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ZchimbmM Tageblatt Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Donnerstag, den 19. Mar 114 1887 Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgafse; in Rochsburg bei Herrn Buchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn, Buchhdlr. E. Dietze; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn.Buchh. I. Wehrmann. Witteruugsaussichteu für dm 19. Mai: Bei Westwind von mittlerer Stärke ziemlich bewölkt bis regnerisch. Temperatur wmia verändert. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. S5 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgafse 255. Zugleich weit verbreitet in dm Städten Penig, Lunzenau, Lichtensteiu-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Brüunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. und Waldenburger Anzeiger BreunholzAuction. Montag, den 2». Mai 1887, Mittags 12 Uhr j sollen auf der hiesigen Mühlinsel mehrere Haufen Späne und Bauholzabfälle meistbietend verkauft werden. 1Fürst!. Rent- und Bauverwaltnng Waldenburg. Französisches Ministerium Entlassung ein gereicht. "Waldenburg, 18. Mai 1887. Eine große Arbeiterbewegung ist abermals in den belgischen Kohlenbezirken ausgebrochen, welche einen so bedrohlichen Charakter in Folge der Massenstrikes an genommen hat, daß überall die Truppen concentrirt i worden sind. Und von den Jndustriebezirken dehnt sich die Bewegung auf die zunächst nicht betheiligten großen Städte aus, wodurch die Gefahr wächst, und eine Wiederholung der bekannten vorjährigen Massenaus schreitungen — früher oder später — in die Nähe gerückt wird. Es ist sehr bedauerlich, daß die belgische Regierung aus den vorjährigen Excessen nicht die nö- thigen, ernsten Lehren gezogen hat und es ist deshalb i nicht zu verwundern, wenn die Agitatoren und Auf- ' wiegler bei der unzufriedenen Menge ein leider nur zu j williges Gehör finden. Belgien wird dadurch immer ! mehr zu einem Heerd der socialistisch-anarchistischen ! Revolution, von dem die Flammen nach allen Seiten j schlagen können. Eine vorjährige amtliche Untersuchung hatte festgestellt, daß die Arbeitslöhne im Durchschnitt furchtbar niedrig sind, daß Kinder zu den schwersten Arbeiten in den Gruben mit herangezogen werden, daß Schutzmaßregeln fast gar nicht existiren, und end lich, daß die Entschädigungen für Arbeiter, welche durch einen Unfall verdienstunfähig geworden sind, kein men schenwürdiges Dasein gestatten. Die Löhne konnte die Regierung nicht steigern, wohl aber konnte sie dieJn- dustrieverhältnisse durch Arbeiterschutzgesetze regeln. In der Thronrede, mit welcher die belgischen Kammern tm vorigen Herbst eröffnet wurden, ist den Arbeitern auch thatkräftige Unterstützung versprochen; indessen geschehen ist, wie von vornherein befürchtet wurde, nicht das Geringste. Das ist Wasser auf die Mühle der Agitatoren, und die Arbeiter werden nun aus allen Kräften gegen Arbeitgeber und Staat aufgewiegelt. Mit welchem Erfolge, zeigt sich klar. Das Unterbleiben der Arbeiterschutzgesetzgebung, .die so unendlich nöthig ist, bildet aber nicht das einzige Motiv. Die Forderung der allgemeinen Wehrpflicht ist von den besitzenden Klassen der belgischen Städte bekämpft, und sie hat auch für jetzt keine Aussicht auf Durchführung. Das hat die Arbeiterkreise maßlos erbittert. Einsichtige belgische Staatsmänner erklären die allgemeine Wehrpflicht für unbedingt nöthig, wenn Ruhe