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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.07.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080706024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908070602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908070602
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-07
- Tag 1908-07-06
-
Monat
1908-07
-
Jahr
1908
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LezugS'Prei» Br L«U>»'S »a» >6ll«rr, ,«ch imler, Lrüq« und kveditru« »t Hau« ^drachtr »ud^ba t (nur »«rar»«) ««rtrlMrltch » «.. »EM^I «.; «u«m>dr » <»,««»« und abend«) i»»r«I. tthrli» <L0 M.. manutli» ILü M. Durch du Dost ,» bextehea: st mal lftglich) innerhalb Deutlchland« und der deuklchen ltolonirn vterlel Ehrlich 5,25 muatltch 1.75 M. auljchü Post- bestellgeld, Br Orfteruich v L 86 d, Ungarn 8 L vierteljLhrltch. Zarnrr in Bel gien, DLnemark, den Donauknalen, Italien. Luxemburg, «iederlande, «ormege», »uh- land, Schweden, Schwel» und kvanren. In «ll«a tbrtaan Staaten nur dtrekt durch dw »xmd.d. «l. -r-tltltch. bei «nie«» Lrstaer», HUtal^ Kv^u2rm> und Lunahmeitellen, iowt« Pufttmtrrn uu» Lries trtgerrr LU «togeln« »tuunuer loste» Ich chfg. ledaktie» and Grvedttt»»: Johanuitgast« 8. »elevbon «r. I4SSL «r. 14SW. »r 146»». Abend-Ausgabe L, KMgerTWMM HandelszeUung. Ämlsvlatt des Males und des Molizeiamles der Ltadl Leipzig. Nr. 185 Montag 6. Juli 1908. Anzeigen-Prer« Br Nulman »u» reu'»»» um, Umgebung dw staei-aUen» VrtUgril« 25 Bi., stnao»>ell, «NM,«» 60 W.. Bevam« l Vi.: »» -a«wLrt« i» cht„ «irHame» UW «.. »ewtlulland 5UPi., ftnan». istn»e«gr»75ch>. stiellamr» U50 w. Inierat«». BeddrdrU o amtlichen »eilMit», veilagegedüdr 5 M. ». Lautend «xll. Post gebühr. Getchüsttangeigen an deoorzugiei Stelle im Preite erhbht. Rabatt nach iarn ffefterteilt» Lnttrüae können nut» »urüil. aejogen werden. Für da» scheinen en brftimmtea Lagen und Blühen wir» lein« Saranti» üdernemmen. «a»eigra.L»nahin-> Nu,aft u«plag v, bet Itmtlichea Filiale» u. allen tünnoncen. Expeditionen de« Au» and Sn«lande« Hanpt-Filiale Srrlt», E«rl Duaiter, Herzegl. Bagr. tz»tdoch. Handlung, Lützmvkrahe Illi lLelevhon VI, Nr. 460S). Haupt-Filiale vreldeu: Seeltrabe 4. I (Lelevhon 462Ul. 102. Jahrganq. Da» wichtigste. * Der Verband bayrischer Metallindustrieller hat seinen den Angestellten entgegenkommenden Beschluß auf Zurückziehung des bekannten Rundschreibens vorläufig inhibiert. (S. Dischs. R.) * Der Besuch des russischenKaiserpaaresinöngland soll in Cowes stattfinden. (S. Ausl.) * Der französische Sozialist Iaures will wegen der Marokko- Angelegenheit von neuem in der Kammer interpellieren. (S. ZluSl.) * In der gestrigen schweizerischen Volksabstimmung wurde die Verfassungsrcvision sowie das Absinthverbot angenommen. (S. AuSl.) *JnAnnaberg tagte gestern der 6. sächsische HandlungS - ge Hilfentag. (S. d. bes. Art.) Liberaler Atongretz in München. ^1. n. München, 5. Juli. Als Ende der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts liberale Männer, wie Benningsen und Schulze-Delitzsch, den deutschen National verein gründeten, da taten sic es, uni gegen den nationalen Partikularis- mus den deutschen Einigungsgedanken zu propagieren. Als aber im vergangenen Jahre wiederum liberale Männer