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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.07.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110711018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911071101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911071101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-07
- Tag 1911-07-11
-
Monat
1911-07
-
Jahr
1911
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R.) * Auf der Admiralitätswerft in Petersburg wurde am Montag der z w e i t c r u s f i s ch c D r c a d- nought „Poltawa" vom Stapel gelassen. * Die angekündigte Aussperrung von 40 000 schwedischen Bauarbeitern ist am Montag in Kraft getreten. Lolonisipolitilches Allerlei. Aus kolonialpolitifchen Kreisen wird uns ge schrieben: Di« Politik der Kolonicrlverwaltung steht seit der Aera Dernburg im Zeichen starken Selbstbewußtseins. Das merkt jeder, der gelegentlich mit Beamten der Kolonialverwaltung zu tun hat. Man ist jetzt trotz der „kaufmännischen Erziehung" in der Wilhelmstraße erheblich weniger entgegenkommend als früher unter dem buceaukratilchen Regime, wobei übrigens die Presse-Abteilung ausdrücklich ausgenommen sei. Die Kritik scheint die Kolonialverwaltung ziemlich kalt zu lassen, wenigstens wenn es sich um größere Fragen der Kolonialpolitik handelt, wohingegen man gegen die Festnagelung kleiner Menschlichkeiten empfind lich ist. Da istz. B. der E i n st u rz derLandungsbrück« in Lome, durch den dem Reich einige Millionen verloren gehen und der dem Handel mit Togo be deutende Summen kostet, weil auf absehbare Zeit auf die frühere verlustreiche mrd umständliche Landungs methode mit Drandungsbooten zuriickgcgriffen wer den muß. Ungerechnet die Scherereien, Zeit verluste und Gefahren für die ein« und quszuschiffen- d«u Passagiere, die damit verbunden find. Zur Illustration diene di« Tatsache, daß die letzte Post aus Togo offenbar völlig durchnäßt worden ist, denn die darunter befindlichen Nummern des „Amtsblattes für Togo" waren vom Seewasser ganz gelb geworden. Für denjenigen, der sich ver gegenwärtigt, daß die Landungsbrücke in Lome die einzige ernsthafte Landungsgelegenhcit in Togo überhaupt war, ist ihr Einsturz ein höchst tragisches Ereignis. Di« Kolonialverwaltung aber hat es über ein kühles Bedauern nicht hinausgebracht und auch iricht erkennen lassen, daß der Schuldfrage energische Aufmerksamkeit geschenkt werden wird. Daß dazu alle Veranlassung vorhanden ist, geht aus einem westafrikanifchen Briefe hervor, der neulich in den „Hamb Nachrichten" veröffentlicht war. Er enthielt die Meinungsäußerung eines französischen Inge nieurs, der die Brücke vor längerer Zeit besichtigt hatte, über deren Konstruktion. Der betreffend« Fachmann wunderte sich darüber, daß die Brücke ein fach nach Art von Landbrücken gebaut sei; bei den Brücken in den französischen Kolonien sind gewisser maßen riesige Korkzieher in den Grund gebohrt, so daß die Brücken jeden Druck von unten aushalten können, während die Brücke von Lome auf die Grund pfeiler lose aufgesetzt war, so daß nach Ansicht des Franzosen die Gefahr bestand, daß sie bei außer gewöhnlichem Seegang ausgehoben und ins Meer geschleudert würde. Dies ist jetzt eingetroffen, wie aus der amtlichen Schildemng der Katastrophe deut lich hervorgeht. Wenn man sich schon wundern muß, daß die deutschen Ingenieure, und namentlich die Fachleute des Gouvernements, eine offenbar fehler hafte Konstruktion der Landungsbrücke zuliebe», so ist