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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.05.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980505026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898050502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898050502
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-05
- Tag 1898-05-05
-
Monat
1898-05
-
Jahr
1898
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NnzeigenPreiA die 6 gespaltene Petitzeile 20 PfS Meclameu unter dem RedactionSstnch («g*» spalten) bO^L. vor den s^amiliennackrichtaM (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Prei». Urrzelchnig. Tabellarischer und Ziffernfatz nach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gefalzt), nur mit do Morgen - Ausgabe , ohne Postbesürderuaz,' SO.—, mit Postbesördrrung 70.— Iinnahmeschluß für Anzeigen: Ab eud»AuSgab«: Vormittag« 10 Uhr. Ktorgeu-Ausgabe: Nachmittag« »Uhr. Bei deu Filialen und Annahmestellen je ein» halb« Stund« früher. Anzeige» find stet« an die Erpeditiaa zu richten. Druck und Berka- von L. Polz in Leipzig 92. Jahrgang. Der spanisch-amerikanische Krieg. —t» Auch heute ist noch keine amtliche Nachricht von der Einnahme Manilas nach Europa gelangt. Wir wir schon in einemTheil der Auflage des Morzenblattes auS London mit- tbeilten, bat sich aus Erkundigungen bei den bedeutenden dortigen Häusern, die mit den Philippinen Handel treiben, ergeben, daß da» letzte Telegramm, das bei ihnen auS Manila eingegangeu ist, am 2. Mai Abends 8 Uhr 10 Minuten aufzegeben ist, und besagt, daß in Manila Alles ruhig sei. Nach Mittheilung der Kadelgesellschaft sei das Telezraphenkabel seitdem abgeschnitteu und es sei daher unmöglich, telegraphische Nachrichten auS Manila zu erhalten. Dagegen wird der „Köln. Ztg." aus Madrid gemeldet, das letzte Telegramm aus Manila vor der Unterbrechung der tele graphischen Verbindung habe der Madrider Mitbesitzer einer in Manila erscheinenden Zeitung empfangen. Nach diesem Telegramm sei eine Bombe in die Druckerei ein geschlagen und habe dasGebäude und dieMaschinen zerstört. Hiernach würde die Beschießung Manilas begonnen haben. Wie unsere Londoner Meldung weiter be sagt, habe man übrigens in Manila keine Besorgniß für die Sicherheit der Europäer und halte eS für un möglich, daß der amerikanische Admiral eine gewalt same Landung unternehme, eS müßte sich denn die Garnison ergeben. In Manila seien überdies fast 10 000 Mann spanischer Truppen vorhanden, welche die Stadt auch gegen etwaige Angriffe der Ausständischen von der Landseite deckten. Immerhin läßt sich bei einem Zusammenwirken der amerikanischen Flotte von der Seeseite und der Ausständischen vom Lande her der Fall Manilas vorauSsehen, da die See befestigungen so gut wie nichts Werth sein sollen. Wie aus Washington berichtet wird, votirte der Eongreß eine Dank sagung an Admiral Dewey und ermächtigte ihn auch, nach Erreichung der Dienstaltersgrenze im Dienste zu bleiben. Auf dem kubanischen Kriegsschauplatz scheint sich eine neue Aenderung des amerikanischen OperationsplaneS zu vollziehen, veranlaßt durch den Aufbruch der spanischen Flotte von den Capverden. Die Flotte des Admirals Sampson ist nach Beendigung der Kohleneinnahme in Key West wieder in See gegangen. Die Meldung, daß das amerikanische Kanonen boot Wilmington am Montag vier Kanonenschüsse auf das Bataillon CanarcaS westlich von Havannah abgegeben habe, wird durch ein