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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.04.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-04-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100416029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910041602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910041602
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-04
- Tag 1910-04-16
-
Monat
1910-04
-
Jahr
1910
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Bezug»-Preis Mr U»v»ia »» »«ch my«, trLgrr »ni S»«dite»r« ^»«1 »Halich »4 Hau« gebracht: »0 «»«xat., ».7V Mi »irrttlMhrl. Bei unter» Mliaie» ». «n. aahmeftrvrn adaedalt: 7» »«MU, ».LS Ml viertel tLhrl. D»rch dt« Volt: innerhalb Dratlchlande and der dottchen Nvlmiien »ierrelMri S.«S Ml, moaatl. l.!b Ml autlchl. Poftdeftellaeld. Ferner in Belgien, Dänemark, den Donaustaatr», Italien, Uureinburg, diiederland«. Nor mten, LeNerreich-Ungarn. Nuhland, Schweden, Schwei, u. Spanien. In alle» übrigen Staaten nur direkt durch dl« SeichLtttNelle de« Blatte« erhältlich. Da« Ue>v,igel Dageblatt ericheini 2 mal täglich. Sonn. Feinriag« nur morgen«, itldonneu ent-Annadme! Auguftu-vlatz 8, tri unleren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Br,ei träger». Uinzelveckauseprel« der Ptorgen« intgade Ist der Itlbendautgade o Siedaktion und GelchäftSsteller Johanni»gast« L. Sernivrrcher: I4KS2, I4SS3, 14«». Abend-Ausgabe. AeipMcr TagMM Handelszeitnng. Amtsblatt Les Äates und des Voli^eiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis Mr Anlerate au« deip,>, und Umgebung d«, «gelpaltene SO tnm breite PeUlzrN« 2b «Z, di» 74 mm breit« Reklame,eil« l M v»» aniivärt« UO Reklamen 1.2V Mli Inserate »an Bebbrden >m amtlichen Teil dl« 74 mm breit« Petit,eil« 40 «eschäirran^igen mit Platzdorlchrlste» »n» t» der A dendauraab« im Preise erhöht. Radau nach Taris. Beilagegebllbr b Ml p. Tausend exkl. Postgebühr. FXterteilte iluiträg« können nicht ,urüä- ae»ogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen «neigen-Annahme i Vugustntzplatz 8, bei iämtlichen Filialen u. allen vnnoncrn- itxpeditionen de« In- und ÄuSlanbr«. Paupt-Sillal« verll»! Surt Dnniker, Herwgl. Bahr. Hosiuch» Handlung, Lützowstiatze IL (Telephon VT, Rr. 4M3). Paupt-Fillale Lre-den: Eeestratze », T (Telephon 4S2I). Nr. 104. IV4. Zshrgsng Sanmdenä, ücn lö. «pril lSlst. palltilche Nschrlchlen. Der knuipl >m vnugrwerbe. In Leipzig. Seit Freitagabend ruht auf fast allen Neubauten Leipzigs der Betrieb. Es herrscht fast seiertägige Stille auf den Plätzen, auf denen sonst ein reges Bauleben blühte. Da und dort sieht man schon Gruppen ausländischer Arbeiter mit Sack und Pack den Bahnhöfen zustreben; sie verlassen den Kampf platz. Am auffallendsten tritt die Bauruhe natür- lich am zukünftigen Hauptbahnhof in die Er scheinung. Sämtliche Firmen haben ihre organisier ten Bauleute entlasten; es befinden sich darunter Firmen, die 400 organisierte Arbeiter ausgesperrt haben. Infolge des Kampfes sind auch die Arbeiten am Nölkerschlachtdenkmal Störungen aus gesetzt, denn auch von den dort beschäftigten Ar beitern hat eine große Anzahl die Arbeit einstellen mästen. Schon jetzt kann man beobachten, wie der Riesen kampf seine Wellen allmählich auch in andere, nicht direkt beteiligte Kreise wirft. Die sämtlichen, rings um die Bahnhofsneubauten ge legenen kleinen Lokale, die sogenannten Frühstücks stuben, in denen die Leute sonst ihr Mittagbrot und ihr Frühstück einnehmen, weisen ein völlig veränder tes Bild auf. Auch die Baukantinen sind lahmge legt. Von den wenigen noch arbeitenden Leuten kann man nicht reden. Man glaube ja nicht etwa, datz