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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-09-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110922013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911092201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911092201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-09
- Tag 1911-09-22
-
Monat
1911-09
-
Jahr
1911
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Cel.-Änschl.^ 14 692 lNachtanschlu») 14 69» 14 694 Amtsblatt -es Rates und -es Rolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anreiqen Preis für Inserate au» Leipzig und Umgebung dl« ispalti,« Petit,eile L Ps., di« Beklame- ,«tle t Mk.' von aurwärt» Ai Ps.. Reklamen UÄ) Mk.' Inserate von Behörden im amt lichen Teil di« Petitzeile SV Ps Eeschäfttanzeigen mir Platzvorschristen im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Beilagegedilhr Tesami» auflage S Mk. p Tausend »rkl. Postgebühr. Irilbeilage Höher. Feperteilt« Ausrräa« können nicht zurück- aezogen werden. Für da» Erscheinen an vestimmten Tagen und Platzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: Iobanniigag« 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Expeditionen de» In- und Aurlande». Druck und Verlag ,o» Fischer L Ailrftr» Inhaber: Paul Nippen. Nedattio» uad Eeschält»st«ll«: Iohannirga^e 8. Haupt-Filiale Dre»de»; Eeeslras- 4. l. (Telephon Z821). M. 263. Freitag, üen rs. September lSll. ISS. Jahrgang. ^ie vorliegende Ausgabe umfaßt 16 Leiten. Das Wichtigste. * In der ersten Sitzung der Landessynode wurde Wirkl. Geh. Rat v. Gras Vitzthum von Eckst ädt zum Präsidenten und Superintendent v. Hartung-Leipzig zum Vizepräsidenten gewählt. (S. Der.) * Zwei Führer der spanischen Arbeiter organisationen sind in Madrid verhaftet und die Festnahme der übrigen Syndikatsvorsitzenden ist angeordnet worden. (S. Art. u. letzte Dep.) * Der Generalgouverneur von Finnland bat dem Senat eine Vorlage unterbreitet, wonach sofort alle Uebungen der Iugendwehr einge stellt und deren Organisation aufgelöst wer den solle. * Der bekannte Schriftsteller und Literatur historiker Johannes Pro sitz ist heute in Kennen burg Lei Eßlingen gestorben. -parlsmentsrllche Serbstsrbeit. Als der nun vorübergezogene heiße Sommer seinen Anfang nahm, da machten wir wieder einmal die alte parlamentsgeschichtliche Er fahrung, daß zu irgend einem, im voraus nie genauzu bestimmenden Zeitpunkte ein Reisefieber von ungeheurer Ansteckungskraft die Parla mente befiel und daß dann die Nestarbeit in einem Tempo erledigt wurde, das man während des ganzen zurückliegenden Sessionsabschnittes einfach für vollkommen ausgeschlossen gehalten hätte. An irgend einem Punkte setzte es ein: durch stillschweigendes Uebereinkommen kürzen sich die Reden zusehends ab; und hatte es erst einmal begonnen, dann nahm es lawinengleich seinen Verlauf, dehnte sich allseitig aus und riß alles mit sich fort hinab ins Tal des Ferien friedens. Besonders markant hatte diese fast alljähr lich wiederkehrende Erscheinung sich vor Beginn der diesjährigen, nunmehr ihrem Ende ent gegengehenden Reichstagsferien gezeigt. Monate lang hatte man sich vorher herumgestritten und war nicht vom Fleck gekommen: fünf Kom missionslesungen hatte man beispielsweise für die reichsländische Verfassungsfrage gebraucht — und dann plötzlich galoppierte man im Plenum in einer Sitzung darüber hinweg. Ja, für die ganze reichsländische Wahlrechtsvorlage brauchte man nur knapp 1*/, Stunden. Und