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Exptd. u. Redatiwn rrcS-eN'Xtustadt kl. Meißner Gasse 4. Die Zeitung erscheint Tteuftag, Donnersta, und eonnabend früh. Abonnkment»- Preis: dierteljährl. M. 1.50. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- anstalten und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung inS HauS erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Pf. ächsifche VorljntMA Lin unterhaltendes Blatt für den Binger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrman» Müller in Dresden. Inserate werden bis Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: dieispalt. Zeile 15 Pf. Unter Eingesandt: 30 Ps. Jnseraten- Nnnahmestcllc»: Die Arnoldijche Buchhandlung, Jnvalidcndank, Haasenstein LBoglcr, Rudolf Mosse, G. L. Taube « Co. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., G Kohl, Kcsselsdorf u. s. w. Ar. 109. Donnerstag, den 16. September 1897. 59. Jahrgang. Politische Weltschau Deutscdes Reich. In den nächsten Tagen, am 20. und 21. September, wird Kaiser Wilhelm nach Beendigung der Manöver bei Totis in Pest, der Hauptstadt Ungarns, zu einem zweitägigen Verweilen eintreffen. Diese Reise nach Ungarn zu dem öster reichischen Kaiser Franz Joseph reiht sich als ein Zeugniß für den festen Zusammenhalt des Dreibundes den Homburger Festtagen in bedeutungsvoller Weise an. Die glänzenden Vorbereitungen, welche in Pest für den bevorstehenden Besuch Kaiser Wilhelm'- ge troffen worden sind, beweisen es deutlich, daß man diesen Besuch mit großer Wärme begrüßt. Man empfand es in Ungarn seit Jahren als eine kleine Zurücksetzung, daß das Oberhaupt des verbündeten Deutschen Reiches wiederholt Oesterreich und namentlich Wien besucht hat, ohne auch Pest einen Besuch abzu statten. Es bedarf keiner besonderen Ausführung, daß das Unterbleiben eines solchen Besuches nicht auf Be weggründe zurückzuführen ist, welche in Ungarn al- Zurücksetzung empfunden werden könnten. Ohne Zweifel find es ganz andere Umstände gewesen, die bisher den Besuch der Hauptstadt Ungarns durch den deutschen Kaiser verhindert haben. Wenn die Ungarn eS dennoch als eine Art Zurücksetzung empfanden, so ist dies ledig lich mit der Eifersucht zu erklären, mit der sie über die Gleichberechtigung mit Oesterreich in jeglicher Be ziehung wachen. Man wird aber auch in Deutschland mit Befriedigung von dieser Reise des Kaisers Kennt- niß nehmen.. Je bunter die Dinge in Cisleithanien sich gestalten, je mehr die centrifugalen Kräfte im Staatsleben Oesterreichs die Oberhand gewinnen und in dem gleichen Maaße die Aktionskraft Oesterreichs nach außen hin gefährden, desto werthvoller wird die feste innere Organisation der anderen Reichshälste auch für die auswärtige Politik. Man braucht sich keinen Augen blick darüber zu täuschen, daß die Sympathien in Ungarn für Deutschland keine Herzenssache sind, sondern das Ergebniß der verstandermäßigen Abwägung der Faktoren, von denen die Lage Ungarns und insbesondere j die Zukunft diese» Staates inmitten der Staatengebilde und nationalen Strömungen im östlichen Theile Europas abhängig ist. Ihrem ganzen Temperamente nach sind ihnen die Franzosen viel sympathischer als die Deutschen. ! Auch wir können unsererseits nicht mit ungemischten Empfindungen der harten Bedrängung der in Ungarn ansässigen