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Wchmtz-Mung Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend 74. Jahrgang. Donnerstag, den 13. Februar 1908 Nr. 17. Den Ortsbehörden des amtshauptmannschaftlichen Bezirks werden in den nächsten Tagen die erforderlichen Formulare zur Ermittelung der Ernteerträge für das Jahr 1907 zugehen, welche unter Zuziehung von Orts- und Landwirlschaftskundigen genau nach Anleitung der diesen Formularen aufgedruckten Vorschriften und unter Be rücksichtigung der denselben noch besonders l eigelegten „Anleitung zur Feststellung der bei der Ernte-Ertragsermittelung geforderten Angaben" auszufüllen und sodann vor- Amtsötatt für die Königliche Amtshauptmannschaft, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Dippoldiswalde. MU achtfettigem „Illustrierten Anterhaltungsblatt". Mit land- und hauswirtschaftlicher Monats-Beilage. Für die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle und an bestinunten Tagen wird keine Garantie übernommen. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehnr. - Druck und Verlag von Carl Irhnr in Dippoldiswalde. fchriftsmähkg vollzogen in je einem Eremplar bis spätestens zum 20. Februar 1908 anher zurückzusenden sind, während das andere Formular zu den Akten zu nehmen ist. Insoweit Ortsteite in Frage kommen, sind die ermittelten Erträge nicht mit denen des Hauptorts kn ein Formular, sondern in je ein Formular für sich einzutragen. Nr. 168 v. König!. Amtshauptmannschast Dippoldiswalde, am 10. Februar 1908. Inserat« werden mit 12 Pfg., solche aus unser« Amtshauptmannschast mit 12 Pfg. die Spaltzelle oder deren Raum berech net. Bekanntmachungen auf der ersten Sette (nur von Behörden) die zwei gespaltene Zeile 35 bez. 30 Pfg. - Tabellarische und komplizierte Inserate mit entsprechendem Auf schlag. - Eingesandt, im redaktionellen Teile, die Spaltenzeile 30 Pfg. Die -Wriheritz-Zeitung' erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend und wird anden vorhergehen- tzenAbenden ausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. 2d Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. - Alle Postan- palten, Postboten, sowie unsereAusträgernehmen Bestellungen an. Frankreich, Deutschland und Marokko. Für sensationslüsterne Politiker des Auslandes, zumal wenn sie dem Deutschen Reiche nicht gewogen sind, liegt eine eigenartige neue Phase in der marokkanischen Ange legenheit vor, über welche auch die französische Deputierten kammer am 10. Februar eine lehrreiche Debatte hatte. Die beiden Sultane von Marokko versuchen nämlich in dreister Weise, Deutschland gegen Frankreich in den marokkanischen Streitigkeiten auszuspielen. Der alte Sultan Abdul Asis, der mit seinem Anhänge in Rabat residiert, hat durch seinen Minister des Reicheren Abdelker in Ben Eliman bei dem deutschen Gesandten Or. Rosen in Tanger die Hoffnung aussprechen lassen, daß Deutschland einen Einspruch gegen d s Vorgehen Frankreichs in Marokko erheben werde. Gleichzeitig läßt der Sultan Abdul Asis Deutschland bitten, daß cs Frankreich davon abhalte, sich in den Streit zwischen den beiden Sultanen in Marokko zu mischen. Gleichzeitig hat aber auch der zweite Sultan von Marokko, Mulay Hafid, bei dem deutschen Gesandten in Tanger anfragen lassen, ob es richtig sei, daß das Vorgehen Frankreichs in Marokko von den Großmächten und insbesondere von Deutschland gebilligt werde. Diese seltsame Haltung der Sultane von Marokko ist politisch durchaus nicht so unklug, wie sie auf den ersten Augen blick