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MilchnNM TmMM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. irnd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Lolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. ^220. Donnerstag, den 21. September 1882. Bekanntmachung. Wegen Schleußeubaues und Pflasterung bleibt die obere Kirchgaffe hier vom 22. vieses Monats ab bis auf Weiteres für Fuhrwerk gesperrt. Waldenburg, den 18. September 1882. Der städtische Bau ausschuß. Limmer, Stadtrath. *Waldcnburg, 20. September 1882. Deutsches Geld in Frankreich. Als sich der Chef des bekannten abgebrannten Pariser Confeclionsgeschäftes clu Min- lemps" seinerzeit bemühte, von seinen deutschen Kunden die Kapitalien für den Wiederaufbau und womöglich auch für die weitere Betriebsausdehnung des Geschäfts zu erlangen, glaubte man in Deutsch land sicher, und äußerten viele Blätter die bestimmte Hoffnung, daß die deutschen Frauen, und zwar zu mal die deutschen Frauen der besseren Stände, doch wohl zu patriotisch gesinnt sein würden, um hierfür ihr Geld herzugeben. Es ist bekannt, daß diese Erwartung bitter getäuscht worden ist; es haben sich vielmehr die Ehegattinnen und Töchter, auch man cher in Amt und Würden stehender deutscher Män ner beeifert, der Aufforderung des Mr. Jalucot zu entsprechen. In diesem Falle kommt zu dem Vorsprunge, den immer noch die Geldanlage in Frankreich bei uns Deutschen besitzt, eine andere deutsche nationale Un- tugeud hinzu, welche ihrerseits zwar selbst wieder nur ein Product der hinter uns liegenden traurigen Zeiten ist, gleichwohl aber uns heute noch viel zu schaffen macht, nämlich die Kleinlichkeit, die nach jedem geringsten Vortheile greift, welcher in ver meintlich ungefährlicher Weise erreicht werden kann, und welche nicht daran denkt, daß der deutsche Ge werbebetrieb, wenn er in gleicher Weise begünstigt und unterstützt würde, vollauf das Gleiche zu leisten und mindestens noch die Transportkosten zu ersparen im Stande wäre. Leider ist dies auch heute noch wenig anders ge worden. Auch heute noch giebt es deutsche Frauen genug, welche fürchten würden, sich zu entehren, wen» sie ihre Hüte, ihre Toiletten nicht aus Paris bezögen, währeno andererseits der deutsche Hand werker bei ihnen oft jahrelang auf sein Guthaben warten und sich schließlich sogar noch etwas von demselben herunterhandeln lassen muß. Der neueste Jahresbericht der Handelsgenossen schaft zu Konstanz für das Jahr 1881 nimmt Ver anlassung, sich über diese Untugend der deutschen Frauen zu beklagen, indem er schreibt: „Eine besondere Art von Concurrenz erwächst seit längerer Zeil schon in mehr und mehr erheblichem Grade, namentlich für unsere Confectionsgeschäfte, durch die Pariser Magazine, welche ihre wohlaus gerüsteten Kataloge mit großer Beharrlichkeit unseren deutschen Hausfrauen präsenliren und dabei viel Interesse und große Kauflust erwecken. Giebt es ja thatsächlich bei uns viele Familien, die das Meiste was sie an Ausstattungsgegenständen bedürfen, von Paris beziehen und dabei, gewiß häufig mit Unrecht, der Meinung huldigen, daß sie da besser und billi ger bedient seien, als bei uns. Es dokumentirt sich in dieser Kauflust für Pariser Artikel em wirklich auffallendes Vertrauen zu der Pariser Geschmacks- Nchlung und zu der Leistungsfähigkeit der dorlset- ligen Industriezweige und ein jedenfalls unbegrün detes Mißtrauen gegen deutschen Geschmack und deutsche Solidität. Was wohl der Pariser dazu sagen würde, wenn „Madame" ihre Kleider von Berlin beziehen wollte? Factum ist, daß zum Scha den unserer inländischen, hierher bezüglichen Ge schäftszweige große Summen auf die beschriebene Art nach Frankreich wandern, trotzdem daß den Käufern die gleichen Garantien für gewissenhafte Bedienung, allen großartigen Anpreisungen zum Trotz, von den Pariser Magazinen keineswegs eben so gut gewährt werden, als von dem einheimischen, seiner Verantwortlichkeit viel näher stehenden Ver käufer." "Waldenburg, 20. September 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Bismarck'sche „Norddeutsche" polemisirt gegen die conservativen Blätter, namentlich gegen das „Deutsche Tageblatt", welche den vieler wähnten Steuerartikel der „Provinzial-Correspon- denz" stark angegriffen hätten. „Die Redacteure großer conservativer Blätter" — so heißt es dabei — „stehen in der Kenntniß des praktischen Lebens und namentlich des Personals der Regierung zu hoch, um annehmen zu können, daß jeder Artikel eines Regierungsblattes und selbst der „Prov.-Corr." das Ergebniß eines staatsministeriellen Beschlusses oder auch nur der Ausdruck ministerieller Politik sei, welcher sämmtliche früheren Aeußerungen der Re- girung, soweit sie mit mehr oder weniger wohl- wollenden Auslegungen des „Prov.-Corr."