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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumcraiionS-Preis 22 j Silbergr. (j Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. sür du« ganze Jahr, ahne Erhöhung, in alle» Theile» der Preußischen Monarchie. Magazin sür die Ma,, pränumerirt aus dieses Literatur- Blatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. StaatS, Zeitung (Friedrichs- Straße Rr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den WohUöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 19. Berlin, Montag den 14. Februar 1842. Süd-Afrika. Mährchen der Betschuana's. Das Volk der Betschuana's hat einen Schatz von alten Mährchen und Erzählungen, die größtentheils sehr lang sind. Man nennt sie Schumo's oder Ueberraschungcn, ein Titel, der sehr passend ist. Diejenigen, die der Missionair Hr. CasaliS gesammelt, sind fast alle eine unzusammenhängende Häufung von außerordentlichen Begebenheiten und von Beschreibungen fabel hafter Thicre, ähnlich unseren Harpyien und Hippogryphen — mit einem Worte, das Groteske und das Ungeheure sind die wesentliche Grundlage der selben. Doch findet man hin und wieder sehr kostbare moralische Lehren, rührende Züge und musterhafte Beispiele in diesen Schöpfungen des Süd- Afrikanischen Geistes. Der Stil ist sehr lebhaft und gewöhnlich dem Gegen stand angemessen; die pathetischen Stellen haben einen Charakter, der nur in Ländern, wo man Alles sagt, was man denkt, nicht übertrieben erscheinen kann. Drei dieser Mährchen folgen hier als Probe. I. Der Mord des Maßilonianc. Zwei Brüder verließen eines Tages die Hütte ihres Vaters, um ihr Glück zu suchen. Der Aeltere hieß Maßilo, der Jüngere Maßiloniane. Nach einigen Tagereisen kamen sie zu einer Stelle, wo zwei Wege sich ihnen boten: der eine führte nach Osten und der andere nach Westen. Der erstere Weg war mit Fußspuren von Weidcvieh bedeckt, der andere mit Fußspuren von Hunden. Maßilo folgte dem letzteren Wege; sein Bruder ging in der anderen Richtung. Nach einigen Tagen kam Maßiloniane bei einem Hügel vorüber, der ehemals bewohnt gewesen war, und staunte nicht wenig, eine Menge verkehrt stehender Töpfe auf demselben zu finden. Er bekam Lust, die Töpfe umzukehren, um zu sehen, ob nicht unter einem derselben ein Schatz versteckt wäre; und schon hatte er mit einer großen Anzahl Töpfe so verfahren, als ein Topf von ungeheurem Umfang an die Reihe kam. Maßiloniane gab ihm einen tüchtigen Stoß, allein er blieb unbeweglich; der junge Reisende verdoppelte seine Anstrengung — vergebens. Zweimal ist er gcnöthigt, seinen geborstenen-Gürtel wieder zu knüpfen; der Topf scheint im Boden festgewurzelt. Aber plötzlich weicht er, wie durch Zauber, einem sehr gelinden Drucke, und ein unförmlicher Riese er scheint vor dem jungen Maßilonianc, der voll Schrecken zurückbcbt. „Was störst Du mich", fragte das Ungethüm, „dieweil ich meinen Ocker anrcibe?" Maßilonianc betrachtete ihn genauer und bemerkte mit Grausen, daß eines von seinen Beinen so dick war, wie ein starker Baumstamm, während das andere die gewöhnliche Proportion hatte. „Zur Strafe für Deinen Frevel sollst Du mich tragen, Söhnlein", sagte das Ungeheuer und schwang sich in demselben Augenblick auf den Rücken des Unglücklichen; dieser knickte zusammen, erhob sich wieder, that ein paar Schritte vorwärts, wankte und stürzte wieder an den Boden. "Seine Kräfte verließen ihn gänzlich; aber der Anblick eines Stückes Rothwild in der Ferne gab ihm ein Mittel ein, zu entrinnen. „Väterchen", sagte er mit zitternder Stimme zu dem Scheusal, „setz' Dich einen Augenblick an die Erde; ich kann Dich nicht tragen, weil ich keinen Riemen habe, um Dich auf meinem Rücken festzubinden; ich will schnell ein Kaama erlegen, und aus seiner Haut wollen wir Riemen schneiden." Sein Gesuch ward ihm bewilligt, und er verschwand mit seiner Meute in der Ebene. Nachdem er sehr weit gelaufen war, versteckte er sich in einer Höhle; aber der dickbeinige Unhold, des Wartens müde, folgte ihm bald nach und rief, so oft er eine Fußstapfe des Jünglings erblickte, mit seiner rauhen Stimme: „Sieh da, den kleinen Fuß des Maßilonianc — sich da, den kleinen Fuß meines Kind leins." Maßiloniane hörte ihn kommen und fühlte, wie der Boden unter seinem Tritte bebte. Von Verzweiflung ergriffen, verläßt er die Höhle, ruft seine Hunde herbei und hetzt sie gegen den Feind, indem er ihnen sagt: „Tödtct ihn, verzehret ihn ganz, aber laßt sein dickes Bein übrig!" Die Hunde gehorchten, und ihr Herr nahte bald dem unförmlichen Beine ohne Besorgniß. Er hieb es mit einer Art in Stücke, und — v Wunder! — cs kam eine ungeheure Heerde schöner Kühe daraus hervor. Eine von ihnen war so weiß, wie der gefallene Schnee. Vor Freuden außer sich, treibt Maßi lonianc das Vieh vor sich her und bcgiebt sich wieder auf den