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Oertliches und Sächsisches. Vitendorf-Vkrilla >. März 1S04. — Die „Saxonia - Tanger", welche am vo rigen Sonntag im Gasthof zum Hirsch konzerl- ricrten. erfreuten sich eines zahlreichen Besuches. Das gutgewählte Programm, welches sangliche und humoristisch« Darbietungen enthielt, fand allseitigen Beifall. — Die Raupennester sind in dieser Zeit von den Bäumen und Sträuchern zu entfernen. Ein jeder Gartenbesitzer hat fleißig darauf acht zu geben, daß sein Grundstück von Raupen ge reinigt werde, damit er nicht mit dem Reichs- strafgesetzbuch in Konflikt gerate. Auch die so genannten lebenden Zäune sind von den Raupen- nestern zu befreien, damit die Raupen, diese sehr gefräßigen Geschöpfe, nicht aus einem Grund stück in alle Nachbargrundstücke sich verpflanzen. Daher ist die Befolgung der obenerwähnten Gesetzesvorschriften umsomehr zu wünschen. — In der Befürchtung, infolge des ostasi atischen Krieges könne Rußland die Grenze sperren und damit der deutschen Landamtschaft diesen Sommer 300 000 der sog. SachsengäN- ger entziehen, entsandte die Landwirtschaftskam mer in Halle a. S., wie der „Voss. Ztg." von dort gemeldet wird, einen Beamten zur Eifor- schung der Sachlage über die russische Grenze. Eventuell soll Ersatz aus Galizien und Belgien, aus letzterem Lande allerdings zu höheren Löh nen, beschafft werden. Dresden. Ein führerloses Gespann einer Droschke erster Klaffe raste am Sonnabend abend durch die Straße an der Mauer, bog nach der Seestraße ein und verbreitete hier unter den zahlreichen Paffanten Schrecken. Das Pferd kam auf der Seestrabe zu Fall, raffte sich je doch wieder auf und zertrümmerte trotz zahlrei cher Männer, die das Tier selMten wollten, das Schaufensln eines Gejchäfistokals auf der Srestraße. — Falsche Eunarkstücke sind gestern bei hie sigen öffentlichen Kaffen angehalten und be schlagnahmt worden. Sie tragen das Münz zeichen „L" und die Jahreszahl „1874", sind außerordentlich gut ausgeführl und unterscheiden sich von den echten Einmarkstücken ihrem äu ßeren Aussehen nach gar uichl; nur das we sentlich leichtere Gewicht im Verhältnis zu den Echtsiücken bat zu der Entd-ckung der Falsifikate gefilmt. Also Vorsicht bet ee. Entge^nu-tpne von Einmarkstücken I Königsbrück. Im nahen Straßengräbchen entleibte sich der in den 40er Jahren stehende unverheiratete Hausbesitzer und Zimmermann Rößler durch Erhängen. Die Tat dürfte in ei ner Anwandlung von Schwermut begangen wor den sein. Moritzburg. Am vorgestrigen Sonntage weilte hier in Adams Gasthof Se. Kgl. Hoheit der Kronprinz v. Sachsen mit seinen drei prtnz- lichen Söhnen. Lohmen. Ein tiefbedauerlicher Unglücks fall ereignete sich vor einigen Tagen. Der auf einem Auge blinde Vertreter des dortigen Arz tes, Herr Dr. med. Blanckmeister, versah, in der Absicht, in ein Haus einzutreten, bei der herr schenden Dunkelheit den rechten Weg und geriet in einen Graben. Hierbei kam der Bedauerns werte zu Falle und verletzte sich an einem Stuchel- diahtzaun das gesunde Auge derart, daß das selbe auslief und er nun völlig erblindet ist. Er wurde nach Pirna in ärztliche Behandlung gegeben. Pirna. Am Sonnabend fand man an der Klinke der KwchhofSlür den Leichnam eines Er hängten auf, der eine ziemlich schwere Kopfver letzung, von einem Schuß herrührend, aufwies. Etwa hundert Schritte davon gewahrte man eine große Blutlache auf dem Wege. Das Fehlen jeder Waffe und der Umstand, daß der Tote aufgehängt war,^ ließ natürlich sofort die Vermutung von einem verübten Verbrechen sei tens einer dritten Hand aufkommen. Bestärkt wurde diese Annahme dadurch, daß der Tote keine Wertsachen in seinem Besitze hatte, sodaß also auch eine Beraubung des Mannes erfolgt sein konnte. Inzwischen war aber auf einem Wege die Mordwaffe, ein Revolver