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Waldmensch. Zurück zur Natur. Vier Briefe aus der Sommerfrische Humoreske von Grorg Dörge. (Nachdruck verboten.) l. Hiutcrwald, 7. August 19 . . Ihr denn eine Ahnung, wie es im Walde isf, wenn die Tropfen auf das Blätterdach fallen, wenn alles rings still ist und nur das melancholische Rauschen der nassen Blätter an das Ohr dringt? Nein, Ihr ahnt es nicht, Ihr versteht die Herrlichkeit dieser Melodie nicht, Euch ist diese schöne Seite des Wal des frenvo. Wenn über die Lonne brennt, wenn der schwüle Wald überlaufen ist von schwitzenden Ausflügler»», dann gesht Ihr hinaus und amüsiert Euch! O Ihr Armseligen! Was glaubst Du, was ich heute nachmittag getan habe? Gelesen und geschrieben, weiter kann man Deiner Ansicht nach ja doch nichts tuen in dem langweiligen Neste! Dm irrst Dich! Nicht «ine Seite bedruckten Papiercs habe ich mitgenom men, und das Papier dieses Briefes, über das Du natürlich schon die Nase rümpftest, weil -s nicht Englisch Leinen ist, stammt von der Eckener-Mari, meiner Wirtin, die darauf die Briese an ihren Sohn Pitter, den Kanonier, matt. Du verstehst cks ja nicht, welch hoher Genuß es ist, sich einmal niit einfachen, schlichten Leuten über ihre Sorgen und Freuden zu unterhalten, Du weißt nicht, was es für ein Vergnügen bereitet, aus einem rohen Stück Holz eineir Hammerstiel zu schnitzen! Diese Leute Wissen nichts von Ententen und Entrevuen, sie kennen weder Tolstoi noch Otto Bierbaum, Nun unterhalte ich mich mit meinen biederen Wirts leuten über die Ernte, über den zweiten GrummeHchnitt und über neumodische Düngungsmittel. Ich mache Studien, lerne das Volksleben kennen! — lieber Dein mitleidige» Lächeln bin ich erhaben, amico. Ja, es ist allein dqs Mitleid mit Dir, das mich Dir schreiben läßt — ich hoffe, Dich gewinnen zu können für Hinterwald. Zurück zur Narur! Womit ich verbleibe Drin Mein Freund! Deine liebenswürdige Sendung hat mich tief gerührt, wenn gleich sie einen,bitteren Beigeschmack hatte. Ich habe doch aus drücklich vor metner Abreise erklärt, dah ich in den Ferien-v «ochen nicht rauchen will, und ich hatte auch -ar nicht Bedürfnis, die herrliche Lust zu verunreinigen durch den H «ine, Zigätre UNd der «rief, den Dv Deiner Seftdung-Hö- Letlegt«st,MM der Spitzen-' ""» willst Mich-- . j II. ' Hinterwald, 11. August IS . . ercn gehan kann, wenn draußen der Asphalt auch nur im ge ringsten feucht ist! Ihr könnt Euch diesen Genüß eben -ar nicht stellen! Ohne Schirm, ohne Galoschen und Gummimantel, r im wetterfesten Lodenanzug, derbe Schuhe an den Füßen, der Hach» «inen gewichtige» Hvck — sa tzog ich hinaus, in den ld! Lei ströme nd'om^ ---«-«. MgtV Habt Alter Junge! Wohl kann ich mir das höhnisch grinzende Gesicht vorstellen, mit den: Du heute morgen Leim Erwachen den Landregen kon statiertest! Geschieht ihn» recht Warum vergräbt er sich in solch' ein Nest. Weshalb geht er nicht in ein vernünftiges Bad, in eine Sommerfrische, wo einige Regentage im Kurhaus beim Konzert leidlich verbracht werden können! Statt dessen geht er nach Hinterwald, quartiert sich bei einem Bauern ein und gedenkt dort seinen Urlaub zu re»trauern! Und nun ein Land regen! Es geschieht ihn» recht. — Also sprichst Du, und dann hüllt Tu Dich ein 'n Deinen englischen Gummimantel, ziehst Deine Gummischuh« über die Stiefel!», bewaffnest Dch mit dem Schirm und trittst so, wasserdicht reroackt hinaus auf die Straße. O Du armseliger