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Dresdner Journal : 14.09.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-09-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189909142
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18990914
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18990914
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-09
- Tag 1899-09-14
-
Monat
1899-09
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Journal : 14.09.1899
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vetNS-tmrt»: Für Dresden vierteljährlich: r Mark »0 Pf., bei den Kaiser« lich deutschen Postanstalten vierteljährlich »Mark; außer halb des Deutschen Reiche« Post- und Stempelzuschlag. Einzelne Nummern: 10 Pf. Erscheine«: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abend«. Htlnjpr.-AnschlußcNr 1292 DreMer Munml. AuklludlgunsSgebüire«: Für den Raum einer gespal tenen Zeile Nein er Schrift «0 Ps. Unter „Eingesandt" die Zeile SV Ps. Bei Tabellen- und Zisfernsatz entsprechender Aufschlag. veraa««eber: Kdnigliche Expedition de« Dresdner Journal« Dresden, Zwtngerstr. 40. Fernspr.Anschluß: Nr. 1L»». ^214. Donnerstag, den 14. September abends. 1899. Amtlicher Teil. Dresden, 14. September. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem außerordentlichen Ge sandten und bevollmächtigten Minister, Geheimen Nath Frhrn. v. Friesen in München die Etlaubniß zur Annahme und zum Tragen des ihm von Sr. Majestät dem Könige von Württemberg verliehenen GroßkreuzeS des FriedrichSordenS zu ertheilen. Ernennungen, Versetzungen re. im öffentlichen Dienste. Im SteschSft-bereiche de« Ministeriums der Finanzen. Beider Postverwaltung sind ernannt worden: Schimpfs und Winkelmann, zeither gegen Tagegeld beschäftigte Post- assistenten, al- etatmäßige Postassistenten im Bezirke der Kaiser!. Ober-Postdirektion in Leipzig. Im Geschäftsbereiche des Ministeriums de» Kultus und Sffentltchen Unterrichts. Erledigt: die Neben schulstelle an der zweiklassigen Volksschule zu Herrenhaide b. Burgstädt. Kollator: die oberste Schulbehörde. Einkommen: neben sreier Amtswohnung 1450 M. Gehalt, einschließlich S20 M. persönliche Zulage; ferner 3 M. vom Kirchendienste, 36 M. für Erteilung de» Turnunterricht» und eventuell Sv M. der Frau de» Lehrer» für Handarbeitsunterricht. Gesuche sind unter Beifügung sämtlicher Zeugnisse bi» in die neueste Zeit bi- zum 3. Oktober bei dem König! Bezirktschulinfpektor Schulrat vr Böhme in Rochlitz einzurrichen. Nichtamtlicher Teil. Lazarettschiffe. »Die fortschreitende Aufmerksamkeit, die fast alle Großmächte der Verstärkung ihrer Wehrkraft zur See zuwenden, läßt es wahrscheinlich erscheinen, daß in Zukunft die entscheidenden Schlachten nicht nur zu Lande, sondern auch zu Wasser geschlagen werden. Die freiwillige Krankenpflege im Felde wird sich dieser Ueberzeugung nicht entziehen können und sich vor die Aufgabe gestellt sehen, in Zukunft ihre Fürsorge auch auf die in einem Seekrieg Verwundeten auszu dehnen. Die „Internationale Revue über die gesamten Armeen und Flotten" regt deshalb in einem Aufsatze ihrer neuesten Nummer den Bau von Lazarettschiffen an. Wir entnehmen ihr darüber folgendes: Mit dem Bau von Lazarettschiffen hat die japa nische Gesellschaft vom Roten Kreuz den Anfang ge macht. Sie bestellte zwei solcher Schiffe in England. Ihr Zweck in Japan ist der sichere überseeische