erscheint. Obwohl die beiden Sultane sich feindlich gegenüberstehen und der eine dem andern so bald wie möglich den Hals brechen möchte, so sind sie mit ihren Ratgebern doch dcrüber in echt orientalischer Schlauheit einig, daß die Franzosen am leichtesten wieder aus Marokko herauszubringcn sind, wenn die Großmächte und besonders Deutschland gegen das Vorgehen Frankreichs in Marokko Einspruch erheben würden. Das fällt aber den Groß mächten und besonders Deutschland gar nicht ein, denn Frankreich handelt in der Angelegenheit als der Beauf tragte der Vcrtragsmächte der Algeciras-Akte. Auch hat Frankreich wiederholt den beteiligten Mächten erklärt, daß es sich bei seinem Vorgehen in Marokko vollständig im Rahmen der Algeciras-Akte bewegen werde. Der deutsche Gesandte vr. Rosen in Tanger hat pflichtgemäß die Wünsche und Beschwerden der beiden Sultane von Marokko an den deutschen Reichskanzler gemeldet, und dieser hat sie der französischen Regierung zur Kenntnisnahme über mittelt. Auch hat die deutsche Regierung den beiden Sultanen durch den deutschen Gesandten vr. Rosen noch besonders erklären lassen, daß die französische Regierung auch der deutschen gegenüber neuerdings versichert hat, daß sie bei ihrem Vorgehen in Marokko die Algeciras Akte befolgen werde. Der Versuch der beiden Sultane, einen Zankapfel zwischen Deutschland und Frankreich wegen Marokkos zu schaffen, ist also gescheitert. Frank reich stützt sich in seiner Expedition gegen Marokko auf die von den Großmächten angenommene Algeciras Akte und für Deutschland ist das traurige Land Marokko gar nicht wert, irgendwie einen großen Einsatz zu wagen. Die Zeiten sind gründlich vorbei, daß man in Marokko hoffen konnte, daß Deutschland irgendwie für eine Unab hängigkeit Marokkos eintreten werde. Das Schicksal Marokkos liegt in der Ausführung der Algeciras-Akte, denn Marokko ist ein Land der Anarchie und des Räuber- unwesens, das sich nicht selbst regieren kann, und in welches Land eben durch eine französische Expedition unter Anerkennung der Vorrechte Frankreichs Ordnung gebracht werden soll. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Das Röthig Quartett, das seit einer Reihe von Jahren in uneigennütziger Weise und Schaffens freudigkeit seine Kräfte in den Dienst der Kirche und Wohltätigkeit gestellt Hut, wird nächsten Sonntag abend 8 Uhr auch in hiesiger Stadtkirche ein Konzert, und zwar sür die GemeindedK konie hier, veranstalten. Den Sängern geht ein vorzüglicher Ruf voraus. Nicht nur in Sachsen und Deutschland haben sie ihre Lieder erklingen lassen, ihre Wege führten aus der Enge in die Weite, nach Stockholm und St. Petersburg, nach den Niederlanden, Paris und London, nach Rom, in die Katakomben und uach Amerika. Die Rezensionen lauten aus allen Orten äußerst günstig. — Zu den in unserer Stadt vorhandenen, sich städtischer Unterstützung ersreuenden zwei Lehranstalten sür aus der Volkschule Entlassene (Handelsschule und landwirtschaftliche Schule) dürste in absehbarer Zeit auch eine gleiche Anstalt für einen großen Teil der Angehörigen des Handwerks kommen, das ja einen bedeutenden Prozentsatz unsrer Be völkerung ausmacht. Das Konsortium der seit einigen Jahren hierorts bestehenden Zeichenschule für Lehrlinge der Bauhandwerkerinnung und der Schmiedeinnung hat beschlossen, diese zu einer gewerblichen Fortbildungsschule auszubauen und damit auch in unsrer Stadt etwas zu schaffen, was in vielen anderen Orten schon lange besteht. — Laube spricht! Das genügt, um dem Ge werbeverein sür diesen