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Gonnabend, r «peil ISZ0 Der Kampf am das Steuerprvgramm Re Pirlelen mmden Vraktmolilovg nnoor Berlin, 4. April. Im Reichstag haben heute, nachdem bereits gestern vvrbereitende Besprechungen stattgefunben batten, eingehende Berhandlungen zwischen Regierung und Regierungsparteien über das finanzielle Deckungs programm für üaS Jahr 1980 stattgesunden. Die Ver handlungen haben, was vorausgeschickt sei, heute noch ZU keinerlei wesentlichen Ergebnissen geführt. und es scheint auch einigermaßen zweifelhaft, ob dies morgen und ob es überhaupt der Kall sein wirb. Nach den Absichten des RetchSflnanzmintsters Dr. Moldenhauer gilt es jetzt in erster Linie, das Defizit des RctchshaushaltS für 1980 zu beseitigen. Der Reichsftnanzmintster schätzt dieses Defizit aus etwa 815 Millionen Reichsmark. Gewisse Schwierigkeiten ergeben sich nun schon daraus, daß eine Deckungsvorlage für den RetchShaushalt etngebracht wird, die der Reichstag nach der Ausgabenseite hin noch nicht kennt. Das hat bereits dazu geführt, daß einige Parteien, so die Demokraten, sich völlig freie Hand Vorbehalten habe», um Abänderungsanträge im Sinne einer Verminde rung der RcichSauSgaben beim RetchShaushalt zu stellen. Die Schwierigkeiten, dte heute unverkennbar stark auftauchten, be stehen vor allem darin, daß die in brr Regierung vertretenen Parteien wieder die Neigung zeigen, eigene Pläne dem Regicrungsprogramm vorzuzichen. So drängt die Bayrische Bolk»part«i darauf» daß die Biersteuer höchstens um SO Prozent erhöht wird, «ährend der Regiernngsvorschlaa 7ü Prozent »vrsah. DaS ReichSkabinett hat kn einer hente nachmittag statt» gefundenen Sitzung ausdrücklich «och einmal beschlossen, an seinem Programm seftzuhalte». Zu diesem Programm gehört als wesentlichster Punkt die Erhöhung der Bier st euer auf 75 Prozent. Der Rctchsstnanzministcr legt entscheidenden Wert darauf, die Fragen der Biersteuer, der Mineralwassersteuer, der Mineral zölle und die Frage der Fristverkürzung vordringlich zu be handeln. Gegenüber den bayrischen Wünschen auf eine Sen kung der Bicrsteuererhöhung stehen wieder dte Demokraten auf dem Standpunkt, daß von -er von der Regierung in Aus sicht genommenen Erhöhung nicht abgegangen werben könne, da eine solche Steuer zu den Grundlagen des Finanzpro gramms überhaupt gehöre. Besonders wirb von den Demo kraten dte Meinung vertreten, daß man auf dte Bter- steuer nicht verzichten könne zugunsten anderer, volkS- wirtschaftlich schädlicherer Stenern. Eine weitere Schwierig keit hat sich daraus ergeben, daß die Wirtschaftspartei eine erhebliche Erhöhung der Umsatzsteuer verlangt. Dte WtrtschaftSpartei will eine Trennung zwischen der Um satzsteuer für kleinere und größere Unterneh mungen etnführen. Unternehmungen mit einem Umsatz von mehr als einer Million Mark sollen einer qualifizierten Umsatzsteuer in Höhe von 1 Prozent unterlieaen, doch soll diese erhöhte Umsatzsteuer nur für Umsätze mit Verbrauchern der letzten Hand gelten, also nicht für Rohstofflieferanten und den größten Teil der verarbeitenden Industrie. Praktisch würde der Wunsch der Wirtschaftspartei be deuten, daß die großen Warenhäuser zugunsten der kleineren Einzelhandelsunternehmungen mit erhöhter Umsatzsteuer belastet werden. Diese Wünsche der Wirtschaftspartet sind nun sofort auf den ganz entschiedenen Widerstand der Demokraten ge stoßen. Die Demokraten haben keinen Zweifel darüber ge lassen, daß sic sich mit Plänen, dte auf eine erhebliche Er höhung der Umsatzsteuer htnausgehen, auf keinen Fall be freunden können. Wie weit es nun der Regierung gelingen wird, die WtrtschaftSpartei von ihren Wünschen abzubringcn, steht im Moment noch dahin. Bon wirtfchaftSparteiltchcr Seite selbst verlautet, daß di« Partei an dem Vorschlag der aestasselten Umsatz steuer für Großwarenhäuser und und ähnliche