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IS. November 48SS Rr. 26S Deutsche Allgemeine Zeitung «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» PreiS für da» Vierteljahr I'/, Thlr.; jede einzelne Nummer S Ngr. JnsertionSgebühr für den Raum einer Zeile L Ngr. Zu beziehen durch alle Postämter des I»- und Auslandes, sowie durch die Erpcdition in Leipzig lOuerstraße M. 8). Vonnabend. Eetpzig. Die ZtiMng erscheint mit Ausnahme dc« Montag« täglich und wird Nachmittag« 4 Uhr au«, gegeben. Deutschland. — Aus Süddeutschlimd, 12. Nov. In unserm Artikel vom 4. Nov. (Nr. 264) erachteten wir für denkbar, daß Rußland sich bestimmen könne, auf den Besitz von Bolgrad zu verzichten und damit Oesterreich und Eng» land feden Borwand zur Verlängerung der Besetzung der Donaufürsten, thümer und des Schwarzen MeereS zu entziehen. Wir übersahen dabei je- doch keineswegs den Fall, daß Rußland nicht gemeint sein werde, einen solchen Verzicht zu leisten, und daß also die von Oesterreich und England im Einvernehmen mit der Pforte gestellte und von Frankreich nachgesehene Bedingung der Räumung vorerst nicht in Erfüllung ginge. Für diesen Fall machten wir uns vielmehr dahin schlüssig, daß Bolgrad, trotzdem daß die Verlängerung der Okkupation an und für sich mit dem Pariser FriedenS- verlrage rechtlich unvereinbar bleibe, dennoch der Nachgiebigkeit zu Ehren als die Bedingung der Räumung auf solange faktisch fortbestehcn solle, bis über Bolgrad als streitigen Punkt entschieden sein werde. Kaum haben wir nöthig beizufügen, daß es nur die zweiten Pariser Confercnzen sein konnten, die wir als entscheidende Behörde hierbei im Auge hatten. Erwogen wir indessen die Mittheilung gutunterrichteter Blätter, daß Oesterreich und England wenig geneigt seien, solche Conferenzcn zu beschicken, während Frankreich und Rußland den baldigen Zusammentritt wünschten, so warfen wir auf Preußen als diejenige Macht unsere Blicke, welche sich, weil sie nun einmal bei der Donaufrage nicht zunächst und direkt belheiligt ist, die Aufgabe zu vindiciren habe, zwischen die divergirenden Ansichten zu treten Und die baldige Berufung der zweiten Conferenzen in dem Sinne zu ver mitteln, daß darauf nicht blos die Donaufragc, sondern auch alles übrige Gewölk seine Lösung finden solle, was dermalen gewitterschwanger am po- Mischen Horizont hängt. Hat es auch den Anschein, daß Preußen in der Donaufrage insoweit auf der Seite von Frankreich und Rußland steht, als e- die verlängerte Besetzung nicht durch den Friedensvertrag gerechtfertigt findet, so benimmt dieser Umstand jenem Vcrmittelungsberufe doch nicht das Mindeste. Erlaubt sich die Frankfurter Postzeitung bezüglich einer sol chen Stellung im voraus Anspielungen, die, wenn nicht böswillig, doch zwtideutig und leichtsV'tig sind, so wird sich Preußen um derlei Einflüste rungen umsoweniger bekümmern, als die Donaufrage eine Rechtsfrage und in dikser Eigenschaft von der österreichischen officiosen Presse ausdrücklich anerkannt ist, und als die zweiten Pariser Confercnzen selbstverständlich ge rade die Verhütung von Sonderbündnissen durch eine allgemeine Verstän digung über die brennenden Fragen zum Ziele haben sollen. Mit ziemlich friedlichen Gedanken beschäftigt, werden wir daraus einigermaßen durch die Nachricht aufgestört, daß es den vereinten Bemühungen der englischen und österreichischen Diplomaten zu Konstantinopel gelungen sei, das türkische Ministerium zu stürzen, an dessen Stelle ein Ministerium Rcschid - Pascha zu setzen und damit dem französischen Einfluß einen sehr empfindlichen Schlag beizubringen. Dieses Ereigniß ist völlig geeignet, die Aussichten zu