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„Weisseritz-Zektunff" «-scbeint wöchentlich Drei mal: Dienstag, Donners- jag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich I M. 2b Psg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 4S Pfg. Einzelne Nunimern 1V Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Inserate, welch« bei der bedeutenden Aussage des Blattes eine seht wirk- same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. di« Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Enige- sandt, im revaltionellen Theil«, die Spaltenzeil« 20 Pfg. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehnc in Dippoldiswalde. Nr. 84. Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Mit dem am Dienstag been digten Aufenthalte Kaiser Wilhelms in Ems hat der erste Theil der diesjährigen Sommer- und Badereisen des greisen Herrschers seinen Abschluß gsfunden, und zwar einen recht befriedigenden, denn die Emser Kur ist dem greisen Monarchen nach offiziellen wie privaten Mittheilungen in erwünschtestem Maße bekommen, so daß sein Befinden ein vortreffliches ist. Schon seit Jahren pflegt sich an den Emser Aufenthalt die ge wohnte Nachkur in Bad Gastein anzuschließen, und dieser ihm liebgewordenen Gewohnheit ist der Kaiser auch in diesem Jahre treu geblieben. Aber wie bereits früher, so erfolgte auch diesmal die Weiterreise nach Gastein nicht unmittelbar von Ems aus und nicht di rekt, vielmehr weilte Kaiser Wilhelm erst noch zwei Tage in Koblenz, der von seiner erlauchten Gemahlin besonders bevorzugten Sommerresidenz, wo er bis zum Donnerstag verblieb. Von Koblenz aus hat der hohe Herr dis Reise zunächst nach der Bodensee Jnsel Mai nau fortgesetzt, um auf diesem idyllischen Fleckchen Erde im Kreise der grobherzoglich badischen Familie noch einen oder zwei Tage zu verbringen. — Ueber die Reise des Fürsten Bismarck von Berlin nach Varzin wird der „Kreuzzeitung" noch nachträglich geschrieben: Auf jeder Station, ohne Ausnahme, wurde der Fürst von der Bevölkerung durch herzliche Hochrufe enthusi astisch begrüßt, wofür derselbe, sichtlich hocherfreut, nach allen Seiten hin mit entblößtem Haupte dankte. Das Aussehen des Fürsten war ein ganz vortreffliches, und man merkte ihm an, welches Vergnügen es ihm bereitete, gerade in seiner Heimathsprovinz überall so ungemacht enthusiastisch begrüßt zu werden. Noch nie zuvor hat sich der, Kanzler auf seinen Reisen nach Varzin so ungezwungen mit dem Publikum unterhalten, wie diesmal, und Alle, die das Glück hatten, ihn zu sehen, wissen nicht genug über seine Frische und Heiter keit zu berichten. — An rein politischen Nachrichten aus dem Gebiete der inneren Angelegenheiten sieht es auch heute sehr dürftig aus. Die einzige Frage, die noch einigermaßen interessirt, ist diejenige des Pader borner Studienerlasses, aber Behauptungen und De mentis über die Paverborner Vorgänge lösen sich in so bunter Reihenfolge ab, daß es augenblicklich un möglich ist, sich ein klares Urtheil über den Stand dieser Affaire zu bilden, welche nun schon seit Wochen die gesummte Presse beschäftigt. In dieser Zeit der politischen Ereignißlosigkeit dürfte.darum das allge meine deutsche Turnfest, welches in diesen Tagen in der schönen Residenz an der Elbe seinen Anfang nimmt, das Interesse auch weiterer Kreise doppelt auf sich ziehen, zumal die Betheiligung an dem Feste eine ganz großartige zu werden verspricht. Nicht nur aus allen deutschen Gauen werden die Jünger Jahn's zahlreich in Dresden erscheinen, sondern auch aus Oesterreich, der Schweiz, aus Belgien, Holland, ja aus den Ver einigten Staaten von Nordamerika sind deutsche Turn vereine angemeldet, sogar vom fernen australischen Kontinent, aus Melbourne, soll ein deutscher Turn verein nach der sächsischen Residenz unterwegs sein. Man mag vielleicht über die Zweckmäßigkeit solcher nationalen Feste in der Gegenwart streiten — leugnen läßt sich aber doch nicht, daß sie dem deutschen Volke sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen sind, und wenn den Turner-, Schützen- und Sängerfesten auch ihre frühere politische