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Dresdner W Journal. Tkonigltch Säehstsehev Staatsanzeigev. Verordnungsblatt der Ministerien und der Ober- und Mittelbehörden. Nr. 15. Beauftragt mit der verantwortlichen Leitung: Hofrat Doenges in Dresden. <r Mittwoch, 20. Januar 1909. Bezugspreis: Beim Bezüge durch die Expedition, Große Zwingerstraße 20, sowie durch die deutschen Postanstalten 3 Mark vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. Erscheint: Werktags nachmittags. — Fernsprecher: Expedition Nr. 1295, Redaktion Nr. 4574. Ankündigungen:Die Zeile kl. Schrift der 6mal gespült. Ankündigungsseite 25 Pf., die Zeile größerer Schrift od. deren Raum auf 3mal gesp. Textseite im amtl. Teile 60 Pf., unter dem Redaktionsstrich (Eingesandt) 75 Pf PreiSermäßigg. auf Geschäftsanzeigen. — Schluß der Annahme vorm. 11 Uhr. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Professor am Gymnasium in Chemnitz Otto Eugen Jungmann anläßlich seines Übertritts in den Ruhe- stand das Ritterkreuz 1. Klasse des Albrechtsordens zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu ge nehmigen geruht, daß der in Sachsen staatsangehörige Herzogl. Sachsen-Altenburgische Kammerherr v. der Ga- belentz auf Poschwitz das ihm von Sr. König!. Hoheit dem Großherzog von Sachsen verliehene Komturkreuz des Hausordens der Wachsamkeit oder vom weißen Falken annehme und trage. Se. Majestät der König haben den zum Konsul von Siam für das Königreich Sachsen ernannten Kaufmann Richard Samuel Hammer in Dresden in dieser Eigen schaft anzuerkennen geruht. Das Ministerium des Innern hat der Krankeuunterstützungstasse „Gt. Paulus" zu Plauen i.B., eingeschriebenen Hilfskasse, bescheinigt, daß sie auch nach Ausstellung-iseI IV. Nach trags vom 12. November 1908 zu Ihrem Statute vom 4. Dezember 1892, vorbehältlich der Höhe des Kranken geldes, den Anforderungen des § 75 des Kranken versicherungsgesetzes vom 10. April 1892 in Verbindung mit dem Abänderungsgesetze vom 25. Mai 1903 genügt. Dresden, am 16. Januar 1909. 1518 Ministerium des Innern, I. Abteilung. 424 Öffentliche Sitzung des KreiSauSschuffes findet Mittwoch, den 3. Februar 1909, nachmittags 1 Uhr in dem Sitzungsfaale der Königlichen Kreishauptmann schaft statt. Die Tagesordnung ist in der Hausflur des Regie rungsgebäudes angeschlagen. Lhemnitz, am 14. Januar 1909. 427 Königliche Kreishauptmannschaft. Die unterzeichnete Königliche Kreishauptmannschaft hat auf Ansuchen des Vorstandes des Vereins für un entgeltliche Verbreitung von Bibeln und christlichen Schriften in Dresden die Veranstaltung einer Haus- fammlung, deren Ertrag für Zwecke des genannten Vereins verwendet werden soll, in den Ortschaften des Regierungsbezirkes Dresden während des Jahres 1909 genehmigt. 433 Die Polizeibehörden des Regierungsbezirkes werden unter Bezugnahme auf die Ministerial-Verordnung vom 20. September 1902 — 1379 II ä/4568 III 02 — hiervon in Kenntnis gesetzt. 9O»III Dresden, am 16. Januar 1909. Königliche Kreishauptmannschaft. Auf Antrag der Zwangsinnung für das Schneider, und Kürschner-Handwerk zu Aue wird in Gemäßheit von § 100t, der Reichsgewerbeordnung die unter dem 19. Dezember 1898 von hier aus erlassene Anordnung, inhalts deren vom 1. April 1899 an sämtliche Gewerbe betreibende, welche in den Ortschaften Aue, Auerhammer, Bockau und Oberpfannenstiel und in dem selbständigen Gutsbezirk Niederpfannenstiel das Schneider- und Kürschner-Handwerk ausüben, der Zwangs-Innung für Schneider und Kürschner zu Aue mit dem Sitze daselbst anzugehören haben, 136IV für den 1. April 1909 wieder zurückgenommen. Zwickau, den 15. Januar 1909. 