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HtlMlniM TayMM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Ubr des vorhergehenden Tages. «nd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Donnerstag, den 21. December 1882. 296. *Waldenburg, 20. December 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser ist von seinem Erkältungszustand fast vollständig wieder hergestellt. Graf Herbert Bismarck ist nach Berlin aus Wien zurückgekommen. Ueber seine Mission wird ein leicht erklärliches Schweigen beobachtet; die An nahme ist indessen vielfach verbreitet, daß die Maß regeln, welche die Grenzstaaten den russischen Rüstungen gegenüber gemeinschaftlich zu nehmen hätten, einen Hauptpunkt der Mission gebildet haben möchten. Dem Bundesrathe ist der Entwurf einer Kaiser!. Verordnung über die Verwendung von Blei und Zink bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Ge- nußmitteln und Gebrauchsgegenständen zugegangen. Durch denselben wird die Verwendung von Blei, sowie von solchen Metall-Legirungen, welche in 100 Gewichtstheilen mehr als 10 Gewichtstheile Blei enihalten, zur Herstellung von Eß-, Trink- und Kochgeschirr verboten. Bierdruck-Vorrichlungen und Syphons dürfen nicht mehr als 1 Proc. Blei enthalten. Wasserleitungen unterliegen dieser Be stimmung nicht, wenn sie nach der Ingebrauchnahme stetig mit Wasser gefüllt sind. Zur Verzinnung der gedachten Geschirre dürfen Metall Legirungen, die mehr als 1 Procent zur Lölhung solcher, die mehr als 10 Pracent Blei enthalten, nicht verwendet wer den. Verboten ist ferner die Verwendung von Me- tallfolien Aufbewahrung und Verpackung von zum Ver^. f bestimmter Nahrungs- und Genuß- mittel, wenn die Folien mehr als 1 Proc. Blei ent halten; die Herstellung von Eß-, Trink und Koch geschirren mit Email oder Glasur, welche bei halb stündigem Kochen mit einem 4 Proc. Essigsäure enihalteenn Essig an den letzteren Blei abgeben, sowie die Verwendung von blei- oder zinkdaltigem Kautschuk zur Herstellung von Mundstücken zu Saug- flajchen, Warzenhütchen, Trinkbechern, Bierleilungen und Spielwaaien. Die Verordnung soll am 1. Juli in Kraft treten. Die letzte Abstimmung im Reichstage über den von den Socialdemokraten und der Volkspartei gestellten Antrag, welcher ausspricht, daß die dem Reichstage vorgelegten Denkschriften eine genügende Rechtfertigung zur Verhängung des „kleinen Be lagerungszustandes" nicht enihalten, hat eine un mittelbar praktische Bedeutung nicht, da dem Reichs tag ein Widerspruch gegen diese vom Bundesralh beschlossene Maßregel so wenig zustehk, wie die Ge nehmigung derselben. Indessen läßt das Resul tat der Abstimmung einen ziemlich sicheren Schluß aus die Stellung des gegenwärtigen Reichstags zur Frage einer Verlängerung der Giltigkeit des So- cialistengesetzes zu, und insofern ist die Abstimmung von Wichtigkeit. Das Gesetzt läuft bekanntlich am 30. September 1884 ab und sonach wird im nächsten Jahre vder spätestens im Frühjahre 1884 der Reichstag vor die Frage der Erneuerung ge stellt werden. Die „Nauonalliberale Correspondenz" hat wohl Recht, wenn sie sagt: Es haben sich zwar verschiedene Redner dagegen verwahrt, als ob die Abstimmung der Stellung zur Frage der Erneue rung des Socialistengesetzes präjudicire, allein die Thatsache, daß heule sowohl das Cenlrum als die liberale Vere nigung (Secessionisten) gegen den An trag Blos st.mmlen, eröffnet doch ziemlich sichere Aussicht, daß auch diese Parteien einer Verlänge rung des Gesetzes zur gegebenen Zeit zustimmen werden; wenigstens haben sie sich sehr gehütet, sich in gegenteiligem Sinne