in Heidelberg zusammen- traten, um einen neuen Nanonalverein für das liberale Deutschland ins Leben zu rufen, da schwebte ihnen als Ziel die liberale Einigung vor, die sie auf ihre Fahne schrieben, um der kräftevergeudenden Zersplitterung im deutschen Liberalismus ein Ende zu bereiten. — Betrachtet man nun rein praktisch diese Frage für ganz Deutschland, besonders aber für das Deutschland nördlich der Mainlinie, dann kann man nicht anders, als mit einem gewissen, leider nur zu berechtigten Skeptizismus an sie heran treten. Und man muh vor einer gar zu leichtfertigen Einigungspolitik warnen, um nicht durch sie Schlimmeres, nämlich eine danach wieder auftretende Sezession hervorzurufen. Anders liegen die Dinge in Süddeutschland. Hier hat der liberale Eirngungsgedanke schon teilweise so tiefe Wurzeln geschlagen, dah man z. B. in Bayern allen Ernstes an oie Auflösung der Parteiorganisationen zugunsten der Schaffung einer allgemeinen liberalen Landespartei denkt. Ob hierin, wie die Dinge nun einmal im Reiche liegen, wirklich schon das Heil liegt, ob damit nicht vielleicht eine Störung in die liberalen Parteigruppierungen im Reichstage hineingetragen wird, wollen wir an dieser Stelle nicht weiter untersuchen. Tatsache ist, dah der National- verein sich mit Eifer und auch mit Erfolg seither der Propagierung des Einigungsgedankens, wie überhaupt der Förderung des Gesamtliberalis- mus angenommen hat, und dah daher zu hoffen ist, er werde auch künftig hin zwischen den vielen Klippen, die er auf seiner Fahrt durch die Partei differenzierungen, programmatische sowohl, wie häufig auch nur einge bildete, vorsichtig zu umsclKfsen hat, glückhaft hindurchbugsieren. Der liberale Kongreh, der heute und morgen die Freunde des Eini gungsgedankens in München versammelt, erfreut sich eines zahlreichen Besuches, allerdings hauptsächlich aus Bayern und Württemberg, und er hat ein reiches Arbeitsprogramm zu erledigen. Gestern fanden bereits Borberatungen statt, in denen die weitere und erweiterte Abhaltung von politischen Ausbildungskursen svorerst noch in Frankfurt, später vielleicht in Leipzig oder Kassel) beschlossen wurde. In der heutigen Vollversammlung wurden Thesen zu der Frage: „Liberalismus und Verfassung" von den Referenten und dem General sekretariat angenommen. Dr. Marwitz- Berlin sprach sich in seinen Thesen namentlich dafür aus, dah die Freiheit des religiösen Bekennt nisses und der Vereinigung zu Rcligionsgesellschaften durch die Reichs verfassung zu gewährleisten sei, dah aber diesem Recht die Pflicht der Rcligionsgesellschaften gegenüberstehe, sich im Interesse des Staats wohles den Anforderungen des Staates zu unterwerfen. Die Kirche, meinte Marwitz bei der Interpretation seiner Thesen, dürfe nicht über der Verfassung stehen, wie dies in praxi leider vielfach der Fall sei. — Zu den einzelstaatlichen Wahlrechtsfragen stellte Marwitz die These aus: „Das Rcichstagswahlrecht ist das beste aller bekannten Wahlrcchts- sysleme, es ist daher seine Einführung in den Bundesstaaten grund sätzlich zu fordern." lieber die Verwaltungsfragen heißt es im Schluß satz der 5. Marwitzschen These: „Die Verwaltungsbeamten sind ohne Rücksicht der Standes- und Parteizugehörigkeit, sowie des Religions bekenntnisses lediglich