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71«Tichrgimg. ALS« «benö-Ausgabe Dt««»lag, 12. Juli 1227 Gegründet 1868 Vrabtansckriftr St«»»1ibt«» V»««d«« Fenitvrecker-Sammelnummer > 2SL41 Nur lür Nacktaeivräch«, 20011 _ , kei Hau, 1.« Mk. »llunaeaebübr. B°Mg-.G-bühr «t»,»luu«u»er io Pfeant, Dt, Bmejaen «erden nach Doldmark berechnet: dt, «tntvaltta» » mm breit, Anzeigen^Oeise: V-VÄS aukerkalb AVPra. Offertenaebllnr ZOPla. Ausw.AuttrSae aeaen Boraurberabla. SchMleitun» und HauvtoeschLft^iell«, Maetenftrag« SS,42 Druck ». Berlag von Lt«p<» « Retchaedt in Dresden Potischeck»Konto tOSS Dre.de« Nachdruck nur mit deutlicher Qiiellenanaad« t.Dreidnrr Nachr "> »ulSllta. Unvertanate Tchrtttttücke werden nickt outbewabrt Krise des Kabinetts Poincarö. Wahlreform nach -en Wünschen -er Linken. — Gefährliche Zuspitzung in-er Vesol-ungsvvrlage. Neue Sossnung aus ein San-elsprovisorium mit Paris. - Bil-ung einer Dachorganisarion -es gewerblichen Millelsian-es. Das Provinzial-Wahlrechl von -er Kammer angenommen. Paris, 12. Juli. Die französische Kammer «ahm heute morgen gegen 1 Uhr nach einer Rachtsitznng mit SSL gegen 88 Stimmen de« Gesetzentwurf znr Wiedereinführung deS ProvinztalmahlrcchtS mit der vorgesehenen Wahl von 611 Abgeordnete« in zwei Mahlgängen an «nd vertagte sich dann anf heut« nachmittag 8 Uhr. In der Nachtsitzung, die um 9,80 Uhr begann, wurden nicht weniger als 8g meist aus der Obstruktion geborene und hartnäckig verfochtene Anträge als Sonderwünsche für einzelne Wahlkreise mit übergroßer Mehrheit abgelehnt. Gegen 4 Uhr konnte man schließlich die Abstimmung über die Wahlkreiseinteilung vornehmen. Mit Ausnahme kleinerer Aenberungen in der Gironde und der Dordonne wurden die WahlkreiStabellen des Innenministeriums an- genommen. In der Nachmittagssitzung wurde noch beschlossen, die Frage der Wahlfähtgkett und Wählbarkeit der Gin- geborenen tp Len Kolonien zum Gegenstand einer be. sonderen. Beratung -u machen. Unter Heiterkeit wurde «in mit der Erhöhung der Abgeordnetenzahl begründeter An« trag der Rechten abgelehnt, der die Diäte» von 4S auf Franken herabsetzen wollte. sT.-U.) Das Kabinett Poincarö in Gefahr. Paris, 12. Juli. Nachdem es den Anhängern des Kreis. Wahlrechts Lank ihrer eigenen Disziplin gelungen ist. die Wahlrechtsreform mit starker Mehrheit Lurchzudrücken, wendet sich Las politische Interesse der Frage zu. ob das Kabinett Poinearö die für morgen augekiinÄgte Schließung der ordent liche« Parlamentssesfio« überlebe« wird. Poincars hat gerade in seiner Eigenschaft als Finanzmintster in der letzten Zeit manchen unerwarteten Mißerfolg erlitten, doch war «och kein« Niederlage derart, wie sie der gestrige Beschluß der Finanzkommisstou dem Ministerpräsidenten bereitete, trotzdem er auch gestern wieder die Weigerung aussprach, die Budget- kredtte zu überschreiten. Schon seit Tagen ist in den Wandel- Sängen der Kammer die Meinung verbreitet, die treuesten Anhänger PoincaröS, bas Zentrum und die Recht«, würden ihren Aerger über die Niederlage in -er Wahlrechtsreform an PoincarS auslaffen und sich auch durch wahltaktische Rück sichten nicht dazu verstehen können, der beamtrnfreundlichen Mehrheit der Finanzkommission, die sich für ein« weitgehende Nachzahlung der Besoldungserhöhung auSsprach, ein glattes Nein entgegenzusetzen. In der Erkenntnis -er Gefahr, in der Las Kabinett Poincars schwebt, ruft hente die gesamte Rechtspresse die ihr nahestehenden Parteien znr Rettung Poincarss anf. So schreibt die .Bictotre": Das Ministerium Poincarä ist durch den eigenen Fehler des Ministerpräsidenten schwer krank. Heute soll der Poincarismus einer