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Verantwortlicher Redactrur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Weißeritz-Ieitung Ein untcrhattendeS Wochenblatt für den Bürger und Landman«. /reitag. Erscheint Dienstags und. Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstal- ten. Preis pro ivuart. tONgr. 6. Januar 1854. Inserat« werden mit 8 Pf. für die Zeile berechn«« ch u. in alle« Hn ' pedtttonen Mi» genommen. Rückblicke. Neujahr 1854.*) Nach mehrern Jahren schlaffer Winter tritt die ses Jahr der eisige Beherrscher der Natur mit aller Heftigkeit auf, Sturm unv Kälte bezeichnen sein Auf treten und er bringt über zahllose arme Familien die Schrecknisse, welche ein rauher Winter um so mehr in seinem Gefolge hat, wenn der Preis der Nah rungsmittel ein unerschwinglicher geworden ist. Eben so, wie die Natur in einen heftiger» Kampf der Elemente getreten ist, ist eS auch bewegter auf dem Gebiete der Weltgeschichte geworden, ebenso find die Gegensätze zwischen Asien und der Türkei auf der einen und Europa auf der andern Seite schroffer ge worden. Wer Augen hat, zu schauen auf die vor bereitenden weltgeschichtlichen Vorgänge des JahreS >853, der wird zugestehen müssen, daß wir in eine neue Epoche der Weltgeschichte getreten sind, von de nen keine menschliche Weisheit Voraussagen kann, welchen Umfang und welchen Verlauf die Thatsachen nehmen werden. Zwar schließt das alte Jahr mit einer Friedens mission ab. Noch einmal und wohl zum letztenmale haben die Vertreter der vier westlichen Mächte eine Konferenz in Wien gehalten, die dahin geht, den auS- gebrochenen Kampf zwischen der Türkei und Rußland aufzuhalten und zu beendigen; aber wer mag uns sagen, ob Vieser löbliche Versuch der Diplomatie nicht zu spät kommt in einer Zeit, wo an die Stelle der diplomatischen Noten bereits die eisernen Thatsachen getreten sind. Rußlands Eroberungspolitik ist im letzten Jahre wie ein Riese mit festen Schritten auf sein Ziel loS- «egangen und hat sich nicht im mindesten beirren las sen durch die Noten der Westmächte, welche dem gro ßen Kaiser Nicolaus durchaus nicht imponirten. Und gerade England und Frankreich sind eS gewesen, welche mit ihrer halben, zweideutlisen Politik die Sachen im Orient zum Bruch gebracht haben. Sie stellten sich fortwährend heuchlerisch als Beschützer der Türkei hin, sie ermunterten diese zu festen Entschlüssen gegen Ruß land durch das Vorgehen ihrer Flotten und riefen dadurch die großartigsten Rüstungen der Türkei her- vor; auS allen Theilen des weiten türkischen Gebie tes, selbst auS Asien und Afrika, kamen kriegerische Horden nach der Türkei, Nm diese in ihrem Kampfe gegen Rußland zu unterstützen. Und diefe rohen Völ kerschaften aller Zungen, die zumeist von Gier nach Beute verlockt wurden, sind nicht gemeint, unverrich teter Sache nach Hause zu gehen. Und wenn sich ') Ging leider, um in der ersten Nr. b«. 2-, anfgeiwm- »»» werden ,n können, zu spät hier eiq. D. Sied/ auch setzt die Gesandten der beiden Seemächte noch so viele Mühe geben, um den Sultan zum Frieden zu bestimmen, so sind doch die wilden, kriegerischen Elemente in der Türkei auf eine Weise angeschwol len, daß selbst der Sultan beim, besten Willen sich diesem brausenden Strome nicht mehr entgegen stellen kann. Rußland, als eS sähe, daß die Westmächtr uneinig waren, daß Preußen und Oesterreich ihre Neutralität erklärten, d. h. Rußland wollten gewäh ren lassen, als eS inne wurde, daß England und Frankreich nicht einig waren und nur in matten Ro ten, keineswegs aber auf dem Felde der Thatsachen ihm enlgegentraten, wurde immer muthiger, auf dem Wege der Eroberung vorzugehen, und setzt stehen nun die Sachen so schlimm, daß auch der Czaar sein» Heere vom Kriegsschauplätze nicht zurückrufen kann, ohne baS Ansehen der russischen Großmacht bloS zu stellen, tpaS «hm um so weniger einfallen wird, da bis setzt die Waffen Rußlands glänzende Siege über die Türkei erfochten haben. So stehen also die Sa chen in der Türkei so schlimm, baß an eine friedliche Beilegung des Streites kaum zu glauben ist. WaS aber daS drohende Gewitter am östlichen Horizont noch bedeutender macht, ist der Umstand, daß auch Asien theils mit in den Kampf gezogen wird, theils in Aufruhr und Bewegung ist. Bereit hat auf Anstiften Rußlands der Schah Persiens den Krieg an die Pforte erklärt und dadurch sich an di« Sache Rußlands angeschlossen. Diese Thatsache, wo durch sich Persien von dem Einflüsse Englands loS- sagt, wird nicht ohne Nachwirkung bleiben. Auf rohe Völkerschaften, welche nicht Zeitungen lesen und einen Ueberblick über die politische Weltlage haben, übt da- Beispiel der Nachbarstämme ungemein bestimmend ein. Selbst das nördliche Ostindien wird den Engländern den Gehorsam aufkündigen, und die Völkerschaften de- caSpischen MeereS werden entweder dem Beispiele Per siens folgen und sich an den brausenden EroberungS- zug Rußlands anschließen, oder Vie Zeit des Kampfes' benutzen, wie die Völkerfchasten des Kaukasus, um ihre Unabhängigkeit zu erfechten. In China, wo eine ungeheure Revolution dir Dynastie der Mandschu stürzt und die Grundlagen des weithin ausgedehnten Reichs mit feinen 3sb Millionen Einwohnern ganz verändert, sind nicht nm die Nordamerikaner, denen »S daheim zu eng wird, mir einer Flotiüe anwesend, auch England und Ruß land sind bereits mit Kriegsschiffen bei der Hand, an» sich jedes in seinem Theile Vorthcil» bet der neuen Herrschaft zu gründen.. So strnn heUt zu Tage nach Erfindung der Dampfschifffahrt und der elektrischen.