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Wr. 111. Sonnabend, den 16. September 1905 57. Jahrgang. Im Konkursverfahren über das Vermögen des Kaffee- und Zigarrenhändlers Carl Arno Lippinann in Großröhrsdorf ist Termin zur Prüfung der nachträglich angemeldeten Forderung auf den 25. September 1905, vormittags 11 Ubr bestimmt worden. Königliches Amtsgericht zu Pulsnitz. Landwirtschaftliche LehranWf zu Aautzen Das nächste Winter-Semester beginnt Dienstag, den f7. Oktober l905^Mimeldungen neuer Schüler nimmt der unterzeichnete Direktor entgegen, welcher auch gern bereit ist, weitere Auskunft zu erteilen. Professor O^Gräfe. Mlwocli, den 27. 8eplemb^ MedmaM . « , bonnenstag, den 28. Septemben 1905: HrammanKt Oertliche ««d sächsische Angelegenheiten. Pulsnitz. Am vergangenen Donnerstag in der 6. Stunde fand in der Glockengießerei von C. Albert Bier ling in Dresden der Guß der neuen Pulsnitzer Kirchen glocken statt, wozu sich mehrere Mitglieder dec Parochie eingebunden hatten, um Augenzeuge dieses für uns bedeut samen Ereignisses zu sein Von den Formen, die für den Beschauer wohl das Interessanteste gewesen wären, war leider nichts mehr zu sehen, denn sie befanden sich „tief ge mauert in der Erde". Zu ihren nur fingerstarken Oeff- nungen führten vom Gießofen her zirka 20 Zentimeter breite, ^n Ziegelsteinen gemauerte Kanäle, die durch glühende Holzkohlen erhitzt wurden. In dem schon seit dem frühen Morgen geheizten Gießofew schmorte das Metall (78 Teile Kupfer und 22 Teile Zinn), durch eine kleine Oeffnung sah man die sprudelnde, weißglühende Masse, die bei 1800 Grad Celsius schmilzt. Nachdem der Glockengießer das flüssige Metall zum Gusse brauchbar befunden hatte, wurden schnell die Kanäle von den Holzkohlen gereinigt und alle« war zum Guß fertig. Sämtliche Anwesende entblößten ihr Haupt und Herr Pfarrer Schulze sprach ein Gebet, den Segen des Himmels zum Gelingen des Gusses erbittend. Mittels einer langen eisernen Stange wurde der Ofen geöffnet und das flüssige, weiß-rot glühende Metall drang zischend in die Kanäle, von wo au« es in die Formen ficke, te. Bis Mitte nächster Woche müssen die Formen unberührt bleiben und kann erst dann festgestellt werden, ob der Guß gelungen ist. Pulsnitz. Das bedeutend vergrößerte, nun einen schönen Bau repräsentierende Schützenhaus geht seiner Voll endung entgegen und wird, wie verlautet, Mitte Oktober (wahrscheinlich Sonntag, 15. Oktober) eingeweiht werden. Mit dieser Weihe soll sich eine größere Festlichkeit verbinden, zu der auch auswärtige Schützengefellschaften zur Teilnahme eingeladen werden. Pulsnitz. Ein unsere Stadt nebst Umgebung gewiß all gemein interessierender Beschluß wurde seitens des hiesigen Königlich Sächsischen Militär-Vereins gefaßt, dessen Bekannlwer- den zweifellos überall freudige Zustimmung Hervorrufen wird. Handelt es sich doch um nichts Geringes, als daß obiger Verein das in ca 80 deutschen Orten aufgeführte und überall begeistert aufgenommene Nationalfestspiel: „Deutschlands 19. Jahrhundert!" Anfang November dieses Jahres im Schützenhaussaal in einer Reihe von öffentlichen Vorstel lungen zur Darstellung bringen wird. Nach Allem, was von diesem Festspiel in den auswärtigen Zeitungen Rühmens wertes gelesen, kann man das Zustandekommen der hiesigen Aufführungen herzlich willkommen heißen. DaS Urteil aller Blätter lautet dahin, daß man es hier mit einem großartig angelegten künstlerisch wertvollen Werke zu tun hat, das die überall gefundene Anerkennung und Begeisterung durchaus verdient. Daß die hiesigen Aufführungen hinter denen anderer Orte nicht zurückstehen werden, dafür bürgen unS der Name des Vereins sowohl, wie auch die großen Vorbereitungen, welche bereits