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MsdmfferTageblatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, T-geblatt» erscheint »Sglich nachm. S Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in »«»efchastsstelle und den Ausgabestellen 2 MK. ,m Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,so Mk., bei Postbcstellung »Pfg.'Ä^anL Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Sien^d«" WAger uns ««fcyastsstellen ——————————— . nehmen zu jeder Zeit Be- jungen entgeh». Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht Kei» Anspruch auf Lieferung »er Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingefandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto bestiegt. 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Noch steht die genaue Zahl nicht fest, aber es ist damit zu rech nen, daß etwa fünfhundert Abgeordnete in den Sitzungs saal des Reichstages hineingepackt werden, und der Direktor des Reichstages wird sich sehr den Kopf zer brechen müssen, um für alle Mitglieder dieser Schar Sitze herzurichten. Wie das bei Prophezeiungen üblich ist, so sind auch diesmal so ziemlich alle Voraussagungen falsch gewesen. Zunächst einmal stand eisenfest, daß diesmal die Wahlmüdigkeit einen ganz außerordentlichen Umfang annehmen würde. Schon das ist nicht eingetroffen. Die Wahlbeteiligung war weit stärker als bei den letzten Wahlen, und wenn man prüft, ob eine Partei gewonnen oder verloren hat, dann darf man das nicht so tun, daß man feststellt, ob sie ihre früheren Mandate bewahrt hat, sondern man muß prüfen, ob sie im Verhältnis zur Ge samtzahl gewonnen oder verloren hat. Auf den ersten Blick hin ist festzustellen, daß die Radi kalen auf der Rechten und auf der Linken außerordentlich «n Mandaten eingebüßt haben, und zwar die National sozialisten weit stärker als die Kommunisten. Die rund zwanzig Mandate, nach vorläufiger Feststellung, die von den Kommunisten verloren wurden, sind Wohl restlos den Mehrheitssozialisten zugute gekommen, und ebenso ist es auf der rechten Seite: die Nationalsozialisten haben einen großen Teil ihrer Sitze an die Deutschnationalen abgeben müssen. Auch der von einigen Seiten prophezeite Zusammen bruch der Deutschnationalenist nicht eingetroffen. Die Deutschnationalen haben sich nicht nur prozentual ge- halten, sondern auch noch Gewinne erzielt, trotzdem manche Anhänger der Partei mit ihrer Politik seit dem 29. August nicht mehr ganz einverstanden waren und vielleicht nicht gewählt haben. Das wird nämlich dadurch sichtbar, daß die Deutsche Polkspartei prozentual stehen ge blieben ist oder sich nur ziemlich unwesentlich vermehrt hat. Man hatte aber gerade in der Deutschen Volkspartei auf starken Zuzug von rechts her gerechnet. Das Zentrum scheint prozentual eher etwas nachgegeben zu haben, weil es prozentual etwa 72 bis 73 Mandate erhalten müßte, eine Erscheinung übrigens, die durch den Rückgang der Zen trumsstimmen namentlich in Westfalen erklärlich wird. Die Demokraten haben sich prozentual gehalten oder etwas vermehrt, während die Sozialdemokraten nicht nur den Gewinn von links her aufgefangen haben, sondern auch an der prozentualen Zunahme profitierten. Parlamentarisch gesehen sind die Neuwahlen nicht ganz ergebnislos gewesen, nämlich insofern, als die für eine Regierungsbildung nicht in Frage kommenden radikalen Parteien außerordentlich geschwächt sind. Aber auch das vielfach proklamierte Ziel eines