nach Maßgabe ihrer sachlichen Tüchtigkeit zu er- nennen und zu befördern. — Der zweite Referent, Prof. Günther- München, meinte, die Verfassung des Deutschen Reiches war 1871 ein genial erdachtes Notgesetz, sie bedürfe aber nach bald 40 Jahrn einer gründlichen Revision, und es sei im hohen Maße wünschenswert, daß Deutschlands Politiker sich gründlichst mit der vernachlässigten Ver- sassungssrage beschäftigten. — Unter den Diskussionsrednern siel Pfar rer I). Naumann dadurch auf, daß er wieder gar zu sehr in seinen früheren theoretisierenden Ton hineinkam, daß er eine — künstlerisch betrachtet — ungemein hochstehende, für die gegenwärtige praktische Si tuation aber kaum irgendwie verwertbare Rede hielt. Recht eindrucksvoll, wenn auch ohne weiteres auf Preußen übertragbar, war seine Dar- stcltung, wie Oesterreich trotz der scheinbaren Unmöglichkeit doch Plötz- lich ein modernes Wahlgesetz bekam. Die „Situation", gegeben durch da' Verhältnis zu Ungarn, war die Veranlassung, und der berühmte Marsch über die Ringstraße gab den „Rhythmus" dazu, daß das Un mögliche möglich wurde. Naumann hofft, daß aus einer ähnlichen Si tuation und einem entsprechenden Rhythmus auch das Reichstagswahl- rccht für Preußen kommen könne, trotz Krone, Ministerium, Herren haus und Parlamentsmehrheit. Man sieht, Naumann hat auch als Parlamentarier seinen Optimismus und Idealismus noch nicht ver loren, ob ihm jedoch die Entwicklung der Tinge recht geben wird, kann man denn doch recht sehr bezweifeln. — Morgen teilt sich der Kongreß in eine soziale Abteilung und eine solche zur Landwirtschaft. Abends findet eine große Volksversammlung im größten Bierkeller Münchens statt, in der die Reichstagsabgcordneten Dr. Wölzl sNatl.j, I). Nau- mann sFrs. Vgg.) und Müller-Meiningen sFrs. Vpt.h ferner an Stelle des jungliberalen Reichsverbandsvorsitzenden Dr. Fischer, der plötzlich vcihindert ist, F. v. Lassaulx-Franksurt, sowie Fräulein Pappritz-Ber- I:n sprechen werden. „wilhelin H als TvSumer." Der Kaiserartikel Professor Mabilleaus in der Pariser „Opinion" unter dem Titel „Wilhelm II. als Mutucuist" hatte bekanntlich großes Aufsehen erregt und sogar zu einer offiziösen Entgegnung geführt, ^zetzt erst, von einer Reise zurückgekehrt, antwortet der sranzösiiche Gelehrte aus die offiziöse Auslassung in der „Opinion" mit einem Artikel „Wil helm II. als Träumer", in dem er manche Ergänzungen zu seinem ersten Aufsatz gibt. Mabillcau begnügt sich zu zeigen, wie der Kaiser die Poli tik ansieht, welche Ideale ihm vorschweben, und wie er sich frei von allen diplomatischen Rücksichten fühlt. Mabilleau ist ties davon überzeugt, daß der Kaiser trotz des mili- tärischen Apparates, den er so prunkvoll öffentlich zu zeigen liebt, das Ideal seiner Herrschaft in der wirtschaftlichen, industriellen und wissen schaftlichen Entwickelung Deutschlands erblickt, die.er im Verein mit der Entwickelung anderer Völker im Sinne einer harmonischen Ausgestal tung des zivilisierten Europas anstrebt. Mabilleau erklärt, er halte es für seine Pflicht, diese Eindrücke jetzt der Oesfentlichkeit zu übergeben, weil er seine Landsleute über einige Gelegenheitsworte des Kaisers sich erregen sieht. Aus seinen Erinnerungen, die leicht einen Band füllen könnten, habe er