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Mchmtlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration« - Pres« 22j Silbergr. (s Tblr.) vierteljährlich, 3 THIr. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Meilen Ler Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Como., ISgerSraße Nr. 28), so ivie von allen Mnigl. Posl- Lenitern, angenommen. Literatur des Auslandes. 14 Berlin, Dienstag den 2. Februar 1847. Türkei. Ein Russe in der Sophienkirche.') Konstantinopel liegt vor uns. Ungeduldig schweift der Blick von Ort zu Ort, von Wunder zu Wunder, ohne eine Moschee zu bemerken, die von den ringsum an sie stoßenden Gebäuden erdrückt und von anderen prunk volleren und vorthrilhasler gelegenen Moscheen in den Schatten gestellt wird. Dieses unscheinbare Bethaus ist die ehemalige St. Sophienkirche, der Stolz des byzantinischen Reichs, das Wunderwerk der morgenländischen Baukunst. Wenn man jedoch den Tempel betritt, inmitten deiselben ftillsteht und den bisher gesenkten Blick aufwärts richtet, so erstarrt man vor Bewunderung — der Himmel ist über uns! Ja, diese majestätische Kuppel, die dem Anschein nach ohne Stütze über uns hängt und deren Massenhaftigkeit den menschlichen Geist niederbeugen würde, wenn.ste ibn nicht mit freudigem Staunen erfüllte, kann nur mit dem Himmel verglichen werden, und es ist sichtbar, daß der Künstler hier keinem anderen Muster nachahmte, als dem Himmel selbst Das Wort Justinian s i „O Salomo, ich habe Dich übertroffen!" wird uns beim Anblick dieses Tempels verständlich: wir begreifen diesen menschlichen Hoch muth bei einer Handlung der christlichen Frömmigkeit und Demuth und ver- argen es ihm nicht länger, daß er die Schätze seines Reichs auf den Bau der heiligen Sophia verschwendete. Er bat ein würdiges Monument hinter lassen! — Und welche Nation rühmt sich nicht eines Denkmals, das sie dem Ruhme Gottes errichtet zu haben glaubt! Benedig hat seinen San Marco, Rom seine PeterSkirche, London seine» St. Paul s, Paris seine Notre-Dame, Wien seine StephanSkirche und Petersburg baut an seinem JsaakStempel. Es sind dies die Monumental-Chroniken des menschlichen Glaubens und der menschlichen Hoffnungen. Konstantin der Große hatte schon eine St. Sophienkirche gegründet, die aber von Feuersbrünsten und Erdbeben zerstört wurde. Von neuem erbaut, ward fie von neuem in einem Aufruhr unter der Regierung Justinian s niedergebrannt, bis dieser Kaiser sie endlich in derjenigen Gestalt her- stellte, in der wir sie jetzt sehen. AnthemiuS aus Lpdien entwarf den Plan deS Tempels, Isidor von Milet war der Baumeister. Der Hauptgedanke des Künstlers war, keine Nachahmung, sondern eine eigene Schöpfung hervorzu bringen. Die Kuppel des Pantheons konnte ihm hier nicht zum Muster dienen, wie Manche ohne Grund behauptet haben. AnthemiuS bedeckte seinen Tempel mit einer sphärischen Kuppel, die auf vier Halbkuppeln ruht, so daß die Stützen fast unbemerkt bleiben und dir Kuppel in der Luft zu schweben scheint. So leicht ist sie, schreibt Prokop, daß man glauben möchte, fie wäre mit Ketten an den Himmel befestigt. — Dem AnthemiuS gebührt die Ehre, die sphärische Form der Kuppel zuerst auf viereckige Gebäude ange- wendet zu haben ; die Sophienkirche diente in dieser Beziehung als Vorbild des St. Markus in Venedig und anderer italiänischen Tempel, und auch die