Vertrauensvotums des Volkes für die bisherige Regierungskoalition von Volkspartei bis Demokraten ist nicht erreicht worden. Viel mehr scheinen gerade diese sog. Mittelparteien einen Man datsgewinn nicht oder nur in sehr geringem Maße er zielt zu haben. Außerdem hat sich gerade im Wahlkampf die Kluft, die sich quer durch diese Koalition in der Haupt frage, nämlich der Beteiligung der Deutschnationalen an der Negierung, vor der Reichstagsauflösung aufgetan hätte, nun namentlich in den Äußerungen und Reden der Führer der Deutschen Volkspartei, in der ganzen Wahl agitation dieser Partei aufs deutlichste gezeigt, und ganz außerordentlich verbreitert. Denn Deutschnationale und Deutsche Polkspartei standen in diesem Wahlkampf tat- sächlich Schulter an Schulter, was soweit ging, daß für beide Parteien als gemeinsames äußeres Kampfzeichen das Schwarz-Weiß-Rot diente, während die Gegner vom Zentrum bis zur Sozialdemokratie alle unter dem Schwarz-Rot-Gold standen. Nun ist rein rechnerisch betrachtet die sog. Kleine Negierungskoalition vom Zentrum bis zu den Sozialdemokraten nicht möglich, weil sie parlamentarisch keine Mehrheit hat. Eine Große Koalition von Deutscher Volkspartei bis Sozialdemokraten muß gleichfalls als unmöglich bezeich net werden, weil ein Herumschwenken der Deutschen Volks partei in dieses Lager alles auf Len Kopf stellen würde, was diese Partei seit dem August getan hat. Parlamen- mrisch hätte der jetzige Kanzler bei einer Koalition von Deutschnationalen bis Zentrum bei Hinzutritt der. Bayerischen Volkspartet und der Witt- schaftspartei eine Mehrheit, die sich dadurch konsolidieren würde, daß die Preußenwahlen das weitere Bestehen der Großen Koalition in Preußen in Frage gestellt haben; aenn der Landtag weist eine deutschnationale Fraktion auf, die sich stark gegenüber der bisherigen vermehrt hat; außer dem ist die kommunistische Fraktion im Preußenhaus stark angewachsen. Man braucht ja nun nicht alles tragisch zu nehmen, was so im Wahlkampf gesagt und getan worden ist. Aber hinter den Kulissen wird nun das große Verhandeln wieder beginnen, das mit de» wenig schönen Namen .Kuhhandel' belegt zu werden Pflegt. Man wird sich damit etwas beeilen müssen, denn dir wichtigste politische rage im Auaenbliü. nämlich di« »ertrnLsmätzige Räu- Das vorläufige Endergebnis. Der größere Reichstag. Der beispiellos heftige Wahlkampf hat ein begrüßens wertes Ergebnis gehabt — die stärkere Heranziehung der Gleichgültigen, der gewohnheitsmäßigen Nichtwähler. Trotz des für die Ausbreitung der Wahlmüdigkeit un zweifelhaft günstigen Umstandes, daß jetzt zum zweiten mal in diesem Jahre zum Reichstag gewählt wurde, ist die Wahlbeteiligung diesmal erheblich größer gewesen als am 4. Mai. Da auf 60 000 Wähler ein Reichstagssitz ent fällt, vermehren sich die Mandate deshalb automatisch, so daß der neue Reichstag wahrscheinlich statt der bisherigen 472 Abgeordneten deren 499 oder 500 aufweisen wird. An dieser Vermehrung nehmen die meisten größeren Par teien gleichmäßig teil, mit Ausnahme der Völkischen und Kommunisten, die beide in geschwächter Anzahl zu rückkehren werden. Die kleinen Splitterparteien haben sich wieder wie im Mai als nicht werbungsfähig er wiesen und nur die Zahl der fast gänzlich ohne Zweck ab gegebenen Stimmen vermehrt. An errungenen Mandaten werden in der Reihenfolge der amtlich verkündeten Wahl vorschläge gezählt: 7. Dez. 4. Mai Sozialdemokratische Partei 130 100 Deutschnationale