aufgefunden worden und zwar von der Blutlache wenige Schritte entfernt. Es muß nun angenommen werden, daß der tot Aufgefundene, ein völlig unbekannter Mann im Alter von etwa 50 Jah ren, sich zunächst durch zwei Schüsse in die rechte Kopfseite hat zu entleiben versucht, worauf er, nachdem er den Revolver hinweggeschleudert, bewußtlos zusammengebrochen ist. Hier mag er nun kurze Zeit gelegen haben, sodaß das Blut aus der Schußwunde den Boden färbte. Aus der Betäubung erwacht, ist dann der Mann, da er den Revolver nicht mehr besaß, die we nigen Schritte nach dem Kirchhofe zu gegangen und hat sich an der ersten besten Türklinke auf gehängt. In dieser Lage ist er dann aufge funden worden. Bautzen. Zu 8 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilte das hiesige Landgericht den berüchtigtigten Einbrecher Dieß ner aus G orgowalde. Außer vielen schweren Einbruchsdiebstählen wird dem Verurteilten auch der im September vorigen Jahres erfolgte Ein bruch in die katholische Kirche zu Schirgiswalde zur Last gelegt. Hoyerswerda. Am vergangenen Sonnabend ist der „berühmte" Tiger von Sabrodt aus Neustädter Revier von einem Förster erschaffen worden. — Es war ein extra großer Wolf 1,65 Meter lang und 88 Pfund schwer. Er wurde auf dem Schützenhause in Hoyerswerda ausgestellt. Großbothen. Von dem abends 6 Uhr 35 Minuten von hier nach Wurzen verkehren den Personenzuge ist gestern auf dem benach barten Haltepunkte Nimbschen bei Einwechseln von Wagen ein beladener Güterwagen entgleist, wodur ch das HauptgleiS gesperrt wurde. Dieser Personenzug erhielt infolgedessen eine einstün dige Verspätung. Weitere nachteilige Folgen hatte der Unfall nicht. Wurzen. Vor mehreren Jahren wurde hier eine katholische Kirche gebaut. Am 1. April l. I. kommt ein ständiger Geistlicher hierher. Die katholische Schule wird bald nachfolgen. Wurzen. Hier wurde ein Dienstknecht aus Körtitz verhaftet, welcher im Stadtparke durch ii 'züib ige Hanwungea wiederholt Ärgernis er regt hatte. Leipzig. Die Mitteilung, August Scherl beabsichtige hier eine Zeitung ins Leben zu ru fen, ist unrichtig. Weder allein noch im Ver ein mit anderen plant der genannte Herr für Leipzig die Gründung einer neuen Zeitung oder die Beteiligung an einer solchen. — Der Bruch zwischen der Ortskrankenkaffe und den Kassenärzten in Leipzig ist nunmehr, nachdem die Kaffe den letzten Vermittlungsver such der Negierung auf das bestimmteste abge wiesen hat, ein definitiver. Der Kaffenvorstand schreibt der Königlichen Kceishauptmannschaft, auf grund der neuen Vorschläge könne nicht weiter verhandelt werden, die fünf Wochen bis zum 1. April müßten mit aller Energie aus- genutzl werden, um die neuer Organisation ins ärztlichen Dienstes durchzusübren. Neue Ver bandlungen könnten da nur lähmend wirk.» und nach außen den Eindruck erwecken, als ser es dem Vorstand nicht voller Ernst mit der Ein führung des Systems der Distriktsärzte. Diese mit Einsetzung aller Kräfte zum Abschluß zu bringen, und zwar ohne Verzögerung, sei die Kaffe fest entschlossen, um den gesetzlichen Ver pflichtungen nach allen Richtungen hin voll ge nügen und den Mitgliedern auch vom 1. April ab ausreichende ärztliche Versorgung gewährlei sten. — In der Hauptsache sind die Verhand lungen an der Frage gescheitert, was aus den bereits engagierten Bezirksärzten werden soll. Die Kaffe verlangte unbedingte Aufrechterhal tung der Verträge, die Ärzte bestanden auf Kündigung, während die Regierung den Ver Di« „Gtten-srfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag un- Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdors und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »on Inseraten ti, vormittag Uhr. Inserate «erden mit ,o Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be- sonderen, Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 26. Mittwoch, den 2. März 1904. 