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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.06.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960624018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896062401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896062401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-06
- Tag 1896-06-24
-
Monat
1896-06
-
Jahr
1896
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Beide Terrainerhebungen — sie führen die ge meinsame Bezeichnung Inyack — bilden den Schutz für die ihnen westlich anliegende Bucht, deren Festlandsküste vom Fuße der Halbinsel aus in nordwestlichem Zuge nach der Mündung des Englischen Flusses, dem innersten Winkel der Bai, streicht, um sich von da aus in nordöstlicher Richtung nach Cutsielv Hummock, einem 68 m hohen kegelförmigen Hügel, hinznziehen. Eine nähere Recognoscirung des Seebeckens ergiebt folgendes Resultat: die bei einer Breite von 6,1 l km lange Jnyack- insel steigt in ihrem östlichen Theile, dem Jnyackhügel, bis zu 124 w über den Seespiegel, während die Westküste nur bis 57 w hoch, und der flache Nordstranv von Lagunen um säumt ist. Das westliche Gestade der Halbinsel Inyack da gegen, wie auch das continentale sind im Allgemeinen flach, und nur bei Ponta Vermelha und dem schon erwähnten Cutfield Hummock sind Terrainerhebungen bemerkbar Zwischen der Insel Inyack und der Ponta Vermelha ist die Bucht 28 km breit, und bettet sich südwärts dieser Linie, bei einer wechselnden Wassertiefe von 12 bis 40 m, 37 km weit ins Land. Hier und da gefährden Untiefen die Schiff fahrt. Fahrzeuge, die nicht über 7*/, m tauchen, vermögen die Barre vor dem Englischen Fluß leicht zu passircn. Die Zu fahrten nach der geräumigen Delagoa-Bucht sind mannigfach durch Bänke verbaut, da von der Insel Inyack, beziehungs weise dem ibr nordwärts nahe liegenden Elephanteneiland, sich 37 km weit nach Norden fast ununterbrochen eine Un tiefe — Cockburn-, Hope- und Domelt-Sandbank — an die andere reiht, um in der von Cutfield zu enden. Zwischen dieser letzteren und der Küste öffnet sich die Zufahrt zu dem 9 km breiten Nord- oder Hauptcanal, der 14—16>m Wasser hält und frei von Fährnissen ist. Nicht tief tauchende Schiffe können auch durch die 1^ km weite Cockburn-Straße (zwischen Cockburn- und Hope-Sandbank) einlaufen. Bei aufmersamer Beobachtung der heftig nach Süden treibenden Mozambique-Strömung gewinnt man den Eindruck, daß diese constante Meeresbewegung mit Hilfe des Englischen Flusses die Delagoa-Bai ausgewaschen habe. In der breiten Mündung des eben genannten Stromes finden wir den vorzüglichen, fast landumschlossenen Hafen, der, da gegen Vie Seeseite hin schon die erwähnten Inseln und Untiefen die Stelle von Wellenbrechern ver treten, gegen jeden Wogendrang geschützt ist. Ein zweiter Ankerplatz, der von Melville, liegt gesichert zwischen der Inyack-, der Elephanteninsel und der Cockburn-Untiefe. Die Delagoa-Bai wurde ehedem wegen der Sicherheit, die sie Schiffen bietet, und wegen der Schönheit ihrer Land umrahmung, Formosa-Bai genannt. Außer dem Englischen Fluß schütten noch der Maputa- und König Georg-Strom ihre Gewässer in die Bai, in welcher auch die größten Flotten sichere Bergestätte finden. Doch nicht nur geschütztes Ankern über gutem Grund findet man hier, sondern auch mancherlei für die Schifffahrt nothwenbige Dinge, von denen wir als besonders wichtig nur die brenn baren, schwarzen Steine nennen wollen, die man in