die Zahl der kleinen Geschäftsleute, die hier in Mitleidenschaft gezogen werden, gering ist. Mit jedem neuen Tag des Kampfes mutz die Situation naturgemäß schärfer werden. Bald werden auch die Leute, die jetzt in Nebenberufen (Glaser, Klempner, Schlosser usw.j tätig sind, gezwungen sein, die Arbeit einzustellen. Der Verband der Bauarbeitgcber in Leipzig und Umgegend hat die in der Donnerstagabend-Ausgabe des Leipziger Tageblatts veröffentliche Resolution des Deutschsozialen Vereins in Leipzig, worin vor der Heranziehung ausländischer Arbeiter gewarnt wurde, mit folgendem, uns zur Verfügung gestellten Schreiben beantwortet: „Wir haben Ihre Resolution erhalten und zu unserem Bedauern daraus ersehen, daß Sie diese Resolution in den Tageszeitungen veröffentlicht haben. Wir möchten Ihnen nur mitteilen, daß weder im Vorstande des Deutschen Arbeitgeber bundes für das Baugewerbe, noch in seinen Gene ralversammlungen, noch in den Vorstandssitzungen des Leipziger Arbeitgeberbnndes, noch in seinen Generalversammlungen nur mit einem Worte davon die Rede gewesen ist, aus ländische Arbeitskräfte heranzuziehen. Bevor Sie solche irreführende Nachrichten in die Oeffentlichkeit bringen und uns dadurch in den Augen nationaldenkender Menschen diskreditieren, würde es sich für die Zukunft empfehlen, wenn Sic erst bei uns anfragen würden, ob dem so ist." Die Zahl der Ansgesperrten. Nach den bisherigen Feststellungen beträgt die Zahl der Ausgesperrten in Leipzig rund 7500 Mann. Davon haben sich bis Sonnabend mittag bei den Kontrollstellen erst 5000 Mann gemeldet, was jeden falls damit zusammenhängt, daß eine große Anzahl der bei Leipziger Unternehmern Arbeitenden aus wärts wohnt. Eine vollständige Kontrolle wird erst am Montag erfolgen können. Im Reiche. Die Zahl der gestern im Reiche ausge- gesperrten Bauarbeiter wird auf 150 000 berechnet. Der Vorstand des Berliner Verbandes der Baugeschäfte trat gestern vormittag zusammen. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Die Mehrzahl der Redner gab der Hoffnung Ausdruck, daß eine Einigung zustande komme. Nach dem „Berl. L.-A." findet in den nächsten Tagen eine Sitzung indu- striellerUnternehmerverbände in Berlin statt. Es soll über umfangreiche Unter st ützungcn des Bauarbeitgebertums verhandelt werden. Der Umfang der Aussperrung stellt sich in den einzelnen Städten und Provinzen nach den bisherigen Nachrichten folgendermaßen: Königreich Sachsen: Leipzig 7500, Chemnitz 3500, Dresden 5000, Zittau 1200. Rheinland-Westfalen: Düsseldorf 2000, Köln 4000, München-Gladbach 1000, Esten 5000, Gelsenkirchen 4000, Bochum 2000, Duisburg 3000, Saargebiet 14 000. Hannover 4000, sonstiges Nordwestdeutschland 12 000. Schleswig-Holstein 8000, Kiel 2000. Schlesien: Breslau und Umgegend 6000. Posen: 6200, davon 1200 Stadt Posen. Provinz Sachsen: Magdeburg 2000, Erfurt 1800 bis 2000, Halle 2200. Königreich Bayern: Nürnberg 4500, München 700 Zimmerer. Eroßherzogtum Hessen: Offenbach 700 bis 800. Der von Magdeburg aus unternommene, von uns bereits gemeldete letzte Versuch, eine Einigung noch nach Ausbruch des Kampfes herbeizuführen, ist völlig ergebnislos geblieben. Der Verband Deutscher Arbeitgeber hat die Magdeburger Vor schläge aus denselben prinzipiellen Gründen ab gelehnt, aus denen die Vermittlung des Reichsamts des Innern zurückgewiesen wurde. Unfall des Grobherzogs von Oldenburg. Oldenburg, 16. April. (Tel.) Der Großherzog ist gestern beim Reiten gestürzt und hat sich leichte Verstauchungen zugezogen. Zum Befinden des Reichstagsabgeordneten Grafen Oriola. O. Berlin, 16. April. (Priv.