amtliches Madrider Telegramm be stätigt. Doch leugnet diese Meldung, daß zwanzig Cavalleristen getödtet worden seien. ES sei vielmehr Niemand verletzt worden und das Panzerschiff sei unverrichteter Sache wieder seewärts gedampft. DaS geschah noch vor der Abfahrt des amerikanischen Geschwaders nach Key West zur Kohlenein nahme. Daß das Geschwader nach Cuba zurückgekehrt ist, um die Blockade wieder aufzunehmen, wird nicht gemeldet, es heißt nur, daß eS wieder in See gegangen sei. Anscheinend ist die Blockade aufgeschoben und schickt die amerikanische Flotte sich an, dem spanischen Geschwader entgegen zu fahren, es zu einer entscheidenden Schlacht zu nothigen und so an der Blockirung oder Beschießung amerikanischer Häfen zu hindern. Nun kommt aber au« Lissabon die überraschende Nach richt, das spanische Geschwader, das schon seit mehreren Tagen unterwegs war, sei umgekehrt, um sich in Cadix mit den übrigen spanischen Schiffen zu vereinigen und dann erst mit diesen die Fahrt nach Westindien fortzusetzen. Ueber diese sonderbare Retirade liegt un« nur erst die folgende Meldung vor: * London, 4. Mai. Da» nach Ladix zarückgekehrte spanische Geschwader dürfte derjenige Theil der Capverde'schen Flotte sein, der nach Capverde wegen de- Torpedo-ZusammenstoßeS zurückkehrte, an demselben Tage aber anscheinend nach deu kanarischen Inseln wieder abgiug, während ein anderer Theil der Flotte nach Amerika weiter segelte und wahrscheinlich auf der Höhe Brasilien« liegt. („Berl. Tagebl.") Bestätigt sich diese Auffassung, so dürfte die Umkehr der beschädigten «schiffe deshalb nöthig geworden sein, weil sie nicht gründlich genug reparirt worden waren s und nun noch mals docken müssen. Ein neuer Beweis für die Unzuläng lichkeit spanischer Kriegsführung! Begegnet nun daS so geschwächte spanische Geschwader dem amerikanischen, so kann über die Entscheidung kaum ein Zweifel sein. Der Pariser „Matin" erfährt auS Cuba, die Lage der spanischen Soldaten sei äußerst elend. Vorige Woche seien in Manzanilla an der Südküste zahlreiche Soldaten infolge von Entbehrungen oder mangelhafter Pflege gestorben. Man bemerkte, wie die Soldaten auf den Straßen auf ihre kümmer lichen Rationen warteten, die sie dann mit Heißhunger ver zehrtem Die Mannschaften seien nur mehr mit Fetzen bedeckt und seien infolge ihrer elenden Behandlung völlig entmuthigt. In Havannah ist die Wegschaffung von Lebensmitteln außer halb der Stadt verboten worden. DaS „Reuter'sche Bureau" erfährt auS San Francisco: Der Präsident von Hawaii habe dem Präsidenten Mac Kinley daS Anerbieten gemacht, die Vereinigten Staaten sollten Hawaii übernehmen, damit sie an den Inseln in dem Kriege gegen Spanien einen Stützpunkt hätten und Hawaii den amerikanischen Schiffen Kohlen und Vorräthe liefern könnte. Diese Meldung ist mit allem Vor behalt aufzunehmen. Anscheinend sucht man in England die Frage de« Gebietswechsels in Fluß zu bringen und die Ver einigten Staaten zum Zugriffen zu animiren, in der Hoff nung, daß sie dann so gefällig sind, sich mit den Philippinen zu revanchiren. Auch die Alarmnachricht von einem Ueberfall des britischen Consul« auf Santiago de Cuba scheint sich al» falsch zu erweisen. Man meldet un« darüber' * Lund»», 4. Mat. Eine amtliche Depesche au« Kingston (Jamaica) meldet, daS britische Kriegsschiff „Alert" sei dort auS Santiago de Cuba eiugetroffen und berichte, daß in Santiago Alles ruhig sei. Die Mitlheilungen von dem angeblichen