Türken richten sich beim Bau ihrer Moscheen stets nach diesem Muster. Die Lage der Kirche von Westen nach Osten trug nicht wenig dazu bei, ihre Umwandlung in ein muhammedanisches GotteShans zu erleichtern, da der Mirab oder die Erhöhung, woraus der Imam während des Gebetes steht, bekanntlich eine östliche Richtung haben muß, und das Gebäude hat da her in seiner inneren Einrichtung keine bedeutende Veränderung erlitten. Die Reihe von Porphyr-, Jaspis- und Marmorsäulen, die aus allen Enden der Welt herbeigeholt, dem Tempel der Diana in Ephesus, dem Sonnentempel Aurelian s entrissen wurden, erhebt sich noch immer in ihrer früheren Pracht, obwohl die Verschiedenartigkeit ihrer Kapitäle die Harmonie des Ganzen etwas stört- Der herrliche, mit Mosaikarbeit ausgelegte Marmorboden ist, wie es in den türkischen Moscheen gebräuchlich, mit Teppichen und Matten bedeckt und daher vollkommen gut erhalten. An den Seiten der Kirche befin den sich zwei Gallerieen, die auf Porphyr- und Serpentinpfeilern von seltener Schönheit ruhen; es ist diese- das ehemalige Gpnätikon, wo die Frauen nach griechischer Sitte während des Gottesdienstes abgesondert von den Männern standen. In die Kirche führen neun, mit kostbarem weißen Marmor eingefaßte Thore auS Erz, und das Licht strömt durch vierundzwanzig Fenster herein, die nicht, wie gewöhnlich in der Mitte, sondern an den Seiten der Kuppel an gebracht find. So weit bietet St. Sophia noch denselben Anblick dar, wie zur Zeit der byzantinischen Kaiser, aber wie hat sich alles Uebrige verändert, wo »j Nach dem Russischen des bekannten Reisenden Kowalewski, Versagers de« in diesen Blättern mehrmals erwähnten p, »v,°lu l mvrtm. ist die Pracht der Schreine und Altäre, deren Reichthümcr auf 25 Millionen Thaler geschätzt wurden ( An ihrer Stelle erhebt sich der Divan deS Sultans und das Rosteum des Imams, und eine endlose Menge kleiner, verschieden, farbiger Lampen zieht sich wie ein Netz die ganze Länge und Breite deS Tein- pels entlang. Wenn sie angesteckt werden, mögen diese Lampen einen guten Eindruck machen, aber bei Tage versperren sie die Aussicht und haben über haupt ein kümmerliches Ansehen. Von den früheren Mosaikgebilden der Hei ligen find durch einen sonderbaren Zufall nur die zwei Evangelisten an der östlichen Seite der Kuppel übrig geblieben, gleich zwei Wächtern, die das erste christliche Gottesdaus auch in seinem Unglück nicht verlassen und den Augen, blick erwarten, wo das Gebet des Christen von neuem innerhalb seiner alter- thümlichen Ringmauern erschallt. Die beiden merkwürdigsten Epochen in der Geschichte dieser Basilika liegen fast ein Jahrtausend ans einander. Sie wurde zweimal eingeweiht: zuerst im Ramen der beiligen Sophia, das zweite Mnl in dem des Propheten der Mu- selmänner. Der Ban eines Tempels, der zu den Weltwundern gehören und alles bisher Gekannte an Pracht und Größe übertreffen sollte, war für Ju stinian ein Gedanke, der seiner Eitelkeit in so hohem Grade schmeichelte, daß er keine Mittel zur Verwirklichung desselben scheute; alle Thätigkeit seines Geistes, alle Krä'te seines Landes wurden dazu ausgewendet. Als ihm Geld fehlte, kürzte er den Beamten ihren Sold, schrieb neue Steuern aus, nahm die silberne Bildsäule des Theodosius von ihrem Gestell und ersetzte fie durch eine von Erz, die freilich nicht mehr den Theodofiuö, sondern