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MMe Llbzeitmg. Amts- un- AvzeLgeblatt für das Kömgl. Amtsgericht und den Stadtrath zn Schandau nnd den Stadtgemeinderath zn Hohnstein. M 42 Schandau, Sonnabend, den 24. Mai Polnische Verschwörer. Der HochvcrrathSprozcß Kraszewski und Hcntsch, der i» dieser Woche vor dein Reichsgericht zn Leipzig mit der Bernrthcilnng der Angeklagten schloß, hat die polnische Frage wie ein Gespenst ans einem Grabe wieder anftanchen lasse». Wir branchcn nnS nicht bei dem wohlbegründctcn Urthcil des Reichsgerichts nufznhaltcn, welches den unglückseligen früheren prcußi- schcn Hauptmann Hcntsch wegen vierfach ausgciibtcn Hochvcrralhö mit der vollen Strenge des Gesetzes hcimsuchte und zn nenn Jahren ZnchlhnnS vcrnrthciltc, dem greisen, berühmten, polnischen Dichter v. Kra szewski aber wegen einer Art idealen Fanatiömns, mit dem er noch immer an seinem nntcrgcgangcncn Vatcr- landc hängt, mildernde Gründe znbilligle und über ihn nur drei nnd ein halbes Jahr Fcstnngshaft wegen Hochverrathö verhängte, wir wollen lediglich jetzt »och die Kehrseite des Prozesses bclcnchtc». Sic beweist, daß cö »och poliiische Verschwörer gicbt, die das Polc»- rcich mit irgend welchen Mitteln nochmals errichte» wollen und daß es sehr uoththnt, daß man zumal iu Deutschland hierauf fortwährend ein wachsames Ange hat, denn für daö dcntschc Reich reichen die polnischen Anzettelungen nicht etwa mir nach Posen, sondern auch nach dem AuSlaude. Der Prozeß Kraszewski beweist, daß man im Stillen viclvcrzwcigtc Fäden spann, die »ach Berlin, nach Wien, nach Paris nnd Petersburg reichten, dunkle, gchcimnißiiißvollc Fäden, an denen zn gleichen Theilen der LaudcSvcrralh gegen das Land, und die Hoffnung ans die Wiederauferstehung Polens emsig milarbcitcte. Ist es ein willkürlicher Schluß, wem, man ans diesem Beispiele abstrahirt, daß solcher Fäden ein ganzes Netz sich über Europa zieht, daß das polnische Emigrantcnlhmn nicht anfgchört hat, in allen Ländern, wo ihm menschlich zn athmcn vergönnt ist, zn horche» »nd z» ccmspirirc», seine nationalen Träume iu die Wirklichkeit hiucinzuspiuueu, daß cs mit einem Worte eine internationale Verbindung dar- stcllt, die Alles, was geschieht, nnd Alles, was sic sinnt, ans das Idol der Wiederherstellung Polens zu- rückzicht? In Paris hieß das Instrument dieser Ver bindung Zaleski, in Dresden hieß cö KraSzcwSki. Gelder fließen aus mysteriösen Kassen, nichtsnutzige Snbjectc werden gefunden und dafür bezahlt, daß sie Festnngöpläne, Waffen-Constructioucn, Licfcrungö Projekte anöspionircn, und der letzte Zweck dieses rast losen Treibens ist der Vcrralh des einen Staates an den andern, das Motiv, die Hosfmmg auf irgend ciucu großen europäischcii Zustammenstoß, bei dem aus den Trümmern die alte polnische Herrlichkeit sich von ucnem erheben soll. Und dieses Verschwörerthum, daö sich in den Mantel dcö nationalen Martyriums hüllt, daö nicht mehr, wie ehedem, mit thöricht lauten Klagen die Welt erfüllt, sondern, klng nmhcrschlcichcnd, die höchsten GcscllschaftScirkcl umkreist, ahnt nicht ein mal, daß cö beobachtet wird; cö