trüben, welche unserer Ausführung vom 4. Nov. zufolge für eine glättere und befriedigendere Abwickelung der BesehungSangelegenheit möglicherweise gegeben waren. Unsere Besorgniß wird durch den bcachtenswerlhrn Umstand verstärkt, baß die Andeutung der Oesterreichischen Correspondenz, als sei eine Vereinbarung zwischen Oesterreich, England und der Pforte über die Fortdauer der Besetzung der Donausürflenthümcr und des Schwarzen Mee res im Zuge, durch ein Uebereinkommen vom 23. Oct. bereits in Erfül- lüng gegangen zu sein scheint. Es ist Grund zu der Vcrmuthung vorhan- den, daß ein so einseitiges Vorgehen in Paris böseS Blut machen und den Eindruck einer Verletzung hervorbringen werde. In Anbetracht alles Dessen, was Frankreich in der orientalischen Frage geleistet hat, müßten wir einen solchen Eindruck allerdings um so begreiflicher erachten, als jenes Vorgehen in der That das Gepräge einer grellen Rücksichtslosigkeit an sich trägt. Je größer indessen die Schwierigkeiten werden, desto verdienstlicher ist es, sie zu überwinden. Demgemäß wird Preußen seine Bermitlclungsaufgabc nunmehr nur um so eifriger, entschiedener und beharrlicher aufzufassen und zu erfüllen haben. Preußen. ^Berlin, 13. Nov. Die Sprünge der Krcuzzei- tung gegen die greifswalder Ehrenpromotionen sind nachgerade in einen wahren St.-Veitstanz auSgeartet. Was will die fromme Krcuzzei- tung? Daß seitens der greifSwalder Universität keine politische Demonstra tion stattgefunben hat, noch überhaupt beabsichtigt gewesen, liegt für Je den, der die Dinge nicht anders sehen und machen will, al- sie wirklich sind, auf der Hand. Die Universität hat an ihrem Ehrentage eine große Anzahl von Ehrenpromotionen, nach altem Brauch bei solchen Anlässen, vorgenommen, und als die zu Ehrenden hat sie vorzugsweise auch solche Ca paeitäten und vekditnt« Männer ausgesttchr, weicht früher in Greifswald ihre Studien gemacht haben. Bon diesen Männern sitzen nun freilich einige auf den Bänken der Opposition, andere aber folgen auch wieder einer andern politischen Richtung. Schon aus diesem einfache» Grunde kann von einer politischen Demonstration keine Rede sein. Die Universität hat sich, al« Vertreterin der freien Wissenschaft, über die politischen Parteien gestellt, und von diesem Standpunkte, dem allein würdigen, gehandelt. Diese Sachlage ist so einfach, klar und natürlich, daß man jetzt von den greifs- walder Ehrenpromotionen gewiß kaum noch reden würde, wenn die Kreuz- zeitung bas Ganze nicht von vornherein entstellt und das Entstellte dann nicht mit dem ihr eigenthümlichen fanatischen Skandal so ausgebeutet hätte. Wer hat aus Doctorpromotionen jemals eine politische Parteifrage gemacht? Hat die liberale Presse sich etwa auch ihrerseits darüber aufgehalten, daß die greifswalder Universität auch solche Männer zu Docloren ernannt hat, welche in ihrer politischen Richtung nichis weniger als zur Opposition, oder gar vollends zur Partei der Krcuzzeitung gehören? Aber das ist cs ja eben: die Männer der Krcuzzeitung wollen nun einmal Keinen dulden, der nicht zu ihrer Fahne schwört. Daher auch die Quintessenz de- Ganzen in der Auffoderung an die Regierung, die Lehrerstellen a» den Universitäten künftig ja doch nur mit der größten Vorsicht und „Gewissenhaftigkeit" zu besetzen. Bevor wir auf diese Quintessenz etwas näher eingehen, haben wir nothwendig, noch einen andern Punkt hervorzuheben. In ihren ersten Skandalartikeln hat die Kreuzzeitung die Phrase „die Regierung Sr. Ma jestät" vorgeschoben. Durch diese Phrase erschienen jene Artikel, und die schlaue Kreuzzeitung mußte das sehr wohl überlegt haben, al- ob sie mehr oder weniger