Kulturmensch! Jetzt bist Du nun schon unter wegs ins Caf», dort spielst Du die üblichen drei Karambolagen, z umpst Deins Lungen mit der schlechten Lust voll und lqgst Dich gegen Mitternacht ins Bett, froh darüber, wieder einen der langweilig«,» Regentage hinter Dir zu haben. O Du Ärmselger! — Ms ich heute morgen zum erstenmal« in Hin wald erwachte, vernahm mein Ohr das melodische Rieseln des feinen Regens — es. klang so deruhigend, so behaglich eintönig, so, als wollte es sagen: hier, mein Lieber, bist Du wett von» k>etriebe der Welt, hier findest Du Ruche! Und die würzige Luft, Freund! Unverfälschte, reine Landlust. Ich frühstückte frugal, aber gut, und machte dann einen ausgedehnten Spazier gang durch «den Wald. Ich sehe, Du lachst. Nun freilich, wie kann so ein Stadtmensch, wie Du. fich ausmalen, dich man spa zieren gehan kann, wenn draußen der Asphalt auch nur im ge- garren Hinwegtrösten über die traurigen Wochen, sie sollen mich vor dem gänzlichen Verblöden bewahren, so schreibst Du — das tut weh, Freund. Ich muß eben zu meinem Bedauern feststellen, daß Du immer noch nicht reif bist für dieses Idyll, sonst würdest Du wissen, Laß man absolut nicht eine Zigarre im Munde haben muß, um sich Hier zu erjholen. Aber ich will von diesem Punkte «dhen. Zurüchchicken kann ich Dir di« Kiste ja nicht, ich werde die Zigarren des!)alb rauchen, wjenn ich abends in der Diele am Herde sitze. Da mein Wsirt Pfeife raucht und ich d.n Knaster dieses Biederen nicht vertrage, kann ich mich schließlich aussöhnen. Es regnet leider immer noch, doch sprechen nach den Gut achten der Hinterwälder alle Anzeichen dafür, daß wir in den nächsten Tagen das schönste Wetter haben. Dann wird es im Walde herrlich sein, und ich werde nachholen, was ich während der letzten Tage Hausarrest versäumt habe. Diese unfreiwillige Haft hat aber auch ihr gutes, ich kann Mich so leichter an das Landleben gewöhnen, namentlich auch an die kräftige Kost, dis mein verweichlicher Magen noch nicht so rocht verträgt. Dummer- weise schlug ich mir gestern, als ich dem Eckener-Hans beim Reparieren seines Leiterwagens half, mit dem Hammer auf den Daumen, so daß ich links noch nicht recht zufassen kann. M« soll unsereins auch «erstehen, mit einem Hammer umzugehen! Mai» muß eben noch viel lernen. Für die angeboten« Endung Bücher wäre ich Dir dankbar, da ich nicht weiß, wü« lange sich die Sache mit dem Daumen noch hinzieht. Auch könntest Du vielleicht ein öder zwei Kistchen Zigarren beipacken. Aber claro, bitte. (Die gesandten sind colorado claro!) Wie geht' es Dir denn? Ich finde Deinen Brief recht dürftig und er warte ein längeres Schreiben. Stoff mutzt Du doch haben, da Du ja den ganzen Tag mit Bekannten zusammenkommst. Mels Grüße . < Dein alter Gustav. III. , Hinter,wald, 16. August IS.. / Lieber Karl« > Herzlichen Dank für die gesandten Bücher, die ich heute au«. s gelesen haba Merkwürdig, daß man art ddm Landest» gerne Schilderungen des pulsierenden Lebens, ckr eleganten Welt lieK M während man in der Stadt die Sachen Weicht, di« in der fried- mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonnlagsblatt. Diese Nummer umfaßt § Seiten. Zeppelin wird in Berlin auf dem Tegeler Schieß vlatze landen. (S. Art. i. Big.) Die sieben Sozialdemokraten, die in Friedrichshafen an dem Besuch beim König von Württemberg leilgenommen hatten, wurden von einem Parteige- richt in Stuttgart verurteilt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von 0—5 Uhr. — Telegramm-Abrrffe: Tageblatt Ao«. — Fernsprecher stt. Für unverlangt eingrsandt» Manuskript« kann Gewähr nicht geleistet werden. Verantwortlicher Redakteur: stritt Mrad»««.. Für di« Inserat« verantwortlich: w»!ttr strim». Beide in An« i. Lrzgeb. Der Auer Fachschülerstreik. 