-Tel.) Graf Oriola, der vor einigen Tagen einen leichten Unfall auf der Straße erlitten hat, ist gestern voneinemSchlag- anfall betroffen worden. Eine Besserung in dem Befinden des Abgeordneten ist bis heute nicht eingetreten. Der Streik der österreichischen Schiffskapitäne. Triest, 16. April. (Tel.) Nachdem ein Komitee der Lloyddirektion die Forderungen der Ka pitäne als unerfüllbar bezeichnet und den Schutz der Behörden und der Staatsautoritäten an gerufen hat. dürfte morgen, Sonntag, der Streik der Schifsskapitäne beginnen. Die Lage in Marseille ist unverändert ungewiß. Zwar sind heute keine neuen Zusammenstöße zu verzeichnen, aber die Lust am Streiken ist bei den Ausständigen noch nicht ge ringer geworden. Es sollen vielmehr immer wieder Versuche mit dem Generalstreik auch an anderen See plätzen gemacht worden. Folgende Drahtnachrichten liegen vor: Paris, 16. April. (Tel.) Das . Echo de Paris" will wissen, daß der revolutionäre allgemeine Arbeitsverband den streikenden Seeleuten in Marseille beträchtliche Summen zur Verfügung gestellt habe. Bordeaux. 16. April. (Tel.) Das Syndikat der eingeschriebenen Seeleute erklärte sich mit den Seeleuten von Marseille solidarisch und beschloß, morgen den General st reik zu verkünden. Ein mißglückter Plan zur Entführung des Exsultans Abdul Hamid. Wien, 16. April. (Tel.) Nach hierher gelangten Nachrichten aus Saloniki entdeckte die dortige Polizei einen Plan, wonach der Exsultan Abdul Hamid aus der Villa Allatini entführt werden sollte. Gestern nachmittag wurden zwei Personen, die sich in verdächtiger Weise in der Nähe des Ein gangstores der Villa zu schaffen machten, verhaf tet. Durch eine bei ihnen vorgenommene Leibesvisi tation gelangte die Polizei in den Besitz von Briefen, aus denen das Bestehen eines bis ins einzelne aus gearbeiteten Entführungsplanes erwiesen wurde. Die Verhafteten erklärten, durch eine große Summe Geldes dazu gedungen worden zu sein, in die Villa einzubrechen und den Exsultan zu entführen. Die gesamte Bewachungsmannschaft der Villa Alla tini wurde sofort ausgewechselt und die Verdop pelung der Wachtposten angeordnet. Das Befinden Meneliks. Djibouti, 16. April. (Tel.) Hier wird allgemein angenommen, daß der Eintritt der Regenzeit auf Meneliks Befinden verschlimmernd einwirken wird. Die Lage in Abessinien ist nach hier eingetroffenen Nachrichten unverändert. Die psrlevalkshrt verschoben! Leipzig, 16. April. Die Fahrt des Flugschiffs „Parscval IV" nach Altenburg mußte heute morgen wegen zu starken Windes verschoben werden. Es besteht nur ge- geringe Hoffnung, den Aufstieg noch im Laufe des heutigen Tages zu ermöglichen. Die Fernfahrt wird vielmehr mit ziemlicher Sicherheit morgen früh angetreten werden. Die Dispositionen für die Fahrt sind dieselben geblieben, so daß der Lenk ballon voraussichtlich morgen in den Vor mittagsstunden Leipzig überfliegen wird. — Durch Aushänge berichteten wir heute vor mittag folgendes: Bitterfeld, 16. April, 8.10 Uhr. Hier herrscht augenblicklich eine Windstärke von 10 Metern. Die Abfahrt des „Parseval IV" wird erfolgen, wenn der Wind schwächer geworden, keines falls aber vor 10 Uhr Bitterfeld, 16. April, 10,30 Uhr. Da die Wind stärke noch gewachsen ist, wurde, wie uns von zu ständiger Seite mitgeteilt wird, die Fahrt des „Parseval IV" nach Altenburg für heule aufgegeben. Weiter erhalten wir folgende Meldungen: x. Altenburg, 16. April. (Priv.-Tel.) Da die von der hiesigen Bevölkerung mit ungeheurer Spannung erwartete Fahrt des Flugschiffes „Par seval IV" durch den heftigen Gegenwind für heute u n m ö g l i ch ist, ist auch das Militär, das für die Landung in der Nähe des Leinawaldes requiriert war, zurückgezogen worden. Nach Mitteilungen aus Bitterfeld wird der Aufstieg erst morgen erfolgen. k. Bitterfeld, 16. April. (Priv.