Trans port von Kranken und Verwundeten während eines Krieges; es ist also nicht beabsichtigt, daß sie während einer Schlacht unter großer Gefahr in Thätigkeit treten. Beide Schiffe sind von der Gesellschaft „Robnick" in England auSgeführt und werden bald von Stapel laufen. Jedes von ihnen hat 2600 Gesamt-Tonnen und 1618 registrierte Tonnen und soll 13 bis 14 Knoten laufen können. Es giebt an Kajüten: 1 für den Chefarzt, 2 für Aerzte, 1 für Apotheker, 1 für Geschäftsführer und Schreiber, 1 für Krankenwärter, 1 für Marineoffiziere, 1 für Signalmannschaften. Die Länge der Schiffe ist auf 301 Fuß, die Breite auf 37H Fuß, die Tiefe auf l9 Fuß 3 Zoll berechnet. Die Maschine soll 3 Cylinder haben, die Schiffssohle ist doppelt. Die Baukosten betragen für ein Schiff 540000 Pfund Sterling. Für jedes Schiff sind im Ganzen 176 Betten in Aussicht genommen, und zwar 41 erster, 12 zweiter und 116 dritter Klasse, und 7 für ansteckende Krankheiten. Wenn bei der dritten Klasse Betten übereinandergestellt werden, so hat diese allein 232 Betten. Die Bemannung beträgt 75 Personen. Vom Roten Kreuz sollen auf jedem Schiffe sein: 1 Chefarzt, 3 Aerzte, 2 Apotheker, 1 Geschäftsführer, 1 Schreiber, 2 Oberkrankenwärter, 20 Krankenwärter. Im Ganzen 30 Personen. Die amerikanische Gesellschaft vom Roten Kreuz hat während des spanisch-amerikanischen Krieges ein Lazarettschiff in Dienst genommen. Es war für Freund und Feind an seinem Anstriche und dem Roten Kreuzbanner erkennbar und bot einen Raum für 250 Verwundete, die nach einer Schlacht durch Boote von den Kriegsschiffen abgeholt und dann unter ärzt licher Fürsorge nach einem sicheren Hafen gebracht werden. Dieses Schiff ist sehr zweckmäßig eingerichtet und die Verwundeten sind dort wie in einem Hospitale auf dem Festlands untergebracht. Der Sanitätsstab ist durch 8 Krankenpflegerinnen, 4 Aerzte und einige Krankenwärter, sowie 3 Apotheker ergänzt. Dieses Lazarettschiff, „Sologe" genannt, wird, wie man glaubt, sehr wertvolle Dienste zu leisten vermögen, zumal es durch die Bestimmungen der Genfer Konvention vor feindlichen Angriffen geschützt ist. Die „Internationale Revue" schlägt nun die Be schaffung geeigneter Lazarettschiffe für Deutschland vor und glaubt, daß diesem Unternehmen, das die Gesellschaft vom Roten Kreuz in die Hand nehmen müsse, gewiß zahlreiche Unterstützungen durch die Vereinigungen, die Interesse an der Entwickelung unserer kolonialen Verhältnisse und dem Wachsen unserer Seemacht haben, nicht fehlen würden. Derartige Lazarettschiffe würden nicht nur zu Kriegszeiten gute Dienste leisten, sondern sie würden auch zu Friedenszeiten insofern von segensreicher Wirkung sein können, als sie zur Beförderung von Kranken unserer Kriegsschiffe, die sich auf überseeischen Stationen aufhalten, benutzt werden und auch als schwimmende Sanatorien für Kranke und Rekonvaleszenten der Landarmee in Be tracht kommen könnten. Es bleibt abzuwarten, wie man sich in den maß gebenden Kreisen diesen bemerkenswerten Ausführungen gegenüber verhalten wird, die der freiwilligen Kranken pflege im Felde ein neues reiches Arbeitsfeld er öffnen. Jedenfalls ist soviel sicher, daß unter den modernen Verhältnissen, wo auf Schlachtschiffen, wenn sie das Signal „Klar zum Gefecht" erhalten, auch das kleinste Hindernis weggeräumt wird, für den ver wundeten Seemann so gut wie kein Raum übrig bleibt, wo er zur Ruhe gebettet