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Poigtländischer Anzeiger. Fünfundsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Jährlicher AbonnementSpreiS für dieses Blatt, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 6 Ngr. — Die ZnsertionSgebühreu werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Berhältniß deS Raumes. — Dienstag. 11V. 3. Oktober 1834. Teleftrophiscbe Depeschen. Wien, Sonnabend, 30. Septtmbkr Nachmittags. 50,000 Russen wurden am 20. an der Alma nach zweistündiger Schlacht zurückgeworfen, wobei 3000 Engländer und Fran zosen gelobtet und verwundet worden sind. Nach andern noch unverbürgten Nachrichten wäre einige Tage später infolge eines gleichzeitigen Angriffs zu Lande und zur See auch Sebastopol bereits gefallen. Der Nürnberger Kornspondent bringt folgende telegraph. Depesche: Wien, 30. Sept. Die österreichische Eorre. spondenz meldet die Einnahme von Sebastopol mit dem Hinzufügen, daß dieselbe, weil auf Schiffernachrichlen beruhend, jedenfalls der amtlichen Bestätigung bedürfe. Zuverlässig aber sei, daß das russische Lager am Almafluß am 20. Sept, total gesprengt worden sei. Telegraphische Depesche der Augsburger Allg. Zeitung. Wien, 30. Septbr. Abends 5 Uhr. Der türkische Bot schafter in Wien hat eine Depesche empfangen, wonach Festung, Flotte und Besatzung von Sebastopol sich ergeben, die Kriegsgefangenschaft freiem Abzüge vorziehend. (?) Das Lager am Almafluß ward am 20 September 1 Uhr Nach mittags erstürmt. 2800 Verbündete sind todt oder verwundet. Wien, 30. Septbr. Abends 5 Uhr 12 Minuten. Der Abend-Lloyd meldet: Die türkische Botschaft hat soeben eine Depesche erhalten, von der Uebergabe Sebastopols sammt dem ganzen Material, der gesammten Flotte und Besatzung. Telegraphische Depesche des englischen Globe. Wien, 27. September. Die russische Gesandtschaft hat eine Depesche aus der Krim vom 22. erhalten, über deren Inhalt verlautet, daß sie Nachrichten enthält, welche Rußland ungünstig sind. Die Krim. Die Halbinsel Krim ist em etwas länglich verschobenes Vienck, das durch die schmale Landenge von Perekop mit dem sudrussischen Frstlande zusammenhängt, an der Norkwcstseite vom „lobten Meer," an der Nordwestseite von dem fieberer- zeugenden „faulen Meere," an der Südwest, und Südostseite vom schwarzen Meere bespült wird. Der Flächeninhalt der Halbinsel ist etwa dem des Königreichs Hannover gleich; dle Volkszahl beträgt nach den höchsten Angaben 400,000, nach den niedrigsten 80,000 Tataren, 30,000 Griechen, 15,000 Rusten, 25,000 Soldaten in 6 Städten und 300 Dörfern. Die Krim gehört zur russischen Provinz Taunen, die amtlich zu 1200 Gevurtmcilen mit 700,000 Köpfen an gegeben wird. Doch rechnen die Ruffen zu Taunen noch ein großes Stück Festland. Durch den Fluß Salgier, den bedeutendsten auf der Krim, an dem Simferopol, der Sitz des russischen Gouverneurs liegt und der ins asoosche Meer sich ergießt, wird sie in zwei ganz verschiedene Theile getrennt. Der Norktheil ist Steppe, unübersehbare Flache von San^, Thonschiefer, salzhaltig, mit Steppenpflanzenwuchs, zum Ackerbau ungeeignet. Daselbst Hausen Nomaden, Tataren mit ihren Viehheerden. 15 Grad Kälte sind da im Winter gewöhnliche Luftbeschaff nheit. Im Frühjahre freilich, wenn die Jiis, Narzissen und Tulpen blühen und das Steppengras üppig hervorschießt, ist die Steppe bunt, im'Sommer aber versengt, im Herbste durch Regengüsse zu einem braunen Morast verschlämmt, und je weiter nach dem faulen Meere zu, desto flebererzeugender und ungesunder. Der Südtheil ist vom taurischen Gebirge in der Gegend von Sebastopol um den ganzen Südrand herum nach Westen zu und mit der Richtung nach Norden durchzogen, dessen höchster Punkt, der Tschabir Dagh (Zeltberg) zu 4756 Fuß angenommen wird. In diesem Gebirge finden sich noch Fichten-, Ahorn- und Buchenwälder, die jedoch den Nachwuchs mehr und mehr verweigern. Hier ist das Klima mild, an. genehm, gesund; die Winter sind häufig frostfrei, oder nur durch einzelne Fröste unterbrochen, im strengsten Winter hat man höchstens 10 Grad Kälte. Das Gebirge schützt den Südtheil vor dem eisigen, russischen Winter, daher ist hier der Boden fruchtbar, auch für Obst, Wein, Oliven, für Mandeln, Granatäpfel und Feigen in Gärten, für Getreide, Tabak und Seide. Daher haben auch hier der Kaiser und viele russische Große sich prachtvolle, liebliche Landsitze erbaut. Außer dem Militair, den Beamten und Bewohnern der Landhäuser giebts wenig Russen in der Krim. Die Mehr zahl sind Tataren, gutartig, gastfreundlich, arbeitsfaul, die sich zum Islam bekennen, den Kopf scheeren und den Tur, ban tragen. Unter den verschiedenen Christen finden sich, wie im Morgenlande überall, Armenier und Griechen, die wieder fortziehen, sobald sie einiges Geld durch Handel und Spekulationen erworben haben. Auch deutsche Einwanderer, die fleißigsten und tüchtigsten oller Bewohner, giebtS hier. Juden, wo fehlten diese? sind auch vertreten und theils tal- mudische, theils karailische. Die Hauptorle der Krim sind, außer Simferopol und Sebastopol, das vielgenannte Eupatoria, früher bedeuten der Handelsplatz, jetzt aber in Folge der vielen Begünstigungen Odessas, verkümmert. Von Eupatoria aus geht eine directe Straße nach Sebastopol am Meerufer hin, eine andere über Simferopol, das der Mittelpunkt der Communikation für