Weg nach der Hütte seines Vaters. Der ältere Bruder, Maßilo, kam mit einer Hundehcerde, dcr Frucht seines Zuges, zurück. Beide Brüder begegneten einander da, wo sie sich getrennt hatten. Der Jüngere sagte, weil er das größere Glück gehabt, zu dem Aelteren: „Nimm aus meiner Heerde so viel Vieh, als Dir gefällt; nur wisse, daß die Weiße Kuh Niemanden gehören kann, außer mir." Aber dem Maßilo war cs eben um diese allein zu thun; er bat seinen Bruder wieder holt, sie ihm abzutrcten — vergebens. Die Beiden übernachteten zweimal, und am dritten Tage kamen sie bei einer Quelle vorüber. „Laß uns hier ver- weilen", sprach Maßilo; „dcr Durst verzehrt mich. Wir wollen ein tiefes Loch graben und Wasser hinein leiten, damit cs frisch werde." Als die Arbeit vollendet war, suchte Maßilo auf dem benachbarten Berge einen großen platten Stein, den er auf das Loch legte, um das Wasser vor den Sonnenstrahlen zu schützen. Nachdem das Wasser sich genugsam verkühlt hatte, trank Maßilo zuerst. Sein Bruder wollte ein Gleiches thun; aber im Augenblick, als er sich zu diesem Ende über das Loch bückte, saßte ihn Maßilo an dcn Haaren und hielt ihm den Kopf so lange unter dem Wasser, bis er erstickt war. Dann schöpfte er das Wasser wieder aus dem Loche, steckte den Leichnam hinein und bedeckte ihn mit dem Steine. Als Herr der ganzen Heerde ging nun der Mörder gesenkten Kopfes weiter; aber kaum war er einige Schritte vorwärts, da setzte sich ein kleiner Vogel auf das Horn dcr weißen Kuh und sang in klagenden Tönen: „Tsiri! tsiri! Maßilo hat den Maßiloniane getödtet wegen der weißen Kuh, die er so sehr liebte!" Der Mörder entsetzte sich und tödtete den Vogel mit einem Stcinwurf; aber kaum schickte er sich an, weiter zu gehen — da saß der kleine Sänger wieder auf dem Horne der weißen Kuh und wiederholte dieselben Worte. Maßilo warf ihn von neuem mit einem Steine todt und zerschmetterte ihn dann gänzlich mit seiner Keule. Aber in geringer Entfernung von dcr Stelle erschien das Vöglein zum dritten Mal aus dem Horne dcr Kuh und sang dieselben Worte. „Ha! Zauberer!" — ries Maßilv, außer sich vor Wuth — „werd' ich Dich endlich zum Schweigen bringen?" Darauf schleuderte er einen Stock gegen den verhaßten kleinen Mahner, zündete ein Feuer an, verbrannte das Vöglein darinnen und streute die Asche in den Wind. Verhoffend, der Spuk werde nicht wiederkehren, zog Maßilo stolz und keck in sein väterliches Dorf, dessen Bewohner sich schaartcn, um die reiche Beute zu betrachten, die er mit sich führte. Man ries ihm von allen Seiten: „Wo ist Maßiloniane?" Er antwortete: „Ich weiß es nicht — wir sind verschiedene Wege gegangen." Eine Menge Neugieriger umringte die weiße Kuh. „O, wie schön ist sie!" rief man um die Wette; „wie fein ist ihr Haar! wie rein ihre Farbe! Glücklich der Mann, der sie besitzt!" Da trat mit einem Mal tiefe Stille ein .... auf das Horn des bewunderten Thiercs setzte sich ein kleiner Bogel und sang: „Tsiri! tsiri! Maßilo hat den Maßilioniane getödtet um seiner weißen Kuh willen, die er so sehr liebte!" — „„Wie! Maßilo hätte seinen Bruder getödtet?"" .... Die Menge stob voll Entsetzen ans einander und war unfähig, sich Rechenschaft von dem abzulegen, was sie gesehen und gehört. In diesem Augenblick der Verwirrung flog der kleine Vogel zu der Schwester des Opfers und sagte ihr: „Ich bin das Herz des Maßiloniane. Maßilo hat mich getödtet; mein Leichnam ist bei dem Quell in der Wüste." °) Arabien. Botta's Reise im Jemen. Der Name Jemen weckt bei Hörern und Lesern mehr als dcr Name irgend eines anderen Landes ein Gefühl fast wundersamen Interesses. Arabien überhaupt ist ein Wort, in welchem seit Jahrtausenden, für die kindlichen Ge schlechter des leichtgläubigen Alterthums sowohl wie für dcn ernsteren Sinn der neueren Zeit, ein Gedanke voll Reiz schlummert. Dort, wo die Wiege der geoffcnbarten Religionen war, woher die Völker dcn Weihrauch empfingen, den allein sie Gott oder den Göttern zu opfern für würdig hielten, dort, wo die reichsten Genüsse des Lebens sich mit dem todbringenden Samum begegnen, dort endlich, wo das edelste Metall, das kostbarste Gestein und die schönsten Thiere gefunden werden, dort, glaubten die Alten, sey auch das weiseste und kunstvollste Volk dcr Erde zu finden. Die heilige Schrift vergleicht dcn weisesten Sänger mit den Weisen Arabiens, und wenn sie die Weisheit Salo- ') Diese Erzählung iß eine der besten von dcn mir bekannt gewordene». Dai Vorhandcn- sevn der Seele, ihre Unsterblichkeit und bäS Gewißen, welches dcn Mörder verfolg«, wo« er auch ausbieten mag, um seine Stimme zu betäuben, sind hier klar angedcutct. Man wird beim Lesen der Erzählung an dcn Vogel Man ah der alten Araber erinnert, welcher nach ihrem Glauben auS dem Gehirne de« Menschen flog, sobald dieser seinen Geist ausgab. Anmcrk. des Hrn. Casatis,