Deutschen gedenken. Solche Gefühlserregungen haben aber zurückzutreten gegenüber dem großen Ge wichte der Erwägungen der internationalen Politik, die Ungarn und Deutschland zu gewiffermaaßen natür ¬ lichen Bundesgenoffen machen. Erleichtert wird die ! Beiseitelassung der erwähnten Gefühlsmomente, wenn ! man die Nothwendigkeit eines festgefügten EinzelstaateS im Oriente erkennt, der den Beruf hat, im Vereine ! mit Rumänien die slavische Hochfluth auszuhalten. ES ist kein Zufall und noch weniger ideale Begeisterung für deutsches Wesen, wenn gerade Ungarn den festesten Stützpunkt für daS Bündniß Deutschlands mit Oester reich-Ungarn bildet. Die Ungarn haben von Beginn an dem Bündnisse rückhaltslose Sympathie zugewandt. Ein Ungar — Graf Julius Andraffy — war eS, der als Minister des Auswärtigen den Vertrag vollzog und ein Ungar — Graf Kalnoky — hat es als Minister mit warmem Verständnisse gepflegt. Ungarn ist ein gekeilt zwischen slavischen Stauten beziehungsweise Völkerstämmen, die nach staatlicher Selbstständigkeit ringen. Eine alleinige Ausnahme machen die Rumänen. > Eine andere Stütze für die zukünftige Entwickelung und ' für die Rolle, die sie im Oriente spielen wollen, können , sie nirgends finden, als eben im Deutschen Reiche, welches mit seiner gesammten Macht den Bestand der österreich-ungarischen Monarchie verbürgt. Deshalb konnte man früher in Ungarn vielfach nicht ohne Miß- i trauen die engen Beziehungen Deutschlands zu Ruß- ! land betrachten. Rußland war der Erbfeind, der den ganzen Orient für sich in Anspruch nahm und damit die Entwickelung der Kräfte Ungarns nach dem Süd- ! osten Europas zu von vornherein unmöglich zu machen drohte. Daher auch die Sympathie der Ungarn für die stammverwandten Türken. Solange die russische ! Orientpolitik eine ausgesprochen aggressive Richtung gegen die Türkei hatte, war eS der deutschen Politik nicht immer leicht, den Ungarn begreiflich zu machen, daß gerade ein gutes Verhältniß zwischen Deutschland und Rußland die Gefahren für Oesterreich-Ungarn ab chwächte. Glücklicherweise ist in der Politik Ruß lands seit Anfang 1895 eine Wendung eingetretsn, die eS Deutschland ermöglicht, mit Rußland auf freund schaftlichem Fuße zu leben, ohne bet dem verbündeten Reiche Mißtrauen zu erwecken. Die Bestrebungen Deutschlands haben vielmehr mittelbar dazu beigetragen, das Verhältniß zwischen Oesterreich-Ungarn und Ruß land zu klären und diese beiden Rivalen im Osten Europas so weit zu nähern, daß der letzte Besuch Kaiser Franz Joseph's in Petersburg zu der bekannten hochpolitischen Kundgebung an die kleinen Balkanstaaten führen konnte. Deutschland konnte nichts mehr er wünscht sein, als diese Annäherung der beiden Kaiser mächte, welche die Sorgen der deutschen Politik um die Erhaltung des Friedens nur erleichtern kann. Um i so rückhaltsloser kann man sich der Freude über den ' Besuch Kaiser Wilhelm's in Pest hingeben. Auch dieser Besuch wird als ein Glied in der langen Reihe von Ereignissen ersä. einen, welche dazu bestimmt waren, den Geist des Friedens überallhin zu verbreiten. Der herzliche Empfang, den die Ungarn unserem Kaiser bereiten, wird in Deutschland lebhaften Wiederhall finden und die geistigen Bande von Neuem fenigen, welche beide Völker in dem Streben nach friedlicher Entwickelung ihrer