Donnerstag einen vollbesetzten Schützenhaussaal zu garantieren. Der als Sprecher sehr beliebte Direktor des Instituts „Kosmos", Leipzig, be handelt diesmal das Thema: „Auf den Lavafeldern der Hekla" (Wanderungen aus der Insel Island) und sührt uns damit und durch seine bekanntlich hervorragend schönen Lichtbilder (I00) einen Teil unsrer Erde vor Augen, der in der neueren Zeit erst den Vergnügungsreisenden mehr erschlossen wurde und schnell das Ziel vieler Touristen ge worden ist. Die Szenerie des Nordens bietet eben ganz eigene Reize und erregt eine Stimmung, die gerade mit dem deutschen Eemüte besonders gut harmoniert.«,, (Siehe Inserat) — Flottenverein. Am 8. März werden seilen des hiesigen Ortsrerbandes wieder kinematographische Vor führungen im Saale des Hotels zum goldnen Stern ver anstaltet werden. Das Programm ist diesmal wieder vollständig neu und weist neben Marinebildern auch solche aus unsern deutschen Kolonien auf. — Der landwirtschaftliche Kreisverein zu Dresden ver anstaltet, wie schon seit einer Reihe von Jahren, auch in den Monaten Februar und März 1908 wiederum rinen Rundgang landwirtschaftlicher Bezirks- Versammlungen durch sein ganzes Gebiet. Die Ver sammlungen finden statt in Schandau Wendischfähre, Gasthof „Zur Larolabrücke", Sonnabend den 15. Februar, 3>/2 Uhr, in Stolpen, Echützenhaus, Freitag den 21. Februar, 41/4 Uhr, in Freiberg, Gewerbehaus, Sonnabend den 22. Februar, 3 U r, in Lommatzsch, Ratskeller, Freitag den 28. Februar, 3 Uhr, in Dippoldiswalde, Reichs- kröne, Sonnabend den 7. März, 21/2 Uhr, in Sayda, Goldener Löwe, Mittwoch den 11. März, 2 Uhr und in Wilsdruff, Hotel Adler, Freitag den 13. März, 4 Uhr nachmittags. Aus den Einladungen ist zu entnehmen, daß die Tagesordnungen für die beiden letztgenannten Versammlungen noch nicht endgiltig aufgestellt sind, da gegen wird in den ersten fünf Versammlungen unter Be rücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der von den beteiligten Vereinen geäußerten besonderen Wünsche jedes mal in einem Hauptoortrag durch den Kreisvereinsvor- sstznrden, gegebenenfalls unter Mitwirkung hierzu besonders berufener Fachmänner über die wichtigsten landwirtschaft lichen Tage->fragen aus dem Gebiete der Landwirtschaft gesprochen werden. In Betracht kommen hier Gegenjtänve aus dem landwirtschaftlichen Unterrichtswesen, der Tier zucht, insb sondere über da» Körgesctz, Erfahrungen dein, Weidebetrieb mit Rindern und Schweinen, Genossenschasts- frage, Haftpflichtversicherung, Arbeitersrage n. a. m. An diese Vorträge sollen sich Aussprachen über dieselben und hiernach die Beantwortung der im Fragekasten vorge fundenen Fragen aus allen Gebieten der Landwirtschaft anschließen. Die Einladungen sind zwar zunächst an die Mitglieder der landwirtschaftlichen Vereine und deren Frauen gerichtet, es werden aber auch solche Interessenten willkommen sein, die nicht selbst Mitglieder landwirlschast- licher Vereine, aber durch solche eingesührt sind. — Am Sonntag hielt Herr Vr. mcck. Voigt vor den Schülern der Gewerblichen Sonntags schule und einer großen Anzahl von Meistern und Gesellen der in Frage kommenden Innungen einen hochinteressanten und be lehrenden Vortrag über „Die erste Hilfe bei Unglücks- fällen in der Werkstatt". Nach einleitenden Worten über den Bau des menschlichen Körpers besprach der Herr Vor tragende Knochenbrüche, oberflächliche und tiefe Ver letzungen durch Schnitt, Stich usw., Verletzungen der Blut gefäße und Anlegung der ersten Notoerbände in vorge nannten Fällen, ferner