weiter ging es in mächtigen Sätzen über die kleineren Vorlagen, so daß kaum noch zu folgen war. Trotz dieser eilenden Hast mußte doch noch ein gutes Stück Herbstarbeit übrig gelaßen werden. Aber man wird nicht erwarten können, daß vom 17. Oktober, dem Tage der Wieder aufnahme der Reichstagsarbeiten, ab etwa das während der letzten Sitzungstage vor der Sommerpause eingeschlagene Tempo wieder aus genommen würde. Gar zu nahe steht man dann den Wahlen; gar zu groß ist die Versuchung, Reden zum Fenster hinaus zu halten, gar zu groß auch der Einfluß wahltaktischer Rücksichten auf die positive Stellungnahme zu den ver schiedenen noch zu erledigenden Materien. Im Vordergründe wird das Gesetz über die Privatbeamtenversicherungstehen, das in den letzten Maitagen den Bundesrat in un geformter Fassung verlaßen hat. Auf seine Er ledigung werden alle Parteien bedacht sein; und das Interesse, das sie daran nehmen müßen, ist im großen und ganzen so gleichmäßig, daß hier noch am ehesten eine Verständigung im Sinne der Ausschaltung eines wechselseitigen Ueberbietens mit Mehrforderungen erzielt werden kann. Das „Unannehmbar" der Re gierung ist zwar an Wirksamkeit durch den Gang der Verhandlungen über die reichslän dische Verfassung außerordentlich abgeschwächt worden; im Falle der Privatbeamtenversicherung aber wird doch das „Unannehmbar" der Re gierung die Grenze bilden, bis zu der die Par teien in wohl ziemlich allseitiger Gemeinschaft vorgehen werden. Die Regierung für ihr Teil legt ferner noch den größten Wert auf die Verabschiedung des Gesetzes über die Schiffahrtsabgaben; der Reichstag wird sich diesem Verlangen der Re gierung, die Entscheidung über dieses Gesetz vor den Wahlen gefällt zu sehen, nicht ent gegenstellen können. Dagegen erscheint es geboten, daß die Regie, rung in anderen Punkten Verzicht leistet: Fraglich ist es, ob das Hausarbeitergesetz noch erledigt wird, indeßen wohl schon als sicher zu betrachten ist, daß das Arbeitskammer, gesetz, das einst von verschiedenen Seiten so beharrlich gefordert wurde, aber offensichtlich immer mehr an Interesse verloren hat, nicht mehr zur Entscheidung kommt. — Beim Kur. Pfuschergesetz sind so widerstreitende Rück, sichten zu nehmen, daß die Parteien wenig Neigung haben werden, sich mit dieser schwie. rigen Materie noch vor den Wahlen entscheidend zu beschäftigen. Was die Strafprozeßordnung anbetrifft, so werden die Ausschußmitglieder fortfahren, darauf zu drängen, daß ihre weitschichtige Arbeit von vielen Monaten nicht verloren geht. Die an der Kommissionsarbeit nicht beteiligten Abgeordneten dagegen werden wohl mehr zu der Ansicht neigen, daß die Erledigung der Strafprozeßordnung jetzt, da die Reform des materiellen Strafrechtes schon recht nahe gerückt ist, kaum einen verständigen Zweck hat. Denn sobald das Strafgesetzbuch von Grund auf um gearbeitet worden ist, wird auch die Strafpro. zeßordnung wieder einer neuen Umarbeitung bedürfen. Es wäre daher wohl von vornherein zweckmäßiger gewesen, die natürliche Reihen folge einzuhalten und auf die Strafrechtsreform zu warten, um erst nach ihrer Erledigung an die Strasprozeßreform heranzutreten. Ein Verzicht der Regierung auf die Erledi gung der von ihr in gar zu reichlichem Maße eingebrachten Vorlagen wird insbesondere ge fordert werden müßen bei der Fernsprech. gebühre nordnung. Dieses Lieblingskind der Herren Kraetke und Wermuth ist ja doch nur eine verkappte Ergänzung der Reichsfinanz, reforin non 1909. Die liberalen