alles unterdrückt, was zu internationalen Mißverständ nissen Anlaß geben könnte. Aber er erklärt, daß sein Artikel zwar raich geschrieben sei, aber doch nur Wahres enthalte, und daß er mit ihm «einem Vaterlandc und auch dem Ansehen des Kaisers nützen wolle, so weit dies mit der Ruhe und der Ehre Frankreichs vereinbar sei. Neber die beiden Punkte, ocnen in Deutschland widersprochen worden ist, er- klärt er folgendes: Er habe nicht den Wortsinn der Aeußerungen des Kaisers wicdcr- zugcben versucht, sondern die Endziele des politischen Ideals, das Wil helm II. in sich trägt. Der Kaiser sei zu höflich, um direkt von einer Hegemonie Deutschlands über die „Vereinigten Staaten von Europa" zu sprechen. Aber man habe seinen Aeußerungen entnehmen müssen, daß er in der Staateugruppicrung, die er anzuregen versuchte, die ent- scheidende Stelle sich selber vorbehält. Man müsse einen Unterschied machen zwischen „kltuts-Oni^" und „ötats-uriis", die nie einig sein könn- ten. Mabilleau fügt hinzu, daß der Kaiser bei diesem Staatcnbundc vor allem an Frankreich gedacht habe. Auf dem bekannten Bilde „Völker Europas! Wahret eure heiligsten Güter!" führt Deutschland Frankreich an der Hand, allen übrigen Staaten voran, und dann kommt nach Ruß land und Spanien, zögernd und vorsichtig, England. Das erscheint Mabilleau bezeichnend für die Gedanken des Kaisers. Jetzt fürchte der Kaiser außer derselben Gefahr" die „amerikanische Gefahr" und bc- sonders die „revolutionäre Gefahr". Die erste, die amerikanische, sei weniger bedenklich, weil sie nur wirtschaftlicher Natur sei, doch auch gegen sic müßten sich die Völker Europas wie gegen di« revolutionäre Gefahr durch einen Jntcressenverband schützen. Alles, was diesem Zu sammenschluß hinderlich sein könnte, auch die „Ontcntv oorcli-fto", wie sie der Kaiser irrtümlich ausfaßt, mache den Kaiser unruhig und nervös. Nur kurz geht Mabilleau aus den zweiten Punkt ein, der in Deutschland beanstandet wurde, auf den Ersatz für Elsaß-Lothringcn, an den angeblich der Kai'er gedacht habe. Mabilleau sagt, er habe nicht sagen wollen, daß der Kaiser daran denke, durch diesen Ersatz die Mög lichkeit zu erfassen, mit Frankreich zu verhandeln. Die Möglichkeit könne sich erst ergeben in einem Europa, wo das Recht jedes einzelnen Staates durch einen alle i Völkern genehmen Vertrag geregelt ist. Nicht eine Aenderung, sondern eine definitive Regelung des Gleichgewichtes habe der Kaiser im Sinne. Am Schluß fragt Mabilleau seine Lands leute, ob die Verzichtleistung auf jede nach Elsaß-Lothringen schauende Hoffnung nicht durch Gründe der höheren Staatsroison, durch einen freieren Ausblick in die Zukunft sich rechtfertigen ließe. Die „ssustioo immanent« <1e l'histoire", von der Gambetta sprach, sei ebenso durch gemeinsame .Handlungen und Verhandlungen wie durch kriegerische Unternehmungen gewonnen. Mabilleau weist selber daraus hin, daß alle diese Ideen rein theore- tiicher Natur seien und bisher auf die Völker keinen Einfluß hatten. Er hofft, daß der neue Mut, der dazu gehöre, in dieser Weise Frankreichs Interessen zu fördern, seinen Landsleuten nicht fehlen werde. Aber das Ganze bliebe eine Utopie, die ungefährlich sein könne, solange sie ledig- lich schriftstellerisch entwickelt würde, die aber