in's Land kommen soll; der jetzige Zustand hebt die Ungleichheit der Klassen zu schroff hervor. Den Krug .zum Ueberlaufen hat aber das von der Kammer beschlossene Fleischzollgesetz gebracht. Der Zoll ist Nicht bedeutend, aber die Aufwiegler malen den Arbei tern das Schwarze so schwarz wie nur möglich. Das Zollgesetz ist auch noch gar nicht in Kraft getreten; mit Absicht ist die Einberufung des Senates der ersten Kammer, um ihm das Gesetz vorzulegen, bis zu Ende dieses Monats verzögert. Die Annahme ist freilich gesichert, und der Uebermulh der großen Viehzüchter macht alle Vorsicht zu Nichte. Haben sie doch auf dem Brüsseler Viehmarkt schon jetzt den Preis für Ochsen per Stück UM 70 bis 80 Franken gesteigert! Das hat böses Blut gemacht und eine allgemeine Ar- beitergährung hervorgerufen. Die belgische Regierung > ist in großer Verlegenheit, wie sie den Sturm beschwö- - ' ren soll, zur Dämpfung von Unruhen und zur Ver- - Hinderung von Ausschreitungen hat sie Militär zur ! Hand. Aber ein gewaltiges Niederschlagen der Bewe- ; gnng tödtet diese nicht für immer. Vor zwölf Mo naten ist von den Truppen gewiß energisch vorgegan gen, mancher Arbeiter ist bei dem Aufruhr erschossen, und doch stehen jetzt die Verhältnisse genau so wieder, wie damals. Belgien hat die freieste Verfassung in ganz Europa, sie bietet zahlreiche Freiheiten und Rechte — aber nur für die reichen Leute. Darin liegt der Keim allen Uebels. Es kann gar nicht daran gedacht werden, der Arbeiterbevölkerung das allgemeine Wahlrecht zu geben, dazu ist diese politisch viel zu unreif, aber thut die Regierung wie bisher rein gar nichts, so haben Anarchisten und Socialisten stets ge wonnenes Spiel. Daß es schon sehr weit glommen, beweist der Umstand, daß auch die Geistlichen in dem sonst so streng katholischen Lande hier nichts auszu richten vermögen; die Leute hören nur auf das wüste Geschrei der Agitatoren. Auf die Dauer kann das nicht so weiter gehen! In Belgien steht es gerade wie in Rußland, Reformen sind in beiden Staaten eine dringende Nothsache. .Ohne dem geht es schließ lich zur Katastrophe. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Am Dienstag Vormittag nahm der Kaiser den Vortrag des Polizeipräsidenten von Richthofen entgegen und erledigte darauf Regierungsangelegenheiten. Um 11 Uhr begab sich der Kaiser mit der Frau Groß herzogin von Baden nach Potsdam und nahm dort die Parade über das Lehr-Jnfanterie-Bataillon ab. Dann war Dejeuner im Neuen Palais. Nach einem Besuch von Babelsberg erfolgte die Rückkehr nach Ber lin. Mittwoch Vormittag gedenkt der Kaiser auf dem Tempelhofer Felde eine combinirte Garde-Jnfanterie- Brigade zu besichtigen. Contre-Admiral Knorr, der bisherige Commandeur des Kreuzergeschwaders, hatte am Montag die Ehre, dem Kaiser einen Orden des Sultans von Zan zibar überreichen zu können, welcher eigens für den Kaiser angefertigt ist. Das ovale, in Email ausge führte Bild des Sultans ist von einer dorchbrochenen goldenen Einfassung umgeben, welche auch mit Diaman ten besetzt ist. Der Orden, dessen einzelne Theile in Europa und Afrika hergestellt sind, ist ein Unikum. Er ruhte in einer schweren silbernen Kassette. Ein ähnlicher, aber kleinerer Orden ist für den Reichs kanzler bestimmt. Der Prinz-Regent Luitpold von Bayern hat seine geplante Reise nach Wien um acht Tage verscho ben, da er der am 18. Mai in München stattfinden den Großjährigkeitserklärung seines ältesten