mächtigen Lagern unfern der Küste entdeckt hat und mit ihrem Abbau jetzt beginnt. Auf dem linken Ufer des Englischen Flusses unweit seiner Mündung, 32 km von der offenen See entfernt, liegt Lourenzo Marqurz, eine Stadt, welche dem Umstande zum Trotz, daß Docks, Werften und Quais fehlen, dennoch in lebhaftem Aufschwünge begriffen ist; denn während 186l die Einsuhr nach Transvaal über den Platz nur 46 000, betrug dieselbe im Jahre 1893 406 500 und hob sich 1894 auf über 600 000 Pfd. Sterling. Wenn die Delagoa-Bai eine be queme, weite Pforte für Südostafrika darstellt, dann finden wir in Lourenzo Marquez den Schlüssel zu ihr. Leuchtfeuer sind bei Ponta Vermelha (östlich der Stadt), dort, wo daS linke Ufer des Englischen Flusses und die Küste sich unter rechtem Winkel treffen, wie an dem entgegengesetzten Strom ufer und auf der nordöstlichsten Spitze der Inyackinsel erricbtet. Die Delagoa-Bai, oder, um uns präciser auszudrücken, die Inyack- und Elephanteninsel», die Gebiete von Tembe und Maputa, wurden durch Entscheidung von MacMahon, Präsidenten der französischen Republik, am 24. Juli 1875, in dem Streite mit England den Portugiesen zugesprochen, nachdem Lord Granville daS vorher von Portugal gemachte Anerbieten der Ueberlassung der Bucht für eine Entschädigung von 12 000 Pfund Sterling abgelehnt hatte. DieSma war das sonst weitsichtige England mit Blindheit geschlagen. Die Bedeutung des großen Naturhafens der Delagoa- Bai macht sich, wie Otto Wachs im Juniheft der angesebrnen, von G. v. Glasenapp begründeten Monatsschrift „Neue MilitairischeBlätter" (CommissionSverlag von L. Staack- mann, Leipzig) ausführt, in wirthschaftlicher, politischer, militairischer und maritimer Beziehung immer mehr und immer nachdrücklicher geltend. Die wirthschaftliche Wichtigkeit hat durch Eröffnung der Eisenbahn, welche Lourenzo Marquez mit Pretoria ver bindet, in nicht zu unterschätzender Weise gewonnen und dahin geführt, daß der Dampferverkehr in großem Maße in letzterer Zeit zunahm. Der eben genannte Schienenstrang befreite die südafrikanischen Republiken Transvaal und Oranje-Freistaat aus der bis dahin bestandenen Abhängig keit vom Caplande und erschloß dem Hafen zugleich reiche Hinterländer; in diesem Umstand, d. h. darin, daß er ge wissermaßen erst jetzt zum ozeanischen gestempelt wurde, gipfelt seine handelspolitische Bedeutung. Die durch die Bahn gewährleistete Freiheit der Bewegung zwischen Binnenland und Meer erhöhte selbstverständlich di« milita irische Wichtigkeit der Delagoa-Bai. Alle eben berührten Momente verschwinden indessen gegen das eine, das maritime. Daß Britannien als größter ^andelsstaat der Welt nichts unversucht läßt, die neu geschaffene andelspolitische Situation zu beherrschen, beweisen seine An- trengungen, die Aktien der Bahn Lonrenzo Marquez- Zretoria anzu kaufen. Wie einst der Suezcanal, den Frank reichs Geist ersonnen, Frankreichs Kraft gebaut hat, durch Erwerbung der Actien seitens Englands sich britischer Beein- luffung nicht länger entziehen konnte, so hofft das Inselreich fier durch seine Capitalien die Bahn zu controliren und das Hinterland in Abhängigkeit zu bringen. Gelänge dies, dann wäre wieder einmal ein britischer Geldbeutel in die Waag- chale berechtigter Interessen geflogen. In dieser Hinsicht ist die Stellungnahme der englischen Presse den Ereignissen in Südafrika gegenüber von besonderem Interesse. So läßt sich ein Artikel: „-ImrUongaliwä uuck tüe Loer krotesG der in London