-Tel.) Die Fahrt des „Parseval IV" nach Altenburg ist auf morgen früh verschoben worden, wenn nicht wider Erwarten der Wind im Laufe des Nachmittags umschlägt. Hauptmann Köhler ist hier noch nicht eingetroffen, während sich Hauptmann a. D. Dinglinger, der den Ballon führen soll, und Oberingenieur Küfer in der Ballonhalle befinden. TagrschrvM. Zur Affäre der Fra« v. Schönebeck-Weber. Berlin, 16. April. (Priv.-Tel.) Zn ocr Affäre der Frau v. Schönebeck-Weber ist eine neue überraschende Entschließung des Allensteiner Amts gerichts zu verzeichnen. Nachdem Frau von Schöne beck-Weber für ihre Entlastung aus der Untersuchungs haft 50 000 Kaution durch ihren Pfleger stellen ließ, erhielt sie die Zustellung vom Allensteiner Amts gericht, daß die König!. Gerichtskaste in Allenstein 15 000 .11 ihres Vermögens als Sicherheit für die Kosten eines eventuellen Strafprozesses beschlagnahmt habe, weil durch die amtliche Versicherung des Ersten Staatsanwalts in Allenstein glaubhaft ge macht sei, daß die Schuldnerin anderweitig über ihr Vermögen zu verfügen gedenke. — Die Aufhebung ihrer Pflegschaft beim Allensteiner Vormundschafts gericht hat Frau o. Schönebeck-Weber bisher noch nicht erreicht, obwohl bereits im Januar ihr Pfleger den Antrag auf Enthebung von der Pflegschaft ge stellt hatte, weil die wissenschaftliche Deputation in Berlin die Pflegebefohlene als geistig gesund erklärt hat. Von interessierter Seite wird darauf hin gewiesen, daß Frau v. Schönebeck-Weber allein bei der Görlitzer Kommunalbank ein Vermögen von mehreren hunderttausend Mark in Wertpapieren liegen hat, und daß sie hunderttausend Mark Kaution für ihre Haftenlastung bot, von denen aber nur Zwei Schmelzer Romane. Von Otto Schabbel. Seit den Tagen Kellers und K. F. Meyers rückt die schweizerische Literatur jetzt wieder näher in unsern Gesichtskreis. Es wäre ein gewaltiger Irr tum, zu alaubew daß die Schweizer seither an schön geistigen Interessen und literarischer Produktion arm wären. Das meiste bleibt uns verborgen, findet ein fach nicht den Weg zu uns über die Grenze. Das spricht keineswegs gegen den Kunstwert, desto mehr aber gegen den Unternehmungsgeist der Verleger. Spitteler! Wer kannte ihn, ehe ihn Diederichs, der Jenaer Verlag, in seinen mit Edelwerten gefüllten Ballen mitgehen ließ und in die Städte schickre! Wer kannte ihn? Den Titan und Modegott! So manches schöne Talent blüht dort unten in der Stille; Leute von seltenem Kulturgefühl, urtümliche Empfind«, überraschende Formtalente — es ist um manchen schade, daß wir ihn hier nicht kennen! Desto glücklicher darf ich mich schätzen, heute zwei Epiker von besonderen Gaben, beide schweizerischen Geblütes, hier anzuzeigen. Felix Moeschlin scheint absoluter siomo novus zu sein. Auch in der Schweiz ist manchem sein Name noch nicht geläufig. Was er uns in seinem fast 400 Seiten starken Roman „Die König schmieds" gibt, ist — ohne Uebertreibung — em Ereignis. Wenn sich ein Dichter offenbart, so ist das immer ein Ereignis. Und deren gibt es wenig genug. Moeschlin ist ein solcher! Was frommt es, mit from mem Augenaufschlaa'das Gestirn zu nennen, unter dem er geboren? Moeschlin ist aus eigener Kraft, aus innerstem Muß Dichter. Auf diesen 400 Seiten ist kein einziger toter Punkt, nie geht ihm der Atem aus. Das gerade ist so erfreulich, daß er aus souve räner Fülle heraus schafft. Daß er dabei nie die Zügel der Konzentration aus der Hand läßt, nie maßlos über die Grenzen der epischen Distanz schießt, sondern mit weisem Formgefühl gestaltet, wird man ihm gerade bei diesem Uebermaß an innerem