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chckM fiir RilÄrA Erscheint wScheutlich dreimal and zwar DieuStagS, DonnerStagS and Sonnabends. Bezugspreis vterteljShrlich I Ml. 30 Psg., durch die Post bezogen 1 Ml. 54 Psg. Fernsprecher Nr. 6. — Telegramm-Adress«: Amtsblatt Wilsdruff. und Amgegend. Amtsblatt Inserat« werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens 12 Uhr angenommen. Jusertionspreis 15 Psg. pro viergeipaltene Korpuszeile. Außerhalb des Amtsgerichtsbezirks Wilsdruff 20 Psg. Zeitraubender und tabelmrischer Satz mit 50 Ausschlag. für die Kgl. AmtshauptmannfchafL Meißen, für das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrat zu Wilsdruff, sowie flir das Kgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, BraunSdsrf, BurkhardtSwalde, Groitzsch, Grumbach, Grund Wei Mohorn, Helbigsdorf, HerzogSwalde mit Landberg, Höhndorf, Kaufbach, Keffelsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, PohrSdorf, RöhrSdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmtedewalve, Sora, Steinbach bei Keffelsdorf, Steinbach bet Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Wetstropp, Wtldberg. Druck uns Verlag vou Arthur Zschunke, Wilsdruff. Für die Redaktion und den amtlichen Teil verantwortlich: Hugo Friedrich, für den Juserateuteil: Arthur Zschuuke, beide tu WilSdruff. No. 148 Donnerstag, den 19. Dezember 1997. 66. Jahrg. AVmgin Carolas letzte Fahrt. Trübe Dezemberwitterung mit Frost war einge kehrt, als am gestrigen Dienstag abend die feierliche Ueberführnng der Leiche der Königin Carola von Billa Strehlen nach der katholischen Hofktrche erfolgte, wo heute abend 6 Uhr die Beisetzung stattfinden soll. Noch einmal entfaltete sich in dem nun verwaisten Königs» heim draußen in der Vorstadt Strehlen ein glänzendes Bild höfischer Pracht und Herrlichkeit, wie es seit Jahren dort nicht gesehen wurde. Die Vorbereitungen zur Ueberführnng. Kurz vor der Ueberführung wurde der mit rotem Sammet beschlagene und mit breiten Goldleisten ver zierte Holzsarg, in dem die Leiche ruht, von dem von mächtigen Fächern und Phönixpalmen umgebenen Katafalk heradgenommen und in einen Zinnsarg gesetzt, der dann verlöret wurde. Eine Stunde zuvor war die Besichtigung der Leiche doch noch gestattet worden, und zahlreich strömte daS Publikum herbei, um einen letzten Blick deS Abschiedes auf das Antlitz der Toten zu werfen. Sie lag in einem weißen Sterbekleid still und friedlich wie eine Schlummernde. Den etwas zur Seite geneigten Kopf umschloß ein Spitzenhäubchen. Der Gestchtsausdruck war ungemein mild, und all die Herzensgüte, welche die Heimgegangene im Leben be seelte, spiegelte sich auch noch im Tode wieder. Unter den vielen kostbaren Kranzspenden zog besonders eine das Augenmerk auf sich. Sie stammt von einer Reihe von Leuten, denen die Königin-Witwe bei Lebzeiten in Not und Bedrängnis beistand und trägt eine ent sprechende Inschrift. Am Sarge verweilten im Laufe des Dienstags die Angehörigen des OifizierkorpS, der Aristokratie und der Gesellschaft. Mittags trafen die beiden Präsidenten deS Landtages ein. Eine Fülle der herrlichsten Kränze und Blumenspenden hatte man am Sarge niedergelegt. Ehe der Sarg geschlossen wurde, fand im engsten Kreise eine kurze Gedächtnisfeier für die Ent schlafene statt, an der der König mit den Prinzen, die Prinzessinnen Johann Georg und Mathilde, sowie die Hofstaaten der Königin-Witwe teilnahmen. Prälat Klein sprach dabei ein Gebet. Nach der Einsegnung der Leiche wurde unter Gebet der Sarg geschlossen. Der Leichenzug. Unter der Leitung deS königlichen Kommissars Oberhofmarschalls v. d. Bussche-Streithorst ordnete sich der Zug vor .der Villa, um sich dann, nachdem