428 Königliche Kreishauptmannfchaft. Ernennungen, Versetzungen re. im öffentlichen Dienste. r« Geschäftsbereiche de» »i«iperi««S der Kwaaze». Bei der Post-Verwaltung sind ernannt worden: Focht mann, Hesse und B. Th. Müller, seither charakterisierte Pop sekretäre, als etatmäßige Postsekretäre; Tröger, seither gegen Tagegeld beschäftigte Postgehilfin, als etatmäßige Postgehilfin; Schneidermeister Boller als Postagent in Cunsdorf (Bogtl.). Im Geschäftsbereiche des Ministeriums des Ault«» und Sffeutl. Unterrichts. Gesucht wird für sofort ein Vikar. Mel dungen sind an den K. Bezirksschulinfpektor in Grimma zu richten; — von Anfang Februar bis Ostern wird ein Vikar für eine ständige Lehrerstelle an der sechsklafsigen Schule zu Soh land a. R. gebraucht. Meldungen umgehend an den K. Bezirks schulinfpektor in Löbau. — Erledigt: die ständige Lehrerstelle zu Rathen (Elbe). Kollator: die oberste Schulbehörde. Außer freier Wohnung im Schulhause mit Garten 1500 M. Gehalt, 150 M. für Fortbildungsschul- und 75 M. für Turnunterricht. Verheiratete Bewerber erhalten Vorzug. Bewerbungsgesuche nebst den erforderlichen Beilagen bis 6. Febr. an den K. Bezirks schulinfpektor zu Pirna. Nichtamtlicher Teil. Vom Königlichen Hofe. Dresden, 20. Januar. Se. Kaiser!, und König!. Hoheit der Erzherzog Karl Franz Joseph von Österreich begab sich früh 8 Uhr 8 Min. zum Besuch des 1. Ulanenregiments Nr. 17 nach Oschatz und kehrte nachmittags 2 Uhr 23 Min. nach Dresden zurück. Höchstderselbe wird mit Suiten um ^6 Uhr das Diner bei Ihren König!. Hoheiten dem Prinzen und der Frau Prinzessin Johann Georg entnehmen. Abends ^9 Uhr findet im König!. Residenzschloß ein Kammerball statt. Mitteilungen aus der öffentlichen Verwaltung. Die Königl. Polizeidirektion gibt folgende Dar stellung der Wahlrechtsdemonstrationen am Sonn tag: Der blutige Zusammenstoß, der am Sonntag mittag zwischen einem demonstrierenden Volkshaufen und den in der Schloßstraße absperrenden Polizeimannschaften statt- gefunden hat, wird in der sozialdemokratischen Presse in einer Weise geschildert, die den Tatsachen direkt zuwider- läuft und natürlich nur den Zweck hat, alle Schuld an dem Vorkommnisse von den Parteigenossen abzuwälzen auf die Schultern der Polizeibeamten. Die harmlos vor wärts schreitende Menschenmenge soll ganz ohne ihr Zu tun in die Schloßstraße hinein und weiter vorwärts ge drängt worden sein, dann soll plötzlich ein junger Leutnant, der die Besinnung verloren habe, das Kommando zum Blankziehen gegeben haben und nunmehr hätten die Gen darmen ohne jeden Grund mit ihren Säbeln auf die wehr lose Menge eingehauen. Diesen durchaus unzutreffenden Behauptungen gegenüber muß darauf hingewiesen werden, daß sich der Vorgang nach den amtlichen Erhebungen ganz anders zugetragen hat. Daß die von verschiedenen Seiten aus den Versamm- lungslokalen nach dem Innern der Stadt zuströmenden Massen das Bestreben hatten, nach dem Schlosse vorzu dringen, um dort zu demonstrieren, läßt sich nach den allseitig gemachten Beobachtungen nicht bestreiten. Die Wege zum Schlosse waren aber ringsum abgesperrt und so mußte der Versuch gemacht werden, irgendwo durchzu brechen. Dazu bot die enge Schloßstraße scheinbar die beste Gelegenheit, zumal man dort keine