erscheinenden „^tricau Ueviev" folgendermaßen aus: „Transvaal mag fick selbst alle Aufregung sparen, denn ein Protest kann nichts Gutes schaffen und jede Action ist nutzlos. Präsident Krüger kann versichert sein, daß Trans vaal ein Jnland-Staat bleiben muß, denn seine Augen auf Delagoa-Bai zu werfen, ist rein närrisch. Irgend ein Versuch, die Hoffnungen Transvaals nach dieser Richtung hin jgr verwirklichen, würde Krieg mit Großbritannien bedeuten." Die „8t. llrrmo; Oa/otte" meint: „Präsident Krüger oder ein anderer Transvaal-Präsident wird niemals damit Erfolg haben, einen eigenen Hafen zu erhalten. Warum? Weil dieser in seiner Hand eine zu gefährliche Macht für Großbritannien sein würde." Ein rein militai- risches Journal, „Dnitock 8orvies Kaxetw*', schrieb unter dem 27. März:' „Gestern verbreitete sich das Gerücht, daß die Delagoa-Bai käuflich von uns erworben wäre. Seit lange be tonen militairische Autoritäten ihre Erwerbungaus strategischen Gründen, denn wenn die Bucht nur wenig Werth für Portugal besitzt, wäre sie für uns aus Gründen der Herrschaft über die Meere von großem Vortheil. Obgleich der Vollzug des Verkaufes päter wiederrufen wurde, sind die Unterhandlungen in der That bereits so weit gediehen, daß wir nach dieser Richtung bin bald vor einer vollendeten Thatsacbe stehen werden." Diesen neueren englischen Stimmen möge sich eine ältere aus dem Jahre 1888 zugesellen. Unter: „Ilio lesen wir in der „^siatie Quartal)- liovien": „Diese Bucht önnte in der Hand einer starken feindlichen Macht unter Umständen unsere Route um das Cap unmöglich machen. Der Besitz der Bai ist in der That für die Sicherheit unseres Seeweges nach Indien so nothwendig, daß wir im Kriegs alle nicht wagen dürften, sie selbst in der Hand einer nur chwachen, neutralen Macht zu belassen. Die Selbst- vertheidigung würde uns zwingen, die Delagoa-Bai zu nehmen." Dann wird Madagaskar erwähnt, von dem die Zeitschrift sagt, daß diese Insel Frankreich sein verlorenes Islo cko Irance (Mauritius) ersetzen soll, um von ihr aus den britischen Handel lahm zu legen. Die englischen Erörterungen lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und das ausschlaggebende Moment er kennen, welches Albion den Besitz der Delagoa-Bai — auf welche Weise dies geschieht, ob durch rechtliche oder ver werfliche Mittel, ist nebensächlich — ersehnen läßt. Die Eingangs gegebene Beschreibung läßt die ausnahms weise großen Vorzüge erkennen, welche der in Rede siebenden Meeresbucht eigen sind. Der maritimen Gnnst gesellt sich eine andere, vielleicht noch schwerer wiegende bei, eS ist die strategisch wichtige Lage im Indischen Ocean, der nicht länger mehr ein rein englischer See ist. Schon der Umstand, daß die Delagoa-Bai zwischen dem Cap der guten Hoffnung und dem Hasen von Mozambique, d. h. auf einer Strecke von etwa 4200 km die einzige Naturbucht ist, welche eine Flotte tieftauchender Fahrzeuge aufnehmen kann, spricht beredt für ihre strategische Position. Dann aber bietet diese für große Flotten sichere Zufluchtsstätte Britannien die ihm bis jetzt noch fehlende Etappe aus dem Seewege vom Cap nach Zanzibar, dem Golf von Aden und dem Persischen Busen. Von hier aus wird nicht nur der südliche Zugang in die wichtige Straße von Mozambique flankirt, sondern England könnte auch im Verein mit Mauritius dem franzö sischen Madagaskar Schach bieten. WaS aber Albion zu den größten Anstrengungen reizen muß, die Delagoa-Bai zn er werben, ist der Umstand, daß es