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II« ' 1/ LMMv W AUW» AlulsMU Nk. 253. zu Nr. 144 des Hauptblattes. 1925. Beauftragt mit der Herausgabe: RegterungSrat Brauße in Dresden. Landtagsverhandlungen. 144. Sitzung Dienstag, den 2». Anni 192!». Präsident Winkler eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 8 Minuten nachmittags. Am Regierungstisch Ministerpräsident Heldt, die Minister Bünger, Elsner, Di. Kaiser, M ü l le r (Chem nitz) und Müller (Leipzig), sowie Regierungsvertreter. Punkt 6 der Tagesordnung: Zweite Beratung über Kap. 66 (Technische Hochschule zu Dresden) des ordentlichen Staatshaushaltplans für das Rechnungs jahr 1925. (Mündlicher Bericht desHaushaltausschusses^, Drucksache Nr. 1393.) wird wegen dringender Behin derung des Berichterstatters abgesetzt. Abg. Renner (Komm. — zur Geschäftsordnung): Wir halten es für angebracht, das; der Justizetat mög lichst bald erledigt wird, weil mit dem Justizetat die Frage der Amnestie zusammenhängt. Cs ist unbedingt notwendig, das; im sächsischen Landtage zur Amnestie- srage Stellung genommen wird, weil die Reichsregierung einen Amnestieentwurf eingebracht hat, der den Amnestie- Wünschen der gesamten Bevölkerung Hohn spricht. Ich beantrage deshalb, auf die heutige Tagesordnung den Iustizetat lind die dazugehörigen Anträge, sowie die Amnestie zu setzen. Präsident: Der Justizetat und die dazugehörigen Lachen können erst dann auf die Tagesordnung'kommen, wenn die betreffenden Kapitel im Ausschust erledigt sind, und das ist noch nicht der Fall. Abg. Renner beantragt hieraus, dast die Amnestie frage auf die heutige und der Justizetat auf die nächste Tagesordnung gesetzt wild, weil der Ausschust inzwischen den Justizetat erledigen kann. Beide Anträge werden abgelehnt. Hierauf wird in die Tagesordnung eingetreten. 1. Strafverfolgungen von Abgeordneten. (Drucksachen Nr. 1313, 1314, 1315 und 1387.) Nach kurzem Bericht des Berichterstatters Abg. I)r. Weigel (Den,.) wird zunächst die Strafverfolgung des Abg. Renner (Komm.) im Falle des Antrages Nr. 1343 (Pressedelikt) genehmigt, im Falle des Antrages Nr. 1341, wo es sich nm kein Pressedelikt handelt, abgelehnt. In, Falle des Antrags Nr. 1345 handelt es sich nm die Genehmigung der Strafverfolgnng des Abg. K a n tzf ch (Minderh d. Soz.) als verantwortlichen Redakteurs des Sächsischen Bollsblattes wegen eines Artikels mit der Überschrift „Die Vetternwirtschaft des Herrn I)r. Schulze" und dem Untertitel „Die löchrige Dementierspritzc der Regierung", womit ebenfalls Herr Ministerialdirektor l>r. Schulze gemeiut ist. Berichterstatter Abg. Gündel (Dtschnat.): In dein Artikel wird dem Minister ialdirektor I)e Schulze der Vorwurf der Vetternwirtschaft rind der Lüge gemacht. Weil es sich um einen schweren Angrisf gegen einen hochstehenden Beamten handelt lind ein Beamter in der Lage sein must, derartige Angriffe vor Gericht zu klären, da es nicht angeht, dast auf einem Beamten monate lang oder jahrelang ein so schwerer Vorwurf hängen bleibt, beantragt der Nechtsausschust in seiner Mehrheit die Genehmignng der Strafverfolgung. Wegen desselben Artikels ist bereits ein anderer Plauener Re dakteur zu einer Geldstrafe von 300 M. verurteilt worden. Im Falle der Drucksache Nr. 1387 handelt es sich um die Strafverfolgung des Abg. Lieberasch wegen Presse delikts. Der Nechtsausschust hat nach den Grundsätzen, die er stets bisher vertreten hat, in diesem Falle ein stimmig beschlossen, die Strafverfolgung nicht zu ge nehmigen. Abg. Liebmann (Minderh. d. Soz.): In dem Falle des Herrn Abg. Kautzich wegen der angeblichen