es erst recht auffällig, daß seinerzeit die berechtigte Warnung des ausländischen Ingenieurs, die doch sicherlich den maßgebenden Persönlichkeiten zu Ohren gekommen ist, ganz unbeachtet blieb. Man muß nun ernstlich fragen: Mrd di« Eisenbahnbaufirm a, die auch die Landungsbrücke errichtet hat, für den Scha den mit haftbar gemacht werden, oder bleibt dieser allein am Reich« häng«? Ls scheint bei dies« Gelegenheit angebracht, dar auf hinzuroeksen, daß die amtliche Kontrollebei Abnahme von Eisenbahn- und andern Bauten offenbar nicht mit genügender Schärfe ge übt wird. Man hat in letzter Zeit viel davor» ge munkelt, daß z. 8. die Linienführung und technische Beschaffenheit der soeben nach allerlek Komplika- tionen eröffneten. Kameruner Nordbahn ebenfalls nicht ganz auf der Höhe lein soll, und pro phezeit dem Reiche, daß es an dieser Linie später keine Freude erleben würde. Auf alle Fälle sollte das Unglück in Lome den Reichstag veranlassen, ein mal in dieser Richtung nach dem Rechten z» sehen! Am meisten zeigt sich die Gemütsruhe der Kolo- nialoerwaliung und ihre Unempfindlichkeit gegen über der öffentlichen Meinung an den Zuständen in Ostafrika. Dort ist nach wie vor das Rechen- bergsche Regime mit seiner Inderfreundlichkeit und seiner Abneigung gegen die deutsche Besiedlung maß gebend, und hat in letzter Zeit allerlei Triumphe ge feiert, auf die im einzelnen einzugehen zu weit füh ren würde. Herr v. Rechenberg mag ein tüchtiger Beamter und auch eine charaktervolle Persönlichkeit sein, aber zum Gouverneur von Ostafrika paßt er längst nicht mehr? In S ü d w est a f r i k a ist man Labei, den Riß in der Derufsvertretung des wichtigsten Wirtschafts zweiges der Kolonie, der Farmwirtschast, zu repa rieren. Da es in Rücksicht auf Gegensätzlichkeiten persönlicher Natur mit der Wiederaufrichtung des Farmerbundes offenbar vorläufig nicht geht, so ist man auf den Gedanken verfallen, eine Landwirt schaftskammer zu gründen. Wenn das auch kein voller Ersatz für eine freie Vereinigung nach Art des Farmerbundes ist, so verhütet sie doch, daß die Farmerschaft ganz ohne Vertretung bleibt. Eine Landwirtschaftskammer mußte sowieso nach Lage der Dinge tu Südwest nachgerade ins Leben treten. Die Arbeit in ihr unter vermittelnder Führung durch die Regierung wird die Farmer hoffentlich wieder einander näher bringen, und ein späteres Wiederaufleben des Farmerbundes in die Wege leiten. Was oben von Ostafrika gesagt ist, gilt bis zu einem gewissen Grade auch von Samoa. Auch dort herrscht ein Gouverneur, der an einer Politik fest hält, für die die öffentliche Meinung längst nichts mehr übrig hat. Aber Herr Dr. Sols läßt wenigstens mit sich reden und kann überdies mit einem Schein von Berechtigung sich an seine Anschauungen klam mern, weil er die Kolonie in ihren Uranfängen übernommen und in mancher Hinsicht Beachtens wertes geleistet hat. Kaum jemand kennt Land und Leute auf Samoa bester als Dr. Solf. Ader das hat ihn keineswegs vor Trugschlüssen bewahrt. Er tritt den braunen Samoanern nicht objektiv genug gegen über; er sieht in ihnen zu sehr nur die schöne, liebens würdige Raste, die er vor dem Untergang bewahren will, und denkt zu wenig daran, daß dies dauernd nur durch wirtschaftliche Assimilation möglich ist. Denn schließlich haben wir Samoa als Kolonie und nicht als Naturpark und ethnographisches Museum erworben. Und weil sich unter den früheren Verhältnissen leider eine starke Mischlingsbevölke rung gebildet hat und wenige weiße