ihren Besitz zur Verthei- digung seiner nicht mehr unangefochtenen Herrschaft zur See für unentbehrlich achtet. Da zweifelsohne die Delagoa-Bai ein wichtiges Moment in der Waagschale der kommerziellen und strategischen Bedeutung des Indischen OceanS abgiebt, in dem alle großen see fahrenden Nationen wichtige Interessen zu vertreten haben, so erscheint es für sie mehr denn geboten, die Freiheit dieses Weltmeeres und das Gleichgewicht auf il»n nicht einseitig durch englische Gewaltthat stören zu lassen. Diese Er wägungen legen die Frage nahe, was soll mit der Bai werden? Die Antwort lautet, entweder mag sie portugiesisch bleiben oder von Transvaal, das in einer vor züglich guten finanziellen Lage sich befindet, käuflich erstanden werden. Gegen eine solche, als im friedlichen Sinne voll zogene und mit keinerlei Jnteressenschädigung verbundene Äb- mackung werden die großen Seemächte mit Ausnahme de- einzigen England keinen Widerspruch erheben. Eine Er werbung der Bai durch England läuft dem Interesse der ganzenWelt schnurstracks entgegen. Sir Charle« Dilke meint in seinem 1890 erschienenen Werke „krobloms ok Kreator Lritain", daß man unmöglich die von der Geographie gewiesenen Wege ignoriren könne, und Trans vaal zweifelsohne ein Thor nach dem Ocean, welche- seiner Cvntrole allein unterstehe, gewinnen müßte. Daß da- letzte Kriegswort in Südostafrika noch nicht ge sprochen ist, und die Boeren in Transvaal und Oranje-Freistaat noch einmal zeigen müssen, dast sie ihre bis jetzt stets hoch gehaltene Selbstständigkeit zu vertheidigen verstehen, diese Ansicht bricht sich immer mehr Bahn. Deutsches Reich. ^2. Berlin, 23. Juni. Ter Bund der Landwirtbe will bekanntlich bei seinen Mitgliedern ein Schibboleth in der Form einer Nadel „creiren". lieber den Zweck des Ordens heißt es in einem Rundschreiben an die Vertrauens männer deS BundeS: „Schon bald nach der Gründung unseres Bundes entstand der Gedanke an ein sichtbares äußeres Bundesabzeichen. Es läßt die Gleichgesinnten erkennen, noch bevor Stand und Namenangabe gewechselt worden, und den Außenstehenden flößt es durch die Wahr nehmung der gewaltigen Ziffer unserer Bereinigung Nespect ein. Begegnungen von Landwirthen am dritten Orte, z. B. auf der Eisenbahn, werken zumeist sehr anregend sich gestalten, wenn daS äußere Zeichen die Bundesangehörigkeit erkennen und deren Träger sogleich in einen Ideenaustausch treten !äßt. Aber die Einführung eines Vereinsabzeichens vermag nicht nur den Zusammenschluß unserer Vereinigung fester zu gestalten, sondern es wohnt ibr im Hinblick auf die voraus- ichtlich 1898 stattfindenden Neuwahlen znm Reichstag, die ür die Zukunft der deutschen Laudwirthschast entscheidend ein werden, eine allgemeine große Bedeutung bei. Wir haben nämlich mit derFirma,welchedieHerstellnng deSVereinsab;eichens unternimmt, einen so billigen Preisvereinbart, daß ausdem Ver triebe des Vereinsabzeichens ein wesentlicher Uebersckuß sich ergiebt, der dem Wahlsonds zugeführt werden soll. Bei einer Beteiligung unserer sämmtlichen Mitglieder dürfte die Summe 10 000und mehr erreichen." Man hat es also hier mit nichts Anderem als mit einer Finanzoperation zu thun. Diese beruht, wie ähnliche der Socialdemokraten, nur formell auf der Grundlage der Freiwilligkeit, tatsächlich wird es dem einzelnen Mitglied?, wenn die Umlage einmal beschlossen, sehr 'chwer, sich der Bezahlung zu entziehen. Da der Verkauf der Nadel 10 000 .