Zwischenfall, au dem der dortige britische Consul betheiligt sein sollte, werden in amtlichen Kreisen in Zweifel gezogen. Ueber die Lage in Spanien wird unS gemeldet: * Madrid, 4. Mai. In der Provinz Oviedo wurde wegen der durch die LrbenSmittelpreise hervorgerufenen Unruhen der Belagerungszustand verhängt. — In der Kammer erklärten die Altconservativen, sie würden während der Dauer der gegenwärtigen Zustände die Regierung unterstützen. Canalrja» griff die Conservativen au, die denBereinigteuStaaten Zeit gelassen hätten, alle Vorbereitungen zum Ariege zu treffen. RomeroRobledo vertheidigte die Conservativen und sprach sich tadelnd über die liberale Regierung an-, rieth aber, nm das Baterlaud zu retten, zur Einigung aller Parteien, und sprach den Wunsch aus, daß Sagasta im Amte verbleibe. Wie weit diese Darstellung richtig ist, läßt sich nicht be- urtheilen, da Privatdepeschen aus Spanien nicht befördert werden dürfen. Jedenfalls handelt eS sich nicht lediglich um Brodcrawalle, sondern um politische Demonstrationen gegen Regierung und Krone. Aus Paris verlautet: Die Carlisten bilden in den Provinzen bewaffnete Banden. Mehrere Madrider Blätter befürworten die Diktatur de» General- Weylrr. Die Palastwache ist verstärkt worden. Die Re gierung traf außergewöhnliche Maßregeln zum persönlichen Schutze der Königin-Regentin. Wir lassen noch den Rest der eingelaufenen Nachrichten folgen: * Havannah, 4. Mal. Das kubanische Parlament wird morgen seine Verhandlungen beginnen. * Rio de Janeiro, 4. Mai. Die amerikanischen Kriegsschiffe „Oregon" und „Marietta" sind in See gegangen; der „Hikeroh" folgt wahrscheiulich heute Abend. "Philadelphia, 4. Mai. Mariuemannschasten nahmen gestern Abend an Bord de» Kreuzer« „Saint Paul", der gegen» wärtig in der Cramp'schen Werst liegt, einen Mann fest, der sich in verdächtiger Weise in der Nähr des Pulvermagazins auf hielt. Der Mann leistete verzweifelten Widerstand und wurde schwer verwundet; man hält ihn für einen spanischen Spion. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. Mai. Der Reichstag, der gestern zum ersten Male nach langen Wochen schon zu Beginn seiner Sitzung beschlußfähig war, hat in dieser Sitzung die wichtigste der ihm noch gebliebenen Aufgaben gelöst, indem er die Milttairftrafprocctzor-nung, die ihn die ganze Tagung hindurch beschäftigt hatte, in dritter Lesung annahm, nachdem durch Unterhandlungen zwischen den conservativen Parteien, den Nationalliberalen und dem Centrum ein Compromiß vorbereitet worden war, daS den in der zweiten Bcrathung unberücksichtigt gebliebenen Forderungen der Militairverwaltung im Wesent lichen gerecht wird. Die vereinbarten Anträge, die durchweg Annahme fanden, betreffen hauptsächlich die militairgerichtliche Zuständigkeit während d«S ersten Jahres nach der Entlassung auS dem Militairverhältniß für Belei digungen und Herausforderungen militairischer Vorgesetzter — wobei eine Ausnahme für Beleidigungen durch die Presse gemacht wurde —, die Beschränkung deS luristischen Elements in den Kriegsgerichten auf einen KriegSgerichtöratb, doch mit Ausnahme der schwersten Fälle, und den Ausschluß der Festnahme von Officieren in Uniform, soweit es sich nur um Vergeben handelt. Die Mehrheit, die auf dem Boden diescS CompromisseS sich zusammenfand, war nicht nur eine starke, sondern auch m Bezug auf ihre Zusammensetzung erfreuliche. Geschlossen standen abseits nur Demokraten und Socialdemokraten; für die