Bedeutung infolge der kriege rischen Ereignisse von 1866 und 1870 verloren ge gangen ist, so sind sie doch noch sehr wohl geeignet, den über den ganzen Erdball zerstreuten Angehörigen des deutschen Reiches immer wieder zu einem Sammel punkte zu werden. Daß es aber bei derartigen Festen nie an patriotischen Anregungen und an Aufforderungen fehlt, allezeit in Liebe und Treue zu Kaiser und Reich, zum angestammten gemeinsamen Mutterlande zu stehen, das hat sich bei allen solchen Anlässen noch immer Sonnabend, den 18. Juli 1885. gezeigt, und so wird depn hoffentlich auch das Dres dener Turnerfest dazu beitragen, den nationalen Ge danken zu stärken und zu heben. Oesterreich. Die sozialistische Agitation unter der österreichischen Arbeiterbevölkerung macht bedenkliche Fortschritte, wie die aus Trebitsch, einer Bezirkshaupt stadt in Mähren mit bedeutenden industriellen Etablisse ments, gemeldeten Vorgänge beweisen. Infolge der Verhaftung zweier Sozialisten versammelten sich am Montag Abend gegen 2000 Arbeiter vor dem Tre- bitscher Amtsgebäude, um die Verhafteten zu befreie». Die Gensdarmerie, welche von den Arbeitern mit einem Steinhagel angegriffen wurde, machte, nachdem eine dreimalige Aufforderung zum Auseinandergehen er folglos geblieben war, einen Bajonettangriff, der die Menge auseinander trieb und wobei einige Verwun dungen vorkamen. Das hierauf aus Jglau requirirte Militär stellte die Ruhe vollständig wieder her. Es steht zu erwarten, daß es gelingt, der Rädelsführer der Emeute habhaft zu werden und daß denselben eine exemplarische Bestrafung zu Theil wird. England. Die afghanische Frage ist jetzt in Lon don wieder Gegenstand eingehender Erörterungen. Wie der Unterstaatssekretär im auswärtigen Amte, Mr. Bourke, im Unterhause auf eine Anfrage erklärte, beschäftigt sich die Regierung fortwährend mit der af ghanischen Angelegenheit und hält man englischerseits an der Herbeiführung eines Schiedsspruches in der Pendjeb-Affaire fest. Auch in der Dienstags-Sitzung des Unterhauses wurden wieder mehrere Anfragen wegen Afghanistans gestellt, deren Beantwortung der Staatssekretär für Indien, Churchill,, übernahm. Aus seinen Ausführungen geht hervor, daß mit dem Emir von Afghanistan wegen Errichtung einer englischen Kantonirung in Kandahar keinerlei Unterhandlungen gepflogen worden sind, daß sich aber die englische Ne gierung für verpflichtet hält, dem Emir unter Um ständen militärische Hilfe M gewähren, wenn er solche zur Vertheidigung von Kandahar für nöthig erachten sollte. Churchill sprach hierbei die Hoffnung aus, daß die Politik jeder Regierung, die sich dann im Amte befinde, in dieser Beziehung eine bestimmte sein werde. In diesen Aeußerungen des englischen Ministers liegt unverkennbar eine versteckte Drohung gegen Rußland, falls dasselbe Absichten gegen Kandahar hegen sollte; an der Newa wird man indessen diese Drohung wohl sehr kühl hinnehmen. — In London haben die Ver öffentlichungen eines der angesehensten Cityblätter, der „Pall-Mall-Gazette", über die in der englischen Haupt stadt herrschende Unsittlichkeit gewaltiges Aufsehen er regt, und die Londoner Polizei hat sich darum schon veranlaßt gesehen, die an den Bahnhöfen zum Verkauf ausgebotenen Exemplare des genannten Blattes zu konfisziren. In den leitenden Kreisen trug man sich sogar mit dem Gedanken einer gerichtlichen Verfolgung der „Pall-Mall-Gazette", doch ist man, wie der Staats sekretär des Innern im Unterhause auf eine Anfrage mittheilte, von dieser Absicht, als „nicht rathsam", wieder zurückgekommen, offenbar, weil eine gerichtliche Verfolgung des Blattes den Skandal nur vergrößern würve. Uebrigens sollen die haarsträubenden Schil derungen der „Pall-Mall-Gazette" durchaus der Wahr heit entsprechen, und wird somit wieder einmal eine der Nachtseiten der Metropole an der Themse enthüllt. Frankreich. Die Pariser haben am Dienstag in der herkömmlichen Weise das französische Nationalfest, den Jahrestag der Erstürmung der Bastille, durch Frei vorstellungen in den Theatern, volksthümlichen Be lustigungen aller Art und reichliches Essen und Trinken