^ Reinertrag bringen soll, so kann sie bei dem verhältnißmäßig nicht starken Mitgliederbestände des Bundes nicht sehr billig und muß jedenfalls teuerer sein, als sich mit der behaupteten Nothlage verträgt. Wenn man ein ganzes politisches System auf die Thatsache basirt >at, daß der Bauer mit Schaden arbeitet, so ist es zum Mindesten sonderbar, ihn zu einer Ausgabe für eine Spielerei zu verleiten. Die Agrarier haben sich — unseres Erachtens mit Recht — der Streichung der Bestimmung der Gewerbenovelle, welche das Hausiren mit Tand verbietet, entschieden widersetzt, weil sie die Verführung des Land volkes zu unwirtschaftlichen Ausgaben nicht wollen. Derselbe Grund spricht gegen die Busennadel. „Respect" wird diese nicht einflößen, dazu ist schon eher ver Opfermut des Herrn von Ploetz geeignet, der im Gemeininteresse der deutschen Landwirtschaft sich sogar der Qualen der Börsenspekulation in Getreide unterzogen hat. Daß es chön ist, wenn Mitglieder des Bundes „auf der Eisenbahn" sich als solche erkennen, bezweifeln wir nicht. Aber dieser Grund beweist, daß die Bundesleitung, wenn sie von Landwirthen redet, immer an ganz andere Leute denkt, als an Bauern. Der Bauer reist, zumal in diesen ungünstigen Zeiten, nur in der nächsten Umgebung seines Wohnortes, und dort kennt er sogar die nicht „verbündeten" Berufsgenoffen ganz genau. Die großen Herren, die weite Reisen unter nehmen, werden aber die Nadel kaum tragen. Und auch diese Herren kennen sich zumeist und werden auch ohne das Ab zeichen mit einem Augurenlächeln über die Verbindung von großem und kleinem Grundbesitz, die die Nadel im Bilde zeigt, sich begrüßen können. Berlin, 23. Juni. Da es leider nicht eben häufig ist, daß man bei den Freisinnigen nationaler Denk weise begegnet, so hat man um so mehr die Pflicht, es an zuerkennen, wenn die Freisinnigen sich ihrer Pflicht als deutsche Partei bewußt werden. Wir begrüßen es also mit auf richtiger Freude, daß die Freisinnigen des Wahlkreises Sch wetz, in dem in diesen Tagen eine Nachwahl stattsindet, von vorn herein auf die leere Demonstration der Aufstellung eines Sondercandidaten verzichtet und sich entschlossen haben, ge schlossen für den freiconservativen Candidaten Holtz einzu treten. Dadurch wird die Wahl des deutschen Candidaten ziemlich gesichert, vorausgesetzt, daß Jeder sich seiner Pflicht bewußt ist, zur Wahlurne zu gehen. Denn daß die Polen in diesem Wahlkreise, in dem die katholische Bevölkerung die evangelische um 8 Proc. überwiegt, jeden Mann aufdieten werden, versteht sich bei ihrer ausgezeichneten Parteidisciplin und ihrem Fanatismus von selbst. Jedenfalls aber wird der Beschluß der Freisinnigen dazu dienen, den Muth der deutschgesinnten Bevölkerung zu steigern. Verhielten sich die deutsche» bürgerlichen Parteien allenthalben ebenso einmiithig, so würde den Polen mancher Sitz abgenommen werden können, den sie jetzt inne haben, z. B. der Wahlkreis Lissa. Leider aber fehlt den Frei sinnigen in der Provinz Posen das Gefühl für ihre nationalen Pflichten, die um so größer sind, als ein anderer Theil der deutschen Wähler, die deutschen Katholiken, sich immer wieder von der Agitation der Ultramontanen dazu bestimmen läßt, Mann für Mann für den polnischen Can didaten einzutreten. Dieser festgefügten und unzerreißbaren polnisch-ultramontanen Allianz gegenüber ist ein Sieg nur durch einmüthiges Zusammenstehe» der deutsch gesinnten Be völkerung möglich. Das feste Zusammenstehen hat aber zur ersten Voraussetzung die geschickte Auswahl des gemeinsam