Annahme traten theils einstimmig, theils mit erdrückender Majorität alle übrigen Parteien ein, ein Beweis dafür, wie sehr nicht nur die Bedeutung der Reform für den Reichs gedanken anerkannt wurde, sondern auch ihre sachliche Be gründung. Mit besonderer Genugthuung darf die national liberale Partei da« Ergeboiß deshalb begrüßen, weil mit ihm endlich Erfüllung gefunden bat, wofür sie seit der Gründung deS Reiches unermüdlich eingetreten ist. Das Hauptverdienst für das Zustandekommen der Reform gebührt jedoch unzweifelhaft dem Reichskanzler Fürsten Hohenlohe, dem es gegen alle Widerstände aus dem militairischen Lager gelungen ist, den Kaiser für die Umgestaltung des militairischen Gerichtsverfahren- zu gewinnen. AuS der bekannten Vor geschichte des Entwurfs geht klar hervor, daß man dem Fürsten Hohenlohe aufrichtigen Dank dafür schuldet, daß er seine Autorität und seine ganze Person für die Abschaffung der veralteten Proceßordnung der bewaffneten Macht ein gesetzt hat. Auch das Heer wird sich in Zukunft einer Recht sprechung erfreuen, welche für daS Bürgerthum eine selbst verständliche Einrichtung ist. Aus der gestrigen Er klärung deS Fürsten Hohenlohe geht ferner hervor, daß die Frage deS bayerischen Reservatrechts, welche bisher unüberwindliche Schwierigkeiten zn bieten schien, einer befriedigenden Lösung entgegengeht. Tie Verhandlungen zwischen dem Kaiser und dem Prinzregenten sind so weit fortgeschritten, daß eine Verständigung in Aussicht steht. Fürst Hohenlohe hob mit Befriedigung bervor, daß der Ab schluß der Verhandlungen sowohl die Reichseinheil wahren, als auch eine ausreichende Berücksichtigung des bayerischen Standpunktes enthalten werde. Man darf also erwarten, daß auch diese Entschließungen so ausfallen, daß weder bittere Empfindungen in Bayern bleiben, noch der Reichs gedanke zu kurz kommt. Heute, in der letzten Sitzung der Session, wird die socialdemokratische Interpellation, „ob die ver bündeten Regierungen angesichts der ungewöhnlich hoben Getreidepreise eine zeitwetlige Aufhebung der Getreidczölle herbeizuführen beabsichtigen", beantwortet werden, nachdem sie schon gestern verlesen worden ist. Die Verschiebung der Beantwortung auf heute ist wahrscheinlich auf den Wunsch der Reichsregierunz zurückzuführen, auf die Wirkung der Aufhebung der Getreidezvlle in Frank re ick Hinweisen zu könne«. Jedenfalls hat man heute am Bundesratbstische Gelegenheit, die Interpellanten und die vielleicht mit ihnen übereinstimmenden demokratischen Abgeordneten auf das hin zuweisen, waS die Börsenberichte freisinniger Blätter über die Wirkung der französischen Maßregel sagen. So schreibt z. B. der Börsenberichterstatter des „Berliner Tageblattes": „In New Jork ist der Preis für Weizen per Mai gestern infolge der Aufhebung der französischen Einfuhrzölle aus Getreide um circa 3 C. gestiegen, wahrend Herbstsichten niedriger wurden. Am hiesige» Getreidemarkt war die Stimmung für Brodstoffe daraufhin heute Vormittag sehr fest und für nahe Sichten höher." Und die „Nationalzeitung" schreibt in ihrem Börsen bericht: „In sämmtlichen übrigen Bedarfsländern muß Frankreichs Vorgehen preissteigernd wirken. Und darum ist heute auch hier der Werth von Weizen auf nahe Liefe rung erheblich gestiegen. Mai erreichte 242 aber berech tigt oder nicht, man fühlte sich etwas unsicher im Hinblick auf die Möglichkeit, daß auch Deutschland seine Kornzölle herabsetzen könnte. Zeitweilig schwankten die