Reich- tum zuerkennen müssen. Die Führung der Handlung — sie birgt in sich die tragisch einfache und doch weit läufig verzweigte Geschichte eines Bauerngeschlechtes, das, mit Zwang seine geistige Entwicklungsbahn hemmend, in sich selbst zusammenbricht' als einzige Trümmer bleiben die zurück, die ihren Beruf im or ganisierten Kreislauf städtischen Lebens suchten. Ein Spiegelbild ländlicher Kultur von ungewöhnlicher Eindruckskraft! — die Handlung, wollte ich sagen — ist mit dramatischer Spannkraft aufgebaut, die ihres gleichen suchen mag. Die Menschen sind wirkliche Menschen von Fleisch und Blut; und Nerven und Ge hirn haben sie auch. Sie sind kräftig und urwüchsig — man sieht richtige Hodlergestalten! Hodler: das ist überhaupt der richtige Vergleich! Hodlerartig ist auch der Stil, der Ton, in dem die ganze Darstellung gehalten ist. Knapp, von starrem, klingenden Rhyth mus die Sprache, die Konturen scharf, klar, wirklich keitstreu. Und nirgends ein Zweifel an der künstle rischen Echtheit: — daß es nicht im Innersten emp fangen worden wäre, dieses Erlebnis. Nirgends! So wäre denn des Rühmens kein Ende! Selbst lesen, heißt es hier! Der Autor des andern Buches ist in Deutschland schon gut bekannt. Paul Jlg hat sich mit seinem Roman ..Lebensdrang" bereits ein gutes Konto in der Gunst des deutschen Leserpublikums erworben. Er darf darum auch jetzt freundlicher Aufnahme ge wiß sein, und füglich wird er auch auf den größeren Teil dieser Anzeige zugunsten des Debüts seines Landsmannes verzichten. „Der Landstörtzer" ist eine Lebensbeichte von zwingend tragischer Macht. Ein dunkles Schicksal, über besten Bahnen wir ge leitet werden. Das Buch hat einen mondänen Ein schlag; es führt aus der Schweizer Landschaft hinaus in die Großstadt, in ein Labyrinth von Spekulation, Charakterlosigkeit. Die Geschehnisse sind bunt, in ihrer steten Wcchselfolge nie das Intereste erlahmen lastend. Daß Jlg für seine Erzählung eine Form wählte, die Tagebuchblätter, Briefe. Berichte geschickt miteinander verbindet, erleichtert nicht ohne weiteres das Verständnis, ist aber natürlich künstlerisch viel anregender. Seine Sprache ist flüssig, gewandt, sehr farbenreich. Schweizerisch, ich meine: echten Ur sprungs, ist Ilgs Buch ebenso wie jenes andere. In der Energie der Gestaltung, in der gesund und frisch miellenden Empfindung, in der vollendeten Anschau lichkeit finden wir die besten Eigenichosten, die uns die Schwei'er Literatur besonders lieb und wert machen. Ich bin sicher ..Der Landstörtzer" wird viele und ehrliche Freunde finden. Daß der Verlag von Wiegand L Grieben in Ber lin (G. K Sarasin) sich der beiden Schweizer ange nommen hat, sei mit besonderer Hochachtung vermerkt. Es spricht für seine vornehme Gesinnung. Die Aus stattung ist in jeder Weise erstklassig. * Ein interessanter Theaterzettel. In der wert vollen Bibliothek Dr. Horn-Mödling, die, wie be richtet, vom 18. bis 20. April bei Max Perl in Berlin versteigert wird, befindet sich ein Theater zettel von 1782, der eine Aufführung von Lessings „Emilia Ealotti" anzeigt. Der Ort, wo die Vorstellung stattfand, wird leider nicht näher be zeichnet. Daß es aber eine süddeutsche Stadt, viel leicht Augsburg gewesen ist, geht nicht unschwer aus der Abfassung des Zettels hervor. An seiner Spitze steht: „Mit gnädigster Erlaubniß Einer Hochweisen Hochgebiethenden Obrigkeit wird heute Dienstag, den 9. Aprrl 1782 Von der Kober- weinischen deutschen Schauspieler Gesellschaft aufgesührt: Emilia Galotti. Ein original Trauerspiel in fünf Aufzügen von Gott hold Ephraim Lessing." Nun folgt das Ver zeichnis der „Personen", dem wir entnehmen, daß die Titelrolle von Mad. Koberwein