Betrieb« sesthalten werde. Damit ergeben sich innerhalb -es Kabinetts sehr wesent liche Differenzen, von denen es zweifelhaft erscheint, ob sie sich ttberbr licken lassen. Ueber dte parlamen tarische Erledigung der Steuergesetzc besteht zur Zeit noch keine volle Klarheit. ES wird unter anderem damit gerechnet, daß dte Sozialdemokraten nicht gegen die Bier st euer stimmen würden. Kerner wird wenigstens mit einer teilwetsen Unterstützung der Deutschnattonalen Volks partet gerechnet. Jedoch ist dte Lage so, daß, wenn die Regie rung den Parteien erst die Möglichkeit zu weit ausholenden Verhandlungen gibt, sich di« gleichen unerquicklichen Ver hältnisse wiederholen, die letzten Endes das Scheitern deS Kabinetts Müller-Franken bedingten. Die Mcg'erung hat um die Parteien nicht darüber im Zweifel zu lasten, baß sie sich auf interfraktionelle Verhandlungen, dte sich durch Tage nnd Wochen hinziehen, nicht etnlasten kann, den Parteien bereits zu verstehen gegeben, baß bis spätestens Mitte der kommenden Woche Klarheit darüber bestehe« mntz, ob da» Finanzprogramm der Regierung — unter Umständen mit unwesentlichen Aenderungcn — auf dem Parlaments- rischen Wege erledigt werben kann ober nicht. Sollte die Regierung zu der Uebcrzeugung kommen, baß das nicht mög lich ist, ko wird nach dem, was an zuständigen Stellen ver- lautbart wirb, dte Regierung dte Bemühungen aysgeben. d»e Ftnanzvorlagen mit dem Reichstag gemeinsam ,« er- erneut Schwierigkeiten r SorUnar Sobrlttloltnng ledigen. Es heißt, baß die Negierung für diesen Fall an den Reichstag mit der Forderung hcrantreten will, ihr ein Er mächtigungsgesetz zu bewilligen, auf Grund dessen die Regie rung in dte Lage versetzt wird, das Deckungsprogramm im Verordnungswege burchzusühren. Ein solches Ermächtigungsgesetz würde aber wegen seines verfassungsändcrnden Charakters einer Zwei drittelmehrheit bedürfen. Ed ist wenig wahrschein lich. daß die Ltnksopposition, besonders die Sozialdemokratie, deren Stimmen bei der Schaffung einer Zweidrittelmehrheit dte ausschlaggebende Rolle spielen, bereit sein wird, dem Kabinett eine solche Ermächtigung zu geben. Damit stände man wieder vor der Frage der Reichslagsauflösung die nach wie vor als ultimo ratio ihre Rolle spielt. Wenn also bis Mittwoch oder Donnerstag der kommenden Woche sich ergeben sollte, daß dte Parteien, ähnlich wie unter dem Kabinett Müller, von sich aus zu keiner Einigung kommen können, so wäre es sehr leicht möglich, daß dieser Reichstag nicht einmal mehr das Osterfest erlebt. Zu einem gewissen Einvernehmen ist man lediglich hin- sichtlich der Vorlage über die Verkürzung der Zahlungsfristen bei der Tabaksteuer gelangt. Dte von einigen Seiten gewünschte Verlängerung der Kontingentierung in der Zigaretten- tnduftrte fand keine Zustimmung. Auch die in der Bor- läge vorgesehene Aufhebung der Stcuerlager wurde fallen ge laffen. Dafür soll von den Zigarrenlägern ein BerwaltungS- kostenbettrag von einem Prozent erhoben werden. .Die Zah lungsfristen wurden nur um einen halben Monat, also auf drei Monate verkürzt. Nach dieser Neugestaltung dürfte allerdings die Vorlage bas im Ftnanzprogramm veranschlagte Aufkommen aus der Tabaksteuer nicht erreichen. Don Inter- effcntensette selbst wirb darauf hingewtesen, daß der zwischen den Parteien vereinbarte Berwaltungskosten- beitrag auf Zigarrenläger völlig untragbar sei und eine Sonderbesteuerung des ZtgarrenhanbelS bedeute. Man hat sich heute auch noch mit der Vorlage über den Benzin» nnd Benzolzoll befaßt. Hierbei wurden jedoch lediglich technische Einzelheiten besprochen, insbesondere die Frage der Beimischung von Spiritus. Die Königin von Schweden ? Rom. 4. April. Dl« Königin von Schweben starb «m 7 Uhr an Herzlähmung. Am Sterbebett befand sich der König, ferner Prinz Wilhelm und Prinzessin Ingrid von Schweden. Die Leiche ist in der Billa