Enkels, des Prinzen Rupprecht, beiwohnen will. In einem Erlaß an den Minister des Innern dankt der Regent für den ihm während seiner letzten Rundreise bereite- l ten herzlichen Empfang. f Dem Bundesrath in Berlin sind die Uebersichten ' über die auf den deutschen Münzstätten im Jahre I 1886 erfolgten Ausprägungen von Gold- und , Silbermünzen zur Kenntnißnahme zugegangen. Darnach sind im vergangenen Jahre geprägt und zwar nur in Berlin an 20-Markstücken 1,779,770 Stück, an 10-Markstücken 14,498 Stück, im Betrage von 35,740,380 Mark. An Silbermünzen sind ge prägt worden, und zwar in Berlin, Dresden, Mün chen, Stuttgart, Karlsruhe und Hamburg nur Ein markstücke und zwar 4,848,582 Stück. Ueber anarchistische Untersuchungen wird der „Frkf. Ztg." aus Elberfeld geschrieben: Seit einigen Tagen verweilt hier ein Untersuchungsrichter des Reichs gerichts, welcher bereits zahlreiche Personen von hier und aus Barmen zu Protokoll genommen hat. Es handelt sich dabei um nähere Feststellungen bezüglich anarchistischer Umtriebe, die sich noch bis in die Zeit des Attentatsversuches am Niederwalddenkmal und der Ermordung des Polizeirathes Dr. Rumpf in Frank furt a. Main erstrecken sollen. Die Veranlassung zu diesen neuen Untersuchungen bot, wie man hört, zu nächst die im Februar d. I. an der belgischen Grenze erfolgte Verhaftung des bekannten Anarchisten Neve, die alsbald noch weitere Verhaftungen von verdächtigen Persönlichkeiten im Gefolge hatte. Wie nach den „Hamb. Nachrichten" verlautet, geht dem Reichstag noch in dieser Session ein Gesetz wegen Verfolgung und Bestrafung von Spionen zu. Dasselbe ist schon seit längerer Zeit geplant und nicht erst durch Schnebele veranlaßt. Die belgischen Delegirten, welche in der Angelegen heit Ostende-Dover nach Berlin gereist waren, haben eine ablehnende Antwort erhalten. Die deutsche Post verwaltung soll versuchsweise die Linie Vltssingen- Queensborough wählen wollen. Deutsche Zeitungen Brasiliens erlassen Warnungen vor derAuswanderuug nach der brasilianischen Provinz S. Paulo. Wie diese Blätter mittheilen, hat die brasilianische Regierung mit dem bekannten spekulativen Conselheira da Costa Pinto einen Contract behufs Einführung von 5000 Einwanderern aus Nord europa abgeschlossen. Es handelt sich diesmal haupt sächlich um Verleitung Deutscher zur Auswanderung als Arbeiter für Pflanzungen nach S. Paulo. Pinto erhält von der Regierung 60 Mark für jeden mehr als zwölfjährigen Einwanderer, 30 Mark für jeden Einwanderer im Alter von 8 bis 12 Jahren, und 15 Mark für jeden von 6 bis 8 Jahren. Ein Commen- tar hierzu ist überflüssig. Zu bemerken ist nur noch, daß, wie mitgetheilt wird, die brasilianische Regierung bereits einen Agenten nach Nordeuropa gesandt hat, der in deutschen Zeitungen für die Auswanderung nach der Provinz S. Paulo Propaganda machen soll. Also vorgesehen! In Breslau ist in der letzten Zeit eine ganze An zahl von Personen wegen socialdemokratischer Um triebe verhaftet worden. Ueber Bruno Geiser und andere Agitatoren ist wegen des schwebenden Processes die Briefsperre verhängt worden. Aus Straßburg wird der „Kreuzztg." über das früher so viel besprochene Thema der französischen Barackenbauten geschrieben: „Wir rechneten da rauf, daß mit der Verstärkung unserer Truppen in den Reichslanden die gleiche Maßregel in den französischen Grenzlanden eintreten und die Belegung der Baracken, welche Raum für mindestens 30,000 Mann haben,