kulturellen Kräfte vereinen. Sollte Kaiser Wilhelm die für nächste Ostern geplante Fahrt nach Jerusalem unternehmen, so würde er der zweite deutsche Kaiser sein, der die hei lige Stadt und da» Grab Christi besucht. Der erste deutsche Kaiser, der nach Jerusalem kam, war Friedrich II., der Hvhenstaufe, der einen Kreuzzug nach dem heiligen Lande unternahm, in Askalon aber mit dem Khalifen Kramil von Aegypten einen Vertrag abschloß, in dem dieser ihm die heilige Stadt sammt ihrem Gebiete und einen Küstenstreifen dazu abtrat. Hierauf hielt Friedrich seinen feierlichen Einzug in Jerusalem, worauf ihn der lateinische Patriarch am heiligen Grabe zum König von Jerusalem krönte. Mit der deutschen Kaiserkrone ging später auch der Titel König von Jerusalem von den Hohenstaufen auf die Habsburger über. Franz Joseph war jedoch der einzige habsburgische Kaiser und Titularkönig, der die heilige Stadt besuchte und zwar 1869. In der Presse ist vielfach die Rede davon, wer der Nachfolger des Fürsten Hohenlohe als Reichskanzler werden könnte. Die Meldung de» „Hann. Kour", daß Fürst Hatzfeldt zum Reichskanzler auSersehen fei, hat von anderer Seite bis jetzt keine Bestätigung gefunden. Ein Berliner Blatt bemerkt dazu: „Unseres Wissens ist die Frage der Uebernahme des Reichskanzleramtes durch den Fürsten Hatzfeldt bereits vor einiger Zeit erörtert worden. Damals hat Fürst Hatzfeldt keine Neigung gezeigt, das Amt zu übernehmen. Was das Auftauchen des Generals von Bülow als Kandidat für den Reichskanzlerposten an langt, so steckt hinter der Nachricht mehr als bloße Kombination. Wie wir erfahren, ist in der That an den Husarengeneral v. Bülow als Reichskanzler ge dacht morden. Der General v. Bülow ist verwandt mit der Familie v. Balau, ein Träger dieses Namens ist Polizeipräsident von Potsdam; die Familie hat auch Beziehungen zum BiSmarck'schen Lager. Anderer seits ist die Frau des Generals v. Bülow die Schwester deS Chefs des kaiserlichen MilitärkabinettS v. Hahnke." Die Angriffe deS christlich-socialen „Volk" gegen die konservative Partei find natürlich m der letzteren nicht ohne Erwiederung geblieben. Es war begreiflich — so schreibt die „Konservative Korrespon denz" — daß, noch dazu angesichts der VieteljahreS- Ieuilleton. Das Kreuz am Waldessaume. Erzählung von Wilhelm Appelt. (Nachdruck verboten.) (2. Fortsetzung.) „Jawohl, er hat sich's unterstanden! Aber nun ging eS los bei mir: WaS, mich fragst Du, was die Auguste macht und ob sie wohl recht einsam ist? Du bist ja überall im Dorfe zu Besuch gewesen und hast Dich nach einem jeden Kalbe erkundigt, wie eS sich befindet, da hättest Du auch zu uns kommen können und sagen: „Grüß Gott, Auguste, wie geht'» noch alleweil?" ES hätte ihr in der Seele wohl gethan. Du weißt gut, daß ihr selten Einer ein freundlich Wört- chen gönnt!" „Um Gotte» Willen, Bärbel, war hast Du gemacht! WaS hat er denn dazu gesagt?" fiel Auguste voll Todesangst ein. „Was er gesagt hat? Er hätte eS nur wagen sollen, etwa» zu sagen; mit dem Rechen wäre ich auf ihn losgefahren, wenn er etwa» gesagt hätte!" „Bärbel, da» hast Du nicht gut gemacht, sei ver sichert, daß e» ihm ernst war mit seiner Theilvahme. Wie würde er, der immer so lieb und gut mit mir gewesen, unser spotten wollen!" sprach Auguste tief be trübt. Dann aber erzählte