ihn selbst dar stellte, benutzte die bleiernen Wafferröhren der Stadt zur Bedeckung der Kup- pel und ersetzte fie durch backüeinerne, die noch heutzutage eristiren, beraubte andere Städte ihrer Kleinodien, nm seine Kirche damit zu schmücken — führte die schönsten Säulen ans Rom, Athen und Ephesus weg, ließ rothen Marmor aus Sinas, grünen aus Lakonien, grauen aus Libyen, weißen von den Ufern des Bosporus und Granit aus Thessalien, Epirus und Aegypten kommen, Alles zur Verschönerung des St. Sophien. Tempels. Zehntausend Menschen arbeiteten an dem Bau, und doch schien eS Lem ungeduldigen Justinian, daß er zu langsam vorwärts gehe. Endlich war das große Werk vollendet. Am 27. Dezember 5,17 hielt der Patriarch Mennos eine feierliche Prozession um die Kirche, im kaiserlichen Wagen fahrend, während Justinian demüthig voran ging; Hunderttausende von Zuschauern lobten Gott und neigten daS Knie vor einem Seiner würdigen Tempel, voll Bewunderung für das Werk und für dessen Urheber.... Nenn Jahrhunderte zogen seitdem an ihm vorüber, und noch immer stand er, zwar von den Elementen und von den Revolutionen der Zeit erschüttert, aber stets sorgfältig erneuert und restaurirt. Da fiel Kon- stantinopel: die Türken ergossen sich gleich einer verwüstenden Fluth in die Hauptstadt Griechenlands . eS gab keine Gräuel, die fie nicht verübten. Die zitternden Christen flohen zum Tempel der heiligen Sophia, ihrem einzigen Zufluchtsort in jenen Tagen der Angst. Aber in den Tagen ihres Glückes hatten fie Gott vergessen — ihre Verirrungen und ihre Laster hatten die Welt mit Staunen erfüllt, und Gott verwarf fie in ihrem Unglück oder sandte ihnen eine lange, bittere Prüfung. Vergebens hofften fie aus ein Wunder. ES ging die Sage, daß ein Engel mit einem Schwerte bewaffnet von der Stand säule Konstantin's des Großen niedersteigcn und das Schwert einem an ihrem Fuße fitzenden Mann von geringer Herkunft, aber großer Seele und frommem Wandel reichen werde — daß dieser berufen sey, die Türken nicht nur aus Konstantinopel, sondern aus ganz Kleinasien zu vertreiben; aber der Engel erschien nicht, und wenn er auch wirklich erschienen wäre, so hätte er kaum einen des RächeramteS Würdigen gefunden. DaS Wunder blieb auS; die Thüren flogen aus ihren Angeln, und die Türken drangen in das Innere der Kirche. Ein schonungsloses Gemetzel erfolgte; Greise, Männer und Kinder wurden hingewürgt; nur die Schönheit der Frauen und Knaben rettete ihnen daS Leben oder gab vielmehr Anlaß, ihre Qualen zu verlängern; daS schon vergossene Blut erweckte den Durst nach neuem Blutvergießen — die Altäre wurden entweiht, ihre Schätze geplündert, aber nicht alle fortgetragen. End lich, am Mittag des 2». Mai 1453, hielt der Sieger seinen feierlichen Ein zug in die Stadt, von seinen Wesiren, Pascha'S und Kriegsbefehlshabern um ringt. Am Thore der Sophienkirche stieg er ab und trat in den Tempel ein, um dort die Herrschaft über Konstantinopel zu -empfangen. Der Tradition zufolge, tauchte Mohammed seine Hand in das Blut, welches nicht in Pfützen, sondern in Bächen über den Marmorboden strömte, stieg aus die haufenweise Aber einander gethürmten Leichen und legte seine blutige Hand zehn Ellen hoch an die Mauer, als Zeichen, daß er die Kirche und die Stadt, deren kost barster Schmuck sie war, in Besitz nehme. Noch heute zeigt man dieses blu-