bedenkliche Irrtümer er- zeugen könne, wenn sie von einem Herrscher auf dem Throne geträumt werde. Der Lnlenbrrrg-Orozesz. Berlin, 6. Juli. (Privattelegramm.) Aus der Eulenburg schwer belastenden Aussage des Bergmanns T r o st werden der „B. Z." „von zuverlässiger Seite" noch folgende Einzelheiten laut: Eines Morgens um 10 Uhr war Trost auf der „Hohenzollern" in der Kabine Eulenburgs beschäftigt. Dieser begann mit ihm ein Gespräch und fragte ihn, ob er „ein Mädel habe". Trost bejahte die Frage. Der Graf fragte dann weiter, was er denn mache, wenn er so lange von ihr getrennt sei, worauf Trost ausweichend antwortete. Nun fragte Eulenburg, ob die Schiffsmannschaft öffentliche Häuser besuche, was Trost dahin beantwortete, daß das wohl vorkomme. Der Graf, der bis dahin gesessen hatte, stand dann auf und näherte sich Trost und richtete an ihn eine Frage, deren Worte wiedcrzugeben unmöglich ist. Der unzweideutige Sinn dieser Frage sei gewesen, ob Trost und seine Gefährten unter einander Beziehungen hätten, die im Sinne des Z 175 verboten seien, oder ob sie ihre Bedürfnisse in strafloser Weise befriedigten. Er sei feuer. Feuilleton. Der Durst nach dem Glück erlischt im Herzen des Menschen nicht. Rousseau. Iona» Lie Von Herman» Lehmkuhl. Die jetzt alte Dichtergenevation, die einst aus dem nordischen Boden so plötzlich und unermeßlich reich emporblühte, schwindet nach und nach. In drei Jahrzehnten quoll eine Dichtkunst da oben, die neu und fremdartig über Europa einbrach, die neue Wege zeigte, die aber vor allem frisch und ursprünglich aus einem Boden sprang, der große Schätze in sich zu verbergen schien. Es ist wohl jetzt zu früh, in den letzten Konsequenzen klarlegen zu wollen, wie groß üie>e Schätze waren, und welche dauernde Einflüsse auf Kunst und Leben der Norden durch seine Dichter ausgeübt hat. Das wäre zukünftigen For schern Vorbehalten. Von den vier Namen, die über diese Generation leuchteten, gehört jetzt nur , einer dem Leben. Der alte Dichter mit dem ewig jungen Herzen, Björnson, steht noch, wie es scheint, in voller Kraft. Er steht aber einsam. Ibsen uno Kielland waren schon ge schieden, und jetzt kommt die Nachricht, daß auch Jonas Lie gestorben ist, 75 Jahre alt. — Jonas Lie ist eigentlich derienige, dessen Name am wenigsten leuchtete. Er stand nicht, wie die andern, im Glanze der neuen, hervorstürmenden Epoche. In seinem ersten Buche „Der Hell seher" gibt er die Einsrücke wieder, die die mächtige Natur Nordlands, wo er von seinem 5. bis 12. Jahre lebte, und das phantastische, aben teuerliche Leben in dieser Natur, in seiner Kinder- und Knabenseele zurückgelassen hatten. Es steckt ein bißchen Romantikertum in diesem Buche. Nicht wohl im Sinne der deutschen Romantik, denn Lie schiloert realistisch genug. Aber das Leben uno die Menschen da oben — das alles ist doch romantisch und phantastisch gesehen. In Norwegen aller- dings, wo die Romantik nicht die Form hatte und nicht die Rolle spielte, wie in Deutschland, machte das Buch großes Aufsehen, und das um so mehr, als die Welt, in die man hier einen Einblick bekam, selbst für die meisten Norweger ein neues und wunderbares Land war. Der 37jährige Dichter stand mit einem Schlage in gleicher Linie mit den anderen Großen der Heimat. Aber auch im