begangen. Den Glanzpunkt des Festes bildete na türlich wiederum die Parade der ca. 24000 Jungen umfassenden Schulbataillone von Paris, dem Stolz und der Hoffnung der Pariser Arbeiter und Klein bürger, dem Aerger aller militärischen Autoritäten und ernster denkenden Männer. An Revanchereden und an ähnlichen antideutschen Demonstrationen wird es 51. Jahrgang. ebenfalls nicht gefehlt haben, darin sind ja die Fran zosen bei solchen Gelegenheiten groß. Im Uebrigen scheint die Nationalfeier ohne besondere Störungen vorübergegangen zu sein. Egypten. Der todtgesagte Mahdi ist den Eng ländern zum Trotz doch noch am Leben und soll sogar eine Expedition nach Oberegypten vorbereiten. Die „Vossische Zeitung" läßt sich hierüber Folgendes be richten: Nach den neuesten, uns aus Kairo zugegan genen Nachrichten stehen dort bedeutsame Ereignisse bevor. Unser Korrespondent meldet: Der Mahdi soll sich mit seinen Anhängern auf den Oasenwegen der lybischen Wüste in der Richtung nach der oberegyp- tischen Stadt Sint befinden und von den Engländern thatsächlich dort erwartet werden. Die Engländer sollen in keiner Weise mißvergnügt über die Ankunft des falschen Propheten sein, da sie durch die kostspieligen Expeditionen im Sudan und die klimatischen Schwie rigkeiten der Sorge überhoben sind, besondere Vor bereitungen zu dieser kriegerischen Begegnung zu treffen. Sint ist die Hauptstadt Oberegyptens, der südlichste Punkt des Eisenbahnnetzes und ein durch seinen frü heren Handel mit dem Sudan wohlbekannter Ort. Bereits in den früheren Zeiten bildeten die Oasen die vielbesuchte Handelsstraße, auf welcher die Sklaven- und Handelskaravanen von Kordofan und Dongola nach Egypten sich bewegten. Aus der Provinz Don gola selbst hat die egyptische Regierung 12000 Don- golanen herausgezogen, die ihr treu geblieben sind und den Engländern im Kampfe gegen den Mahdi zur Seite stehen sollen. Die Stadt Kairo selber ist überfüllt mit Flüchtigen und den Familien der ehe maligen Garnisonen im Sudan und an der Küste des Rothen Meeres. Nie gesehene Typen der schwarzen Bevölkerung des Sudan, der Mehrzahl nach Nubier, erfüllen gegenwärtig die Straßen der Hauptstadt Egyp tens und erinnern an die Zeiten des Alterthums, in welchen die Aethiopier aus dem innersten Sudan mitten unter der egyptischen Bevölkerung ihre Sitze aufge schlagen hatten. Trotz der unglücklichen Lage, in welcher sich infolge der englischen Mißwirthschaft das Land Egypten befindet, hat dennoch im vergangenen Jahre die Gesammtsumme der Einkünfte das erstaun liche Resultat von 9 V» Millionen Pfund Sterling er geben, eine Summe, die nur im glücklichsten Jahre unter der Regierung des Khedive Ismail erreicht wor den ist. «Lokates und Sächsisches. Dippoldiswalde, 17. Juli. Schon seit Wochen rüstet sich Dresden zur Feier eines großen nationalen Festes. Von morgen an werden die Turner aus allen Gauen des Vaterlandes, besonders auch aus Oester reich, wo unsere deutschen Brüder jetzt einen harten Kampf um ihre Nationalität bestehen müssen, ja von jenseits des Ozeans in der sächsischen Haupt- und Residenzstadt einziehen zum 6. allgemeinen deut schen Turnfeste. Auch aus unserer Stadt wird eine stattliche Schaar sich an der Kundgebung deutscher Kraft und nationalen Sinnes thätig betheiligen, An dere werden als Zuschauer in die Feststadt ziehen. Welchen Wunsch könnte man da wohl lebhafter hegen als den, daß das ganze Fest auf eine ivürdige und der Turnsache ersprießliche Weise verlaufen möge. Das aber kann unv wird nur geschehen, wenn sich jeder Einzelne klar ist über die Bedeutung und den Werth dieser großen nationalen Vereinigung. Turner, Schützen und Sänger namentlich sind es gewesen, die zur Zeit unserer politischen Zerrissenheit den Einheits gedanken gesiegt und durch zeitweilige größere und kleinere Feste in weite Kreise getragen haben. Diese Feste, soviel sie auch von philisterhafter Seite bekrittelt und bespöttelt worden sind, haben den großartigen Umschwung vorbereiten helfen, der sich seit 1866 in Deutschland vollzogen und die einzelnen Stämme end lich zu einem großen Ganzen geeint hat. Aber noch