weiß nicht, daß über seine Machinationen Berichte der Botschaften an die Negierungen vorhanden sind, bis jählings eine ge waltige Hand in seine Netze greift nnd daö Gesetz nicdcrfährt, um seine Werkzeuge unerbittlich zn zer treten. — Der Prozeß Kraszewski hat mit seinen Enthüllungen nnd Zwischenfällen wenig offenbart, was man nicht bereits wußte. Auch jener Brief des Fürsten Bismarck, der die Thatsachc anfdccktc, daß polnische Gesellschaften cxislircn, deren Zweck cö ist, ein inter nationales Spionirsystem zu unterhalten, zeigte nur, daß cs an der erforderlichen Wachsamkeit nicht fehlt, um die „polnische Gefahr" zu paralysircu. Aber von hohem Interesse war nichtsdestoweniger dieser Prozeß, weil daö Gchcimniß aus der Stille der diplomatischen Bnrcaux in daö grelle Licht des GcrichtSsaalcö hinanö- gcstcllt, weil cS vor ganz Europa imtcr Beweis ge setzt ward, so daß fortan kein Lcngucn und keine Aiiö- flncht mehr den Verdacht beschwichtigen kmmcn, daß die Tränme von der Widcrhcrstcllnug Polend nicht harmlos sind, sondern daß sic zn Actionen verleiten, welche die Nnhc des WcltthcilS erschüttern, die Ein tracht der Staaten compromittircn können. T a g e s.q e s ch i ch t e. Sachsen. Schandau. Nächsten Montag den 26. d. findet in dem schön gelegenen Garten des Elb- Hotclö von abends 6 Uhr an daö erste große Militär- Conccrt vom gesamplten Trompctcrcorpö dcö Köuigl. 2. Fcld-Artillerie-Regimcnts Nr. 28, nnter Direktion dcö Stabölrompctcrs Hrn. E. Philipp statt. Alles Nähere besagt das hierauf bezügliche Inserat. — Nachdem der geschmackvolle Um- rcsp. Ncnban der Schloßbastei nunmehr beendet ist, findet die Eröff nung derselben morgen Sonntag statt. Nachmittag 4 Uhr ist Conccrt von der hiesigen Kurkapclle nnter Leitung des Hrn. Musikdirektor Schildbach. — Nach einer Bekanntmachung dcö königlichen Ministeriums dcö Juucru falle» die diesjährigen Wollmärktc in Sachse»: i» Kamenz ans de» 12. Jimi, in Bautzen ans den 13. Juni, in Dresden auf den 14. Juui und in Leipzig auf den 16. und 17. des selben Monats. — Wer in der nächsten Zeit der Ncichöhnupt- stadt einen Besuch abzustatlen gedenkt, sei darauf aufmerksam gemacht, daß die Paßpflicht, welche be- kauntlich als Folge des „kleinen BclagernngsznstandeS" für Berlin zu Recht besteht, bisher aber iu sehr milder Form praktisch seitens der polizeilichen Organe gehandhabt wurde, neuester Anweisung zufolge einer strengeren Controlc unterzogen werden soll. Von allen zeitweise sich in Berlin aufhaltcndcn Personen, nament lich Ausländern, wird ausnahmslos die Beibringung eines Passes verlangt, eventuell die Erlaubuiß, sich daselbst aufhaltcu zu dürfe», vou der Vorzeigung des Passes abhängig gemacht. — Der nm 5. d. M. iu der Elbe bei Krippen aufgcfuudcnc Leichnam ist identisch mit dem Gastwirlh Klein ans Tcplitz. Nach seinem plötzlichen Verschwin den nahm man damals in seinem HcimathSorte an, er sei nach Amerika auögcwandcrt. — Wie auswärtige Blätter melde», hat Kraszewski daö Reichsgericht ersucht, für ihn nicht die Festung Magdeburg, cvcnt. Glatz, sondern die Festung König stein als Haftort zu bestimme». Kraszewski