Partei »02 96 Zentrum 68 65 Kommunistische Partei 45 62 Deutsche Volkspartei 50 44 Nationalsozialistische Freiheitspartel 14 32 Deutsche Demokratische Parte» 32 28 Bayerische Volkspartei 19 16 Wirtschaftliche Vereinigung 17 10 Landbundliste 8 10 Deutsch-Hannoversche Partei 4 5 Deutschsoziale Partei — 4 Für die zahlreichen Splitterparteien wurden bisher keine Mandate gezählt. Soweit sich übersehen läßt, dürfte die Wahlbeteiligung mindestens die Ziffer von 80 wenn nicht noch darüber, erreichen. Im Mai stimmten etwa 72 der Wähler ab. Mit dieser Wahlbeteiligung ist auch die Legende von der politischen Trägheit des deutschen Wählers eigentlich widerlegt, was ein Vergleich mit dem Wahleifer der Ameri kaner zeigt. Denn dort stimmten beispielsweise bei der kürzlichen Präsidentenwahl nur etwa 50 der Wahl berechtigten ab. * Abgegebene Stimmen. Nach den vorläufigen Ergebnissen aus allen Wahl kreisen beim ReichswahllLiter wurden an Stimmen ab ¬ gegeben: 1. Sozialdemokraten 7 788 250 2. Deutschnationale Volkspartei 6 122 255 3. Zentrum 4 061 593 l 4. Kommunisten 2 679 429 > 5. Deutsche Volkspartei 3 017132 ' 6. Natonalsozialistische Freiheitspariei 891671 7. Deutsche.Demokratische Partei 1902 646 8. Bayerische Volkspartei 1111786 9. Wirtschaftspartei und Bayerischer Bauernbund 995 72L 10. Landbund 498 003 11. Deutsch-Hannoversche Partei L58145 * Im allgemeinen ruhiger Wahlverlauf. Nach den aus dem ganzen Reiche vorliegenden Mel dungen über den Verlauf des Wahltages ist es nur in wenigen Städten zu ernsteren Zwischenfällen gekommen. Wenn auch in verschiedenen Orten kleinere Reibereien zwi schen feindlichen Parteien vorfielen, ist der Tag im all gemeinen ruhig verlaufen. Die Wahlbeteiligung war sehr rege. Die Wahlen in Groß-Berlin sind bei einer Be teiligung von 80 bis 85 Prozent im großen und ganzen ruhig verlaufen. Von Wahlmüdigkeit konnte keine Rede sein. Schon gegen 12 Uhr mittags war der Stand des Wahlganges erreicht, der sich bei den Reichstagswahlen am 4. Mai feststelleu ließ. Das Publikum fand sich mit der Doppelwahl im allgemeinen recht gut ab. » Gewählte Reichstagsabgeordnete. Unter den Gewählten befinden sich an bekannten Ab geordneten und Politikern: mung der Kölner Zone zum 10. Januar, ist derart brennend, daß uns innerpolitische Auseinandersetzungen und Zwistigkeiten außerordentlich schaden können. Deutschnationale: Hergt, Fürst Bismarck, Tirprtz, Lawerrenz, Dryander, Dr. Quast, Bazille, Dr. Philipp, Dr. Hoetzsch, Breckelbaum, Wolf, Hahnemann, Voigt, Körner, Professor Spahn, Schlange-Schöningen, Schulz, Schiele, Oberfohren, Behm, Graf Schulenburg, Everling, v. Gold acker, Graef-Thüringen, v. Lindeiner-Wildau, Bruhn, v. Keudell, v. Kemnitz, Behrens, Graf Eulenburg, Dr. Steiniger, Graf Westarp, Geisler, Dr. Mumm, Rippel, Wallraf, Dr. Hugenberg, Freiherr v. Richthofen, Freiherr v. Freytag-Loringhoven. Deutsche Vollspartei: Stresemann, Dr. Heinze, Brü ninghaus, Dr. Schneider, Dr. Scholz, Dieckes, Wunderlich, Thiel, Dauch, Findeisen, Dr. Curtius, Moost, Dr. Becker- Kassel, Leutheußer, Dr. Hoff, Dr. Schnee, v. Kardorff, v. Raumer, Dr. Moldenhauer, Dr. Hugo Freiherr v. Rheinbaben. Zentrum: Marx, Fehrenbach, Wirth, Bell, Spahn, Klöckner, Bolz, Andrö, Ulitzka, Erhard, Beck, Dietz, Damm, Ersing, Ahlekotte, Dr. Bochius, Frau Dransfeld, v. Guörard, Klöckner, Giesberts, Dr. Dessauer, Jmbusch Joos, Herold Steggerwald, Dr. Schreiber, Dr. Höfle. Demokraten: Koch, Frau