harten Probe unterworfen werden. So gerechtfertigt auch der Aerger der nationalen Republikaner sei» mag. und welche Gefahren sie auch laufen mögen, indem sie ein Votum abgeben, das Len unteren Be amten mißfällt, müssen sie doch geschlossen für das Ministerium stimmen. Der „Avenir" ist der Ansicht, daß das Kabinett Poincars -er unmittelbaren Gefahr noch entgehen werde, aber der gebrochene Burgfriede könne nicht Wiedererstehen. Der „Figaro" gibt dem Zentrum den Rat. das von Machtlosig keit geschlagene Ministerin« eines natürliche« Todes sterbe« zu lasse«. tT. U.) Wachsen-e kritische Stimmung in Frankreich. Schwierigkeiten »ege« der Beamteugehälter. lDurch Sunksprnch.) Paris, 11. Ynkt. -Der FinanzauSschußd«, Lämmer hat grundsätzlich beschlossen, über die von Poincars für die Besoldungsreform festgesetzten Ziffern hinauszugehen und einstimmig einen Antrag angenommen, wonach die Ge- HS-HK'r aller Beamtenklassen rückwirkend vom 1. August 1928 und nicht erst vom 1. Januar 1928 ab auf- gcbessert werben sollen. Poincars hatte erklärt, daß er wegen dieser Angelegenheit die Vertrauensfrage stellen werbe. Paris, 12. Juli. Der gestrige Beschluß des Finanzaus schusses der Kammer, die Beamtengehälter rückwirkend ab 1. August 1928 zu erhöhen, erfordert eine Mehrausgabe für bas Budgetjahr 1928/27 von 426 Millionen. Ministerpräsident Poincars als Finanzmiuister hat sich entschieden ge weigert. über den Regiernngsvorschlag hinanSzngehe«. Die Lage ist also kritisch. Der Abgeordnete Blum sagt im „Popu- laire": Wenn ein Teil der durch ihre Niederlage in der Wahl rechtsvorlage verstimmten Opposition sich den Linkspar teien in der Frage der Erhöhung der Beamtengehälter an- schließen sollte, wäre eine MtnisterFrtse wahrscheinlich. Llemeneearr im Sterben. Paris, 11. Juli. Der 88 jährige frühere Ministerpräsident Clemenceau ist plötzlich ernstlich erkrankt, so daß die Aerzte und Familienangehörigen, die an seinem Krankenlager weilen, bet dem Alter des Erkrankten mit dem schlimmsten rechnen. AbschlußdesHandelsvorvettragesmitFrankreich? Vorläufige Geltung für ein Jahr. Berlin. 12. Juli. Die Pariser Verhandlungen über ein neues deutsch - französisches Handelsvertragsprovtsortum stehen unmittelbar vor dem Abschluß. ES verlautet, daß die französische Delegation die deutschen Vorschläge zu einem er heblichen Teil akzeptiert hat. so daß eine Annäherung der beiden Delegattonen erzielt werden konnte. Noch nicht er- ledigt ist die Frage des WetnkontingenteS. Man nimmt an, baß die deutsche Delegation hier gewisse Zugeständ nisse wird machen müssen. Dafür aber habe« die Franzose« sich grnnbfätzlich bereitcrklärt. das neue Provisorlnm ans ei« Jahr abznschließe«. Man will auf diese Weise genügend Zeit gewinnen, um inzwischen endlich den endgültigen deutsch, französischen Handelsvertrag zustandezubringen. Sobald das Provisorium in Paris unterzeichnet ist, wird es dem handelspolitischen Ausschuß des Reichstages zu- geleitet, der vorläufig bis zum Wtedcrzusammentrttt -es Plenums darüber Beschluß zu fassen hat. Die Genfer Konferenz-Krise. Nene englische Flottenvorschläge. Genf. 12. Juli. Die gestern eingetroffenen neuen eng- lischen VermittlungSvorschläge für die weiteren Verhand lungen der Seeabrüstungskonferenz haben zunächst keine Aenderung der immer noch sehr krisenhaften Lage der Kon- seren» herbeigeführt. Die englische« Vorschläge» die von der Delegation streng gehetmgehalten werden, sehe« eine Auf» rechterhaltnng des gegenwärtige« Flottenstandards der drei Seemächte vor, jedoch mit der Festsetzung eiueS Flottenban» Programms der Mächte für einen bestimmte» Zeitraum. Die amerikanische