und gepflegt werden kann. Es sind daher alle Bestrebungen, die in dieser Richtung auf eine Besserung abzielen, dankbarst zu begrüßen, und man kann bei der großen Opferwilllg- keit und Rührigkeit unserer Gesellschaft vom Roten Kreuz schon heute davon überzeugt sein, daß diese Ausführungen der „Internationalen Revue" auf frucht baren Boden fallen werden, vorausgesetzt, daß in den maßgebenden Kreisen ein Bedürfnis zu derartigen Einrichtungen anerkannt wird. Tagesgerichte. Dresden, 14. September. Heute abend 6 Uhr 58 Min. werden Ihre Kaiscrl. und König!. Hoheiten die Frau Erzberzogin Maria Theresia von Oesterreich, Wiiwe weiland Sr. Kaiser!, und König!. Hoheit des Erzherzogs Carl Ludwig, nebst Erzherzoginnen - Töchtern Maria Annnnciata und Elisabeth zum Besuche Ihrer Königlichen Majestäten hier eintreffen und im Residenzschlosse Quartier nehmen. In der Höchsten Begleitung werden sich befinden Hofdame Freiin v. Puteani und Kammer- Vorsteher, Kämmerer Graf Cavriani. Ihre Majestät die Königin werden heute abend von Moritzburg nach der Residenz kommen und den hohen Besuch hierselbst begrüßen. Allerhöchstdieselbe übernachten heute im Residenzschlosse und gedenken morgen nach Moritzburg zurückzukehren, wohin auch die fürstlichen Gäste morgen folgen werden. Ihre Majestäten der König und die Königin beabsichtigen Allerhöchstsich in den ersten Tagen des Oktober nach Bremen zu begeben, um den den Allerhöchsten Namen Sr. Majestät des Königs führenden Norddeutschen Lloyd-Dampfer vor der Aus reise nach China zu besichtigen und mit demselben eine mehrstündige Seefahrt zu unternehmen. Dresden, 14. September. Ihre Majestät die Königin besuchten heute vormittag lO Uhr in Be gleitung Ihrer Excellenz der Frau Oberhofmeisterin v. Pflugk, der Hofdame Frl. v. Nauendorff und des OberhofmeisterS, Wirkt. Geh. Rates v. Malortie, Excellenz, die von Gorbitz nach Eisenberg - Moritzburg verlegte Rettungs- und Diakonenanstalt. Ihre Majestät wurden bei der Ankunft von den Mitgliedern des Direktoriums der Anstalt, General leutnant v. Zeschau, Major Frhn. v. Spörcken und Gemahlin, Komtesse Münster, Pastor Weidauer und dem Hausvater Pastor Höhne und Frau begrüßt. Nach der Begrüßung wurden die sechs neuen Anstalts gebäude eingehend besichtigt. Deutsches Reich. * Berlin. Se. Majestät der Kaiser trafen gestern in der Frühe auf der Station Beihingen bei Marbach ein. In der Nähe der Station war Rendezvous des ganzm Kavalleriecorp», dessen Kommando Se. Majestät übernahmen E« handelte sich bei dem gestrigen Manöver für die Abteilung „Blau" (erste) Armeeabteilung und Kavalleriecorps darum, den Feind auf der Linie Ditzingen-Markgröningen anzugreifen Die Abteilung „Blau" ging unter der Führung des Königs von Württem berg gegen den auf dem rechten Ufer der GlemS stehenden Gegner vor und schlug ihn zurück. Se. Majestät der Kaiser führten mit dem Kavalleriecorp« eine Attacke au«. Nach der Beendigung des Manöver« hielt Prinz Albrecht von Preußen die Kritik ab. Hieraus nahmen Se Majestät der Kaiser die Parade über daS KönigS-Ulanen-Regiment (1. Hannoversches) Nr. 13 ab und richteten eine An sprache an das Offiziercorps. Um ^2 Uhr fuhren Se. Majestät von Ludwigsburg aus direkt nach Berlin. Prinz Albrecht von Preußen reiste gestern abend 6 Uhr von Karlsruhe ab, vom Großherzog von Baden zum Bahnhof geleitet — Die „Karlsruher Zeitung" veröffentlicht an der Spitze