Dr. Lüders, Dernburg, Prof. Goetz, Graf Bernstorff, Erkelenz, Dr. Külz, Professor Schü cking, Staatsminister a. D. Haas, Pfarrer Korell, Gertrud Bäumer, Freiherr v. Richthofen, Dr. Fischer, Justizrat Falk-Köln, Dr. Hummel, Bergstößer, Kopsch, Rönneburg, Oscar Meyer. Sozialdemokraten: Scheidemann, Crispien, Müller, Braun, Dr. David, Wels, Dr. Hilferding, Dr. Paul Levi, Ströbel, Stücklen, Fleißner, Toni Sender, Schmidt, Krätzig, Saenger, Simon, Keil, Hildenbrandt, Roßmann, Graßmann, Lipinski, Bauer, Henke, Brey, Geck, Schöpflin, Schirmer, Ulrich, Dr. Quessel, Bernstein, Breitscheid, Loebe, Severing, Sollmann, Dittmann, Ulrich, Müller-Franken, Hoffmann-Kaiserslautern, Dr. Rosenfeld, Mathilde Wurm, Dr. Braun, Dißmann, Limbertz, Lüb- bring, Frau Juchacz, Wissell, Zubeil, Frau Bohm-Tchuch, Dr. Landsberg, Dr. Moses. Kommunisten: Nemmele, Frau Gohlke (Ruth Fischer/, Tählmann, Strötzel, Bertz, Schneller, Rädel, Schlaffer, Städter, Hollein, Scholem, Eichhorn, Dr. Rosenberg. Bayerische Volkspartei. Lang, Rauch, Diernceiter, Schwarzer, Emminger, Beyersdorfer, Dr. Pfleger, Leicht, Gerstenberger, Graf Lerchenfeld. Bayerischer Bauernbund: Fehr, Eisenberger. Nationalsozialisten: v. Graefe, Ludendorff, Stöhr, Dietrich, v. Ramin, Gieseler. Die Reichstagswahlen im Zeichen der englischen OcsfenLlichkeit Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes" London, 9. Dezember. Die englische Oeffentlichkeit ist noch nicht in der Lage, zu den Ergebnissen der deutschen Wahlen Stellung zu nehmen, weil das Wahlergebnis erst in den gestrigen Nachmittagsstunden bekanntgegeben wurde. Indessen kann eine Berliner Rcutermeldung als Symptom für die Beurteilung der Lage betrachtet werden. Sie stellt die Bildung einer Regierung auf der Grundlage der sogenannten Großen Koalition in den Vordergrund, erörtert sodann die Wahrscheinlichkeit einer Wirth- Koalition und schließlich die Beibehaltung der gegenwärtigen Negierung Marx, wobei auf die wohlwollende Unterstützung der Scyialdemokraten hingewiesen wird. Die Möglichkeit zur Bil dung einer Regierung aus Zentrum, mit Deutschnationalen, Volkspartoi und Bayrischer Volksparei, wird demnach in Eng land nicht in Betracht gezogen. Die Pariser Meinung über den Ausfall der deutschen Wahlen. Eigener -Fernsprechbienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 9. Dezember. Das Urteil, das sich die hiesigen Kreise an Hand der Hier vorliegenden Ergebnisse über die Zu sammensetzung des neuen Reichstages bilden, lautet nicht außer ordentlich günistg. Wenn der Erfolg der Sozialdemokraten auch in den Kreisen der französischen Linken begeisterte Zustimmung erhält, wirkt anderersits die Tatsache, daß die Deutschnationalen und die Deutsche Volkspattei sich entgegen Men Voraussagen in ihrer Stellung behaupten und sogar verstärkt haben, offenbar statt beunruhigend. „Petit Paristen" steht in dem neuen Reichs tag keine absolute Mehrheit zugunsten einer Politik internatio naler Verständigung und republikanischer Verfassung. Er meint, die Stellung der einzelnen Parteien werde trotz eines leichten Gewinnes der Mittelpatteien ungefähr dieselbe bleiben, wie seit dem 4. Mai. Herriot mit den deutschen Wahlen zufrieden Eigener Fernsprechbienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 9. Dezember. Der Kabinettchef Herriots hat in einem Gespräch mit ausländischen Journalisten unter anderen erklärt, daß die Wahlen nach Auffassung Ker französischen Regierung zur Befriedigung