Weizenpreise daher heftig, dennoch ist, allerdings nur für nahe Liefer fristen, Besserung von 2 bis 3 bestehen geblieben." Kann hiernach nicht bezweifelt werden, wie die Antwort der NcichSregierung lauten wird, so wird die Debatte dock viel leicht Anlaß zu einer fruchtbaren Anregung bieten. Jeden falls ist beachtenSwerth, was im Hinblick aus die Getreide- lhenerung der „Köln. VolkSztg." auS Fachkreisen ge schrieben wird: „Angesichts der gewaltigen Preissteigerung für Getreide in den letzten Wochen muß man es bedauern, daß wir in Deutschland noch keine amtliche Statistik der „sichtbaren Vorräthe" ! haben, wie solche in Amerika, England und sogar den russischen FerrrHeton. Die Herrin von Echtersloh. 8j Roman von Toni Krüger. Nachdruck verdate». Einen Augenblick überlegte Joachim, ob er hineingehen und versuchen solle, sie zu trösten, aber gleich verwarf er wieder den Gedanken; solch ein Schmerz mußte allein durchgekämpft werden. Auch hörte er drinnen jetzt ein Geräusch wie von Umblättern der Noten, dann wurde ein Stuhl energisch gerückt, wie wenn die Sängerin zu einem festen Entschluß gekommen wäre. Mit anfangs noch etwas zitternder Stimme sang sie nun das schöne Mendelssohn'sche Lied: „Die linden Lüfte sind erwacht", und bei dem Refrain „Nun muß sich Alles, Alles wenden!" klang die Stimme schon ganz fest, mit muthiger Zuversicht. Der Bann war gebrochen, Margot hatte sich entschlossen, die alte, liebgewordene Beschäftigung des Singens wieder auf zunehmen, und die folgenden Verse schlugen in mächtigen Ton wellen in das Ohr des Lauschers. Mit einem Seufzer der Erleichterung schlich er in sein Zimmer, um noch bis zum Thee zu arbeiten. Nach kurzer Zeit jedoch unterbrach ihn das Eintreten des alten Friedrich, der die Ankunft des jungen Hartmann meldete. Gleich darauf trat dieser mit bewölkter Miene ein. „Nun, was bringen Sie mir, Hartmann?" redete der Baron ihn an. „Nichts Gutes, Herr Baron!" war die Antwort. „Nun? Wen betrifft es denn?" „Den Holzschläger Heinrichs, Herr Baron." Erstaunt hob Joachim den Kopf: „Sie sagten doch gestern Mittag, er sei über alle Berge." „Der Abend belehrte mich aber eines Anderen!" „Erzählen Sie, was geschehen ist!" befahl der Baron. „Ich stand gestern Abend gegen 9 Uhr auf dem Anstand in dem Domnitzer Forst, an der großen Wiese", begann Hartmann seinen Bericht. „Lange wollte sich nichts zeigen; endlich trat ein Rehbock aus dem mir gegenüberliegenden Gebüsch heraus. Gerade legte ich daS Gewehr an, da fiel, etwa fünfzig Schritt von meinem Standpunkt entfernt, ein Schuß. Der Rehbock strich link» ab in da» Gebüsch, er war, wie ich nachher an der Anschnßstelle constatiren konnte, nicht getroffen. Behutsam ssah ich mich nach dem Wilddiebe um, denn nur ein solcher konnte geschossen haben. So leise meine Schritt« auch waren, mußt« ich doch bemerkt worden sein, denn ein zweiter Schuß krachte, eine Kugel sauste dicht an meinem Kopf vorbei und schlug in den Stamm einer Buche ein. Jetzt drang ich möglichst schnell vor und erkannte in der davoneilenden Gestalt deutlich den entlassenen Heinrichs. Trotz aller Mühe gelang es mir aber leider nicht, ihn zu stellen, er war im nächsten Moment wie vom Erdboden verschwunden. Ich habe dann noch die Gegend genau durch sucht, aber, wie gesagt, er war verschwunden!" Dem Baron war die Zornröthe in die Stirn gestiegen. Seine blitzenden Augen funkelten in schwärzlicher Farbe. „Wir müssen sofort Schritte zu seiner Verhaftung