3. Jahrgang. mittlungsvorschlag machte: Bei nicht genügender Versorgung eines Bezirks durch den Bezirksarzt räumliche Teilung des KaffengebieteS in zwei Teile, in deren einem die freie Ärztewahl ein zuzuführen ist, dessen anderer der Praxis der Distriltsärzte vorbehalten bleibt. Nieders chlema. Ein „ehrlicher Spitzbube" ist der 17jährige Schlosserlehrling S. von hier- Derselbe hatte vor einiger Zeit einem Freunde den Betrag von 6 Mark gestohlen. Als dieter den Verlust bemerkte, hat S. dann auch die Tat reuevoll zugegeben und versprochen, das Geld zurückzuzahlen. Der ausgemachte Termin war nun dieser Tage um und S. erschien auch, um das gestohlene Geld zurückzuzahlen. Er hatte dies aber kaum getan, als auch der Po lizeidiener eintrat und den S. einlud, mit nach dem Gemeindeamt zu gehen. Es war nämlich kurz vorher in einer Fabrik einem anderen Ar beiter ein Portemonnaie mit dem ganzen Wochen lohn von 28 Mark gestohlen worden und auch in diesem Falle erschien S. der Tat verdächtig. Bei der erfolgten Leibesvisitation wurde hierauf auch das gestohlene Portemonnaie mit dem er wähnten Inhalt, abzüglich der bereits veraus gabten 6 Mark, vorgefunden. Zwickau. Über den Giftmordversuch des Invaliden Friedrich wird von einer hiesigen Zei tung folgendes gemeldet: In der Fri-drichschen Familie ist es schon seit längerer Zeit zu ehe lichen Zwistigkeiten gekommen, an denen der Mann durch seinen unsoliden Lebenswandel die Schuld tragen soll An dem fraglichen Tage ist es wieder zwischen beiden Eheleuten zu ei nem heftigen Auftreten gekommen, wobei die Frau gezwungen wurde, die Wohnung zu ver- tassen, die Flucht zu ergreifen und Schutz bei ihrer Stubennachbarin zu suchen. Als sie, nach dem ihr Mann die Wohnung verlassen hatte in diese zurückgekehn fit, hat sie in eimm von ihm gewöhnlich benutzen Kaffeetopf eine einge trocknete Flüssigkeit am Boden bemerkt, die sich später als eine Masse von Phosphor und Schwe fel herausstellte. Dies gab fälschlich zu der Vermutung Anlaß, daß Friedrich seine Frau habe vergiften wollen. Er stellt dies ganz ent schieden in Abrede und behauptet, er habe den Trunk für sich zurecht gemacht und davon auch etwas zu sich genommen, um sich selbst zu ver giften. Dies erscheint auch glaubhaft, da Fried rich seit der Zeit krank ist, mehrfach gebrochen hat und deshalb im Krankenhause untergebracht worden ist. Eine Verhaftung Friedrichs hat nicht stattgefunden und dürfte auch nach den ob waltenden Ümständen erfolgen. — Für die Opfer des Herero-Aufstandes sind in Zwickau bis jetzt fünftausend Mark einge gangen. Nus der Woche. Wohltuend berührt, daß — abgesehen von den übergenug bekannten englischen Lügenfabri ken, — mit bezug auf die Kriegsereignisse we der von der einen noch von der andern Seite übertriebene, der Wahrheit nicht entsprechende Berichte in die Welt gesandt werden. Japan läßt überhaupt so gut wie keine Meldungen amt licher Art nach Europa gelangen und Rußland beschränkt sich gleichfalls. Aus dem letzten russisch-türkischen Kriege war man nach den blu- tlgsten Gefechlen gewöhnt, am Schluffe der rus sischen Berichte zu finden: „Tot ein Kosak!" Das ist jetzt anders. Man meldet überhaupt nichts von den Verlusten an Menschenleben. Die letzten Angriffe der Japaner auf Port Arthur verliefen unglücklich für die Gelben. Indessen man kennt deren Absichten nicht genau genug, um von hier aus beurteilen zu können, ob ihr Mißerfolg so groß ist, wie ihn die Russen darstellen. Im übrigen wird man sich noch mehrere Wochen gedulden müssen, bis große Er eignisse zu Lande eintreten. In vierzehn Ta gen erst geht Kuropatkin, der bisherige russische Kriegsminister, als Oberbefehlshaber nach dem Kriegsschauplätze ab. Aber nicht die Ereignisse im fernen Osten fesseln jetzt unsere