motivirt dies mit den bessere» klimatische» Verhältnisse» dcö letztgenannte» Ortes. Die Entschcidnng über de» diesbezüglich ei»gcbrachte» Ncc»rS KraSzcwöki's wird daö Ncichö-Justizamt treffe», bis z» welcher Zeit Kra szewski im Leipziger Gefängnisse verbleibe» wird. — Die am Montag Nachmittag über das ganze Land ziehenden Gewitter haben strichweise wirklich enormen Schaden angerichtet und zwar thcilS durch Schloße», thcilS durch hcrabströmcndc Wassermasscu. Schwer betroffen wurde» hauptsächlich die Gegenden zwischen Reichenbach i. V. nnd Zwickau, und Flöha- Oederan. Wolkcnbruchähnlich war hier der Nieder gang der Regenmenge nnd standen Straßen nnd Eiscnbahngcleisc streckenweise gänzlich unter Wasser. Ganz bedeutend auch war hierbei das Wcgschwcmmeii der guten Erde von den Gärten lind Feldern. Auch Beschädigungen van Menschen fanden statt. — I» diesem Jahre werden zn Pfingsten Extra- zügc von Plauen i. V., Reichenbach i. V., Zwickau, Glauchau und Chemnitz nach Dresden, sodann von Zittan, Reichenberg nnd Görlitz nach Dresden nnd endlich auch von Leipzig nach Dresden arrangirt werden. Der Steinmctzcnstrcik in Pirna hat sein Ende erreicht, da seit Montag die Arbeit wieder anfgcuom- mcn worden ist, nachdem den Streikenden thcilweisc ihre Forderungen bewilligt worden sind. Bei dem am Montag staltgcfnndcncn Gewitter hat der Blitz in das Pferdcstallgcbäude dcö Kimze'schcn Gutes in Grethen bei Grimma cingcschlagen; daö Gebäude entzündete sich nnd von den im Stalle be findlichen vier Pferden wurden drei auf der Stelle getödtct. Aus der Concurrenz für die künstlerische Aus schmückung der Schützcufestbaulichkeitcn in Leipzig ist u. a. der Bildhauer Kaffsack in Berlin, der Schöpfer der Figuren am Leipziger Postgebäudc, her- vorgcgangcn. Am Thore znm Festplatzc werde» von seiner Hand zwei kolossale, 18 Fnß hohe Recken, wachhaktlmd nnd begrüßend, ausgestellt und nach dem Vorgänge von Henze in Dresden (1871) anch bemalt werden. Die Ausführung des großen Gemäldes, den Empfang der deutschen Schützen in Leipzig darstellend, ist in der Coucnrrciiz auf eiueu talentvollen Berliner Maler Namens Mühlcubrnck gefallen, während die Bemalung der 24 Nieseiifcnstcr für die große Fest- Halle dem Maler Nocdig in Dresden übertragen worden ist. — Am Montag früh gegen 7 Uhr und Nachmit tag gegen 1 Uhr zogen mehrere Gewitter über Leipzig. Das letztere war von ungemein langer Dauer und Schwere. Iu fünf Fällen schlug der Blitz ciu, ohne jedoch zn zünden. Die Tclcphonlcilungcn wurden mehrfach getroffen. — Am Montag Nachmittag hat sich in einem großen Etablissement auf der Thalstraße ciu unver- hcirnlhctcr Arbeiter auf merkwürdige Art das Leben genommen: er benutzte einen Augenblick, wo er sich in dem bctr. ArbcitSlocalc allein befand, nm den Kopf unter die im Gange befindliche Kreissäge zu legen, welche ihm den oberen Theil des Kopfes in einem Augenblick abschnitt. Der Unglückliche hatte in der letzten Zeit Spuren von Geisteskrankheit gezeigt. — Während der am vergangenen Sonnabend zn Ende gegangene» Leipziger Ostcrmcsse haben die Ta schendiebe ein reiches Feld der Thätigkcit