Siedler davon unberührt geblieben sind, so hält er eine erweiterte weiße Besiedlung für aussichtslos und gefährlich, statt im Gegenteil «irre solche mit aller Energie dem Mischlingsunwesen entgegenzufetzen. Die von ihm befürchteten Mißstände werden sicherlich ausbleiben, wenn die Regierung nur verheiratete Sied- ler hereinläßt, und deren Angewöhnung mit allen Mitteln unterstützt. Unternehmungslustige Leute mit einem Vermögen von 40—50 000 gibt es in Deutschland mehr, als Samoa unterbring«« kann, nur dürfen ft« nicht durch gouvernementale Warn rufe abgeschreckt werben, llebergroße Aengstlichkeit hinsichtlich der Akklimatisierung ist bei einem Kolo- nraloolk, das wir doch sein wollen, einigermaßen ko misch. Die deutschen Siedler haben sich in Süd brasilien, Ehr le, Südafrika usw. unter viel schwieri geren Verhältnissen angewöhnt; sie werben auch auf Samoa nicht versagen! Die Befiedlungsfrage gehört zu den großen kolonialen Fragen, bei deren Lösung unsere Kolonialverwaltung bis heute noch nicht glücklich operiert hat. Alle andern Kolonialmächte lasten sich di« Besetzung ihres überseeische« Besitzes durch An gehörige der eigenen Nation etwa» koste«. Nur wir find in dieser Hinsicht ängstlich, obwohl gerade unser deutsches Menschenmaterial kolonisatorisch welt berühmt ist. Gewiß hat die deutsche Kolonial verwaltung gelernt, die Kolonien durch Verkehrs, anlagen aller Art, sanitäre Einrichtungen usw. zu« gänglicher zu machen; sie hat für jedes Ding und für jede Lebenslage eine Verordnung geschaffen, aber dm» allen durch Herbeischaffung brauchbaren Men- schenmaterial» Leben einzuhauchen, hat sie nicht recht verstanden, und darum ist zu wünschen, daß sie mehr al» bisher diesem wichtigen Problem ihre volle Auf« ui zuwe nde t. Marokkanische verhanülungen Nach dem Sturm ist Ruhe eingetreten. Nach den Drohungen, Schmähungen und Verdächtigungen gegen Deutschland bekundet die Pariser Presse setzt zumeist eine kühlere und höflichere Haltung. Man hat doch eingesehen, daß das Deutsche Reich sich nicht schwach genug fühlt, um vor dem Gebrüll «iniger Menogerielöwen sogleich zu Kreuze zu kriechen. Nicht einmal der „Areopag" der Tripel-Entente tat seine Wirkung. „Am 14. Juli, dem Nationalfesttag, sollten alle Pariser rechts und links von der Triko lore die englische und die russische Fahne heraus« hängen. Das würde unter den gegenwärtigen Um ständen gewißen Ortes Eindruck machen." So schlägt ein Leser im „Matin" vor, und das Blatt hält den Gedanken für „verflucht gescheit". In Wahrheit ist man in französchen Regierungskreisen schon sehr weit von dem Gedanken eines strammen Vormarsches im Verein mit John Bull und dem russischen Büren ab gekommen, sintemalen der frühere Hauptmacher in der Hetze gegen Deutschland besagter John Bull, nicht mehr beim bloßen Nennen des germanischen Vetters rot sieht. Die Agadir-Frage reduziert sich heute auf Verhandlungen zwischen Paris und Berlin. Das ist sehr erfreulich, um so mehr, als die Regierung der Herren Laillaux-de Selves-Delcassä sichtbare mrd er folgreiche Anstrengungen macht, um die chauvinisti schen Schreier zum Schweigen zu bringen und „eine vertrauensvolle Atmosphäre für den diplomatischen Meinungsaustausch" zu schaffen. Diese Verhandlungen haben ja auch be reits begonnen. Der französische Botschafter in Berlin, Eambon, hat mit dem Staatssekretär von Kiderlen-Wächter am Sonntag eine erste Be sprechung gehabt, der weitere Konferenzen folgen werden. Was kann Deutschlands Standpunkt während der