Parteien haben nicht die mindeste Lust, jetzt den Kreisen von Industrie und Handel neue Lasten und neue Belästigungen aufzuerlegen, und die Regierung täte auch von ihrem Standpunkte aus zweifel los sehr viel richtiger, wenn sie darauf ver zichtete, eine Verabschiedung dieser verkappten Ergänzung der Neichsfinanzreform zu fordern, die ja doch die ganzen Debatten vom Sommer 1909 in vollem Umfange wieder aufrollen würde. Wenn also, alles in allem, das Programm der Herbstarbeit noch so reichlich ausfällt, daß seine vollständige Erledigung in den aufgeregten Zeiten des Wahlkampfes kaum möglich erscheinen kann, sollte verständigerweise von vornherein eine Beschränkung dieses Programms vor genommen werden, und zwar empfiehlt es sich dabei, in erster Linie die Strafprozeßordnung hinter die nahe bevorstehende Strafrechtsreform zurückzuschieben und auf den Zankapfel der Fern- sprechgebührenordnung Verzicht zu leisten. Marokko. D. Paris, 20. September. Die Einheitlichkeit in der französi schen öffentlichen Meinung, die so viel gerühmt wurde, ist im Zuge, ein nickt sehr rüh,mNches Ende zu nehmen. Während die fortschrittlich: Preße in recht versöhnlicher Weise für die Fortsetzung der deutsch-französischen Ma- rokko-Verhandlungen eintritt, beginnen die reaktionären, militaristischen und kolonialen Organe eine gehässige Kampagne, die nicht nur auf eine Verschärfung der Lage abzielt, sondern auch Nel»enziele verfolgt. Die Regierung wird beinahe des Hochverrats geziehen, weil sie die „Klasse" von 1909, die Hälfte des Heeres, entlassen will. Gleich zeitig wird versucht, im Publikum gegen die Ao- tretung eines Teils der Kongo-Kolonie Stim- mung zu machen. Der „Temps" wirft dem Bot schafter Cambon vor, zu schnell in Berlin von dieser Kompensation gesprochen zu haben. Das große Ko- lonialblatt hat mit dem Botschafter ein altes Hühn chen zu rupfen. Als der Deputiert« Viollette seinen berühmten Rappott über die N'goko-Sangha-Affäre der Kammer einreichte, las man darin ein Tele gramm Cambons an Len früheren Kolomalminister Millies-Lacroix, worin er bat, den Attacken von vier großen Pariser Zeitungen keinen Wett beizulegen da er wiße, daß diese Zeitungen an der bedeutenden, von der Gesellschaft verlangten Entschädigung ihren Anteil haben würden. Es entstand eine gehässige Polemik zwischen dem Auslandsredakteur des „Temps" Tardieu und Millies-Lacroix sowie Viol lette. da Tardieu öffentlich als Sachverwalter der N'goko-Sangha-Gesellschaft auftrat. In dem Teil der Kongo-Kolonie, der jetzt Deutschland überlaßen werden soll, bilden die Konzefsionsgebiete der N goko-So. gha die „pieee äs r^sistanos". Wir haben einen Banrpröspekt vor Augen, in dem die Kundschaft auf die Aktien der N'goko-Sangha-Eesellschaft auf merksam gemacht wird, die zurzeit auf 350 Franken stehen und bald 500 Franken wert sein würden, da di« französische Regierung nach Abtretung des Kon gostücks an Deutschland die Aktionäre voll entschä digen müßte. (Es steht nach unserer Kenntnis durch aus noch nicht fest, ob Frankreich Deutschland das Angebot gemacht hat, selbst die französischen Kon zessionäre zu entschädigen, oder ob es dies Deutsch land überlaßen möchte. Wie man sieht, sind mit der Gebietsabtretung finanzielle Probleme verknüpft, die gewiße „Haifische", wie sich die „Humanite" ausdrückt, in Aufregung versetzen. In gewißen Kreisen hielt man es für einen sehr geschickten Schachzug der Herren Caillaux—Cambon, durch das Angebot von Ent schädigungen im Kongo Mittel und