thun!" sagte er, „haben Sie zu irgend Jemand von dem Vorfälle ge sprochen?" „Nein, Herr Baron!" „Thun Sie das lieber nicht, Hartmann, wir würden Ihre Braut und meine Cousine nur erschrecken, wenn es ihnen zu Ohren käme! Wir wollen jetzt gleich nach dem Thatorte auf brechen, und ich werde eine genaue Localbesichtigung vornehmen, und dann müssen Sie mir die Sache zu Protokoll geben." Im Fortgehen sagte er noch zu Friedrich: „Entschuldige mich bei Ihrer Excellenz, wenn ich nicht recht zeitig zum Thee wieder da bin!" Trotz aller Nachforschungen seitens des Barons und der Gen darmerie hatte man nichts von dem Wilddiebe entdecken können. Weder im Dorfe noch im Walde war er gesehen worden und auch in den umliegenden Ortschaften hatte er sich nicht blicken lassen. Unwillig gab der Baron die Verfolgung auf. Eine« Nachmittags saß die Comteß mit einem Bande Geibel'scher Gedichte auf ihrem Lieblingsplatz. Die Heckenrosen hatten abgeblüht und das Helle Frühlingsgrün der Blätter war längst einer dunkleren Färbung gewichen. Margot war den ganzen Tag einsam umhergestrichen; ihr treuer Begleiter Ben war mit dem Baron in die nächste Stadt gefahren, es sollte ein neues Halsband für ihn besorgt werden. Da die Sonne noch hoch stand, beschloß Margot, noch Domnitz zu reiten und den jetzt dort einquartierten alten Vollmer zu be suchen. Diesen Vorsatz auszuführen, begab sie sich in den Hof, um das Satteln der Pferde anzuordnen. „Fred ist schon mit der Sarah fortgeritten!" berichtete der kleine Stalljunge. Margot überlegte, endlich entschloß sie sich, allein zu reiten. Sie vertraute dem vierzehnjährigen Kurt daS Satteln ihrer Hertha an und ermahnte ihn, recht sorgfältig dabei zu sein. Dann schlüpfte sie in ihr Zimmer, um daS Reitkleid anzulegen. Bald darauf war sie auf dem schattigen Waldwege nach Domnitz und überließ sich ganz dem Vergnügen der freien Bewegung. Plötzlich aber schien es ihr, al» ob der Sattel etwas locker sitze. Sie hielt an und sprang vom Pferde, um die gelockerten Sattel gurte anzuziehen. Dies wollte ihr aber trotz aller Anstrengung nicht gelingen und zum Ueberfluß wurde auch Hertha durch das viele Zerren an den Gurten unruhig. Margot beschloß daher, in langsamem Schritt nach Domnitz zu reiten, das nicht mehr weit entfernt war, und saß mit Hilfe eines Baumstumpfes wieder auf. Gedankenvoll hielt sie den Blick auf den Hals des Pferdes gerichtet und sah erst auf, als Hertha plötzlich Halt machte. Vor ihr stand ein altes, gebücktes Weib mit hellleuchtendem Kopftuh, unter welchem hervor wirre, graue Haarsträhnen über ein pergamentfarbiges, runzeliges Gesicht fielen. Sie stützte sich schwer auf einen Stock und sah die junge Reiterin mit unheiml'ch funkelnden Blicken an. Margot erkannte die alte Frau Heinrichs, die Mutter des ent lassenen Holzschlägers. „Was wünscht Ihr von mir, Mutter Heinrichs?" fragte die Comteß, die einen Augenblick wopl recht erschreckt gewesen war, jetzt jedoch über ihre Furcht lächckn mußte. „WaS ich wünsche, Comteß?" fragte die Alte mit krächzender Stimme. „Man verfolgt meinen Sohn und das kann die Mutter nicht dulden", setzte sie drohend hinzu. „Euer Sohn hat gewildert, gute Frau", erwiderte Margot, die inzwischen Einiges von dem Vorfälle gehört hatte, „und da ist es die Pflicht der Polizei, ihn aufzusuchen und zur Rechen schaft zu ziehen, sonst würden wir bald gar viele Wilddiebe in unseren Forsten haben." „So ist'S recht, so ist's recht", kicherte die Alte