gcfniidcn. Bei der Polizei gelangten zwanzig Taschcndicbstählc zur Anzeige, welche unter den Schau- mid Meßbudcu, sowie iu den größere» Vcrg»üg»ugölocalc» verübt »»d wobei die erhebliche Summe von 8815 Mark, sowie ein goldncr Ning nnd zwei Taschcnnhrcn gestohlen wurden. — Wie die „L. Z." mitthcilt, hat sich der Kanf- mann nnd Agent Müller anö Leipzig, welcher gegen Wcchsclfälschung in Höhe von 40,000 Mark flüchtig wnrdc, in Hcrrnökrctschcn dnrch Erschieße» entleibt. In Michclwitz bei Pegan wnrdc am 1l). d. M. eine Fran Gößncr im Augenblick, als sic beschäftigt war, ihrem Sohne die Haare zu kämme», vom Blitz erschlage». Der Junge wnrdc mir betäubt. Am Montag Nachmittag hat während eines Ge witters der Blitz in das Schulhans in Mülsen St. Iakob geschlagen, und, ohne zn zünden, in den vier Schulstnbcn im Parterre die Decken beschädigt, wo gegen die in diesen Stuben. anwesenden zahlreichen Schulkinder unversehrt geblieben sind. Am Montag früh 4'/2 Uhr schlng der Blitz, ohne zn zünden, in den Kirchthurm zn Syrau bei Plaue» i. V., wodurch nicht mir dieser, sondern anch die Kirche nicht unerheblich beschädigt worden ist. Am Sonntag Nachmittag wurde iu Straßberg bei Plaueu i. V. ein schon bejahrter Mann von zwei wüthendcn Bnllcn im Stalle angegriffen nnd an der Stirne und über dem Ange verwundet. Ferner wurde ihm ciu Bci» gebrochen nnd daS andere zerfleischt, so daß ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden mußte. Dem Verletzten war die Behandlung nnd Fütterung dieser Bullen, an die sich kein Anderer hcranwagte, übergeben worden. Anch die Lausitz wurde am Montage von schweren und mit Hagclschlag verbundenen Gewittern hcimgc- sucht. Besonders hatten Löban nnd Umgegend dabei viel zu leiden. ES fielen dort Schloßen, welche eine Länge bis zu 5 Ccutimeter und ein Gewicht bis 25 Gramm hatten. Am schwersten sind von sächsischen Orten die Dörfer Eiscroda, Breitcndorf, Wohla, Karlö- brunn, Krappe, Kittlitz, Nostiz, Lantitz, Glossen, Oppeln, Nadmcritz nnd Vcllwitz betroffen worden. Wie schlimm daö Hagelwetter gehaust, beweist der Umstand, daß noch in den spätere» Abendstunde» i» de» Slraßcn- gräbc» die Schloße» handhoch lagen »nd daß die Scheiben der meisten au der Südwestscitc der Häuser bcfiudlichcu Fenster zertrümmert wurden. In Eiscroda z. B. fielen sogar Tanken erschlagen von den Dächern, in Vcllwitz aber wurden an einem einzigen Gebäude gegen dreißig Scheiben zertrümmert. In Elstra übcr- ticgcn die Schloßen znm Theil die Größe von Tanbcu- icrn. Die üppig stehenden Getreidefelder haben na türlich ungemein gelitten. Namentlich hart ist der Roggen betroffen. Nach Aussage der geschädigte» Occcmomc» bleibt nichts übrig, als die Roggenfelder wieder umznackcrn nnd vou Neuem zu bestelle». Rttßkan-. Vor einigen Tagen wurde durch den Gehilfen des Distanzchcfö der Fastowo-Bahn ein Pcrsoncnzng rcvidirt, der von Belaja-Ccrcow nach Ssncholcffjc unterwegs war. In dem Zuge fand er nicht weniger als 180 „blinde Passagiere, d. h. solche Reisende vor, die keine Fahrkarten gelöst hatten, sondern gegen ein gcrmgcö Entgelt an die Condnctcure die Bahn benutzten.