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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumcraticns.Prci« 224 Silbergr. (j Tblr.) vierteljährlich, Z Tblr. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Con> p., Jägcrüraße Nr. 28) , so wie von allen König!. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 120. Berlin, Dienstag den l6. Dezember 1843. England. Der Sturm von Badajoz. (Beiträge zur Schilderung der MannSzucht der englischen Truppen in Spanien.) Die Gräuelsccnen, welche von den Engländern nach dem Stnrm von Badajoz im April 1812 in dieser Stadl verübt worden, dienen seit lange den französischen Schriftstellern zur Waffe gegen die vielgcriihmte MannSzucht der Truppen unter Wellington, und selbst englische Darsteller können nicht immer ihren Abscheu dagegen verbergen. Napier sagt, als er die Einnahme der Stadt beschrieben: „Gebe Gott, daß die Geschichte der Belagerung dieses Platzes mit seiner Eroberung endete. Aber jetzt beginnt das wilde und ver- zweifelte Laster, welches de» Glanz des HeldenmutheS der Soldaten befleckt. Schamlose Raubsucht, viehische Unmäßigkeit, wilde Ausschweifung, Grausam, keit und Mord wütheten zwei Tage und zwei Nächte in den Straß.» von Badajoz." Die folgende Darstellung rührt von einem Augenzeugen her, der während des Sturmes um die Person Wcllington's und nachher inmitten der brutalen Ungebundenheit war: Ich stand auf dem Hügel mit dem Chef des MedizinalwcsenS, jetzt Sir James M'Grigor, in der Nähe Lord Wcllington's, während der Nacht des Sturmes gegen Badajoz. Sobald es dunkel wurde, begannen die verschie denen Abtheilungen sich in der Richtung der ihnen angewiesenen Punkte zu bewegen, wo der Angriff geschehen sollte. Die tiefe Stille wurde blos von der Glocke der Kathcdralkirche unterbrochen, die in tiefem Tone die Stunde anzeigtc. ES war eine schreckliche Stille. Endlich wurden unsere verrückenden Kolonnen vom Feinde durch seine von den Mauern geworfenen Leuchtkugeln entdeckt. Die Zwischenräume gänzlicher ginsterniß, welche der Hellen Erleuch. tung folgten, hatten mit dieser eine fmponirende Wirkung. Der Kampf be gann ; das Parapet in der ganze Fronte spie zwei Stunden lang Feuer aus. Die Blitze, welche durch Erploffonen von Pulver und anderen brennbaren Stoffen verursacht wurden, das Kanonenfeuer, das Krachen der Gewehre, das Platzen der Bomben und Granaten, dies Alles gab den Breschen und der ganzen Fronte ein schauerlich großartiges Ansehen. Die Verwundeten kamen nun an; von ihnen konnten wir aber keine be stimmte Nachricht erhalten, und doch wurde der dringende Wunsch, Nachricht vom Schauplatze des Kampfes zu haben, immer stärker. Endlich sprengte ein Stabsoffizier heran, auSrufend: „Wo ist Lord Wellington? Mploro, ich bin von den Breschen gekommen; die Truppen scheiterten nach wiederholten Ver suchen, in dieselben einzudringen. ES find so viele Offiziere gefallen, daß die Soldaten, in dem Wallgraben zerstreut, ohne Führer find, und wenn Eure Herrlichkeit nicht augenblicklich eine bedeutende Verstärkung schicken, so müsse» fic daS Unternehmen aufgebcn; Oberst-Lieutenant M'Leod vom ersten Regi ment ist auf der Bresche gctödtet worden." ES wurde sogleich ein Licht ge- bracht, und Lord Wellington notirte mit fester Hand diese Nachricht. Sein Geficht war bleich und drückte große Besorgniß aus °); in seinem Benehmen und seiner Sprache erhielt er vollkommene Ruhe und Selbstbeherrschung. Die Brigade des General-Majors Hap wurde beordert, gegen die Breschen vorzurückcn. Ein zweiter Stabsoffizier kam bald darauf und brachte die Nachricht, daß General Picton da» Kastell erobert habe. „Wer bringt diese Nachricht?" rief Lord Wellington. Der Offizier nannte seinen Namen. „Sind Sie Ihrer Sache gewiß, Sir?" — „Ich drang in daS Kastell mit den Truppen, habe eS so eben verlaffen und den General Picton im Besitze desselben." — „Mit wie viel Leuten?" — „Mit seiner Division." ES ist unmöglich, sich vorzu stellen, welche Veränderung die» in den Empfindungen aller Anwesenden her vorbrachte. „Gehen Sie zurück, Sir, und bitten Sie General Picton, seine Stellung unter jeder Bedingung zu behaupten." Nachdem dieser Bole abge sandt war, beauftragte Lord Wellington einen zweiten Offizier, nach dem Kastelle zu eilen, um dem General Picton seine Befehle zu wiederholen. Zn diesem Augenblicke legte ein junger und tapferer Adjutant dem Chef unbe- ') In späterer Zeit war er ebenfalls bleich und in Angst, als er sagte: „Wäre es doch schon Nacht, oder wären die Preußen da!" Vor Badajoz mag er gesagt häben: „Wäre es doch schon Tag!" Bei Waterloo kamen die helfenden Preußen wirklich, bei Badajoz halfen ihm die Franzosen selbst durch ihren Leichtsinn, mit welchem sie das die Siadt