Wege zu finden, um den Kolonialgeschäftsleuten den Mund zu stopfen. Die Entschädigungsansprüche der N'goko- Sangha-Gesellschaft, die schleckte Geschäfte machte und sich für die angeblichen Hebelgriffe deutscher Fak toreien in Kamerun auf ihr Gebiet vom franzö sischen Fiskus bezahlen laßen wollte, waren von dem Auslandsminister Pichon zurückgewiesen worden (man erblickt darin den Grund seines Rücktritts nach der ,,Temps"-Kampagne). Wenn jetzt die Aktionäre entschädigt werden sollen, kommt der alte Konflikt aus der Welt. Es scheint nun aber, daß diese Manipulation noch immer nicht ganz gewiße Ee- schäftspublizisten befriedigte. Da verlor Herr Caillaux die Geduld. Zn mehreren seiner Leib organe. im „Radical", Rappel" usw., ließ er den Herrschaften deutlich erklären, wenn sie ihre Wüh lereien gegen die Abtretung eines Teils der Kongo- Kolonie fottsetzen würden, werde man nicht davor zurückscheuen, den N'goko-Sangha-Skandal etwas aufzudecken! Nach diesem nicht er freulichen Blick hinter die Kulissen der französischen Kolonialpolitik darf man die Beleidigungen, mit denen eins gewiße Pariser Preße täglich Deutschland und persönlich Herrn v. Kiderlen-Wächter über häuft, schon etwas tiefer hängen. Der offiziöse „Petit Parisi en" gibt heute zum erstenmal dieselbe optimistische Note, der man schon in vergangener Woche in offiziösen Berliner Blättern begegnete und die nach franzö sischer Ansicht nur bestimmt war, die deutsche Börse zu beruhigen. In gesperrtem Druck schreibt das Blatt: „Die Marokko-Verhandlungen haben Montag abend einen merklichen Schritt vorwärts gemacht und schon jetzt kann man die schließliche Verständigung voraussehen ... Es schien praktischer, zur rein münd lichen Prozedur überzugehen...." Wir vermuten nicht im geringsten, daß die französische Regierung durch diese Note die französische Börse beruhigen will, ob schon auch sie einer Beruhigung bedürfte. Gestern konnte man in Paris schon von einer Börsenpanik reden, da z. B. der Credit Lyonnais um 18 Fr., Rio Tinto um 35 Fr. rurückgingen. Die militaristische Kampagne hat halt dock Eindruck gemacht. Der „Petit Parisien" spricht aber auch von der Abtretung der halben Kongo-Kolonie an Deutschland. Bis lang hörte man immer nur, daß die französische Regierung kaum ein Viertel abzutreten geneigt sei. Wenn die Landabtretung wirklich so bedeutend sein sollte, könnte man auch den Optimismus des „Matin" begreifen, der in der Frage der deutschen Marokko- Protegierten Deutschlands Nachgeben erwartet. Baldiges Ende der Verhandlungen? Alles deutet darauf hin, daß sich die deutsch - französischen Verhandlungen dem Ende zuneigen. Die Nachrichten, die den Schluß als nahe bevorstehend unkundigen, häufen sich. Aus Paris wird unterm 21. September gemeldet: „Uebermorgen wird dem Ministerrat Cam bons Gesamtbericht zur Genehmigung vor liegen. Die Stimmung ist günstig." Wenn man die Blättermeldungen zuiainmenstellt, so würde über Konsulargerichtsbarkeit, Schutzbefohlene und Bauten bereits eine Verständigung erzielt. Das aber waren die gewöhnlich genannten Streitpunkte. In Paris hielt die optimistische Stimmung auch am Donnerstag an. Man ist beruhigt über die Ver sicherungen, die Unterstaatssekrerär Zimmermann den Vertretern der Berliner Großbanken über den bald bevorstehenden Abschluß der Verhandlungen gegeben hat. — Ein Berliner Korrespondent erzählt: Ein Diplomat, hinter dem man nach gewißen Andeutun gen einen französischen vermutet, habe ihm am Sonn abend erklärt: „Ich