officiosen Charakters wären. Ein officiöses Organ ist die Krcuzzeitung nun aber durchaus nicht; sie ist blos da für sich und ihre Partei. Will die Regierung über irgendeinen Punkt ihre Meinung aus- drücken, so hat sie dazu ihre eigenen Organe. In dm officiösen Organen hat bisjctzt aber kein Wort über die Sache gestanden, und Sie werben auch nicht gefunden haben, daß in den officiosen Correspondcnzcn irgendeine Aeuße- rung darüber vorgrkommen wäre. Die Regierung hat also mit Dem, was in der Kreuzzeitung über die greifswalder Angelegenheit gesagt wird, auch nicht da- Allerentsernteste gemein. Ucbcrhaupt ist in Preußen der Standpunkt der Regierung und der Krone der Wissenschaft und na mentlich den Universitäten gegenüber immer der liberalste gewesen, und noch am verflossenen 15. Oct. ist eS in der Festrede in dec Akademie der Wissenschaften sehr richtig hcrvorgehoben worden, daß die Könige Preußen« die Wissenschaft nicht blos unterstützten, insofern sie dem Staate nütze, son dern um der Wissenschaft selbst willen. Preußen hat sich auch immer wohl dabei befunden, und es kann geradezu gesagt werden, daß in der Befolgung und strengen Festhaltung dieses liberalen PrincipS der Wissenschaft gegen über die Stärke Preußens nicht minder liegt als in seinem Heere. Da« Gebühren der Krcuzzeitung erscheint deshalb noch ganz besonder- in einem zweideutigen Lichte, umsomehr, als es bekannt ist, daß man in den Worten scheinbar im Interesse der Regierung und der Krone reden und doch nur seine eigenen Zwecke verfolgen kann. Die höchste Trcuc, die höchste Ehr furcht gebührt in Preußen dem König und seinem Hause. Die Wissenschaft hat es an dieser Treue und Ehrfurcht noch nie fehlen lassen. Auch die Kreuzzeitung meint eS in dieser Beziehung gewiß ganz gut; Jeder indessen hat seinen bcsondern Standpunkt, von welchem aus cr die Dinge ansieht, und wenn wir bedenken, daß die Kceuzzeitung auf die von dem Preußi- sehen Wochenblatt jüngst aufgeworfenen Fragen bisjetzt noch immer nicht geantwortet hat, so muß uns das Geschrei, welches sie jetzt über die je denfalls doch sehr untergeordneten Ehrcnpromolionen erhebt, etwa- höchst sonderbar vorkommen. Wäre der bewußte Hr. Lindenberg in Minden zum Ehrendoctor ernannt wordcn, so würde die Kreuzzeitung, obgleich derselbe erst kürzlich wegen Beleidigung des Prinzen von Preußen und außerdem früher noch !8 mal und unter Andern, auch zum Verlust der Nationalcocarde verurtheilt wordcn, vielleicht etwas dagegen nickt cinzuwcndcn gehabt haben. ES gibt gewisse Dinge, die sich für jetzt noch nicht näher erörtern lassen, und darum drecken wir hiervon ab. Das Gesagte ist übrigens doch schon vollkommen genügend, um dir Quintessenz Dessen, was die fromme Kreuzzeitung eigentlich will, klar herauszustellen. Die Wissenschaft soll zur Magd gemacht werden, nicht zur Magd de- SlaatS, dcr eine solche Dienerin nicht will und niemals wollen kann, sondern zur Magd der Kreuzzeitung. Und das wäre denn schließlich trefflich zu verein- baren, wenn nicht zu idcntificiren mit der Bedeutung deS bekannten Aus- spruchs des Hrn. Stahl, des gewaltigen Mitstreiter- in den heiligen Spall- ten der Kreuzzcitung: „Die Wissenschaft muß umkehren." Dic Wissenschaft freilich kann nur darüber lachen. Obgleich Galilei in den Kerker gewor fen wurde, als cr bewies, daß die Erde sich um sich selbst drehe, so dreht sie sich doch, und obgleich der bekannte Ketzermcistcr Hogstraaten zu Köln gegen Ketzer und ketzerische Schriften da- Seinige that, so hat die Ketzerei inzwischen doch ziemlich erkleckliche Fortschritte gemacht. Darum wird e« der Wissenschaft auch wol nicht viel schaden, wenn gewisse Nachgrborene