Be leidigung des Herrn Ministerialdirektors Schlitze ist in dem Prozest in Planen festgestellt worden, dast der Brief, auf den sich der in Frage kommende Artikel bezog, tatsächlich von Herrn Ministerialdirektor vr. Schulze geschrieben worden ist. (Hört, hört! b. d. Minderh. d. Soz.) Der Unterschied besteht nur darin, dast in dem Artikel gesagt war: das war ein Vetter, während es tatsächlich ein Nesse war. (Lachen b. d. Minderh. d. Soz.) Der Brief ist im Original vor Gericht vorgelesen worden, so daß allo der Nachweis dafür erbracht ist, dast sich Herr Ministerialdirektor Or. Schulze für den Neffen seiner Fran zwecks Einstellung in den Staatsdienst beim Herrn Personaldezernenten vr. Lempes verwendet ha». Der Beweis dafür ist voll erbracht. Es liegt aber kein Grund vor, weil ein Abgeordneter einen solchen Artikel gezeichnet hat, hier die Immunität aufzuheben, weil es sich nur um einen kleinen Unterschied im Verwandt- schaftsgrad handelt. Auch für den Borwurf der Lüge, der sich bezog auf die amtliche Dementiererei der Vor würfe, die da gemacht worden sind, kann man den Beweis erbringen, und eS ist eine glatte Unmöglichkeit, aus solchen Gründen die Immunität eines Abgeordneten aufzuheben. Ich möchte deshalb dringend darum bitten, wenn der Landtag Wert darauf legt, dast man sein und der Abgeordneten Ansehen nicht herabfetzt, diesem Anträge des Rechtsausschnsses nicht zuzustimmen. (Bravo! b. d. Minderh. d. Soz ). Ich beantrage namentliche Abstimmung über den Antrag. Berichterstatter Abg. Gündel (Dtschnat.): Gerade die Ausführungen des Herrn Abg. Liebmann beweisen die Not wendigkeit dast hier die Strafverfolgung genehmigt werden must. Er hat aus den: Urteil von Plaueu eine Darstellung gegeben, die nicht unwidersprochen bleiben darf, da uns das Urteil amtlich übermittelt worden ist. Es ist allerdings der Verwandtschaftsgrad in dein Urteil berichtigt worden, aber es ist vollkommen falsch, als ob daraus die Verurteilung hergeleitet worden wäre. Vielmehr hat das Gericht auf Grund der Zeugen aussagen — auch Herr Dr. Lempe ist vernommen worden — als erwiesen angesehen, das; Dr. Schulze iu keinem der behaupteten Fülle oder sonst sich für einen Ver wandte» seiner Ehefrau oder eigene Verwandte bei einem dafür zuständigen höheren Vcrwaltungsbeamten dafür eingesetzt Hütte, diesen Verwandten lediglich mit Rücksicht auf diese Beziehungen zu ihm (Dr. Schulze) in den Staatsdienst einzustellen (Lachen b. d. Minderh. d. Soz.), ohne dast hierbei die allein mastgebenden Fähigkeiten des Betreffende» a»sschlaggcbe»d sei» sollte» Daraus ist die Verurteilung gestützt. Die Stlafverfolguug des Abg. Kautzsch wird in namentlicher Abstimmimg mit 38 gegen 35 Stimme» bei einer Stimmenenthaltuug »nd 22 Fehlende» ab- gelelmt. A»tragsgemäst wird ferner einstimmig be schlossen, die Strafverfolgung des Abg. Lieberasch nicht zu genehmigem In Erledigung von Punkt 2 der Tagesordnung werden die Einstellungen in Kap. 15 des ordentlichen Staatshaushaltplans für das Rechnungsjahr 1925 — Staatsrechnlingshof — (Mündlicher Bericht des Haushaltansschusses Drucksache Nr. 1375) gegen 6 Stimmen der Kommunisten nach der Vorlage ge nehmigt. Punkt 3 der Tagesordnung: Zweite Beratung Über- Kap. 19 (Hanptstaatsarchiv) des ordentliche» Staats- ha»shaltpla»s für das Rechnungsjahr 1925 sowie über eine hierzu vorliegende Eingabe. (Mündlicher Bericht des Hanshaltausschnsses Drucksache Nr. 1376.) Berichterstatter Abg. Castau (Mehrh. d. Soz.): Zu Kap. 19 lag dem Haushaltausschnß eine Eingabe der Historischen Gesellschaft zu Dresden vor, die sich dagegen wandte, dast ab 1. Juni