berittenen Gendarmen er blickte. So setzte sich denn plötzlich von den auf dem Altmarkte versammelten Massen ein beträchtlicher Teil in Straßen- breite nach dem Georgentore zu in Bewegung und über flutete die Schloßstraße bis zur Absperrungskette an der Großen Brüdergasse. Dort machte man zunächst Halt und stimmte den Sozialistenmarsch an. Dabei ertönte auch schon aus den Hinteren Reihen mehrfach der Ruf: „Durch nach dem Schloß!" Während sodann ein Genosse, offenbar ein Führer, an den dort kommandierenden Polizeileutnant — der nicht ein ganz junger Offizier ist, sondern im 33. Lebensjahre steht und sich schon seit 9 Jahren im Dienste der Polizeidirektion befindet — heran und verlangte nach dem Schlosse zu durchgelassen zu werden, was der Beamte natürlich ablehnte. Während dessen sing die Menschenmenge an vorwärts zu drängen, wobei sich ein Teilnehmer besonders durch Schreien hervortat. Mehrere Gendarmen traten vor, um diesen Mann zu verhaften, worauf die Menge sofort eine drohende Haltung einnahm, den Verhafteten zu befreien suchte und verschiedene Teilnehmer der Zusammenrottung mit ihren Stöcken aus jene Gendarmen losschlugen. In diesem für die Polizeibeamten kritischen Augen- blick zogen die angegriffenen Beamten, den all gemeinen Dienstvorschriften entsprechend, ohne daß der Polizeileutnant überhaupt erst in die Lage kam, einen Befehl dazu zu geben, ihre Seitengewehre und gingen sogleich energisch gegen die Angreifer vor. In- zwischen war noch eine Abteilung Gendarme zur Ver stärkung herbeigeeilt und nunmehr wurde die Schloßstraße zum Teil mit der blanken Waffe geräumt. Die Verletzten wurden von Samaritern schnell weggebracht. Die De monstrierenden hatten nämlich vorsorglicherweise gleich Samariter der Arbeitersanitätskolonne mitgebracht. Auf weitere Einzelheiten einzugehen, ist hier nicht der Platz. Natürlich ist eine Anzahl Teilnehmer zur Anzeige gebracht worden und die Verhandlungen vor dem Strafrichter werden Gelegenheit bieten, den Verlauf des ganzen Exzesses genau klarzustellen. Deutsches Reich. Bom Reichstage. Sitzung vom 19. Januar 1909. Vizepräsident vr. Paasche eröffnete die Sitzung um 1 Uhr 15 Min. Am Bundesratstische Staatssekretär vr. Nieberding. Auf der Tagesordnung standen zuerst die dritte Beratung des Handelsvertrags zwischen dem Deutschen Reiche und dem Freistaat El Salvador und die dritte Beratung eines Gesetz entwurfs betreffend die Kontrolle des Reichshaushaltsetats, des Haushalts von Elsaß-Lothringen und der Schutzgebiete, die nach kurzen Bemerkungen einiger Mitglieder unverändert angenommen wurden. Alsdann trat das Haus in die Fortsetzung der Debatte über den Justizetat ein. Aus eine Anfrage des Abg. Kaempf (frs. Vp.) erwiderte Staatssekretär vr. Nieberding: Ich bin in der Lage mitzu- teilen, daß die Niederlande an Deutschland die Einladung zu einer Konferenz über gemeinsame wechselrechtliche Bestimmungen haben ergehen lassen. Auch Italien wird sich dieser Konferenz anschließen. Es ist zu poften, daß es zu bedeutsamen, inter nationalen Beratungen über diese Frage kommen wird. Daß deutscherseits vor der Konferenz Sachverständige gehört werden, ist selbstverständlich. Abg. vr. Junck (nl.): Wir haben den Wunsch nach einer gesetzlichen Regelung der Tarifverträge und nach der Wieder vorlegung des Gesetzentwurfs betreffend die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine. Auch die Entlastung des Reichsgerichts halten wir