sie Bärbel, wie thetlnahm». voll Heinrich in früheren Jahre» immer mit ihr ge wesen und daß er e» allein war, dem fie so manche glückliche Stunde ihrer Kinderzeit verdanke. AiS Bärbel AUeS vernommen, zog eS recht ver legen über ihr Gesicht, gleich darauf aber begann daS Donnerwetter. „An der ganzen Bescheerung trägt einzig und allein Dein Heimlichthun die Schuld. Hättest mir längst Mitlheilvng davon machen können, weiß ich mir doch nichts Lieberes auf der Welt, al» wenn Dir etwa» Gutes widerfährt!" Da schlang Auguste zärtlich ihren Arm um Bär bels Hal«, welche sich vergeblich bemühte, ein recht böseS Gesicht zu machen. Nach einem kurzen Kampfe mit sich selbst begann das Mädchen hierauf mit leise bebender Stimme: „Bärbel, Du hast immer wissen wollen, wie e» gekommen, daß ich auf einmal ganz ander- geworden und nicht mehr wie früher der Bosheit der Anderen gleichfalls Bosheit entgegenzusetzen vermag und daß ich nun vermeine, daS Lachen und Fröhlichsein sei für mich gar nicht auf der Welt!" Gespannt und theilnahmSvoll blickte Bärbel nach Auguste hin, welche an daS Feaster getreten war und erst nach einer Weile da» Wort wieder aufnahm. „ES war vor zwei Jahren und zwar an einem Sommernachmittage. Ich war damals noch ein halbe» Kind und zählte erst 1b Jahre. Während sich die Anderen im fröhlichen Beisammensein de» Leben» freuten, ging ich einsam und allein zwischen wogenden Kornfeldern da» Dorf entlang. Al» ich da» Ende desselben erreicht hatte, nahm ich meinen Weg nach dem Walde zu und in tiefe» Sinnen verloren stieg ich immer höher. Endlich hatte ich die große Wald- wiese erreicht, die an den Sumpf stößt. Nachdem ich mw ein Sträußchen Vergißmeinnicht gepflückt, setzte ich mich am Rande de» Waldes niever, mit dem Rücken an den Stamm einer mächtigen Tanne gelehnt, an welcher sich ein Marienbild befindet. Die Hände in den Schooß gefaltet, blieb ich lange in Gedanken ver loren fitzen. Ringsumher war es so still und feierlich und nicht- regte sich. Der Himmel war so klar und blau, daß man schier hineinsehen konnte. Kein Vogel zwitscherte, kein Käfer summte, Alle- schien in tiefen Schlaf gewiegt zu sein und nur ein Habicht schwebte ruhig dahin in hoher Luft. Mir zu Füßen lag in Hellem Sonnenlichte Ellerwang und dahinter Aecker, Wiesen, Wälder und Berge, die letzten bereit- in blauen Dunst verloren. Wie ich so Hineinblickle in die schöne Landschaft, da sehnte ich mich hinaus in die Ferne, weit von der Heimath, dorthin, wo mich Niemand kennt. Wie ich mit offenen Augen so träumte und mir in der Einsamkeit immer weher wurde, fing e- auf einmal an vom Torfe her zu klingen; eS war die Tanzmusik, die soeben ihren Anfang nahm. Wie eine arme verlorene Menschenseele schien die Geige zu weinen und zu jammern, gleichfam al- wie ein Widerhall au- meinem Herzen. Auf einmal brach da- Vorspiel ab und e» begann eine liebliche Walzermelodie. Da schwand plötzlich alle Traurigkeit bei mir dahin und da- schien zu rufen und zu locken: „Komm herab, komm herab!" Ich hatte noch nie empfunden, wa» am Tanzen Schöne» sein könne, da aber überkam mich sehnsüchtige» Ver langen danach. Und immer verlockender erklang mir die Musik und immer dringender verlangte mein Herz hinab. Gewaltsam wollte ich diese» Sehnen Nieder kämpfen, allein e» zog mich übermächtig hinunter nach