auf Verlange» d?s Staatsrechmmgshofs für die Benutzung des Haupt staatsarchivs für wissenschaftliche Arbeite» Gebühre» erhöbe» werde». Der Präsident des Staatsrechnungs- hoss hat ii» Aasschusse zugleich für die Regierung erklärt, dast Gebühre» für die Benutzung des Hanpt- staatsarchivs bei wisseirschaftliche» Arbeiten nicht mehr erhoben werden. Es wird ohne Aussprache einstimurig beschlossen, 1. die Einstellungen bei Kap. 19 des ordentlichen Ltaatshaushaltplans für 1925 »ach der Vorlage zri genehmigen: 2. die Eingabe Nr. 2027 < Prüfungsausschuß) der Historischen Gesellschaft irr Dresden durch die Er klärung der Regierung für erledigt zu erklären. Punkt 4 der Tagesordnung: Zweite Beratung über Kap. 20 (Oberverwaltungsgcricht) des ordentlichen Staatsdaushaltplans für das Rechnungsjahr 1925. (Mündlicher Bericht des Hallshaltausschusses Druck- sache Nr. 1377.) Der Berichterstatter verzichtet aufs Wort. Abg. Or. Lchminckc (Komm.): Die Kommmlistischen Parteien sind die einzigen Parteien des Fortschritts. (Lebhafte Heiterkeit v. d. Soz. b. z. d. Dtschnat.) Die Kommunistischen Parteien in der ganzen Welt haben deshalb auch ciu großes Interesse an der Wissenschaft rind Technik (Ach! rechts ), denn je fortschrittlicher die Wissenschaft und Technik ist,' desto leichter wird es den Menschen, die Natur auszubeuten, desto leichter wird überhaupt der Menschheit ihre Existenz. Die russische Bruderpartei von uns beweist, daß sie alles tut für Wissenschaft und Technik. (Lache» rechts.) Sie stellt große Mittel ein für die Universitäten und die Hoch schule», und die rlissische Wissenschaft ist aus vielen Gebieten bahnbrechend. Trotzdem müssen wir Kommu nisten hier in Sachse» dieses Kapitel, die Hochschule in Tharandt betr., ablehnen. Der Präsident macht den Redner unter schallender Heiterkeit des Hauses darauf aufmerksam, daß Punkt 4, das Oberverwaltungsgericht, zur Debatte steht, worauf der Redner das Rednerpult verläßt. Die Einstellungen in Kap. 20 werden ohne Aus sprache gegen 3 kommunistische Stimme»» genehmigt. Punkt 5: Zweite Beratung über Kap. 55 (Forst liche Hochschule zu Tharandt) des ordentlichen Staatshaushaltplans für das Rechnungsjahr 1925. (Müiidlicher Bericht des .Haushalta»sschusses Druck sache Nr. 1392.) Ter Ausschuß beantragt: bei Kap. 55, Forstliche Hochschule zu Tharandt, des ordentliche» Staatshaushaltplcms für das Rechnungs- jahr 1925 die Einstellungen »ach der Vorlage zu genehmige»!. Außerdem liegt folgender Minderheitsantrag des Abg. Hofman» (Dtschnat.) vor: die Regierung zu ersuchen, »och i» diesem Jahre eine Vorlage an de» Landtag z» bringen für de» Neubau ei»es zoologische» Instituts an der Forstlichen Hoch schule zu Tharandt. Berichterstatteciu Abg. Frl. Ur. Hertwig (Tisch. Vp): An den Einstellungen bei Kap. 55 sind keine Ände rungen vorgenommen worden, doch wies die Bericht erstatterin aus den großen Ranmmangel hin, der in dem bekanntlich sehr alten Gebäude sich immer störender bemerkbar macht. Vor alle» Dingen gilt dies für das Zoologische Institut, wo durch die unzulänglicheu Naum verhältnisse und den schadhaft gewordenen Bodenbelag die wissenschaftliche Forschung stark beeinträchtigt wird. Beispielsweise sind nach den Mitteilungen des dafür zuständige» Professors feinere Se»che»u»tersuch»»ge» dort praktisch »»»»öglich, iveil alles verstaubt. Auch fehlt es a» Naum zur Verwahrung wertvoller Sammlungs- gegenstände, wovon ich mich bei einer Besichtigung per sönlich überzeugt habe. Ich bat deshalb in» Ausschuß die Regierung, diese Mißstände so bald als möglich zu beseitigen und auf einen Neubau des