuld!' Die Engländer leugnen nicht das Recht Irlands; aber fie sagen: „DaS kann uns schaden." Ich denke, Irland darf darauf ungestört antworten: „Möglich, aber was kümmert mich däs(" Doch beruht die Antwort Englands auf einem Jrrthum, der sehr leicht erklärlich, aber für Politiker, wie die Engländer scyn wollen, fast un begreiflich. Sie sagen: „Ohne Irland würde England zu einer Macht britten Ranges herabfinken." Ganz richtig! — aber hat denn England gegenwärtig Irland? Auf der Karte steht's, — aber in der Geschichte heißt's: Nein. England ist heute ohne Irland. Vor der Union Irlands besaß es dasselbe theilweise, seit der Union immer weniger. Wäre Napoleon nicht auch ein Sohn des Glückes gewesen, hätte er gewußt, worin seine eigene Kraft -) Irland, von I. Venedey. Leipzig, F. A. Brockhaus, i^4. bestand, so würde er auch Englands Ohnmacht erkannt haben. Anstatt Millionen Menschenleben zu opfern, um am Ende seinen Ruhm und seine Macht durch einen Nachtfrost zu verlieren, würde er mit dem zehnten Theile von Kraftaufwand und Opfer England in Irland zernichtet haben. Aber er verlangte von den Irländern nur eine „Diversion"") für Frankreich. Die Zeiten haben sich geändert. Kommt cs zu einem neuen Kampfe in Europa, so werden die Franzosen die Lehren, die sic von Deutschland erhalten haben, wohl benutzen und, mit England im Kriege, die Sache anstatt am Rhein — am Shannon aussechten. Auch die Völker haben nachgerade mehr und mehr einsehcn gelernt, daß gerecht seyn — auf die Dauer auch sehr klug ist. In Zukunft wird man im Falle der Noth von den Irländern keine „Diversion" für den Ausländer, sondern einen Kampf für ihre eigenen Rechte fordern und fördern — sobald sich dazu Pie rechte Gelegenheit zeigt. Wenn es wahr ist, daß England ohne Irland eine Macht dritten Ranges ist, so ist eS heute eine Macht dritten Ranges und hatte seit der Union, von dem Augenblicke an, daß Irland sich wieder in Irland regt, stets nur eine usur- pirte Stellung. Wer will bezweifeln, daß Frankreich in Irland mit England in ganz anderer Weise fertig geworden wäre, als es mit Deutschland am Rhein fertig geworden ist! So viel für die auswärtigen Verhältnisse. Zn den innern nagt Irland an dem Marke Altenglands; doch davon an einer anderen Stelle. Die Auflösung der Union ist die einzige Mög lichkeit, Irland mit England wieder zu verbinden. Daß diese Möglichkeit versucht werden sollte, ist zu bezweifeln; ob sie, stattgefunden, Irland und England wieder vereinigen wird, hängt von der Politik, die dann England befolgen würde, ab. Was aber nicht zu bezweifeln steht, ist, daß unter den Verhältnissen, wie sie jetzt zwischen Irland und England bestehen, eines des anderen Untergang unausbleiblich herbeiführen wird. Irland ist in der Lage, wo es den Untergang seines Nachbarn nicht zu fürchten, weil eS nichts zu verlieren hat, — und so kann es getrost wie bis jetzt sagen: „Ich werde England so viel schaden, daß es am Ende gerecht seyn wird." Die Frage ist nur, ob dies am Ende nicht das Ende scyn wird? Diese Ansichten und Ueber- zeugungcn erlangte ich auf meinen Reise - und Rasttagen in Irland. Wie fie entstanden, habe ich zu schildern gesucht, — und so schufen sich die folgenden Darstellungen." — Wir glauben diese Darstellungen nicht besser erläutern zu können, als indem wir eine Probe daraus unseren Lesern mittheilen. Wir wählen dazu aus dem zweiten Bande die nachstehenden Schilderungen der Ankunft des Reisenden und seines ersten Einblickes in Dublin, wo er sich anfangs nur sehr kurze Zeit aufhal.ten wollte, jedoch der Reiz dessen, was er in der Hauptstadt wie im Lande kennen lernte, ihn Wochen und Monate lang zu fesseln wußte. Späterhin kommen wir dann auf einige andere Episoden zurück: „Dublin, den M. Juni. „Gestern in London, ein Engländer, und heute in Dublin, ein Irländer. Es lebe der Dampf! Dieses rasche Borüberfliegen ist vielleicht mehr als andere Reisearten ge eignet, einen allgemeinen Eindruck zurückzulasscn. Es ist, als ob man die JuhaltSanzeigc eines Buches durchliefe und hier und dort ein Blatt aufschlüge und ansähe. Das genügt meist, um einen Begriff, eine Ahnung von Dem zu bekommen, was man in ihm lernen könnte, wenn man's mit Ernst durchläse. Die Jnhaltöanzeige Englands in der Abtheilung: „London bis Liverpool" ist: Grünes, üppiges Land, kleinschönc Genrebilder, nur selten ein Dorf, über all vereinzelte» rein und gesund ausschende große Pachterhöfe; die rothen Ziegelhäuser in den grünen Baumgruppcn, von grünen Wiesen und Feldern umgeben, thun dem Auge wohl; die Vereinzelung der Höfe erinnert das Herz an die kalte, vereinzelnde Natur des Engländers. Hier und dort fliegt der Dampswagen an Verwandtem, an den rauchenden Kaminen der Fabrikanten, diesen MinaretS des englischen Glaubens, vorüber. Die große Menge der Viehweiden, im Gegensätze zu den verhältnißmäßig geringen Fruchtseldern, haben auch ihre Lehre, sind Anticornlaw-Agitatoren in ihrer Art und zeigen, wie Altengland die Ochsen und die Pferde ganz anders in Ehren hält, als die Söhne und Töchter der „Nobiliy". Auch ein paar persönliche Erfahrungen machte ich. Ich dachte mir: „Was brauchst du dich zu zieren, als armer Teufel ist es eigentlich deine Pflicht, auf dem letzten Platze zu fahren." Zch hatte bereits meinen Sitz neben einem Bauer, gegenüber einem aus Indien nach Irland heimkehrenden Soldaten ge- '1 «'oÜe 1>o„e II.