zu engagiren. Im preußischen Abgeordnetenhaus ward am 19. d. die Berathung des Etats der Archivverwal tung fortgesetzt. Abg. von Heeremann beklagt sich darüber, daß den Forschern gewisses Quellenmaterial vorenthalten werbe. Archivdirector von Sybel be streitet, daß eine parteiische Auswahl des zur Publi- cation gelangenden Materials stattfinde. Eine große Majorität des deutschen wie des europäischen Pu blikums sei, im Gegensatz zum Vorredner, der Archiv verwaltung für die Veröffentlichung des Poschinger- schen Buches dankbar. Das deutsche Volk habe u. A. aus der gedachten Publication erfahren, daß sein großer Staatsmann, dem es seine nationale Aus richtung verdanke, zugleich einer der ersten Prosaisten des Jahrhunderts ist. Abg. Or. Majunke halte seine Beschwerde darüber aufrecht, daß amtliche Aktenstücke einem politischen Blatte zur Veröffentlichung über geben worden. (Veröffentlichung der Aushänge bogen des Poschinger'schen Buches in der „Kölnischen Zeitung"). Ein materielles Eingehen auf den In halt des Paschinger'schen Werkes behalte er sich zur dritten Lesung vor. Er stehe auf dem entgegen gesetzten Standpunkte wie Poschinger, er stehe auf dem großdeulfchen Standpunkte, dem sich jetzt der Reichskanzler Fürst Bismarck wieder zuwende. Wenn es nach ihm gegangen wäre, so würden wir zwei große Kriege erspart haben, der Culturkampf wäre nicht ausgebrochen, wir brauchten nicht so viel Steuern zu zahlen. (Heiterkeit, Widerspruch.) Abg. Or. Windlhorst: Wir beugen uns in Ehrfurcht vor dem Kaiser evangelischer Consession, was wir aber for dern, ist, baß paritätischer regiert werde. Den Ka tholiken gegenüber aber sei die Parität verletzt wor den und werde noch verletzt. Wenn die Katholiken das Ohr des Kaisers ebenso hätten, wie ihre Gegner, dann würde ihnen sicher gleiches Recht wie den Evangelischen werden. Eine objeclive Geschichts schreibung sei zur Zeit gar nicht möglich, deshalb müsse der Staal darauf verzichten, Geschichte zu schrei ben,ba er doch nicht paritätisch sei. Einleitung,Commen- lar, Resumo — das ist Geschichtsschreibung. Man solle die Acten einfach abdrucken und es den Geschichts- fchreibern überlassen, ihr Material daraus zu ent nehmen, sonst bekomme man eine Kgl. preuß. Ge schichtsschreibung, eine Sybel'sche Geschichtsschreibung, denn Shbel ist der Leuer, er hat das Brod und wer das Brod hat, der kann die Hühner füttern und wer sie füttert, dem gackern sie nach. (Heiterkeil.) Der Etat wird genehmigt Das Haus vertagte sich bis zum 10. Januar 1883. Am Freitag behandelte in einer sehr zahlreich be suchten Versammlung der christlich-socialen Par tei der Hofprediger Stöcker das Thema: „Das Judenlhum in Jerusalem, Frankfurt a/M, und Berlin." Specielle Veranlassung, die Judenfrage wieder einmal zum Gegenstand einer Besprechung zu machen, hatte dem Hosprediger Stöcker das Auf treten des Frankfurter Abgeordneten Or. Siern im Berliner Waldeck-Verein gegeben; Aufgabe des Vor trags sollte sein, darzulegen, daß der Typus des Judenlhums, wie er sich im allen Jerusalem in den fanatischen strenggläubigen Pharisäern und in den skeptischen Sadducäern kennzeichnet, bis auf unsere Tage sicy erhallen Hal. Den Schwerpunkt seiner diesmaligen Ausführungen legte Hofprediger Slöcker auf den Kampf der Juden gegen das Christenthum. Im Allgemeinen versteht man es nicht, daß eine halbe Million Juden, die hier eine gastliche Siälle gefunden, sich erlauben können, unser Christenlhum anzugreisen und es erklärt sich das eben nur aus dem Haß gegen die christliche Weltanschauung, der in diesem Volke lebendig ist. In seiner gehässigsten