getroffen werden. Gegen 130 Mitwirkende aus den Vereinskreisen werden beschäftigt sein die 30 leben- den Bilder, aus denen das Festspiel neben stimmungsvoller Deklamatlon und patriotischem Konzert, besteht, auszuführen; gewiß ein Beweis von der Großartigkeit des Ganzen. Wir zweifeln nicht daran, daß unser Publikum dem Unter nehmungsgeist des Vereins durch recht zahlreichen Besuch seinen Dank bekunden wird. — Humor ist die richtige Würze unseres Alltagslebens Wer aber hat es besser verstanden, Humor und Freude in das stille Alltagsleben zu tragen, als unser populärster Volksschriststeller Fritz Reuter! Aus jeder Zeile seines Werkes strahlt uns der urwüchsige Humor, der große Reichtum seines Herzens entgegen, in stillen Stunden erheitert und erfrischt er das Gemüt. Seine Schriften sollten deshalb in keinem deutschen Hause fehlen. Es gereicht uns aus diesem Grunde zu doppelter Freude, daß wir durch Herausgabe von Reuters sämtlichen Werken in einer zweibändigen Groß-Folio-Ausgabe, auf gutem Papier in klarem Druck, mit vorzüglich gelungenen Original-Illustrationen erster Künstler, elegant und modern gebunden, nebst Wörterbuch in hochdeutscher Sprache, dazu beitragen können, unserem urwüchsigen Fritz Reuter einer Volksvertretung, wie sie der Zar Nikolaus nun für Rußland bewilligt hat, ist noch lange nicht gleichbedeutend mit der Einführung brauchbarer Reformen. Höchstwahr scheinlich wird auch die in Rußland noch allmächtige Beam tenwelt ihren ganzen Einfluß bei dem Kaiser Nikolaus zur Geltung bringen, um von der Volksvertretung etwa ver langte gründliche Reformen zu vereiteln. Auch ist es sehr zu bezweifeln, ob die russische Reichsduma wirklich eine Volksvertretung darstellen wird, die schöpferisch tätig zu sein vermag. Vom Standpunkte der politischen Praxis und der Humanität möchte man Rußland jetzt Staatsmänner wünschen, wie sie Preußen nach dem Unglücksjahre 1806 besaß, und die wie einst die preußischen Minister v. Stein und Harten berg und ihre edlen Gesinnungsgenossen das ganze staatliche Leben reformierten und neu belebten. Es geschah in genia- aler Weise höchst einfach dadurch, daß damals in Preußen mit allen veralteten Einrichtungen energisch gebrochen und neues Leben dem Staats- und Volkskörper eingehaucht wurde. Aber was vor 99 Jahren in Preußen bei seiner gleichartigen, fleißigen und gewissenhaften Bevölkerung unter Führung tüchtiger Beamten sich verhältnismäßig leicht errei chen ließ, das wird wohl in Rußland so bald nicht durchzu setzen sein, denn es fehlt in Rußland an der gewissenhaften und ehrlichen Beamtenwelt. Eine gewisse Hoffnung auf Besserung der Zustände in Rußland ist aber dennoch berech tigt, denn die ganzen Verhältnisse in Rußland drängen nach einem Fortschritte hin, weil schließlich jedermann in Ruß land einsieht, daß es nicht so wie bisher weitergehen kann. Auch kann man vielleicht auf den klugen und zähen Minister Witte, der als dec beste Kenner der russischen Verhältnisse gilt, die Hoffnung setzen, daß er wirklich erreichbare Refor men dem Zaren Nikolaus vorschlagen und schließlich auck zur Ausführung bringen wird. Auch kann kein Zweifel da rüber bestehen, daß Rußland für die Aufrichtung seines wirtschaftlichen Lebens, sowie für den Wiederaufbau seiner Flotte und seines Hecies ausländische Kräfte in Anspruch nehmen wird und da kann sich auch für Deutschlands Un ternehmungsgeist und Kapital ein großes Feld für frucht bare Tätigkeit bieten, denn in dieser Hinsicht hat Deutsch land und das Deutschtum in Rußland schon seit 200 Jahren eine große Rolls gespielt, und man möchte deshalb sagen, die Wiedergeburt uns der wahre Fortschritt in Rußland ist nur durch die Anlehnung an Deutschland möglich Ob diese Wahrheit aber