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Freitag. vir. 18. 4. März 1870. Erscheint Dienstagsund Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Weißeritz-Zeitung. Preis pw Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeile 8 Pfg. Amts- und Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthe zu Dippotdismalde und /raueufleiu. vermtwortlicher Lkdacteur: Lari Zrhne in Dippoldiswalde. —- - — Tagesgeschichte. Dippoldiswalde. Auf das am nächsten Sonntag Abend im hiesigen SchießhauS-Saale stattfindende Con- cert von 9 früheren Zöglingen der Blindenanstalt zu Dresden, die im Gesänge ganz Vorzügliche« leisten sollen, machen wir auch an dieser Stelle aufmerksam, auf das gewählte Programm in den Inseraten dieser Nr. verweisend. Dresden. Durch das eingetretene Thauwetter sind innerhalb des sächsischen Elbstromgebietes bereit« mehrfache Eiszusammenschiebungen vorgekommen, so von der Hirschmühle abwärts bis Schandau, von der Sa loppe bis nach der alten Elbbrücke, zwischen dieser und der neuen, von der Weißeritzmündung bis zum neuen Wasserbauhose u. s. w. Tritt der nöthige Wasserdruck ein, so werden diese Uebelstände leicht beseitigt sein. — Die österreichische Regierung hat bei Niedergrund, wo die Elbufer überall mit hohen Felswänden umschlossen sind und die Sonne spät erst wirken kann im Thauen, Versuche mit Sprengungen des dort 18—22 Zoll starken Eises gemacht. Man ließ zwei Pulverkästen und eine Bleckpatrone, zusammen mit 25 Pfd. Pulver, durch eine Feld-Electrisirmaschine auf einmal entladen, aber die Wirkung war eine nur geringe. Kleinere Eistrümmer flogen 80 bis 100 Ellen in die Lust und — drei Löcher von ca. 6 Ellen Durchmesser im Eise, ohne größere Sprünge oder eine Berstung des Eises zu erzeugen, war das ganze Resultat dieses Knalleffectes. — In Meißen hat sich am 26. Febr. abermals ein Soldat der 4. Compagnie des dasigen Jägerba- taillonS in der Kaserne mit seinem Dienstgewehr er schossen. — Wie in früheren Jahren, so übt auch Heuer der Wintergarten des Herrn Lüdicke (auf Elisens Ruhe) eine große Anziehungskraft auf das Publikum aus, und der Besuch ist wirklich jedem hierher Reisenden zu empfehlen; auch ist derselbe bei der jetzigen milden Witterung ein äußerst zahlreicher. Der Pflanzenreich- thum des Gartens ist sinnig und geschmackvoll geordnet. Chemnitz. Ein junger Mann kam in diesen Tagen zu einem Pfandleiher und wollte auf ein Spar- cassenbuch Geld entnehmen. Die Sache scheint Ersterem verdächtig ; er schickt nach einem Polizeibeamten, der den Mann, da er sich nicht legitimiren konnte, arretirte. Kaum auf der Polizei angelangt, zog er ein Pistol aus der Tasche, schoß sich in den Kops und war sofort eine Leiche. Der Mann schien dem Arbeiterstande an zugehören. Leipzig. Der heurige Carneval, vom herrlichsten Wetter begünstigt, ist unter äußerst zahlreicher Theil- nahme und in gelungenster Weise verlaufen. Es war an allen drei Tagen ein Leben und Treiben aus den Straßen, wie man es nie zuvor gesehen; viele Ge schäfte und Werkstätten hatten geschlossen. Man schätzt die Zahl der in die Stadt geströmten Fremden auf 50,000. Nach diesem vierten glücklich beendeten Carneval scheint es doch, als ob derselbe in dem „nüchternen" Leipzig eine bleibende Stätte gefunden hätte und als ein echtes Volksfest von Jahr zu Jahr an Verbreitung in weitern Kreisen gewinnen würde. Berlin. Der Reichstag hat bei seinen Be« rathungen über da« Norddeutsche Strafgesetzbuch in der vorigen und dieser Woche über die Beibehaltung oder Abschaffung der Todesstrafe lebhaft debattirt. Zum vorläufigen Abschlüsse gelangte die Frage am Dienstag, den 1. März, wo bei der Abstimmung mit 118 gegen 81 Stimmen beschlossen wurde, die Todesstrafe ab- zusch aff en. Die Verkündigung dieses Resultates wurde auf der Gallerte und im Hause mit Bravoruf begrüßt. Das Resultat ist nun insofern noch kein de finitives, als bei Fortsetzung der Debatten über das Strafgesetzbuch der Bundeskanzler Graf v. Bismarck in seiner Rede neue Gesichtspunkte gegen die Aufhebung der Todesstrafe vorbrachte; in seiner Rede gab er auch mit großem Nachdruck die Erklärung ab, daß, wenti der Reichstag die Todesstrafe aus dem Strafgesetzbuche entfernte, dann Preußen nicht nur selbst gegen die Verabschiedung des Gesetzes in dieser Session stimmen, sondern auch seinen gesammten Einfluß auf seine Bundes genossen aufbieten würde, ein Gleiches zu thun. Wien. Die Bewegung unter den Arbeitern erregt hier um so mehr Bedenken, je ungebildeter die Masse derselben in Oesterreich-Ungarn ist. In Pest haben Setzer, welche sich den Bedingungen der Buch druckereibesitzer nicht fügen wollten, ihre bereits wieder in Arbeit stehenden College« mit Messern und Knütteln bedroht, in Wien ist die Erbitterung zwischen Arbeit nehmern und Arbeitgebern in den Buchdruckereien noch im Steigen und die Arbeit trotz erhöhten Tarifs noch nicht wieder ausgenommen, und in den böhmischen Fabriken deS Baron Liebig revoltiren die Weber, trotz dem sie bei gutem Lohne nur 10 Stunden Arbeitszeit haben. Die Arbeiterführer, welche die Masse irre ge leitet, befinden sich zum Theil in Haft, zum Theil sind sie geflüchtet, oder endlich sie operiren so geschickt, daß Andere das Bad für sie auSbaden müssen.