Svecia ausgebahrt. Seil die Königin im Oktober 1979 a»S Deutschland nach Rom zurück» gekehrt war, hat sie das Krankenbett nicht mehr verlasse«. Sie »nrde von dem Leibarzt Pros. Munthe behandelt. Die ersten Beileidsbesuche wnrdeu bereits in den frühe« Abend» stunden in der schwedischen Gesandtschaft abgestattet. Aus Stockholm wirb dazu gemeldet: Die Nachricht vom Tode der Königin hat hier tiefe Trauer ausgelüst. Der Rundfunk stellte sofort seine Darbietungen ein. Alle Theatervorstellungen sind abgesagt worden. Der Kronprinz, der während der Abwesenheit des Königs die Regentschaft führt, hat am Freitagabend den Kronrat ins Schloß etnberufen. Eine Entscheidung darüber, wie die sterb lichen Ueberreste der Königin von Schweden übergeführt wer den sollen, ist noch nicht getroffen. Der Retchsmarschall be stätigt jedoch, daß aller Wahrscheinlichkeit nach ein schwe disches Kriegsschiff nach Italien abgehen und dte tote Königin von Rom aus direkt nach Stockholm führen wird. Der kommandierende Admiral in Karlskrona teilt auf Anfrage mit, daß er jeden Augenblick den Befehl erwartet, ein Panzerschiff berettzustellen. Das Schiff wird sür die Hin- und Rückfahrt je etwa sieben bis acht Tage brauchen, so daß zum mindesten 14 Tage vergehen, ehe die Königin in Stockholm betgesetzt werben kann. An der Bahre der Königin wirb während der Ueberfahrt eine OsstzierSwache aus gestellt werden. Königin Viktoria von Schweben wurde am 7. August 1862 geboren. Sie war bekanntlich eine badische Prtn- zesstn und Enkelin Kaiser Wilhelms l. Am 20. September 1881 fand ihre Vermählung mit König Gustav V. statt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wirb die Königin in der RtbdarholmSktrche in Stockholm beigesrtzt werden, wo bereits acht deutsche Prinzessinnen, dte schwedische Königinnen waren, die letzte Ruhe gefunden haben. Königin Viktoria war bekanntlich seit Jahren schwer krank und ver brachte dte letzte Zeit de» Klimas wegen fast ausschließlich in Italien. Im Kriege hat die Königin, deren HerzenSgüte und Wohl- tätigkeit sprichwörtlich war, viel zur Linderung der KrtegSnot betgetragen. Im August 1914 wurde unter ihrem Vorsitz da» sogenannte „Zentralkomitee der Königin* gebildet, da» dte Organisation und Leitung der privaten HtlsStättakett während des Krieges auSübte und seine segenbrtngende Tätigkeit auch nach dem Kriege fortgesetzt hat. Unter dem Vorsitz der hoch- herzigen Frau haben viele Vereine in und nach dem Kriege manche Not t« Deutschland lindern könne». Vertrauen DaS Fundament, auf dem sich das öffentliche Leben eine» hochentwickelten Staatswesens in der Gegenwart ausbauen muß, heißt Vertrauen. Die ganze kapitalistische Welt- und Wirtschaftsordnung ruht auf dieser Grundlage und ge rät ins Wanken, wenn sie erschüttert wird. Nur hat die Wirt schaft ein anderes Wort dafür geprägt. Sie spricht von Kredit, und sie lebt vom Kredit. In diesem lebenspenden den Begriff verkörpert sich der Glaube des Geschäftsmannes« baß ein anderer, mit dem er einen Vertrag abgeschlossen hat, seinen Verpflichtungen unbedingt Nachkommen, daß er mit feiner Person, mit all seinem Hab und Gut dafür etnstehe« wirb. Ohne diese Sicherheit im Kreditwesen müßten wir mit einem Schlage zurücksinken in die rohen Systeme der Tausch- und Naturalwirtschaft, ohne sie wäre es unmöglich, dte Millionen zu ernähren, die in einem industrialisierte» Staat, wie Deutschland, über den natürlichen Fassungsraum des heimischen Bodens hinausgewachsen sind. Das gleiche gilt auch vom Staat. Rein äußerlich ge sehen, gründet sich sein Dasein zwar auf Gesetze, garantiert von der Verfassung und bewacht von der bewaffneten Macht. Aber all das wäre, wie die Geschichte der Revolutionen be weist. ein schwacher Hort, wenn im staatlichen Leben einS fehlt: das Vertrauen der Negierten zu der Negierung, zu der Solidität ihrer Geschäftsführung, zu der