in Petersburg und Moskau erkannt und danach gehandelt wird, daß ist eine andere Frage. Neueste Greigniste. Der Verstärkungstransport für Ostafrika ist mit dem Dampfer „Koerber" gestern in Sansibar eingetroffen und alsbald nach Dar-es-Salaam in See gegangen. Zum Kommandanten von Berlin wurde an Stelle des verstorbenen Generalmajors Hoyer von Rotenhcim der Abteilungs-Chef im großen Ge neralsstabe Generalmajor Graf Kuno v. Moltke, bisher kommandlert zur Dienstleistung beim Kaiser, unter Belassung in diesem Verhältnis, ernannt. Die Gesamtzahl der Cholerafälle in Preußen be trägt bis jetzt 190; tätlich verliefen 86. Verdächtige Telegramme aus Viktoria berichten, daß die Chinesen in Schantung einen Aufstand gegen die Deutschen vorbereiten; mehrere tausend Männer seien für diese Erhebung bereit, deren Beginn auf den 16. September festgesetzt sei. Algesiras in Spanien ist definitiv als Ort der Marokko-Konferenz in Aussicht genommen. Die Sultansvertreter werden in der Lage sein, regelmäßig mit Tanger zu verkehren. Der russische und der japanische Kommissar, die mit der Festsetzung der Bedingungen des Waf fenstillstandes betraut wurden, sind Donnerstag Nachmittag zusammengetroffen und dahin über eingekommen, daß die Feindseligkeiten in der Mandschurei vom 16. September ab eingestellt werden. Auch die neutrale Zone wurde ver einbart. Rußland nach dem Friedensschlüsse Rußlands Friedensschluß mit Japan hat ungeheuere große politische und wirtschaftliche Hoffnungen nicht nur in Rußland sondern auch in Europa erweckt, denn Rußland ist von einer der größten und schlimmsten politischen, mili- tänschen und finanziellen Sorgen durch den Friedensschluß befreit und kann seine Kräfte dem inneren Ausbau seines großen Reiche« widmen. Bei dieser hoffnungsvollen Beur- Alung Dinne darf man aber nicht vergessen, daß es m Rußland zunächst allen den Faktoren fehlt, du-em rasches Aufblühen des wirtschaftlichen Lebens und der Fortschritte auf anderen Gebieten he-vo„ufew In Rußland fehlt es ohne Zweifel an Geld, es fehft in Rußland aber weiter an dem rechten Fortschrittsgeist, denn da/ganze russische Volk kann, abgesehen von vielleicht 5o ooo einsichtigen und gebil deten Russen, ul« .rückständig in jeder Hinsicht bezeichnet werden. Diese Memung über Rußland ist ja auch in jeder Hinsicht dmch d.e Erfahrungen E Kriege mit Japan bestätigt worden. In Rußland fehlt es an wirklich großen Männern, welche die gründliche Einsicht und Tatkraft zu entfalten ver stehen, die notwendig sind, um Rußland wirklich Reformen rasch entgegenzuführen. Die Gewährung und Einberufung Wochenblatt Inserate für denselben Tag find bis vormittags zo Uhr aufzuaeben. Liiispaltige Zeile oder deren Raum z2 Z. tokalpr. zo Reklame 20 Bei Wiederholungen Rabatt, kille Annoncen-Expeditionen nehmen Inserate entgegen. Amtsblatt für den Besirk des Uönigl. Amtsgerichts Pulsnits, umfassend die Ortschaften: Pulsnitz, Pulsnitz M. s., Böhmisch-Vollung, Großröhrsdorf, Bretnig Hauswalde, Ohorn, Gbersteina, Niedersteina, Weißbach, Oberlichtenau, Niederlichtenau, Friedersdorf-Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Rlein-Dittmannsdorf Druck und Verlag von L. L. Förster'» Erben (Inh.: I. w. Mohr.) Expedition: Pulsnitz, Bismarckplatz Nr. 265. Verantwortlicher Redakteur Otto vorn in Pulsnitz. und Umgegend t- für Pulsnitz Velegpamm-ü-resse: ivoclienblalt plilsM Erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend. Beiblätter: Illostr. Sonntags- blatt ». Hrrrnor. Wochenblatt Abonnement. Monatl. 50 , vierteljährlich j.25 bei freier Zustellung ins Haus, durch die Post bezogen unter Nr. 8602 z.26. Amts-Blatt j -es König!, ümlsgenickls und -es §ta-lpallies rru pulsnils. bennsplecken K No. ,8. H -X-