Auslande bat das Buch wegen seiner Fremdartigkeit Eindruck gemacht, und zahlreich sind auch die Dichter, die aus dieser Welt neue Anregungen mitgenommen haben. Auch in seinen nächsten Büchern ruht Lie in seinen Schilderungen im Nordland aus oder er wendet sich dem Seemannsleben zu, wozu ihm übrigens auch schon die Nordlandzeit die Anregungen gegeben hatte. So in „Der Dreimaster Zukunft", „Der Lotse und seine Frau" und „Gaa paa". Und wenn er sich später dem modernen Leben zuwendet, wird man immer Züge finden, die zurückzuführen sind in dies Noroland. „Dore Rein", der in dem ruhigen, idyllischen Alltagsleben der Land- beamtensamilie so plötzlich auftaucht, wurzelt in einem fernen nörd lichen Boden. Auch im „Faste Forland", der in die kleine Stadt mit seinen Plänen und Projekten kommt, steckt ein Nordlandsmensch, der Größe um sich zu sehen gewohnt war. In „Trold, ein Hausen Märchen", wo L'.e als D : ch t e r am höchsten gelangt ist, steht er wieder mit beiden Beinen im Land seiner Jugend. Auch da, wo er als Dra matiker seinen größten Erfolg errang, jm „Lindelin", ist die Haupt figur, das Mädchen Lindelin, da weit oben aus dem Norden her geholt: sie ist eine wunderbare Mischung von Mensch und Tier — „die urmenschliche naive Verführerin des Abenteurers!" Nach den ersten Büchern reiste Lie viel. In Deutschland wohnte er in Dresden und in Berchtesgaden zusammen mit Ibsen, in Rom und zuletzt in Paris, bis er vor einigen Jahren endgültig zurückkedrte nach Norwegen. Sein Blick wird erweitert, Zola übt seinen Einfluß aus ihn. Es folgt eine Reihe von Romanen, die direkt auf das moderne Leben losgehen. Er ist zu seinem Uebrrdruß „der Familiendichter" genannt worden. Er war es doch. Nicht nur in dem Sinne, daß «eine Bücher so leicht den Weg in jedes Heim sanden. Aber dadurch, daß er wirklich der Dichter der Familie war. Entweder heiter, sorg- los, voll von Laune und Humor, wie in der „Familie auf Gilge , od«r er zeigt die niederschmetternden, tragischen Mächte, die über eine zum Glück bestimmte Familie hereinbrechen können: durch die Kinder, wie in „Niobe", durch die untreue Frau, wie in „Wenn die Sonne unter- geht". Als Erzähler steht er neben Björnson auf dem ersten Platz. Von dem norwegischen Kleinstadtleben hat er Milieuschilderungen ge- geben, die als einzige und klassische dastehen. Von seinen letzten Büchern muß „Wenn der Vorhang iällt" erwähnt werden. Er hat hier das Leben so, wie es ihm vor den Augen lag, mit seinen tausend bunten Erscheinungen, geben wollen. Als Schauplatz hat er einen großen Amerikadampfer gewählt. Eine Fülle von sicher gezeichneten Gestalten finden sich in dieser Welt «n Miniatur« zusammen. Als Ganzes steht wohl das Buch als der Gipfel seiner Werke da. Hier ist der Psnchologe, der Erzähler und auch der Dramaturg Lie zum ersten Male völlig zu sammengeschmolzen. Sein letztes Buch überhaupt ist „Oestenfor Sol og Vestensor Maane", ein Roman, der von dem kleinen Neid gegen alles Große erzählt. In diesem Buche läuft parallel mit der Ent wicklung der eigentlichen Erzählung eine Reihe von Märchen aus dem Tierleben im Walde, auf dem Berge erlauscht. Das Treiben der Tiere beleuchtet in wundersamer Weise das Treiben der Menschen. Da war Jonas Lie noch einmal und zum letzten Male nach seinem