Aufmerksam keit, sondern die Minen und Gegenminen, die momentan die europäischen Kabinette legen. Rußland mag noch so großsprecherisch tun — für die Balkandinge ist gegenwärtig sein Schwer gewicht ausgeschaltet. Das weiß auch das „be freundete" Oesterreich genau und es bereitet sich vor, das Eisen zu schmieden, so lange es warm ist. Mit der Besetzung von Bosnien und der Herzegowina hat es ausgezeichnete Erfahrungen gemacht und man begreift seinen Hunger auf Mehr. Vielleicht bietet sich jetzt die Gelegenheit, diesen Hunger zu stillen. Äber Jtalen will auch seinen Anteil haben. Das alte Venedig hat jahrhundertelang Dalmatien und Albanien be« seffen und Italien betrachtet sich als Erbe der der alten Lagunenstadt. Darum hat es schon unter der Hand ankündigen lassen: wenn Öster reich sich an die Tafel setzt, melden wir uns als Tischnachbar. Dann natürlich will auch England seinen Teil haben und da es alsdann im Mittelmeer einen festen Stützpunkt gegen das eng „befreundete" Frankreich braucht, so versteht man, weshalb Spanien die Balearen m Verteidigungszustand setzen läßt. Vielleicht auch braucht das spanische Ministerium Maura die Aufstachelung des Patriotismus, um ein Gegengewicht gegen die jetzt im Lande der Ka stanien breit machenden Republikaner zu ge winnen. Schlimm ist nur, daß alle nicht kon servativen Elemente in Spanien einhellig der Anschauung sind, nicht von außen drohe dem Lande Gefahr, sondern von innen und diese innere Gefahr heiße: Maura, der durch seine ungestüme Politik die Opposition in Spanien stärke und gefährlich mache. Aber auch in den skandinavischen Reichen machen sich die Fern- Wirkungen des ostasiatischen Krieges bemerkbar. Schweden, Norwegen und Dänemark haben unter einander zur Wahrung ihrer Neutralität eine Art Schutz und Trutzbündnis abgeschlossen und wer weiß, ob nicht das längst zum alten Eisen geworfene dänische Ministerium SwerSdrup noch nachträglich Dank erntet. Vor 97 Jahren, mitten im Frieden, erschien eine englische Flotte vor dem jetzt durch SwerSdrug stark befestigten Kopenhagen, schoß die Stadt in Brand und führte die gesamte dänische Flotte (75 Schiffe, darunter 18 Linienschiffe und 17 Fregatten) hinweg. Das wäre heute nicht mehr möglich l Eine allerliebste Neuigkeit brachte uns der Tele graph gleich anfangs der Berichtswoche au» Südafrika. Man glaubte sich in die Zeit der holden Romantik zurückversetzt, als man ver nahm, daß dort ein „Räuberhauptmann" zum Premierminister avanciert wäre. Denn al» sol cher wurde vor acht Jahren Dr. Jameson von der ganzen zivilisierten Welt bezeichnet, auch in dem bekannten Telegramm des Kaiser Wilhelm. Damals wurde der bei Krügersdorp gefangene „Räuberhauptmann" mit Recht zum Tode ver urteilt, der gutmütige Krüger aber lieferte ihn an England aus, wo unser wackerer Dr. Ja meson anstandshalber auf einige Monate hinter schwedische Gardinen gesetzt wurde. Heute ist dieser Mann, der edle Genosse Cecil Rhodes und Joe Chamberlains, Gouverneur und lei tender Minister der Kapkolonie, nachdem auf andere Weise sein vormaliger Plan, ein kerni ges Naturvolk um Freiheit und Vaterland zu bringen, dank der jämmerlichen Haltung der ganzen zivilisierten Welt, zur vollen Durchfüh rung gelangt ist- Aber die Weltgeschichte ist das Weltgericht! In Südafrika sieht man e» sich vollziehen oder wenigstens die Vollziehung vorbereiten. Die Zeit scheint nicht fern, in der die Engländer Südafrikas sich für die Unab hängigkeit ihres Wahlvaterlandes gegen das stolze Mutterland in Waffen erheben werden, wie es vor 130 Jahren die Engländer in Nord amerika mit bestem Erfolge taten. Daß der eidbrecherische Rebell von Krügersdorp jetzt an die Spitze des englischen Südafrika gestellt ist, erinnert an den alten Spruch: Wen die Götter verderben wollen, den schlagen sie zuvor mit Blindheit!