für unbedingt nötig. Gedenken möchte ich auch an dieser Stelle der treuen Reichsgerichtsbeamten, die durch die Pistolen schüsse eines Angeklagten verletzt wurden. Möge für die Familie des Getöteten etwas Außerordentliches geschehen. Staatssekretär vr. Nieberding: Auch ich beklage tief den Vorgang, der einem hervorragenden Reichsgerichtsmitgliede eine schwere Verwundung zufügte und einem anerkannten Beamten den Tod brachte. Dafür, daß für die Hinterbliebenen etwas Be sonderes geschehen wird, ist begründete Aussicht vorhanden. — Der Gesetzentwurf zur Regelung der Tarifverträge liegt dem Reichsamt des Innern vor. Es ist bei der Fülle gewerberecht licher Fragen, die der Entwurf enthält, unmöglich, ihn dem Haufe zu übergeben, ehe das Reichsamt des Innern sich dazu geäußert hat. Abg. vr. Müller-Meiningen (frs. Vp): Dem hier geäußer ten Wunsche nach einem Staatsgerichtshof für Deutschland schließe ich mich an. Zum Urheberschutz bemerke ich, daß zurzeit die deutschen Bühnenfchriftsteller systematisch von den tschechischen Bühnen bestohlen werden. Man ändert den Titel und sonst ein paar Kleinigkeiten, übersetzt das Stück und führt es dann als tschechisches Originalwerk auf. Die größte Sorgfalt ist der gericht lichen Behandlung der Jugendlichen zuzuwenden. Hier helfen nicht Polizeimaßnahmen, hier muß die Schulpolitik, die körper liche Ausbildung der Jugend und die Jugendfürsorge eingreifen. (Sehr richtig!) Die Staatsanwaltschaft ist noch immer die un beliebteste deutsche Behörde. (Sehr richtig!) Des sollte nicht so fein. Diese Behörde sollte mehr als bisher daran denken» daß sie nicht nur den Belastungsbeweis, sondern auch den Entlastungs beweis gegebenenfalls zu führen hat. Zum Schlüsse möchte ich darauf Hinweisen, daß die ungleichmäßige Behandlung vor Ge richt nach Geburt, Stand und Vermögen nicht statthaft ist. Wenn in einem Urteil z. B. von dem Kläger Schuhmann und dem Beklagten hochedel gebo enen Herrn Grafen die Rede ist, so haben wir es hier mit dem Rudiment einer abgestorbenen Staats- auffassung zu tun, die nicht entschieden genug bekämpft werden kann. (Lebhafter Beifall links.) Abg. vr. v. Dziembowski-Pomian (Pole): Ich frage den Staatssekretär, ob im Reichsjustizamt eine Abteilung besteht, die darüber zu wachen hat, daß die Landesgesetzgebung der Bundes staaten nicht in die Reichsgesetze eingreift. Namentlich der Bundesstaat Preußen greift fortwährend in Verwaltung, Gesetzgebung und Verfassung des Reiches ein. Ich erinnere nur an das Enteignungsgesetz. Staatssekretär vr. Nieberding: Ich muß entschieden der Auffassung widersprechen, als hätte Preußen durch seine agrarpolitiscken Gesetze seine landesgesetzlichen Befugnisse über schritten. Im Gegenteil, Preußen hat vor Einbringung dieser Gesetze angefragt, ob die Reichsgesetzgebung ihnen entgegenstände, und sie erst vorgelegt, nachdem die zuständigen Reichsinstanzen diese Frage nach bestem Wissen und Gewissen verneint hatten. Abg. vr. Frank (soz.): Bei dieser Justizetatsdebatte liegt die Stille der Erwartung über dem Hause. Man geht mit dem Reichsjustizsekretär fast zärtlich um in Erwartung des neuen Gesetzzwillingspaares. (Große Heiterkeit.) Auch ich will dem er warteten freudigen Ereignis gegenüber (große Heiterkeit) mit der Kritik zurückhalten. Erwähnen möchte ich daS Vorgehen bei der Hinrichtung der Grete Beier, wo 200 Honoratioren eingeladen waren, als ob e« sich um ein Schlachtfest handelte. Der Boykott