ihrer heutigen Ausgabe folgende« Schreiben de« Großherzogs: „Mein lieber Herr Staatsminister Nokk! Ich übergebe Ihnen hiermit ein Handschreiben Sr Majestät veS Deutschen Kaisers und Königs von Preußen, das Allerhöchstderselbe beim Schluffe der großen Manöver der drei Armeekorps an Mich gerichtet hat. Außer den militärischen Fragen, welebe in diesem Hand schreiben berührt werden, spricht Se. Majestät auch Seine dankbare Befriedigung über die Eindrücke aus, welche Allerhöchstderselbe während Seines Aufenthaltes im Lande gewonnen hat. Hocherfreut über die aus gesprochenen Gefühle danlbarer Anerkennung Sr. Majestät de« Kaisers, wünsche Ich, daß Allerhöchstdeffen Aeußerung allgemein bekannt werden möge, und ersuche Ich Sie, die Veröffentlichung des Kaiserlichen Handschreibens baldig zu veranlassen Ihr ergebener (gez) Friedrich Karlsruhe, den 13. September !899." Da« Handschreiben Sr. Majestät des Kaisers lautet: „Durchlauchtigster Fürst! Freundlichst geliebter Vetter, Bruder und Oheim! Bei dem heutigen Scheiden aus Ew König!. Hoheit Landen ist e« Mir ein auf richtiges Herzensbedürfnis, Ew. König!. Hoheit durch Uebersendung anliegender Abschriften Meiner Ordres an die kommandierenden Generale dcs XIV. und des zu Ew. König! Hoheit Armeeinspektion gehörigen XV. Armeecorps, von Meiner hohen Freude Kenntnis zu geben, mit der Mich der vortreffliche Zustand beider Armeecorps erfüllt hat. Das nie ermüdende Interesse und die hingebende Thätigkeit, welche Ew. König!. Hoheit mit Aufopferung Ihrer Kräfte allezeit der Ausbildung Ihrer Truppen widmen, finden in so glänzenden Erfolgen ihren schönsten Lohn. Mir aber gereicht es zu wahrhafter Genug« thuung, Mich mit Ew. König!. Hoheit in vollster Heber« einstimmung zu wissen über die zu erstrebenden Ziele und die hohe Wichtigkeit, die der Erhaltung und Stärkung der Wehrhaftigkeit unsere« deutschen Vaterlandes gebührt. Ich verlaffe heute da« herrliche Baden mit den herzlichsten Segenswünschen und mit warm bewegtem Danke für die Aufnahme, die Mir hier von Ew. König! Hoheit, von der Stadt Karlsruhe und von allen Kreisen der Be völkerung zu teil geworden ist. Es hat alles das Meinem Herzen wahrhaft wohlgethan und Ich kann nur Mein lebhafte« Bedauern wiederholen, daß die Kaiserin, Meine Gemahlin, nicht mit Mir an diesen erhebenden Eindrücken teilnehmen konnte. Ew. König! Hoheit würde Ich ganz besonders dankbar sein, wenn Sie auch allen Beteiligten in Ihren Landen Kenntnis von diesen Meinen Gefühlen geben möchten. Ich verbleibe mit herzlicher Liebe und unveränderlich aufrichtiger Verehrung und Freundschaft Ew König!. Hoheit freundwilliger Vetter, Bruder und Neffe (gez.) Wilhelm Rex. Karlsruhe, den 13. Sep tember 1899." — Nach Meldungen in Fachblättern würde die in Aussicht genommene und gegenwärtig der Begutachtung der Einzelregierungen unterliegende Aenderung der Prüfungsordnung der Apotheker dahin zielen, den Zugang zu der Apothekerlaufbahn von der voraus gegangenen Aufnahmeprüfung in die Unterprima der preußischen und die entsprechenden Klaffen der anderen Gymnasien abhängig zu machen Ferner soll die Konditions zeit vor dem Besuch der Universität abgekürzt und die Approbation zwar, wie jetzt, sofort erteilt werden, dagegen die Berechtigung zum selbständigen Betriebe einer Apotheke den Approbierten erst nach zwei weiteren Jahren praktischer Thätigkeit zustehen — Die Meldung eines süddeutschen