der Sarg von Lakaien in den Wagen gehoben worden war, in Bewegung zu setzen. Die Spitze nahmen zwei Züge des Gardereiterregiments ein, denen sich drei Hostrompeter, der Soffourier, die Hausosfizianten und die Livrsediener der Verstorbenen anschlossen. Der Leichenwagen wurde zu beiden Seiten flankiert von je fünf Kammerherren, die das Bahrtuch trugen. Neben ihnen schritten Hoflakaien und Pagen mit Fackeln. Direkt hinter dem Leichenwagen folgten dann König Friedrich August und die Prinzen des Königlichen Hauses. Zwei Züge deS Gardereiter- Regimems beschlossen die Aufstellung, die von fackel tragenden Pagen und von Ltvrsedienern flankiert wurde. Die Ueberführung. Während die Glocken aller Kirchen der Residenz läuteten, bewegte sich kurz nach 9 Uhr der feierliche Zug schweigend durch die Residenz-Straße, über den Residenzplatz durch.die Parkstrabe, über die Bürgerwtcse und de« GeorgSplatz, durch die Ring- und Moritz, straße über den Neumarkt und durch ldie AugusklS- straße nach der katholischen Hofkirche. Sämtliche Straßen waren abgesperrt, und dazu die Truppen fast der gesamten Dresdener Garnison verwandt worden. Hinter der Absperrung d» äugte sich nach Tausenden und Abertausenden das Publikum, das der Entschlafenen den Abschiedsgruß entbot. Gar gewaltig war der An- drang deS Publikums auf den Plätzen und haupt sächlich aus dem Schloßplatze. DaS hier stehende Reiterstandbild deS Königs Albert war von einer An zahl Masten von Trauerfahnen umgeben. In der Kirche. AIS der feierliche Zug vor dem Hauptportal der Kirche angelangt war, hoben zehn Hoflakaten den Sarg herab und trugen ihn, vorauf die Geistlichkeit und das Gefolge, in die Kirche hinein, um ihn dann vor dem Hochaltar ntederzusrtzen. Inzwischen hatten sich im Gotteshause, in den Oratorien, Tribünen und im Schiff eingefunden die Prinzessinnen des königlichen Hauses, fürstliche Damen, die Herren der ersten und zweiten Hofrangordnung, die dienstfreien Kammerherren, die Präsidien und die Mitglieder der beiden Stände kammern, die Herren vom diplomatischen Korps usw. Nach der Einsegnung der Leiche beendeten Gebete die kurze Feier. Während sich die Trauerversammlung zerstreute, zog die Leichenwacht auf, die aus einem Kammerherrn, dem königlichen Leibarzt, einem Geist- lichen, einem Offizianten, zwei Pagen und zwei Hof- lakaien, außerdem noch aus einem Doppelposten bestand. Noch wenige Stunden, und die irdische Hülle der Verstorbenen wird niedergesetzt werden in der Gruft der Wettiner, um a lszuruhrn nach einer langen, arbeits reichen, aber auch reichgesegneten Lebensbahn. AZnigrn-witwe Larsla und Wilsdruff. Auch uns ist sie gestorben, die „Sameriterin auf dem Königsthrone", auch uns, die wir oft die Freude hatten, die hohe Frau in unserem Landstädtchen zu be grüßen und sie auf den stillen Gängen wahrer Barm herzigkeit und Menschenliebe zu begleiten. Die öfteren Besuche der nunmehr Verblichenen verdankte wir der herzlichen Freundschaft, welche die Königinwitwe mit der Freifrau vou Oppell aus Schloß Wilsdruff der- vand. Das Ziel der ersten und zugleich letzten Fahrt mit einem neuen Automobil, das die Königin-Witwe angekauft harte und dessen Besitz ihr besondere Freude bereitete, war denn auch Wilsdruff. Mühevoller als sonst erglomm sie die steilen Stufen des altehrwürdigen Schlosses — vielleicht waren es besonders ernste Ge danken, die die hohe Frau beschäftigten, als sie be- sonders herzlich Abschied nahm. „Ich komme so gern nach Wilsdruff", erklärte sie, .die Leute grüßen so freundlich, ich glaube, man hat mich hier gern!" Die Königin-Witwe täuschte sich nicht: in WilSdruff war man der Verblichenen zugetan in jener Ehrfurcht und Dankbarkeit des