Reinheit ihrer Absichten. Und daran hapert es bet uns ganz bedenk lich. Ein reicher Schatz von Vertrauen ist seit der Ueber- wtndung der Inflation von den verschiedenen Regierungen» von den Parteien, vom ganzen System, wie eS in Deutsch land herrscht, verwirtschaftet worden. Damals, als ent schlossene Männer mit kühnem Griff in die Speichen des ab- wärtSrollenben Rades griffen und — unter Ausschaltung de» Parlaments — bas Wunder der Rentenmark schufen, schien ein neuer Anfang gemacht. Ein Aufatmen ging durch» deutsche Volk. Man schöpfte wieder Mut, man räumte den Trümmerhaufen auf und rüstete zum Neubau. Und es folgte, wirtschaftlich wenigstens, zunächst ein Aufschwung. Aber der alte Schlendrian riß wieder ein, als die Parteien von neuem die Zügel ergriffen. Außenpolitisch führten sie, willenlos, ohne Widerstand, das Volk in die Tributversklavung, um im Innern desto ungestörter die Gerechtigkeit mit Füßen treten und die Wirtschaft zum höheren Ruhme des Sozialismus er drosseln zu können. Der Nährstand ist schon zusammen gebrochen. Andere Berussständc in Gewerbe und Industrie ringen um Ihr Leben. Millionen Arbeitsloser liegen auf der Straße. Ueber aller Not aber plätschert munter der Brun nen parteipolitischer Geschäftigkeit: wie man hier zu einem Kompromiß kommen, da ein Viertelprozent zuschlagen und dort ein Wort abschwächen könnte. Kein Mensch nimmt diesen Betrieb mehr ernst. Man sieht, wie schnell dte ver schwenderisch auSgestreuten Versprechungen der Wahlzeit ver gessen sind, wenn bas gewählte Parlament die Macht ergriffen hat. Wenn deshalb jetzt eine Regierung oder eine Partei neue Versprechungen macht, wenn sic etwa Steuersenkungen sür dte Zukunft in Aussicht stellen, während sie gleichzeitig die Steuerschraube anziehen, dann ist ein Hohngelächter de» Unglaubens die Antwort. Das Vertrauen der Re gierten ist dahin. Und doch sind sie so leicht zum Vertrauen geneigt. Man konnte erst in den letzten Tagen wieder die Erfahrung machen, als eine neue Regierung, die in ihrem Entstehen schon von den bisherigen Methoden abgerückt war. vor den Reichstag trat, nicht um Stimmen bettelnd, sondern mit starken Worten Ziele weisend und entschlossen, das Notwendige zu tun. so oder so. parlamentarisch oder unparlamentarisch, wie es der Reichstag eben will. Zum erstenmal seit langer Zeit war wieder der mitreißende Führerwille erkennbar, nach dem sich alles in Deutschland sehnt. Und sofort hat sich ein Ansatz von neuem Vertrauen gebildet. Nicht so sehr im Parlament, denn dort war der Abstimmungserfolg recht pro blematisch und kurzfristig bemessen, aber draußen im Volke, wo man bereitwillig neue Hoffnung schöpfte. An der Regie rung ist eS nun, diesen Vorschußkrcbtt durch entsprechende Taten zu verdienen und zu befestigen. Furchtbar wäre die Enttäuschung, wenn sie nach dem guten Anfang im Tatwtllen erlahmen und, ihren Vorgängerinnen gleich, der Knechtschaft des PartetwesenS verfallen würde. Bor allem muß siedemStaate wieder Vertrauen ver schaffen. Zur Beurteilung des Maßes von Vertrauen, da» man im Inland und im Ausland zu der Solidität einer Staat-Wirtschaft hat. gibt e» ein sehr fein registrierende» Barometer: die Kapttalwanderungen über dte Landesgrenzen. Der RetchSfinanzmInister hat in der Begründung seine» Gesetzentwürfe» über steuerliche Maßnahmen zum Zweck der Erleichterung der Krebitversorgung der deutschen Wirtschaft mit Recht daraus hingewtesen. DaS gebundene Kapital tn Grund und yoden oder tn Einrichtungen ist ebenso wie da» Einkommen oeS Nichtkapttalisten dem Zugriff de» Staate» rettungslos preiSgegeben. aber da» bewegliche Kapital ent zieht sich, wenn ihm die Entwicklung eines Lande» gefährlich erscheint, durch Abwanderung. Mit Recht wird man diese unter dem Namen .Kapitalflucht* bekannte Erscheinung unpatrio- tisch schelte«, aber man schasst sie dadurch nicht au» der Welt.