Verhandlungen sein? Es muß in Agadir verbleiben und dort weiter für eine deutsche „friedliche Durchdringung" sorgen, natürlich ohne jede Absicht, entgegen den Algecirasakten an der Zerstücklung des Sultanats teilzunehmen, und nur in dem Wunsche, auch an dem Zivilisationswerk mitzuwirken. Diese Position ist ganz unanfechtbar. Es wird ja auch weder von Frankreich noch von England definitiv die Räumung Agadirs gefordert, wenigstens von keiner offiziellen und verantwort lichen Stelle. Es liegt durchaus nicht im Interesse Deutschlands, den Algecirasvertrag als nicht mehr existierend zu bezeichnen. Erstens läßt sich Agadir sehr gut auf der Basis der Algecirasakte rechtfertigen, und zweitens lastet die Akte schwerer auf der fran zösischen als auf der deutschen Aktion. Der erste ent scheidende Moment ist vorüber: Weder Frankreich noch England wagten es, ihrerseits Kriegsschiffe nach Agadir zu entsenden. Und in Zukunft würden neue gefährliche Momente nur kommen, wenn inan in Deutschland eine geringere Ent schlossenheit zeigen würde. Niemand will wegen Marokkos den Krieg: das ist die Hauptsache. Staatssekretär v. Kiderlen-Wächter, dem man in Paris „Bismarcksche Fähigkeiten" nachrühmt, ohne Freude, aber jedenfalls auch ohne Ironie, scheint endlich der rechte Mann zu sein, der das Marokkoproblem ehren voll und zum Vorteil Deutschlands, zum Vorteil auch des europäischen Friedens, zu lösen imstande ist. England will mit verhandeln. Die Geneigtheit und der Wunsch Englands, an den deutsch-französischen Verhandlungen teilzu- nehmen, werden in folgenden, zweifellos offiziös in spirierten Zeilen des „Morning Leader" zu erkennen gegeben: „Wir hören, daß es der ursprünglich« Vor schlag der deutschen Regierung war, daß die marokkanische Frage zwischen Deutschland, Frank reich und Spanien, ohne England heran zuziehen, geordnet werden sollte. Die britische Re gierung steht indessen auf dem Standpunkt, daß Eng land Interessen in Marotta hat, die es zu einer Stimme bei Beratungen über die Zukunft jenes Landes berechtigen. Bei Durchsicht des französisch englischen Abkommens von 1904 wird es sich ergeben, daß England seine Rechte sorgfältig gewahrt hat, wenn es Frankreich auch Vollmacht in Marokko gab. Es ist so gut als sicher, daß Deutschland die Haltung Englands als richtig anerkennen wird. Die Gefahr des Augenblickes ist jedoch, daß Frankreich, auf die Hilfe Englands bauend, viel weitgehendere Rechte geltend macht, als er ohne diese Hilfe tun würde. Deshalb ist es von höchster Bedeutung, daß England sich nur verpflichtet, solche Ansprüche Frankreichs zu unterstützen, über die es vorher mit der britischen Regierung beraten hat. In der Behaup tung, daß Deutschland keine Stimme in Marotta und kein« Hand in dessen zukünftiger Entwicklung haben soll, liegt ebenfalls eine große Gefahr. Es ist sehr zu hoffen, daß die britische Regierung dieser Be hauptung nicht zustimmt. Deutschland von Marokko auszuschlicßen, wäre ebenso unvernünftig, als die Ansicht, daß England keine Stimme in den nun be ginnenden „Konversationen" haben solle, wogegen es fetzt protestiert. Es ist klar, daß in der M a r o k k o - Angelegenheit Fragen berührt werden, die ganz Europa angehen." Heber die Konferenz Tanrbon-Kiderle, sind in der französischen Presse zum Teil lange Be richte erschienen. Nach dem „Matin" habe der Bot schafter Tambon, in der Befürchtung, sich einen Refus zu holen, da» Verlangen, daß der Kreuzer „Berlin" Agadir verlassen solle, über« Haupt nicht gestellt. An