'S? Es »st alles schon einmal dagewesen. Auch Schiüler- uusstände sind nichts neues; an den Hochschulen spielen sie von jeher eine große Rolle als Protestmittel der Studentenschaft gegen Anordnungen der Uninersilcttsbehörden, idie als Eingriff in die akademische Freiheit empfunden werden und auf den russischen Gymnasien bilden sie heutigen Tages eine ständige Druck »nd Verlag stmr »r,«-». verl»ltt'ü«»«ü»ch»n m. b. H. , in An« i. Grzgrd. Das Wichtigste vom Tage. Der Streik derAuerFachs ch üler dauert unverändert f or t. (S. Leitart.) Mick i G - Rr. 18S Äerter Ist Die Schaffung eines ständigen Beirats für Post- und T e l eg rap h e n - A n ge le g e n h ei 1 en für das Deutsche Ruch wird an zuständiger Stelle erwogen. (S. pol. Tgssch.) Km Riespebiet hat sich eine neue Ächlachr ereignet, bei der ' »V i ! Nach Meldungen aus Konstantinopel soll der Zar beab sichtigen, im Oktober inKonstantinopel emzutreffen. —-- '. s iE" Mutmaßliche Witterung am 18. August: Südwestwind, heiter, wärmer, Gewitterneigung. *HUI Einrichtung. Mit Ausnahme der Studentenstreiks aber ist Las deutsche Schulwesen bislang wohl von Schuljerausstäuden verschont geblieben. Wenigstens ist uns nicht erinnerlich, ähn liches wie das, was sich zurzeit in Aue adspielt, schon gehört oder gelesen zu haben. Mäg im Mittelalter sich gleiches in deut schen Landen zugetragen haben, ivenn der Magister gar zu "n- sanft mit seinen unsrumben Scholaren umsprang. Damals steck»-, dem Deutschen noch nicht die Lichtung vor der Schule so im Blute wie heute, da er ie schon mit der Muttermilch ein laugt. Das ist so geworden, seitdem Las sprichwörtlich« VoMckul- nieisterlein aus den lichten Gegenden unseres Vaterlands ver schwunden ist, um nur noch »in dunklen Osteilbien unter junker licher Zuchtrute sporadisch anszutauchen In .Unserem Sachsen aber, das seit Jahrzehnten an dsr Spitz« des deut sche'» Schulwesens marschiert, Härte man bis geistern «inen Schü lerstreik wohl zu den Unmöglichkeiten gezählt. N u n wi ssen wir, daß es leichter ist, sich zu täuschen, als eil»« Enttäuschung zu ertragen. . Denn daß geraioe in unserem' A u e ein Zerwürfnis zi?Men Schülerschaft und Schulleiter eintreten mutzte, ,ein Zerwürft !^- das so tief kluftet, daß -es zur Unmöglichkeit wurde, van hübens nach drüben ein« Brücke Les Ausgleichs zu schlagen — das ist tief bebau er NH. Unsere i He imatsstadt Ist damtt dem Svvtte.de» qaDzeu. Peichss. rtt Wnfrrst .Wordch»,—<V«*-fUMr-' Fachschüler-Streik ist st» eth Her Hinsicht «ine Küpenick- vr-r um jede»» rätte vermieden werden m ü >ss e n. Dies nicht rechtzeitig erkannt und in seiner ganzen Tragweite nicht bei Zeiten erfaßt halben, »st ein Vorwurf, den wir dem Leiter Lor Anstalt nicht, ersparen können. Denn nicht die Schülerschaft allein darf für diesen unerquicklichen Aus gang der Meinungsverschiedenheiten verantwortlich gemacht werden — in erster Linie liegt dem Direktor di« Pflicht ob, über den guten Ruf der Schul« nach innen und außen hin zu wachen. Nach ihm erst, der darin ein nachahmenswertes Beispiel geben soll, shat die Schülerschaft dieselbe Pflicht zu erfüllen. Der Anstaltsleiter hätte deshalb alles, was