zu unterstützenden Candidaten. Wir reden daher keineswegs pro ckomo, d. h. im Interesse der Mittelparteien, sondern ledig lich im Interesse der deutschen Sache, wenn wir den dringende» Rath geben, in den östlichen Provinzen möglichst nur Candidaten der gemäßigten Parteien aufzustellen. Im Kreise Schwetz ist daS geschehen und der Erfolg liegt in dem von den Frei sinnigen gefaßten Beschlüsse. Ein solcher Ersolg würde auch anderwärts eintreten. Selbst in solchen Fällen aber, in denen auf einen praktischen Erfolg, d. h. auf den Sieg des deutschen Candidaten, wegen der Uebermachl der polnisch katholischen Stimmen nicht gerechnet werden darf, würde der moralische Eindruck de« Zusammenstehens der Dentschen nicht unterschätzt werden dürfen und auch mancher deutsche Katholik würde sich vielleicht schämen, abseit- von seinen Land-leuten zu stehen. Die radikalen Parteien, die Frei sinnigen einerseits, die Agrarier und die Antisemiten andererseits, müßten sich freilich bescheiden. Treten aber, wie die- leider in den letzten Jahren wiederholt hervorgetreten ist, die Anti semiten mit eigenen Candidaten auf den Plan, so werden dadurch die Freisinnigen auch zur Aufstellung eigener Canti' raten gereizt und die Uneinigkeit der Deutschen bietet gegenüber der Geschlossenheit des Polenthums einen kläglichen Anblick. Deshalb muß den Antisemiten wie den Freisinnigen immer wieder vorgehalten werden, daß die östlichen Pro vinzen nicht die geeignete Gegend zur Anstellung von Kraft rroben sind. Berlin, 23. Juni. (Telegramm.) Das Staats Ministerium trat heute Nachmittag 2 Uhr unter dem Vorsitze des Fürsten Hohenlohe zu einer Sitzung im Reichstagsgebäude zusammen. L. Berlin, 23. Juni. (Privattelegramm.) Zu der Nachricht, daß Gras Caprivi geneigt sei, bei den nächsten allgemeinen Wahlen eine Candidatur zum Reichstage anzunehmen, bemerkt die „Berl. Börs.-Ztg.": „In unseren Augen bat die Meldung wenig Wahrscheinlichkeit, welche Partei sollte den früheren Reichskanzler Wohl aus- 'tellen? Man braucht die Stellung der Parteien zum Grafen Caprivi nur näher ins Auge zu fassen, um zu erkennen, daß hier ein übereifriger Freund einen Gedanken in die Dessen! lichkeit lancirte, dem Niemand ferner stehen dürfte, als der jenige selbst, der in den Vordergrund der Discussion ge rückt wird." — Die „Kreuzztg." meldet: „Bei dem gestrigen Empfange beim Reichskanzler wurde bemerkt, daß der Reichskanzler den Kirchenpatron des Propstes Szadzinski, Herrn v. Dulong in Witaschütz, in ein längeres Gespräch zog. Wie wir des Weiteren erfahren, folgte Herr v. Dulong in diesen Tagen einer ausdrücklichen Einladung in das Cultus- ministerium." — Der Mann, der am Freitag Nachmittag auf dem Witten- berg platz einen Artillerieosficicr ohne alle Veranlassung thätlich angriff und von letzterem durch Säbelhiebe verletzt wurde, ist als der Arbeiter Karl Fulge sestgestellt worden. Tie Verletzungen sind nur leicht, so daß Fulge das Krankenhaus bereits am nächste» Tage wieder verlassen hat. Er ist wegen Geisteskrankheit entmündigt und wird heute, da er nach einem Physikatsgntachten für gemeingefährlich zu erachten ist, einer Irrenanstalt überwiesen werden. — Der japanische Hauptmann Kamamoto ist bis zum 1. Oc tober d. I. dem brandenburgischen Jäger-Bataillon zur Dienstleistung zugetheilt worden. * Hadersleben, 22. Juni. Ueber die Ausbreitung des Deutschthums in Nordschleswig wird der „D. Tages zeitung" von hier geschrieben: Der m unserem Kreise un mittelbar an der