deutscher amtlicher Stelle werden die Nach richten der französischen Blätter über das Gespräch in da» Reich der Phantasie verwiesen. Botschafter Tambon sei ein Mann, auf dessen Dis kretion man sich verkästen könne. Komplizier»»»- de« spanisch-marottanischeu Zwischenfall». Madrid, 10. Juli. Nach einem Telegramm au» Tanger hat der Sultan der spanischen Re« gierung keine Mitteilung von der Entsendung eines scherifischen De« tachement» von 250 Mann unter dem Befehl eine» Kaid» und mit einem französischen Instrukteur gemacht. Das Detachement soll in Buiezda, 6—7 Kilometer von Elksar entfernt, eingetroffen sein. Es hat, wie es scheint, die Absicht, sich in Elksar feft- zusetzeu. Die Dahlreform in Frankreich. Paris, 8. Juli. Don der ,,R. P." )ur.,R.M." und ;ur„N. P. M.",mit diesem Buchstabenrätsel werden die einzelnen Etappen der jetzt glücklichbeendetcnWahlreform- schlacht bezeichnet, bei der das Ministerium Monis gestürzt wurde und auch das Ministerium Eaillaux beinahe sein junges Leben eingebüßt hätte. Die Geschicklichkeit ocs neuen Regierungschefs trug viel dazu bei, daß sich jetzt die feindlichen Parteicien versöhnten, nachdem sie auch eingesehen hatten, daß die Fortsetzung des Kamofes zur gegenseitigen Ausreibung geführt hätte, d. h. zur Auflösung des Parlaments. Da sich die Anhänger der Verhältnis wahl, die die Mehrheit in der Kammer hatten, aus der Rechten, dem Zentrum und der äußersten Linken zusammensetzten, hätte man mit einer so widerspruchsvollen Majorität kein Ministerium zu bilden vermocht, das die Nachfolge der regic- rungsunfähigen radikalen Ministerien hätte an treten können. Eaillaux hatte als Hauptpunkt seines Programms die Aussöhnung der Republikaner in der Wahlreformfrage fcstgeietzt. Daß es ihm gelang, den harten Block der Provortionalisten zu zertrüm mern, war ein Verdienst Aristide Briands, oer nach einigen Erholungswochen wieder in der Kammer erschien und seine Leutnants vorsandte, um den „Arrondissementiers", den radikalen Verfechtern der bisherigen Wahltreiscinteiluna. alle nötigen Zuge ständnisse zu machen. Benoist, Iaures und die anderen puren Provortionalisten des Zentrums und des Sozialismus schrien Verrat, aber sie mußten sich damit zufrieden geben, einige Trümmer der „R. P." (Repräsentation Proportionelle) ausrecht zu erhalten. Die Republikaner der Linken hatten eine aus 16 Mitgliedern bestehende Kommission gebildet, die zunächst durch Abänderung der Texte die be rühmten Initialen „R. P." in „R. M." verwandelte: Representation des Minorites. Die Kammer billigte diese Verwandlung und setzte als Paragraph 1 der Wahlreform statt der bisherigen Majoritätswahl die Listenwahl mit Vertretung der Minori täten fest. Die Proportionalisten hatten gewünscht, daß an Stelle der bisherigen tleincn Wahlkreise hinfort die Departements als Wahlbezirke gelten und nur dann in zwei Wahlbezirke eingeteilt werden sollten, wenn sie ihrer Bevötkerungszahl entsprechend An recht auf mehr als 16 Deputiertensitze haben. Die Gegner verlangten, daß die Departements in' ebenso viele Wahlbezirke eingeteilt würden, als sie Anrecht auf je 7 Deputiectensitze haben. In der vorgestrigen Sitzung wurde diese letztere Einteilung mit 361 gegen 239 Stimmen angenommen. Kurz vorher hatte das Haus es abgelehnt, dem Rat des Ministerpräsidenten Eaillaux zu folgen und die Be.atung bis nach Len Sommerfericn zu vertagen. Diese kleine Schlappe war nicht sehr empfindlich für Herrn Eaillaux, da ihm in einer Kommissionssttzung am