Zauberland zuruckgekehrt. . war er, dem die schroffen Mittel nicht unbekannt waren ft>er Schluß in „Niobe"), zuweilen romantisch gefärbt, durch dessen Werke doch stets eine milde Güte wehte. Jm Leben Jonas Lies und in seinen Werken steht neben ihm eine Gestalt, die man nicht übersehen darf und nicht übersehen kann: seine Frau. Was er aus das Papier geworfen hatte, überschwenglich, ein bißchen formlos —, darüber ging dann ihre seine, kritische Hand und glättete und formte aus. Diese Harmonie in Arbeit und Leben, wo eine so völlig den anderen ausfüllte, ist vielleicht das schönste, was dies Dichterleben hinterließ. Als die Frau im vorigen Jahre starb, war Jonas Lie nicht mehr er selber. In den letzten Tagen vor seinem Tode lag er zwar bewußtlos. Wenn er sprach, galten alle Worte nur seiner Frau. So war ihr Tod in gewissem Sinne schon der seine. . . . * Unveröffentlichte Uebbel-Vriefe. Der bekannte Hcbbclforscher Prof. Richard M. Werner veröffent licht im Literaturblatl der „Neuen Freien Presse" eine Reihe bislang ungcdruckter Briefe Hebbels aus dem Beginne der sechziger Jahre, die dem Gelehrten durch Prof. Georg Witkowskis Hilfe aus Privalbcsitz zugänglich gemacht wurden. Ter erste Hauptteil der Korrespondenz, die aus zehn Briefen besteht und an John Marshall, den Privatsckrciär der Großherzogin Sophie von Weimar gerichtet ist, beschäftigt sich mit der Erwägung einer Ucbersiedclung Hebbels und seiner Gattin, der Hof- burgschauipielerin Christine Hebbel, von Wien nach Weimar. Sie wurde einerseits durch Intrigen am großhcrzoglichcn Hose, trotz aller Gunst des großherzoglichen Paares, Intrigen, an denen Dingelstedt nicht un beteiligt scheint, anderseits durch Besserung vereitelt, die Hebbels Wiener Verhältnisse um diese Zeit erfuhren. Bald bat der Dichter selbst, alle Schritte, die von den Freunden in Weimar für die Heran- ziehung Hebbels getan wurden, doch wieder einzustellcn. „Meine Bitte, bei Ergänzung der in dem Weimarer Hostbcater- personal vorhandenen Lücke ja aut meine Frau keine Rücksicht mehr §u nehmen", schreibt Hebbel an John Marshall, „befindet sich bereits in den Händen des Generalintendanten, und den Hofmarschall Herrn Grasen von Beust habe ich gleichfalls verständigt. Hier (in Wien! ist die Direktion, sowohl die artistische wie die höhere, über die gütliche Beilegung des Konflikts außerordentlich erfreut und hat cs durch frei willige Aussetzung eines Spielhonorars bewiesen, das sich jährlich, gering angeschlagen, auf 600 sl. K.-M. belaufen wird. Zugleich bat meine Frau beim Publikum durch ihre erste n«uc Rolle einen glänzen den Triumph gefeiert, und zwar einen ganz unbestreitbaren, denn daS Stück („Der arme Marquis") ist von den hiesigen Mitgliedern ohne sie bei ihrem Gastspiel in Berlin zur Ausführung gebracht worden und — diirchgefallen. Es steht also alles aufs beste, nnd das alte ?-i vis rm«e>m, nur» lxssluin wird sich bewähren. Nun muß ich nur wünschen, Ihrem königlichen Herrn, dem Großherzog, gegenüber nicht als wankel mütig zu erscheinen, und gegen diese Gefahr wird, wie ich hoffe, die Frau Großherzogin, die mich in Berlin des schönsten Vertrauens wür digte, mich decken, da ich selbst das Motiv, das mich zwang, von meinem
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