gespielt worden ist. Und nach dem Personenverzeichnis stehen folgende lapidare Sätze: „Der Name Lessing allein mutz die Kenner theatralischer Werke überzeugen, daß das heutige eins der besten und vortrefflichsten Trauer spiele ist, welches unter deutschen Originalen zu finden, solglich wäre es Sünde, einen Namen zu rühmen, der ohnehin den Beyfall der ganzen Welt unye- theilt erhalten hat. — Madame Engst, eine hier nie gesehene Actrice wird in der Rolle der Gräfin Orsrna zum erstenmal auftreten und Herr Stern, ein hier durchreisender Schauspieler, in der Rolle des Marinelli. Beyde haben in allen großen Städten mit sehr vielem glücklichen Beyfall gespielt. — Herr de Macht Musikdirekteur der hiesigen Schau spieler wird zwischen dem dritten und vierten Akt ein Konzert auf der Violine spielen, wodurch die Zuschauer auf das Angenehmste unterhalten werden!" Dieser Ankündigung schließt sich dann der „Preiß der Plätze" an. Wir finden da Logen von 3 Fl. an bis zum „letzten Platz', der 6 Kr. (Kreuzer) kostet. Die Vorstellung begann „präcise um 6 Uhr". * Ein Denkmal für Gerard de Nerval. Eine An zahl Pariser Künstler und Schriftsteller hat den Be schluß gefaßt, auf einem öffentlichen Platze von Montmartre dem feinsinnigen Dichter, Dramatiker, Romanschriftsteller und unvergleichlichen Goethe- Übersetzer Esrard de Nerval ein Denkmal zu setzen. Das „Petit Journal" erinnert bei dieser Gelegen heit an die traurigen Lebensschicksale des unglück lichen Poeten. Das Leben Gerard de Nervals, der eigentlich Girard Labrunie hieß, war ein einziger großer Liebesroman, aber ein Roman mit tragischem Ausgange. Der Dichter hatte sich bis zur Raserei in eine junge Schauspielerin, namens Jenny Colon, verliebt. Die Künstlerin zeichnete sich mehr durch körperliche Reize als durch Talent und durch geistige Vorzüge aus; dazu kam noch, daß sie im Bewußtsein ihrer Schönheit auch mit andern Männern kokettierte und den armen GLrard in der grausamsten Weise marterte, bis er schließlich den Verstand verlor. Er war mehreremal in Heilanstalten und schien zuletzt auch wirklich geheilt zu sein. Dann aber kam es wieder über ihn wie Wahnsinn, und er warf sich eines Tages Heinrich Heine schluchzend in die Arme und jammerte: „Ich bin verloren! Ich bin ver loren!" Am 26. Januar 1855 fand man ihn vor Tagesanbruch erhängt an einem Eartengitter einer abgelegenen Straße. Auf dem Kopfe hatte er seinen Zylinderhut. und der Oberrock war sorgfältig zu geknöpft. Um den Leichnam trippelte auf dem schmutzigen Schnee ein gezähmter Rabe herum, der fortwährend die Worte: „Ich habe Durst! Ich habe Durst!", die man ihm beigebracht hatte, krächzte. Anfangs glaubte man, daß der Dichter einem Ver brechen zum Opfer gefallen wäre; dann aber ge langte man zu der Ueberzeugung, daß er freiwillig aus dem Leben geschieden war, nachdem er sich selbst eine gereimte Grabschrift aufgesetzt hatte * Hochschvlnachrichten. Zum ordentlichen Pro fessor der Philosophie in Bonn an Stelle von Pro fessor Stein wurde Privatdozent Dr. Richard Herbcrtz in Bonn gewählt. — Handelshoch schule Berlin: An Stelle des nach Tübingen be rufenen Herrn Professor Dr. Uhlig hat Herr Dr. Wegener einen Lehrauftrag an der Handels hochschule übernommen. Er wird in diesem Sommer semester über die europäischen Kolonien Süd- und Ostasiens lesen und Gebiete behandeln, die er auf verschiedenen Studienreisen aus eigener Anschauung kennen gelernt hat. Die Vorlesung umfaßt Britisch- Indien mit Ceylon, Straits, die Malaienstaaten. Holländisch - Indien, Nordborneo, Französisch - Indo china, Hongkong, Macao und das Kiautschaugcbiet.
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