hoffe, das Abkommen wird in den nächsten Tagen in einer für Deutschland und Frankreich vorteilhaften Weise perfekt werden. Ich glaube, Deutschlands Antwort wird zwei Tage ver schoben werden. Man darf nicht übertrieben optimistisch sein, weil der endgültige Abschluß, so wünschenswert er ist, nicht nur von der Antwort aus Berlin, sondern auch von der Ausnahme in Paris abhängt. Es scheint nun nach alledem, daß die Antwort, die von Paris zu erwarten ist, durch aus günstig sein wird." Keine Truppenlandung der „Berlin". Die von einem Mittagsblatt verbreitete Nachricht aus Tanger, nach der der Kreuzer „Berlik" am Mittwoch in Agadir Landungsmanöver vorgenommen und Truppen gelandet habe, wird uns an unterrichteter Stelle nicht bestätigt. Der Kreu zer „Berlin" befindet sich seit dem 18. September in Las Palmas, wo er noch einige Tage verbleibt. Das Kanonenboot „Eber" löste den Kreuzer „Berlin" am 17. September in Agadir ab. Italien» Absichten auf Tripoli». Aus San Remo wird dem „Berl. L.-A." gemeldet: Ein Freund des italienischen Ministerpräsidenten Gio litti habe erklärt, dieser beabsichtige auf dem Bankett, das am 7. Oktober ihm zu Ehren in Turin stattfinden soll, mitzuteilen, daß die italienische Expedition nach Tripolis vollkommen vorbereitet und daß die Flotte im Begriff sei. in See zu gehen. Trotz aller Dementis sollen die Vorbereitungen bei den Armeekorps von Neapel un Palermo, dem Mittelpunkt der Mobilisierung, lebhaft betrieben werden. Das Expeditionskorps >oll zwilchen Palermo und Messina zusammengestellt werden. Der E^gouverneur M a r t i n i .jetziger Deputier ter von Einfluß^ hat sich in ttnem Interview folgen dermaßen ausgesprochen: Ob friedliche Durchdringung von Tripolis oder militärische Okkupation günstiger sei, darüber fehle ihm das Material zur Beurteilung. Er habe nur mehrere Wünsch« auszusprechen, erstens, daß Italien bei einer Besetzung von Tripolis nichr mehr lange fremde Kapitalien und Unternehmungen beschütze, ferner, daß cs gelänge, durch weise Politik die Eingeborenen zu gewinnen, und endlich, daß das Land männlichen Mutes alle wahrscheinlichen Folgen der Okkupation ertrage und nicht eine Vergrößerung ohne Geldopfer und einen Krieg ohne Tote wolle. Serr Bebel unü Serr Bell. Ein wahres Gaudium bietet den Zeitgenossen die Beobachtung, wie sich das Zentrum angesichts der Rcichstagswahlen seiner früheren Intimitäten mit dor Sozialdemokratie zu schämen beginnt. Die Unterhaltung führen die Heroen Abgeordneten Bebel für die Sozialdemokratie und Bell für das Zentrum. Obgleich doch nun alle Welt weiß, wie lieb sich die beiden Parteien des schwarzen Md roten Internationalismus ehedem hatten, wie in Bayern Weihwedel und Ballonmütze sich mehrfach ver brüderten und wie die Innigkeit dieser ganz natür lichen Verbindung im Januar 1907 so heftige For men annahm, daß man sich gegenseitig nicht weniger als zwanzig Reichtagsman date zuschanzte, — trotzdem und alledem muß jetzt nach oben hin wie nach unten (vor den Wählern) das klerikale Decorum um jeden Preis wieder her gestellt werden. Dis Unterhaltung begann mit der „Indiskretion" Bebels zu Jena: „Das Bündnis des Zentrums mit der Sozialdemokratie in Bayern war so regelrecht abgeschlossen, wie es regelrechter nicht zwischen zwei Parteien abge schlossen werden kann. Da nach der ganzen Natur der Entwickelung sich das Zentrum in den nächsten Wahlen mit aller Vehemenz und all den schofeln Mitteln, die ihm im reichlichsten Maße zur Ver fügung stehen, und die cs ohne