Delegation hält demgegenüber an ihrer bis- hertgen Auffassung fest, baß eine Gesamttonnage für jede einzeln« Flotte in einem Abkommen festgelegt werben soll. Diese amerikanische Forderung bildet insofern gegenwärtig die größten Schwierigkeiten, als die englische Delegation eine ReduzierungSmethobe prinzipiell ablehnt und die Herab- setzung der Tonnage der einzelnen Schiffstypen, insbesondere- der Kreuzerklasse, wünscht. Ueber den weiteren Verlauf der Konferenz gehen die Meinungen gegenwärtig noch aus- einander. In Delegtert^nkretsen ist man der Ansicht, daß im Falle der Annahme der neuen englischen Vorschläge als Basis für die weiteren Verhandlungen die Konferenz noch geraume Zeit wird tagen müssen. sT-U.) Englarr- versprich! -al-ige Desahungs- verminderun". London, 12. Juli. Der ständige Unterstaatssekretär des Aeußeren, Looker Lampson, erklärte im Unterhaus« an- schließend an die Ausführungen EhamberlainS: „Was die Räumung -es Rheinlandes betrifft, so hat mich der Staats sekretär gebeten, zu sagen, er bedaure sehr, baß er bezüglich dieses besonderen Punktes nicht ausdrücklich geantwortet habe. Er teilte mir mit, daß die Frage der Räumung des Rheinlanbes in Genf bet der letzten Sitzung deS Völker bundes nicht aufgeworfen wurde, und die britische Regierung glaubt nicht, daß es einem nützlichen Zwecke bienen würde, wenn diese Frage jetzt erörtert werben würde. Tatsächlich ist seit Dezember 1926 eine beträchtliche Herabsetznn« der Trup pe« im Rheinland vorgenommen worden. f?j Die britische Regierung ist jedoch der Meinung, daß diese Bermindernng nicht weit genng «nd nicht so weit dnrchgcftthrt worden ist, wie sie in der Entschließung der Botschafterkouferen» ins Auge gefaßt wurde. Aber die Regierung wird fortfahren, ihr Bestes zu tun, um dafür zu sorgen, daß die baldige Er- füllung der Erwartungen über die Entschließung der Bot. schafterkonferen» tatsächlich zustande gebracht wird. sT.-U.) Vor einer Diermächke-Tanger-Konserenz? London, 12. Juli. Wie die „Times" berichten, sind die französisch-spanischen Tangerverhandlungen auf einem toten Punkt angelangt, weil die spanische Regierung darauf be- stehe, die Kontrolle der Polizei im internationalen Gebiete zu erhalten. ES sei daher vorgeschlagen worden, die Kon. serenzunter Hinzuziehung eines britischen und eines -tttiptzSSEWh e n Vertreter» in eine Viermächte-Konferenz umzuwandeln. Die Anzeichen wiesen darauf hin, -aß die betreffenden Mächte auf diese« Vorschlag et «gehen würden. 1T.-U.) Der lettische Minislerpräsi-enl rühm! -ie Ballen. (von unserem Mitarbeiter für Ostfrage«.) St. Riga, 11. Juli. Der Aufenthalt der Vertreterder Minderheiten in Riga nimmt einen außerordentlich erfreu lichen Verlauf infolge der geradezu demonstrativen Herz lichen Anteilnahme der lettischen amtlichen Stellen an der Tagung. An dem Frühstück, das die Mtnberheitenrertreter in der St. Johannisgilbe gaben, nahmen u. a. der Mtni- st e r p r ä s tde n t Sku jenek, -er deutsche Gesandte Dr. Köster, der Außenminister Zeelen und der Bll- dungsmtnister Hainis, der bekannte Dichter und Ueber- trager Goethes in die lettische Sprache, und der Chef deS Presseamtes im Außenministerium, Legationsrat Dr. Bthl- mann, teil. Senator Landrat a. D. Naumann (Polen) gab seiner „Freude und stolzen Genugtuung" Ausdruck, unter den Gästen hohe und höchste Vertreter der lettländischen Regie rung als Gäste begrüßen zu dürfen. Er sehe darin nicht nur einen Schritt der Höflichkeit, sondern die erneute Anerken nung, daß Lettland eine gesetzgeberisch« Arbeit geleistet habe, die auf dem Wege des kulturellen Eigenlebens einen er- heblichen Schritt