höhnisch. „Erst jagt man ihn aus dem Dienst, weil er den hochfahrenden Befehlen des jungen Grünschnabels nicht filgen mochte, und nun verfolgt man den armen, obdachlosen Menschen, weil er, um sich das Le?en zu fristen, einen elenden Rehbock scsießen wollte! Ich sage Ihnen aber Comteffe — " Hier wurde sie von Margot rnterbrochen: „Wozu die un- nöthigen Reden, Mutter Heinrichs ich kann an der Sache nichts ändern! Und nun gebt Raum!" rief sie der Alten zu. „Und ich sage Ihnen, Comtiß, Sie werden etwas daran ändern!" rief das alte Weib mi drohend erhobener Stimme, „Sic werden die Verfolgung enstellen, oder er wird seine Drohung wahr machen!" Und sie hob mit einem gräßlchen Fluch die dürren Arme. Hertha, die schon lange unruhjg war, machte bei der heftigen Bewegung der Alten einen Sprmg zur Seite und raste dann im vollen Gang den Waldweg hirab. Trotz der verzweifeltsten Anstrengungen war e» Margot nicht möglich, da- Thier zu pariren. Dabei fühlte sie, daß der Sattel nach der Sette rutschte; der Helle Angstschweiß trat ihr auf die Stirn. Immer rasender verfolgte das Thier seinen Weg, immer schneller sausten die Bäume an Margot's schwindelnden Blicken vorüber! Sie hatte vollständig die Gewalt über das Pferd verloren, und jetzt bog es auch noch vom Wege ab und drohte, die Reiterin gegen einen Baum zu schleudern. Der Ritt, obgleich er nur wenige Minuten dauerte, däuchte Margot eine Ewigkeit. Jetzt hatte sie das Ende des Waldes erreicht, und Hertha sauste mit ihrer leichten Last über den breiten Graben, der diesen von der großen Wiese trennte. Das hatte nur noch gefehlt, um Margot, die sich krampfhaft an der Mähne festhielt, den letzten Halt zu nehmen. Im nächsten Moment wurde sie heftig auf den Wiesenboden geschleudert; die Besinnung verließ sie. Hertha galoppirte weiter und wollte gerade die Chaussee kreuzen, als ihr der Weg durch einen heranrollenden Wagen ab geschnitten wurde; — mit Schaum bedeckt und am ganzen Leibe zitternd stutzte sie. Auch der Wagen hielt und mit Schrecken erkannte Joachim, der Insasse desselben, Margot's Pferd, dem der Sattel am Bauche hing. Entsetzen rann ihm durch die Glieder. Er gab dem Kutscher Befehl, Hertha hinten am Wagen zu befestigen und ihm langsam zu folgen. Er selbst machte sich mit Ben, todesbleich vor Aufregung, auf den Weg, die Verunglückte zu suchen. Der Hund nahm sofort die Spur des Pferdes auf und nach wenigen Minuten zeigte sein Blick die Richtung an, in der das Auge des Barons auf dem weiten Wiesenplan die schwarze Ge stalt erspähte. Hinzueilend fand er Margot scheinbar leblos; während der Hund winselnd das bleiche Antlitz leckte, beugte der Baron entsetzt das Ohr zu ihrem Munde herab, aber kein Athemzug entfloh den bleichen Lippen. Mit zitternden Händen lockerte er ihre Kleidung. Gott sei Dank! Das Herz pochte noch in matten Schlägen. Er rieb ihre Stirn und die kleinen Hände; Alles blieb erfolglos, die Comteß regte sich nicht. Endlich lies er in seiner Angst nach einem nahen Wiesengraben, tauchte sein Taschentuch in das darin befindliche Wasser und wusch damit die starren Züge der Ohnmächtigen. Bald hatte er auch die Freude, daß ein tiefer Athemzug die junge Brust hob und Margot dir Augen öffnete. Sie erkannte ihren Vetter und flüsterte matt: „Wie gut, daß Du da bist, Achim!" Dann schloß sie sofort wieder die Augen. Joachim fürchtete, daß sie in Folge der großen Schwäche von Neuem
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