beherrschende Kastell ohne hinreichende Verlheidigung ließen. Während sie die Breschen heldenmüthig vertheidigten, ging in ihrem Rüchen der wichtige Platz perloren, den sic in gewohnter Sicherheit nicht gehörig bewachlen. A- b. U. scheidcncrweise eine Frage vor, für deren Unangemessenheit er einen Verweis erhielt. Hier muß ich die Erzählung unterbrechen, um das Schicksal zweier Freunde zu berichten, von denen ich am Abend vor dem Sturme Abschied nahm. Major Singer und Capitain Cholwich von den Uoxsi bUleers und ich saßen mehrere Slunden auf einem Hügel und beobachteten die Wirkung, weiche unsere Battcriccn auf die Courlinc I.» Driiüüaü machten, welche bald in einen Haufen Trümmer verwandelt war. Der Sturm wurde diesen Abend erwartet. Beim Scheiden schüttelte mir Singer die Hand und sagte: „Mor» gen werde ich Oberst-Lieutenant oder im Himmelreich sepn." Nachdem Picton in dem Besitze des Kastells war und die Brigade deS Generals Walker mit Sturmleitern die Bastei St. Vincente, nahe am Guapiana auf der anderen Seite der Stadt, erstiegen hatte, verließ dcr Feind die Breschen. Diese zu besuchen, setzte ich mich mit Tagesanbruch in Bewe gung. Ich begegnete einigen kUieer« und fragte »ach ihrem Major Singer. „Wir werfen eben vie letzte Schaufel Erde auf sein Grab." — „Ist Capitain Cholwich gesund?" — „Beim Ersteigen dieser Pallisade (welche den Wasser- grade» durchschiieidct) wurde er verwundet, fiel inS Wasser und kam nicht wieder zum Vorschein " Gleich beim Eingang in die Stadt umfaßte mich ein neunjähriges Mäd chen und forderte meine Hülfe por el mnor üe vw« für ihre Mutier. Eine Anzahl Soldaten von einem ausgezeichneten Regimente war in dem Hause, bcw/iffnct und unter dem Einflüsse aller bösen Leidenschaften. Die unglückliche Frau wurde ihr Opfer. Die Stadt ward jetzt ein Schauplatz von Raub und Zerstörung; Soldaten und Weiber haben im Zustande der Trunkenheit alle Kontrole über sich verloren. Diese und Schwärme von Spaniern und Por tugiesen aus der Nachbarschaft, die zur Plünderung hereinkamcn, füllten alle Straßen. Viele wurden ihres Raubes wieder von Anderen beraubt, und dieses war in vielen Fällen von Blutvergießen begleitet, wenn die eine Partei noch nüchtern genug war, Widerstand zu leisten. Unsere Soldaten nahmen Besitz von den Waarenläden, pflanzten sich selbst hinter den Ladentisch und verkauften die Waare- Diese temporären Kaufherren wurden bald von stärke ren verjagt, welche sodann wieder stärkeren Platz machten, und so ging eS fort, bis die Ordnung wieder hcrgestcllt war. Unaufhörlich feuerten die Soldaten ihre Gewehre durch die Schlösser der Hausthürcn ab, als das beste Mittel, die Schlösser zu erbrechen, und auch mitten in den Straßen knallten überall Schüsse, so daß viele unserer Leute erschossen und verwundet wurden. Am zweiten Tage nach dem Sturme wurde ein Versuch gemacht, unsere Sol- datcn zu sammeln, aber vergebens; die Truppen, welche man in die Stadt schickte, uni die Ordnung wieder herzustellen, schloffen sich den Plünderern an. Als ich am !)ten (den dritten Tag) wieder in die Stadt kam, stellte sich mir ein Schauspiel dar, daS von der Hand eines Hogarth geschildert werden müßte. Hunderte von beiden Geschlechtern lagen auf den Straßen in ver schiedenen Kostümen bewegungslos im höchsten Grade'der Trunkenheit, oder todt, gefallen von dcr Hand ihrer Brüder. Kirchen und Klöster, Läden und Magazine von Wein »ad Branntwein, Privathäuser und Paläste, Alles wurde geplündert. Die Ausübcr dcr Exzesse waren meistens in den Anzügen der Priester, Nonnen, Granden und Fürstinnen. Zn dcr Kathcdralkirche sah ich drei Soldaten buchstäblich ertrunken in Branntwein. Hier nämlich war ein großes Gewölbe zu einer Niederlage für geistige Getränke von der fran zösischen Garnison eingerichtet worden. Beim Eindringen unserer Soldaten hat man mit Flintenkugeln die Fässer gelöchert, so daß der Inhalt das Ge wölbe überschwemmte und einen See von einiger Tiefe bildete. Diese drei Soldaten betranken sich, fielen hin und ersoffen. - Nachdem drei Tage lang die Engländer durch Mißhandlung der Frauen, Plünderung und Mord die Menschheit geschändet, rückte General Power in die Stadt und ließ einen Galgen auf dem Marktplatze aufstellcn. Dieser An blick allein hatte eine magische Gewalt auf die Ausschweifenden. Kein Einziger wurde gehängt, denn die Ordnung war durch die Furcht vor solcher Strafe schnell hergestcllt. Ich muß hier noch von dem Tode eines sehr hübschen jungen Mannes Erwähnung thun. Es war der Capitain St. Pol von den ko;-al kusilssr«, welcher an den schweren Wunden starb, die er beim Sturm erhielt und nach dem man ihm ein Bein abnehmen mußte. St. Pol war ein Sohn deS Herzogs von Orleans, Ludwig Philipp, dem er sprechend ahn-