Abend die Ver tagung zugestanden wurde, sobald die Kammer den letzten Paragraphen der Vorlage votiert haben wird. Die Abstimmung über das Gesamtprojekt soll bis nach den Serien reserviert bleiben, so daß das Ministerium Zeit haben wird, genaue Fest stellungen über die voraussichtlichen Folgen der Re form für die republikanische Partei vornehmen zu lassen. Eaillaux hatte seinen Wunsch nach Vertagung damit begründet, daß er die von der Kommission in letzter Stunde gemachten Vermittlungsvorschläge zwar im Prinzip billige, ohne aber die Wirkung voraussagen zu können, lieber den dritten Para graphen herrschte in der Kammer Einstimmigkett: er lautete: „Jeder Liste werden so viele Teputiertensitze zugebilligl, als in der mittleren Ziffer der Abstim mungen für diese Liste der aus der Zahl der Ab stimmenden berechnete Wahlquotient aufgeht." Das will besagen, daß wenn für eine Parteilistc im Departement eine gewisse Anzahl Stimmen abge geben wurde, dieser Liste so viele Sitze zuerkanat werden, als sie im Verhältnis zu der auf sämtliche Listen abgegebenen Stimmenzahl und entsprechend den für das Departement insgesamt vorhandenen Deputiertensitzen zu verlangen berechtigt ist. In der gestrigen Kammersitzung wurde noch der vierte Para graph erledigt, der lautet: „Die übrigbleibenden Sitze werden der für sich allein bestehenden Liste oder der Gruppe von verwandten Listen zugebillig. die die relative Mehrheit erlangte." Lieser Tert will folgendes bemgen: Wenn die verhältnismäßige Aufteilung der Deputiertensitze im Departement tecn arithmetrisches, restloses Resultat ergibt, werden die verbleibenden Deputiertensitze jener Partei zuge sprachen, die im Departement oder in den Departc- mentsbczirlen die meisten Stimmen erhalten hat. Damit soll das zuerst von Brian d befür wortete „Prämiensyste ru" für die Majoritäts partei eingesührt werden. Der Radikalismus wider setzte sich der „R. P." deshalb, weil er nach dein bisherigen Majoritätsprinzip zu einer außer- ordentlich großen Zahl von Sitzen gelangt war, die er bei der puren Verhältniswahl zuin Teil eindüßen muß. In einer nach dem puren Verhältnisprinzip gewählten Kammer würde der Radikalismus nur im Verein mit den Sozialisten oder den Links republikanern eine schwache Mehrheit erreichen: Briand aber wies darauf hin, daß die Reform für die Republik nur dann ungefährlich sei, wenn die Regierung sich auf eine starke Mehrheit stützen könne. Um den ausländischen Leser das lehr komplizierte Verfahren, nach dem zukünftig in Frankreich gewählt werden soll, einigermaßen verständlich zu machen, wählen wir ein Beispiel: In einem Departement sind 7 Sitze »u vergeben. Es stehen sich 3 Wahllisten gegenüber, eine konservative, eine radikale und eine sozialistische. Insgesamt wurden 70000 Stimmen ab gegeben. Der Wstrhlquotient verlangt demnach, daß aus je 10 OM Stimmen ein Deputiertensitz entfällt. Die radikale Lifte erhielt 44000, die sozialistische 17000, die konservative 9000 Stimmen. Dann hat die radikale Partei Anrecht auf 4 Sitze, die sozia listische auf einen Sitz und die konservative auf keinen Sitz. Es bleiben nun L S.tze übrig. Sie fallen nach dem Prämienprinzip noch der radikalen Parte» zu, so daß sie von 7 Sitzen 6 erhält, was für die beiden Minoritätsparteien, die gerechterweise etwa auf 3 Sitze Ampruch hätten, nicht sehr erfreulich ist. Die Minoritätsparteien können sich nun durch eine vor den Wahlen öffentlich verkündete Listenver
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