jede Gewissens skrupel anwendet, denn in der nächsten Beichte ab solviert ja schließlich der Papst, da es sich also mit aller Kraft auf euch (zu den bayrischen Delegier ten) stürzen wird, gilt es, gerade an dieses Bündnis zu erinnern. Es war der ge genwärtige Erzbischof von München, der 1903 mit unserem inzwischen verstorbenen Ge noßen Franz Joseph Ehrhardt im Dom zu Speyer und an möglichst ruhiger Stelle, unter den Kaisergräbern (Heiterkeit), die Ver einbarungen für die nächsten.Land- tagswahlen traf, und sie sind auch durchaus eingehalten worden. In jeder Volksver sammlung, wo ihr dem Zentrum gegenübertretet, müßt ihr ihm diesen Fall den es nicht wegleugnen kann, unter die Nass reiben. Es sind heute noch Zeugen dafür da, wenn auch Versuche ge macht worden sind, das Bündnis wegzustreiten. Die entsetzte „Germania" schützte „taktische und politische Notwendigkeiten" für die Szene unter den Kaisergräbern vor und verteidigte den Pakt zwischen Umsturz und Klerikalismus mit den be kannten jesuitischen Mittclchen. Jedenfalls war die schwarzrote Intimität von 1903, zumal sie ja auch vordem längst bekannt war, völlig nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Um so mehr befleißigte man sich im Zentrum, wenigstens die Wahlverbrüderung von 1907 zu — leugnen. Auf dem Zentrumspartei tag für den Regierungsbezirk Aachen trat am letzten Sonntag der gute Dr. Kell aus Eßen auf und er zählte nach dem Bericht der „Köln. Volksztg": „Bei der letzten Neichstagswahl 1906/07 ist von sozialdemokratischer Seite der Zentrumsfraktion ein Wahlbündnis an geboten worden. Die Zentrumsfraktion hat einmütig das Bündnis a b» gelehnt, obgleich durch ein solches das Zu standekommen des konservativ-liberalen Blocks ausgeschloffen worden wäre." Allein der sozialdemokratische Par. teivorstand vergönnt der sittsamen Zentrums pattei die begehrte Tugendrose nicht, sondern er klärt im „Vorwärts": „Die Behauptung des Herrn D r. Bell ent» spricht nicht der Wahrheit. Wederder Zentrumsfraktion noch der Zentrums parteileitung ist bei den letzten Reichstaas wahlen von maßgebender sozialdemokratischer Seite ein Bündnis angeboten worden. Sollte Herrn Dr. Bell diese Auskunft^ nicht ge. nügen, so mag er sich an die Herren Dr. Spahn und Müller-Fulda wenden." Herr Dr.. Bell wird hier also der Lüge geziehen und soll sich das von seinen Parteifreunden Spahn und Müller-Fulda auch noch bestätigen lassen, die unseres Wissens dazu auch in der Lage sein werden. Jedoch sagt Herr Bebel in dieser Erklärung ebenso wenig die Wahrheit, wie sein Partner vom Zen trum. Denn 1907 handelte es sich allerdings nicht um ein von Parteileitung zu Parteileitung oder von Fraktion zu Fraktion angebotenes, generelles Bündnis. Wohl aber, wenn man so will: umbald zwei Dutzend E inz e lb Und ni sse in den oben erwähnten westlichen Wahlkreisen zwischen den roten und schwarzen Wahlkreisorganisationen. Im Effekt kommt das auf dasselbe hinaus, wie eine Abmachung zwischen den Parteivorständen. Es ist also nicht sicher zu entscheiden, ob Herrn Dell oder Herrn Bebel — par vobils kratrurv — die Tugend rose gebührt. Spanien unter üem Sriegsrrchte. Die Madrider Regierung muß die Lage im Lande doch sehr ernst ansehen, sonst hätte sie nicht zu einer so einschneidenden Maßregel gegriffen, wie sie die Verhängung des Belagerungszustandes über ganz Spanien darstellt. Daß in einzelnen oder mehreren Provinzen die konstitutionellen Garantien zeitweise
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