-Artikels nicht übereinstimmen, außer Kraft und ein neues Regierungsprogramm an ihre Stelle setzt. Es wer den böswillig von der Opposition alle für die Regie rung nachtheiligen Schlußfolgerungen aus solchen Artikeln gezogen; aber Aufgabe conservativer Blätter ist's nicht, aus den Artikeln der Regierungsorgane mit kampflustiger Schnelligkeit Sätze herauszugreifen, die sich zur Schädigung der seit Jahren von der Gesammtregierung Preußens und des Reichs ge führten Politik benutzen lassen. Wenn selbst der betreffende Artikel der „Prov.-Corr." wirklich dem vom Reichskanzler öffentlich und amtlich vertretenen Steuerprogramm widerspräche, so hätte die conser- vative Presse sich nicht mit der Führung eines solchen Nachweises auf Tag und Stunde zu beeilen, so lange sie nicht gleich den öffentlich und amtlich constatirlen Widerruf der Regierung vor sich gehabt. Die Nothwendigkeil des Abwartens würde im vor liegenden Falle nur bis zum nächsten Erscheinen der „Prov.-Corr." gedauert haben. Die Ungerechtigkeit, welche darin liegt, die Verantwortlichkeit des Ge- sammtministeriums einschließlich der Neichsregierung für jede einzelne Redactionslhätigkeit eines amtlichen Blattes künftig herbeizuziehen, zu begehen, kann ein conservatives Blatt sich nur dann versucht fühlen, wenn in der von ihm vertretenen Fraction das Ver trauen der Negierung von dem polemischen Bedürfniß, ihr etwas anzuhiben, überwogen wird." Die Handelskammer in Görlitz ist nunmehr auf ihre an das Staalsministerium gerichtete Re monstration gegen da° Verfahren des Handelsmini sters Fürsten Bismarck beschieden worden. Unter zeichnet ist der Bescheid: der Handelsminister i. A. Möller. Der Bescheid lautet dahin, daß die Ein gabe der Handelskammer keinen Anlaß zur Auf hebung der Anordnung betreffs ihrer Enthebung von amtlichen Functionen biete. Die Görlitzer Handels kammer wird sich nunmehr an das Haus der Abge ordneten wenden. Eine abermalige Erweiterung der Vortheile, welche die Eröffnung der Gotlhardbahn für den deutschen Verkehr im Gefolge hat, wird man in der Anord nung der holländischen Regierung erblicken dürfen, wonach die niederländisch-ostindische Ueber- landspost von jetzt ab durch Deutschland und die Schweiz nach Brindisi geht, während sie bisher die Route über den Mont Cenis genommen hatte. Der Vortheil ist freilich mehr ein ideeller, als ein ma terieller. Er ist aber doch geeignet, Deutschland mehr und mehr in seine frühere Stellung als Cen trum des Weltverkehrs zurückzuführen. Ueber kurz oder lang dürfte sich auch England nicht der Er- kenntniß verschließen, daß es gleichfalls wohl daran thun wird, seine Ueberlandspost nach Asien statt durch Frankreich, durch Deutschland, den Rhein aufwärts, zu expediren. Die oft ausgestellte Behauptung, daß die Zahl der Geisteskranken in erheblicher Zunahme be griffen sei, wird leider durch die Ergebnisse der letzten Volkszählung bestätigt: Es betrug am 1. December 1880 die Zahl der Geisteskranken in Preußen 66,345, und zwar 34,309 männliche und 32,036 weibliche; am 1. December 1871 waren vorhanden gewesen 55,043 Geisteskranke, darunter 28,002 männliche und 27,041 weibliche. Die Zahl der Geisteskranken ist also in den 9 Jahren um 20,5 pCt. gestiegen, während die Bevölkerung in dem gleichen Zeitraum nur um 10,6 pCt. gewachsen ist. 1871 kamen auf 448 Personen ein Geistes kranker, 1880 schon auf 411. Beim männlichen Geschlecht ist die Zahl der Geisteskranken verhältniß- mäßig größer und steigt auch in stärkerem Maße, als beim weiblichen Geschlecht: 1871 war unter 443 Männern und 462 Frauen ein geisteskrankes > Individuum, 1880 dagegen unter 391 Män nern und 432 Frauen. Die Vermehrung der Geisteskrankheit trifft bemerkenswerther Weise die höheren Altersklassen. Unter 10,000 Personen unter 15 Jahren waren 7,3 (1881 7,7) gei steskrank, unter 10,000 von 15 — 50 Jahren 31,2 (1871 29,9) und unter ebensoviel Personen über 50 Jahren 38,6 (31,0). Was das Glaubens- bekenntniß anlangt, so nehmen auch hier, wie bei den Taubstummen, die Israeliten eine Ausnahme stellung ein, indem sie einen verhällnißmäßig sehr großen Procentsatz Geisteskranker unter sich haben. Während von 10,000 Evangelischen 24,1 und von 10,000 Katholiken 23,7 geisteskrank waren, gab es unter ebensoviel Israeliten 38,9. Die freiconservalive Partei in Preußen spricht sich im Hinblick auf die Landtagswahlen u. A. folgendermaßen aus: „Als wahrhaft constitutionelle Partei auf dem Boden der Verfassung stehend, haben wir es stets als unsere Ausgabe erkannt, die ver fassungsmäßigen Rechte der Volksvertretung hochzu halten. Ebenso sind wir uns aber voll der Pflicht bewußt, die durch die Verfassung verbürgten Rechte der Krone zu wahren und gegen alle Angriffe zu schützen. Die Ergebnisse der letzten Legislaturperiode für die Durchführung der Steuer-Reform, welche unsere Partei seit Jahren gefördert hat, sind wenig befriedigende. Der endliche Abschluß dieses Reform werkes erscheint als eine der dringendsten Aufgaben der Gesetzgebung. Wir werden mit allem Ernst danach streben, sie im Sinne der Erleichterung der ärmeren Volksk!affen und der Communen zu lösen. Wir werden uns der erneuten Prüfung der Frage der Vereinfachung der Organisation und des Ver-