Blattes, daß die Nichtbeteiligung der deutschen Leder-Industrie an der Pariser Welt-AuSstellung auf die Dreyfus- Affaire zurückzuführen sei, ist, wie die „Berl Polit Nachr." aus sicherster Quelle erfahren, unrichtig. Die Entscheidung der deutschen Leder-Industrie in Sachen der Welt-AuS» . stellung ist bereits vor einem Jahre erfolgt, die neuesten französischen Ereignisse können also darauf keinen Einfluß gehabt haben. Wenn die Entscheidung negativ ausgefallen ist, so ist lediglich dafür der Grund maßgebend gewesen, daß eine der Bedeutung und Entwickelung der deutschen Leder-Jndustrie entsprechende Abteilung nicht zu stände zu bringen war. Die Zurückhaltung der meisten der in Be tracht kommenden lederindustriellen Firmen ist aber nicht auf die DreyfuS-Affaire, sondern auf die Abneigung gegen Ausstellungen überhaupt zurückzuführen. In ihrer Haltung der Welt-Ausstellung gegenüber haben sich nach den an die zuständigen Stellen gesandten Aeußerungen lediglich zwei Firmen ausdrücklich durch die Unsicherheit der Ver hältnisse in Frankreich bestimmen lassen, eine sechs- bis achtfache Zahl, und darunter die bedeutendsten Etablifse- menls Deutschlands, beharrte noch im vorigen Jahre auf der Anmeldung Erst als eS sich herausstellte, daß die Zahl der angemeldeten Aussteller nicht genügen würde, den richtigen Begriff von der Blüte der deutschen Leder- Industrie in Paris zu erzeugen, wurde von der Beschick ung der Welt-AuSstellung Abstand genommen. Nach diesem Hergänge davon zu sprechen, daß die deutsche Leder-Jn dustrie sich durch die Dreyfus-Affaire von der Ausstellung ihrer Erzeugnisse in Paris habe abhaltcn lassen, ist völlig unzutreffend. — Von einem für den Gerbmaterialienzoll ein tretenden Blatte wird gegenüber dem Hinweise darauf, daß ein solcher Zoll schon deshalb unmöglich sei, weil Deutschland nur im Stande sei, '/. bis '/, des Bedarfs der deutschen Lederindustrie an Gerbstoffen zu decken, darauf aufmerksam gemacht, daß von gerberei-wissenschaft licher Seite zugegeben sei, e« stecke in den deutschen Wäldern weit mehr Gerbstoff, als die deutsche Leder industrie je benötigen würde. Hierzu bemerken die „Berl. Pol. Nachr": „Um das zu beweisen, brauchte da« in Rede stehende Blatt nicht erst die Gerberei-Wissenschaft ins Feld zu führen. Es ist das eine Thatsache, die von der ganzen Lederindustrie zugegeben wird. ES kommt aber nicht darauf an, daß eine größere Menge von Gerb- Lunss und Wissenschaft. Zwei oberitalienische Städte. Bon B. Osterloh. I. Vicenza Ich war jüngst auf einem italienischen Kirchhof und erfreute mich an der Menge bildnerischen Schmuckes, den die langen, den unbedeckten Hof umgebenden Bogengänge bergen Schön oder häßlich, künstlerisch oder handwerks mäßig, wie die Darstellungen waren, erschienen sie mir fast immer in irgend einer Hinsicht interessant und regten mich zu mannigfachen Betrachtungen an. Ich sah da außer den bekannten symbolischen Figuren, dem Tode«- engel, der Zeit mit der Sanduhr, weniger allgemein ge haltene Gestalten, z. B in der flotten Manier der Mai länder Schule eine schlanke Frauengestalt mit der Mauerkrone im welligen Haar, wie sie auf die Schleife eine« Lorbeerkranzes den Namen eines um seine Vaterstadt hochverdienten Bürger« stickt; ich sah die For tuna mit zurückgeschobener Binde Gild und Lorbeer auf da» Haupt eines hervorragenden Industriellen streuend: Xon fortuna ssck Inbor