Herzens, die man einer solch' edlen, hochherzigen Frau eutgegenbringt. Wieviel Werke der Nächstenliebe die Königin-Witwe in WilSdruff getan's Wer vermag sie zu zählen? Wenn es galt, vom hochseligen König Albert einen Gnadenakt zu erbitten, eine der von der Königin gegründeten und geleiteten Anstalten in Anspruch zu nehmen, kostenfreie ärztliche Hilfe oder die Inanspruchnahme staatlicher Heilanstalten zu vermitteln, armen befähigten Schülern kostenloses Studium oder Stipendien zu gewähren — immer hatte die LandeSmutter ein williges Ohr. Kein Gesuch ging ohne ernstliche Prüfung durch die Hände der Königin, und wenn man ihr mitteilte, daß eS sich um einen Unwürdigen handele, dann äußerte sie wohl: „Auch der schlechteste Mensch hat Hunger!" Die Not zu lindern, wo fie ihr entgegentrat, daS war der edlen Frau Lebenszweck. Nichts konnte ihr weher tun, als wenn man ihr erzählte von verwahrlosten Kindern, von Kindern, die der mütterlichen Pflege oder des väterlichen Schutzes entbehren mußten oder Hunger und Not litten. Da blutete ihr daS Herz und sie gab doppelt. In Löbtau unterhielt die Köaiginwitwe eine Volksküche. Dort weilte sie oft und gern, um selbst, umschwärmt von der lärmenden Kinderschaar, Speisen auszuteilen. Da gab sie denn oft zu reichlich, und wenn sie die Oberin da rauf aufmerksam machte, erklärte sie: „Ach, was schadets! Noch was drauf! Hunger tut weh!" WteS man sie angesichts ihrer öfteren Besuche in Löbtau da. raufhtn, daß dies eine Domäne der Sozialdemokratie sei, so erwiderte fie: „Ich weiß nicht, — zu mir find die Leute überaus freundlich und nett; jedermann und jedes Kind grüßt und ich fühle mich nirgens so wohl als dort!" Die edle Frau wußte, daß man dort in den Arbeitervierteln ihrer doppelt bedurfte. Noch einen Beweis für daS unermüdliche, nie rastende Schaffen der Köntginwitwe im Dienste der Nächstenliebe! Die Verblichene war bekanntlich eine ausgezeichnete Malert«. Eine Anzahl von ihr geschaffener Motive hat sie erst jüngst in Postkartensorm vervielfältigen lassen. Man verkauft dieselben jetzt in Packungen für eine Mark. Den gesamten Ertrag hat die Königinwitwe bestimmt zur Bekämpfung der Lungenkrankhetten in Sachsen. Die wirklich künstlerisch ausgestatteten Karten finden natürlich reißenden Absatz. Bei der Beisetzung deS Großherzogs von Baden hatte nun die Königin» witwe Gelegenheit, den Kaiser auf zwei Minuten zu sprechen. Sie benutzte diese kurze Spanne Zeit, um den Kaiser mit ihrer Idee vertraut zu machen und ihn um die Widmung von Motiven sür eine weitere Folge zu bitten. Der Kaiser entsprach der Bitte. In Kürze wird die letztere erscheinen und cs ist selbstverständlich, daß das edle Werk reiche Mittel für den angegebenen Zweck flüßig macht. So ließ die hohe Frau keinen Augenblick ungenützt vorübergehen; sie wußte, von ihrem Wirken hing das Wohl und Wehe, ja vielleicht das Leven von Tausenden ab. Eine hochherzige Frau, die an daS Kranken- und Sterbelager ihrer königlichen Freundin geeilt war, nannte die Verblichene „eine wahr hafte Königin, eine Königin deS Geistes und des Herzens". Es ist wahr: die "ille Schläferin da in der Fürsten gruft war ein leuchtendes Beispiel von Menschenwürde, Geistes- und Herzensbildung. Der Tod nahm sie uns — die Werke aber, die die Edle schuf, werden fort und fort in unserem Lande segensreich wirken und unS ge- mahnen an eine der edelsten Frauen unserer Zett! Noch einmal grüßt der Flaggenschmuck am Rathaus, der unS sonst den Besuch der hohen Frau ankündigte. Er grüßt die tote Königin. Noch einmal lassen die Glocken in feierlich-ernsten Tönen ihren ehernen Mund erklingen. Es gilt der toten Königin. O, laßt die Erinnerung an sie in unS wach bleiben tt.