vorwärts bedeute. Er zweifele nicht daran, Laß Lettlands Vorgehen sich auch in anderen Staaten auswirken werde, in denen das andersstämmige Volkstum noch sehr weit von dem gesteckte» Ziele entfernt sei. Der lettische Ministerpräsident Sku jenek erwiderte mit Worten herzlichen Dankes, daß die Konferenz gerade in der alten Hauptstadt des Landes, in Riga, tage. Er fuhr dann fort: ,^ier in Lettland ist das Deutschtum zahlen mäßig nicht sehr b'deutend vertreten. Um so bedeutender ist jedoch der große Einfluß, den hiesige Dentsche in der Ent« Wicklung der Geschichte unseres Landes gehabt haben. Zeich, neten sie sich doch stets durch ihre ftaatSerhaltende «nd staats« anfbancnde Tätigkeit aus. Fühlten doch wir Letten mit den Deutschen und dem größten Teil der anderen Nationalitäten im Lande als ein gemeinsames Staatsvolk, das ge meinsame Ziele, gemeinsame Zwecke verfolgt. Ich freue «dich ganz besonders, baß der deutsche Minderheiten kong r e ß hier stattfinden kann. Denn es ist hier viel getan worden, um die unerwünschten Differenzen zwischen Mehr- heitsvolk und Minderheitenvölker betzulegen. Wir haben — ich will nicht sagen die Lösung — wohl aber die Wege zur Lösung gefunden. In gemeinsamer Arbeit, in gemeinsamer Tätigkeit zum besten unserer Heimat finden sich bet uns die Völker als Staatsbürger eines Landes zusammen. Die Art. wie die nationalen Fragen hier geregelt werden, können, wenn auch nicht in der Form, so doch ihrem Geiste nach aus andere Länder gewissen Einfluß haben." Es dürfte das erstemal sein, daß et« lettlSndisther Ministerpräsident, wenn wir etwa von den Tagen, da Needra dieses hohe Amt bekleidete, adsehen, sich in so anerkenneuder und vorurteilsfreier Weise über die Bedeutung deS Deutsch tums in Lettland ausgesprochen hat. Man kann darin ein An zeichen einer günstigen Entspannung der Nationali tätenfrage in Lettland erblicken. Besuch -eulscher Kriegsschiffe in Danzig. (Durch Funkspruch.) Danzig, 12. Juli. Heute vormittag 8 Uhr sind die beiden deutschen Kriegsschiffe Linienschiff „Hessen" und Torpedoboot „1 199" auf der Reede von Neufahrwasser angekommen. Aus diesem Anlaß hatte sich eine große Anzahl von Dampfer« und Segelbooten auf die Reede begeben. Der Kommandant der „Hessen", Kapitän Junkermann, wurde im Aufträge der Danziger Regierung vom Polizeipräsidenten begrüßt. Der Kommandant der „Hessen" stattete darauf dem Prä sidenten des Senats Dr. Sahm einen Besuch ab. Der Prä sident des Senats erwiderte den Besuch aus der Reede an Bord der „Hessen". Um 2 Uhr fand ein vom Senat ver anstaltetes Essen im Roten Saale des Danziger Rat hauses statt. Die Kriegsschiffe statten der Freien Stabt Danzig einen fünftägigen Besuch ab. Sie wurde« vou de« dichtbesetzte« Boote» mit stürmischen Hurra-Rufe« empfange». Als dt« „Hessen" und 190" Anker geworfen hatten, nahm di« Mannschaft der Schiffe Parade st ellung. An Bord spielte die Kapelle bas Deutschlanb-Lieb, in -aS die den deutsche« Kriegsschiffen entgegengefahrenen Dampfer- und Segelboots- Insassen begeistert einsttmmten. — Der Nachmittag ist mit einem Besuch der Kommandanten beim Kommissar LeS Völkerbundes ausgefüllt. Der litauische SlaalsprSsi-enl in Memel. Königsberg, 12. Juli. Wie aus Memel gemeldet wird, traf gestern vormittag der litauische Staatspräsident Gmetona zur Eröffnung der Memeler Ausstellung in Memel ein, wo er mit großem Gepränge eingeholt wurde. Gestern nachmittag wurde der Präsident von der Memeler Industrie- und Handelskammer empfangen. Bei dieser Gelegenheit gab Smetona seiner Freude darüber AuSdruch, -aß die memel ländische Wirtschaft das Ausstellung-Werk so wesentlich unter«