Gestalt zeigt sich uns nun das Judenthum vor Allem in Frankfurt a/M. und in Berlin, in Frankfurt noch schlimmer wie in Berlin. „Lassen Sie uns mit dem Kampf gegen die jüdische Presse aus dem alten Jahre scheiden und ihn hinein tragen in das neue Jahr und nicht eher aufhören, bis diese Blätter am Boden liegen." Redner ging nun speciell auf den Fall Stern ein. Or. Stern ist bekanntlich in einem kürzlich im Waldeck-Verein gehaltenen Vortrag, in dem er u. A. den Zusammenbruch der Fort schrittspartei offen bekannte, für das parlamentarische Regiment eingelreten, das der Krone nur die Exe kutive zugestehen, die Minister nur aus der Majori tät ernannt sehen will. „Daß derartig demokratische Gedanken in Berlin mit solcher Unbescheidenheit ausgesprochen sind, das übersteigt in der That das erlaubte Maß." Ich halte es für sehr bedenklich, sagte Slöcker, das das Judenthum so offen für die Demokratie Propaganda macht. Das fehlte noch, daß wir uns von diesen Leuten unsere Mitbürger zur Demokratie aufhetzen lassen. Wenn dann aus solchem Spiele mit dem Feuer Unzufriedenheit, Mißstimmung gegen das Königthum entsteht, die Juden sind es gewiß nicht, die dann den schlecht gewordenen Geist wieder verbessern helfen. Redner berührte dann noch die jüngsten Socialisten-Debatten im Reichstag, die gezeigt, daß ein ernstlicher Kampf noch vor uns stehe, daß der Kampf noch lange nicht beendet sei, die aber das Gute gehabt, daß sie ein mal den wahren Charakter dieser Leute gekennzeich net. Mil der Mahnung, all diesen feindlichen Mächten ein lebendiges, praktisches Christenlhum entgegenzuhalten, schloß dann der überaus beifällig aufgenommene Vortrag. Ungarn, In der Debatte über das Budget des Unterrichts ministeriums erklärt der der Post: „Subvention für israelitische Cultuszwecke 5000 fl." Emerich Szalay, er könne den Posten nicht voliren, sondern er wünschte vielmehr, die Israeliten einer Toleranzsteuer zu unterziehen. Redner ist überzeugt, daß der Mord in Tisza-Eszlar nur ein ritueller gewesen sein lönne. Redner erklärt, die Juden ruiniren überall die Be völkerung. Die 625,000 Juden Ungarns seien im national - ökonomischen Sinne beschäftigungslose Menschen. Die ungarischen Juden seien Gegner der Unabhängigkeit Ungarns, und wenn Juden nicht die Regierungspartei unterstützt hätten, so wäre die Majorität schon längst weggefegt worden. Redner voiirt für jüdische Cultuszwecke keinen Kreuzer. (Unruhe. Einzelne Beifallsrufe auf der äußersten Linken.) Der Posten wird vom ganzen Hause mit Ausnahme eines Theiles der äußersten Linken votirt. »Frankreich. Die Situation in Frankreich wird immer komischer. Es vergeht fast kein Tag, wo nicht ein neues Comploit enthüllt würde; diesmal werden der General Chanzy, der frühere Finanzminister Leon Say und — der Baron Rothschild als die Ver schwörer bezeichnet, die sich des Piäsidentensessels der Republik bemächtigen und der gegenwärtigen Regierungsform in grimmiger Weise den Todesstoß versetzen wollen. In Gambetta's Befinden soll ein ernster Rück fall eingelreten sein. Es scheint, daß er zu früh ausgegangen ist. Man spricht von starkem Fieber und Eiterung an verschiedenen Körperstellen. Der Seinegeneralrath sprach den Wunsch aus, die Regierung möge die Ausführung einer neuen Alpenpassage durch 1>en Simplon eifrig be treiben und dem vorbeugen, daß die deutsche In dustrie in Italien an Stelle der französischen trete. Mehrere Depulirle beschlossen, die Initiative zur Einbringung eines Gesetzentwurfs, betreffend die Durchbohrung des Simplons, zu ergreifen. Italien. In Italien wird jetzt eine neue Bahn gebaut,