stand darunter; ich sah ein kleine» Mädchen in einem mit zierlicher Kleinkunst auSgesührten Stickereikleidchen, Rosen m der Hand, auf mich zuschreiten, die Verstorbene selbst. In reicher Anzahl treffen wir Büsten und auch Photographien der zur Ruhe Bestatteten auf den Gräbern; ja zuweilen sind ganze Familienscenen dargestellt; der Verstorbene auf dem Totenbette, die trauernde Witwe in Lebensgröße über ihn ge beugt; und in ausführlichen Worten lesen wir auf dem Grabsteine, was der Verblichene gethan und ge schaffen hat, wa» seine Angehörigen an Schmerz, an Ver ehrung und Bewunderung für ihn empfinden Zuweilen auch thun wir mehr ungewollt Einblicke in die Em- psindungSvelt Einzelner, in da» Sch cksal einer Familie Wir fühlen das trauernde Wioerstreben der Äusführer eines letzten Willen», wenn wir auf dem Grabsteine eine» im kräftigen ManneSalter Dahinzegangenen lesen: „Er wünschte, daß man auf sein Grad schreibe: Au» dem Nichts entsprossen, kehrte er in» Nicht» zurück " Wir ahnen eine Familientragödie, wenn es heißt: „Ich, die Einzig- überlebende, die ich im Zeiträume weniger Jahre Vater, Mutter und sieben Geschwister verloren habe, setze dieses Denkmal" u s. f. So wie sich uns hier das Leben des Einzelnen mehr wie in dem verschlossenen, wortkargen Norden enthüllt, rollt sich vor uns in großen Zügen die Geschichte ganzer Städte auf, wenn wir offenen Blickes durch ihre Straßen wandern. In heroorrazendster Weise ist die« bekanntlich in Rom der Fall, wo ganze Epochen der Geschichte und Kunstgeschichte gewissermaßen in lebensgroßen Illustrationen vor uns lebendig werden. In bescheidenerem Maße finden wir dasselbe in den meisten kleineren italienischen Städten Allenthalben zeugen ErinnerunaSsäulen, Denkmäler, In schriften von dem, wa« die Seelen der Einwohner be wegt, wofür sie gewirkt und gekämpft haben. In Ober italien namentlich haben die jahrhundertelangen Kriege im Mittelalter und in neuerer Zeit die verzweifelten Kämpfe für die Einigung Italien« unverlöschliche Spuren hinterlassen Ich erinnere mich noch lebhaft de« Eindruck«, den ich empfing, als ich vor Jahren zuerst in Brescia und später in Ferrara die leidenschaftlichen, Haßatmenden Worte gegen Oesterreich, in Marmor geprägt, an den Straßen ecken und unter den Rathausarkaden la« Daneben aber bieten un« diese Städte in ihren Kunftschätzen freundlichere Erinnerungen. Fast jede bedentendere oberitalieniscbe Stadt hat ihre eigene Malerschule oder wenigsten« einen Künstler, sei er nun Maler oder Bildhauer, der gerade ihre Kirchen und Museen mit seinen Werken geschmückt hat In Venedig lernen wir Tizian, in Verona Paolo Veronese kennen; Padua hat Giotto und Mantegna, Ferrara den Garosano; Vicenza hat an Malern nur die weniger be deutenden Brüder Montagna, dafür besitzt e« einen Künstler, der der Stadt den Stempel seines Geschmacks in so augenfälliger Weise aufgedrückt hat, daß uns ganz Vicenza fast wie ein Werk von seiner Hand erscheinen will, die« um so mehr, al« der Künstler ein Architekt ist: Anvrea Palladio, der Meister der Renaissance aus dem sechzehnten Jahrhundert. In verschwenderischer Fülle hat er seine Vaterstadt mit Prachtbauten auSgestattet. Man fragt sich unwillkürlich, wer mehr zu beglückwünschen ist, die Zeit, die einen solchen Architekten hervorgebracht hat, oder der Architekt, der da« Glück hatte, in einer Zeit zu leben, wo die Aufträge für Monumentalbauten