Zoologischen In stitutes zuzukommen. Diese Bitte wird durch denMindel- hcitsantrag Hofmann unterstützt. Von demokratischer Seite wurde» jedoch Bedenken gegen diesen Antrag ge äußert. Es müsse zuerst die Frage der Verlegung, die noch immer in der Schwebe ist, entschieden werden, ehe der Landtag über Neubauten in Tharandt beschließe» kö»»e. Aus dieser» Grunde lehne die Mehrheit des Ausschusses diese» A»trag ab. In bezug aus die noch ungeklärte Frage der Ver legung sprach sich die Berichterstatterin für das Ver bleiben der Hochschule in Tharandt aus. Zweifellos ist der hohe Ruf, den die Hochschule genießt und der sich auf eine mehr als hundertjährige Tätigkeit gründet, eng mit Tharandt verknüpft. Die Hochschule würde ihren besonderen Charakter, ihr Eigenleben verliere», we»» sie mit einer andere» Hochschule zusammengelegt würde. (Zuruf: Abwarten!) Kei» cmderer Ort kam» außerdem eine so geeignete landschaftliche Lage bieten, wie das in Tharandt der Fall ist. (Lehr richtig! rechts.) Es ist im Interesse der Fortentwicklung der Hochschule dringend notig, daß die Frage: Verlegung oder nicht, bald entschieden wird (Lehr richtig! b. d. Dtsch. Vp.), damit, wenn die Hochschule in Tharandt bleibt, endlich die baulichen Verhältnisse gebessert werden können. (Bravo! b. d. Dtsch. Vp ) Mittisterialvircttor De. Aust: Meine Tomen und Herren! Ter Mindelheitsantrag des Herrn Abg. Hofmann zeigt ein Interesse an der Forstlichen Hochschule Tharandt, für das die Regierung an sich nur dankbar sei» la»». Sie teilt durchaus die Meinung, daß das Zoologische Institut der Forstlichen Hochschule wie viele andere Tharandter Institute in seinem jetzigen Zustande viel zu wünschen übrig lassen. Gleichwohl würde die Regierung dankbar sein, wem» der Herr Antragsteller auf seinem Verlangen nicht bestehen wollte. Wie die Frau Berichterstatterin bereits erwähnt hat, hat die Regierung in» Jahre 1921 dem Landtage eine Vorlage unterbreitet, die eine Verlegung des sorst lichen Hochschuluuterrichts an die Universität Leipzig zum Ziele hätte. Diese Vorlage wurde vom Landtage sehr eingehend beraten und fand vielseitige Zustimmung. Da sie aber trotzdem keine Aussicht auf Annahme hatte, wurde sie schließlich von der Regierung zurückgezogen. Die Regierung ist jedoch noch immer der Überzeugung, daß die Forstliche Hochschule in» Interesse der Lehre und Forschung aus ihrer Isolierung befreit werden muß, und wird demnächst von neuem an die Frage herantreten, wie dies an» besten und sobald als möglich geschehe» kan». Sola»ge diese Frage nicht »ach der ei»e» oder cmdere» Richtung entschieden ist, empfiehlt es sich nicht, an Neubauten zu denken. Was das Zoologische Institut betrifft, so ist beabsichtigt, die beson ders schadhafte Dielung zu erneuern, von weiteren Auf Wendungen aber zunächst abzusehen. Abg. Dr. Schimmle (Komm.): (Abg. Schmidt: Aber bitte noch mal von vorn, das war ja vorhin zu spaßig!) Ich werde Ihnen den Gefallen nicht tun, sondern jetzt nur begründe», weshalb wir dieses Kapitel ablehnen. Wir lehnen es ans dein Grunde ab, »veil die Hochschulen in Deutschland die Brutstätte» der Reaktion sind (Hu, hu! rechts), »veil sie zweitens die Träger des im perialistische» Natwualismus sind und weil sie drittens Erziehungsanstalten der Arbeiterfeinde sind. (Aba. Grellmann: Wo hat denn der seine»» Doktor her!) Auf den Hochschulen sehnt man sich zurück nach den frühere»» Privilegien, nach den alten Zeiten, wo die Korps gewisse Teile der Beamtenstellen für sich in Anspruch nahmen, wo die Korpsbrüder überall hinein- lanziert wurden in die günstigsten Pfründen und Be-