in seinen Kräften steht, daransetzcn sollen, um einen Ausgleich herbeizuführen, selbst auf di« Gefahr hin, in diesen oder jenen Kleinigkeiten nachgeben zu müssen DanKt hätte er seine Autorität nur festigen können, der Schülerstreik da gegen hat sie zum mindesten stark erschüttert. Bezug,prei,: Durch unser« Voten stet in» Han, monatlich so pfg. Vet ter Geschäftsstelle adgeholt monatlich O» pfg. «nd wöchentlich »o pfg. — Bet der Post bestellt »nd selbst abgeholt vierteljährlich ».so Mk. — Durch Bin Briefträger stet in» Saus vierteljährlich ».-2 Mk. — Einzeln« Nummer »o pfg. — Deutscher Postzeitungs katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahm» von Sonn- »nd Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätesten, Uhr vormittag,. Für Aufnahme von größeren Anzeigen an bestimmte» Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn st» am Tag» vorher bei un, »ingehen. ttnsertionspreis: Di» fiebengespaltene Xorpuszeile oder deren Raum ,o pfg., Reklamen 2» pfg. Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Was ist di« Ur fach« zu dem Qperettenkriog, der sich - in unserer deutschen Fachschule für Blecharbeiter und Installa teure abspielt? Wie oben schon bemerkt, sind es Kleinigkeiten, noch bester gesagt: Kleinlichkeiten. Ein neuer Herr ist in die Anstalt eingezogen, und neue Herren pflogen stets mit Reorganisationen und Reformationen zu kommen. Das zu tun ist ihr gutes Recht und es ist gut, wenn sie von diesem Gebrauch machen. Geht daraus dock) hervor, dah die Sach«, der sie fortan dienen sollen, ihnen a >.» Herzen liegt. Nur müs sen die Reformen auch sorgfältig auf ihr« Wirkung berech net werden; und unklug wäre es, wenn alte, bewährte Ein richtungen umgestoßen würden, ohne sie Lurch fortschritt licher gehalten« zu ersetzen, die eine noch bester« Bewährung versprochen. Vorwärts immer, rückwärts nimmer! Und erst recht nicht bei Neolganijationen! Die Schülerschaft be hauptet, Laß diesem Wahlsxuiche nicht allenthalben «ntspvo- i chen worden sei. PorlauftL^Mk/ein Grund..vor- in diese Bc^ f haupttzvg Zweifel zu setzen. uin so weniger, als die Leh- j rieischaft in dein ungleichen Kampfe mtt ihren Sympathien -' sius dsr Seite oer Schüler steht. Ungleich aber ist der Kampf » i ^deshalb, weil die Schüler eventuell über kuH oder lang auf dis- / «sn^^ischem Wege zur Wiederaufnahme der Arbeit oder zum / Auetkift ' M Schule gezwungen werden / Deutschen aus PreE^o aus Aue auszmvandlern und and- ,, eine Niederlassung mit gleichen Zicken wie unsere Fachschule-zu gründen. In diesem nicht unmöglichen Gezwungen-... werden also liegt die Ungleichheit der Waffen bei den / Gegnern, denn den Schülern sicht kein Whtttel zur Hand, um ' ihren Direktor zu einer abermaligen Reorganisation im Sinne der früheren Verhältnisse zu zwingen. Wir glauben aber nicht, daß die Fachschüler den Staub Au.es von ihren Füßen schütteln werden, vielmehr wird di« Palastrevolution bald beendet sein, wenn nicht aus dem Wdge disziplinärer Gewalt, so durch end liches gütliches llebereinkommen. Ein solches Mr hätte — wie gesagt — schon längst er zielt werden sollen. M ö g -ich« Folgen des Streikes hätte der Anstaltsleiter von vornherein übersehen und feine Taktik da nach einrichten, das heißt: die Hand zur Versöhnung reichen müssen. Wir müssen damit rechnen, daß kein Schüler ver pflichtet ist, die Fachschule zu besuchen. Was im Vergleich DtcMstag, MWWH MM Üuer Tageblatt § und Anzeiger Mr das Erzgebirge