dänischen Grenze gelegene Hof Grvß- Barsbüll (rund 300 im groß), der bisher Eigenthum des Hauptmann a. D. Iantzen war, ist dieser Tage gerichtlich versteigert worden. Meistbietender blieb der Gebcimratb Wiechers- Schleswig mit einem für den preußischen StaatssiScus abgegebenen Kaufangebot von 156 200 Gutem Vernehmen nach ist das Gewese zur Staats domäne bestimmt. Damit ist für die Ausbreitung und Förderung des Deutschthums in Nordschleswig ein wichtiger Factor gewonnen, denn der Staat tritt jetzt selbst in den Kreis der deutschen Hofbesitzer im Nordschleswigschen ein. Dem Beispiele des Staates werden dann auch die Private» mehr folgen und sich mehr und mehr im Kreise HaderSleben ankausen, so daß hieraus für das Deutschthum ein nicht zu unterschätzender Gewinn entstehen würde. * Kiel, 23. Juni. (Telegramm.) Die für heute be absichtigte Außenregatta bei Eckernförde mußte wegen con trären Windes und zu hohen Seeganges aufgegeben werden. Statt dessen fand beute früh 8 Uhr eine Binnenregatta statt, welcher der Kaiser an Bord des „Meteor" beiwohnte. Die „Hohenzollern" verblieb im Hafen. Nach Beendigung der Binnenregatta nahm dec Kaiser an Bord des „Meteor" das Frühstück ein und kehrte nach 1 Uhr auf die „Hohenzollern" zurück. — Der Oberhofmarschall Graf zu Eulenburg reiste beute Vormittag nach Berlin ab, nachdem der Hofmarschall Freiherr v. Egloffstein eingetroffen war. — Morgen findet voraussichtlich der alljährlich veranstaltete Blumencorso um die „Hohenzollern" herum statt. — Der Vice-König Li- Hung-Tschang ist heute Vormittag 10'/, Uhr mittels «sonderzuges nach Hamburg abgereist. * Bremen, 22. Juni. Der Senat hat die Gründung eines Mädchen Gymnasiums, dessen PrüfuNgszeugniß zum Universitätsbesuch berechtigt, genehmigt. * Lbornik, 22. Juni. DaS Rittergut Ludom Dom- b row ka im Kreise Obornik, das 6000 Morgen groß ist und bisher Herrn von Zablocki gehörte, ist in Ver ZwangSver steigerung von der Landbank erworben worden. (B. N. N.» * Blankenbur« a. H., 22. Juni. Dir „Harzztg." schreib!: Der Sattlermeister Voigtländer schrieb vor acht Tagen einem Mitglieds de« Bauausschusses für daS Kyffhänser- Denkmal, daß der Sattlergeselle Han« Hahnhäuser, gebürtig aus Holzminden, 51 Jahre alt, wahrend der Jabre 1891 und 1895 bei dem genannten Meister in Arbeit, häufig unflätbige Reden über den holdseligen Kaiser Wilhelm geführt und gedroht habe, das Kyffhäuser^-Denkmal solle die Einweihung nicht erleben u. A. m. DaS Ausschuß mitglied hielt eS selbstverständlich für seine Pflicht, diese Anzeige sofort dem Vorsitzenden de« Denkmalsausschusses, Excellenz von Spitz, mit dem Anheimgeben zu übersenden, die Geheimpolizei und die Landrathsämter von Frankenhausen nnd Sangerhausen benachrichtigen zu wollen. General der Infanterie z. D. von Spitz übergab zu diesem Zweck die Meldungen dem Polizeipräsidenten von Windbeim in Berlin, und thatsäcblich ist der Han« Hahnhäuser auSgckundschaftel und am 17. d. M. in einem Orte am Fuße de« Kyffhäuser fest genommen worden. Auf Grund von Zeugenaussagen wird ihm wahrscheinlich (?) der Proceß vor dem Reichs gericht in Leipzig wegen Majestätsbeleidigung und Hochverrath gemacht werden. v. Erfurt, 23. Juni. Gegen den Geschäftsführer der „Thüringer Tribüne", Stegmann (nicht Sigmund, wie in einem verstümmelten Telegramm unserer gestrigen Abend ausgabe zu lesen war. D. Red. d. „Leipz. Tagebl") war bekanntlich von der Staatsanwaltschaft Anklage wegen
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