Erstickungs-Unfälle durch Gase usw., Brandwunden leichter und schwerer Art, sowie die anzu wendenden Gegenmittel, insbesondere die künstliche Atmung, letztere auch in Bezug auf Ertrinkende. Reicher Beifall zeigte dem Herrn Vortragenden das große Interesse der Zuhörer. Ihm und Herrn Müllerschulhausmann Kaden sür die freundliche Unterstützung auch an dieser Stelle herzlichen Dank. In dankenswerter Weise sagte Herr Vr. Voigt für den Schluß des Schuljahres einen zweiten Vortrag zu. — Ein Unglück hat sich am vergangenen Sonntag in hiesiger Stadtkirche insofern zugetragen, als der Kessel der Heizung zerplatzt ist. Die Ursache hat bis jetzt noch nicht festgestellt werden können und wird sich erst ergeben, wenn morgen Donnerstag der Kessel von einem sachver ständigen Ingenieur demontiert werden wird. Wir werden dann noch darüber berichten. — Die unter dem sächsischen Landesverbände vom „Roten Kreuz" stehende hiesige Sanitätskolonne beab sichtigt Sonntag, den 15. März, ein öffentliches Konzert zu veranstalten, dessen Reinertrag zur Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen für die wohltätigen Zwecke der Kolonne dienen soll. Schmiedeberg. In unserer Zeit der Verweltlichung aller Kunst, nicht zum wenigsten auch der Tonkunst, hat sich eine Vereinigung zu hohem Ansehen durchgedrungen, die sich die Pflege der geistlichen a capella-Literatur in ihrer reinsten Form zur Aufgabe gemacht hat: das Leip ziger Soloquartett für Kirchengesang. Die Sänger weilten nicht nur bereits in Hunderten von deutschen Städten, sondern auch in der Schweiz, in den Niederlanden, in Belgien, Italien, Schweden, Rußland, England und Frank reich, im Orient und in zirka 50 Städten Nordamerikas. Eine Anzahl von fachmännischen Urteilen liegen über diese Konzerte vor, die sich in begeisterten Lobsprüchen der Leistungen der Leipziger Quartettkünstler erschöpfen. Kreischa. Aeußerst lebhaft gestaltete sich hier die Wahl ver Vertreter der Ortskrankenkasse, während in früheren Jahren die Beteiligung an solchen Wahlen recht minimal war. Von den Arbeitgebern wählten etwa die Hälfte der dazu Berechtigten. Die von den national Ge sinnten aufgestellten Arbeitgeber-Vertreter wurden gewählt. Dagegen siegte mit großer Mehrheit die von sozialdemo kratischer Seite aufgestellte Liste der Vertreter der Kassen- miiglieder So wählten in Lungkwitz 78, davon waren allein 62 Zettel abgegeben zugunsten des sozialdemokrati schen Vorschlags. In Kreischa wählten mit Quohren und Kleinkarsdorf 419, wovon 242 Zettel auf den sozialdemo kratischen Vorschlag entfielen. Dresden. Hier tagte am Montag ein außerordent licher sächsischer Mittelstandstag, der aus allen Teilen Sachsens zahlreich besucht war. Er beschäftigte sich haupt- sichlich mit der Wahlrechtsreform. Dresden. Ueber den Ernährungszustand der Schulkinder sollen nach einem Beschlusse des Rates in allen hiesigen Pezirksschulen Erhebungen angestellt werden. Die Anregung ist hierzu vom Dresdner Stadtoerordneten- Kollegium ausgegangen, dem über die Erfahrungen mit der Beköstigung bedürftiger Schulkinder nach Ablauf de» Winters ein ausführlicher Bericht zugehen soll. — Der vor zwei Tagen in das Dresdner Garnison lazarett aufgenommene Soldat Diersche von der Maschinen gewehrabteilung Nr. 12 ist, wie ein Telegramm meldet, an Genickstarre verstorben. Infolgedessen sind vom Kommando in Dresden die strengsten Vorsichtsmaßregeln sür die Garnison angeordnct worden. Beim Infanterie regiment Nr. 103 in Bautzen breitet sich die Genickstarre immer weiter aus.