so reichlich flossen. Wie um das Städtebild noch ab- wechfelungsreicher zu gestalten, erheben sich zwischen den strenggegliederten Fassaden Palladios und des in ähnlichem Stile schaffenden Scamozzi leichte gotische Paläste au« dem 15. Jahrhundert, die uns mit ihren schlanken Bogenfenstern, den entzückenden, kleinen Loggien und dem Gitterwerk ihrer vielen Balkone nach Venedig an den Canale grande versetzen. Ich möchte allen, die Sinn für Architektur haben, einen Besuch Vicenza«, da« so bequem an der allgemeinen Reiseroute liegt, warm empfehlen. Ich habe noch nie eine Stadt gesehen, die im Verhältnis zu ihrer Größe eine solche Menge hervorragender Bauwerke aufzuweiscn hätte; freilich auch kaum eine, wo alle Umstände so zusammenwirken, um den Genuß dieser Schönheiten zu erschweren und zu beeinträchtigen: winkelige Gaffen, deren En«e es un« ost geradezu unmöglich macht, vaß wir einen Gesamteindruck von irgend einem in sie verschlagenen Palast gewinnen; ganz minderwertiges Material, meist im Zustande argen Verfalls. Nicht nur da« bildnerische Beiwerk, da« Palladio sehr liebt und in reichem Maße verwendet — wie Statuen zur Krönung de« Dachfirstes und zur Füllung der Fensterbögen —, ist stark beschädigt, auch der ab- bröckelnde Putz der Säulenschäfte verrät uns nur zu ost, daß, was wir für Sandstein oder Marmor hielten, einfach ein Gefüge von Backsteinen ist Aber wie einzig schön weiß Palladio gerade die Säulen zu verwenden; sei es, daß sie leichtgeschwungene Hallen tragen, sei eS, daß sie als Pilaster, wuchtig und schwer hinanwachscnd, die Stock werke miteinander verbinden Als ein vollendetes Kunst werk der ersten Gattung erscheint mir die Basilica Palla« diana, eine Halle, oder vielmehr ein Doppelgeschoß offener Bogenhallen, mit dem Palladio den aus älterer Zeit stammenden Palazzo della Ragione umbaut hat. Die Stellung der Säulen, deren je zwei in gemessener Ent fernung ein Säulenbündel flankieren, ist so groß artig studiert, daß allein die Berechnung der Maße und Größenoerhältniffe ohne viel dekorative Zuthat den Eindruck de» Anmutigen und Gefälligen, da« einer Loggia eigen sein muß, und zugleich den de» Reichen und Vornehmen in hervorragender Weise in uns hervorruft. Kein Wunder, daß mir alles, was ich an ähnlichen Bau werken nachher sah, z. B. die Loggia auf der Piazza dei Signori in Verona, die mich früher entzückt hatte, ärm lich und dürftig erschien. Der Basilica Palladiana gegen über ist da« Rathaus, gleichfalls nach einem Entwürfe Palladio« gebaut, ein schmaler, reichornamentierter Bau mit korinthischen Halbsäulrn; daneben ein großer Palast mit langen Fensterreihcn, in der Mitte durch eine wenige Fenster breite, kirchenähnliche Fassade unterbrochen: da« Leih haus Aber e« giebt außerdem noch mancherlei hierzu sehen: da» Denkmal Palladio», da» vor einigen Jahrzehnten de« dankbare Vicenza seinem großen Sohne errichtet hat; der hohe schmale Glockenturm, die Säule mit dem Markus« löwen, dem wohlbekannten Wahrzeichen, da« Venedig nicht versäumt hat über alle Städte, die sich unter seiner Bot mäßigkeit befunden haben, mit reicher Hand auSzustreuen, und dem wir deshalb allenthalben in Oberitalien und Welschtirol begegnen, nicht allein auf ragenden Säulen, sondern über den Thüren der Häuser und Kirchen, in den Steinplatten der Fußsteige, an Balkonen und Brunnen.
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