Volltext Seite (XML)
MsdmsserTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, ««.Wilsdruffer Tageblatt' erscheint täglich nachm. s Uhr sür den salzenden Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in »er «eschäftsstclie und den Ausgabestellen 2 Wt. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 Mit., bei Pöstbcstellung AllrPostimstaltea Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und unsereAus. teiger und Deschastsstcllcn — 7 nehmen zu jederzeit Be. p-llunge« entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht »ein Anspruch auf Lleserung der F-itung oder KSrzung des Bezugspreises. — Aücksendung eingesandter Schriststveke ersolgt nur, wenn Porto b-iliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gefpaltene RaumzeileGoldpfennig, die 2gespalteneZeile der amtlichenVekanntmachungen40Gold pfennig, die 3 gefpalLeneAeklamezeNe im textlichen Teile 100 Goldpfennig. Rachweisungsgebühr 20 Goldpfennige. Vor- LLnWS Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 annahme dis norm. Ivllhr Für die Nichtigkeit der durch Fcrnrus übermittelten An zeigen übernehmen wir deine Garantie. JederRabnttanspruchcrlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden mutz oder der Austraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meitze«, des Amtsgerichts und Stadtrats z« Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. Rr.177 — 83. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt- Wilsdruff-Dresden Post check: Dresden 2S4V Donnerstag den 31 Juli 1924 Wer fließt! Ein griechischer Philosoph tat einmal den Ausspruch, daß alles im Fluße ist. Er sprach -damit eine große Welt weisheit aus, die immer wieder durch die Tatsachen be stätigt wird. Das Alt auch von der Londoner Konferenz, die derartig im Fluße ist, daß man manchmal befürchten muß, daß sie ganz zerstießt. In der letzten Woche glaubte man in London schon, den Stein der Weisen gefmioen zu haben. Man rüstete sich, am vergangenen Montag das Tip felchen auf das i und- den Schlußstrich unter das Ganze zu setzen. Aber es kam wieder einmal anders, wie so ost im Leben. Die mit so vielem Geschrei vugekündigte Sitzung endete wie das Hornberger Schießen. Man schob die wich tigsten Fragen wieder einmal auf die lange Bank, in der Hoffnung, daß vielleicht in der Zwischenzeit irgendeinem ein rettender Gedanke einfällt. Im Mittelpunkte des Interesses nicht nur in London, sondern ganz besonders auch bei uns steht die Frage der Einladung Deutschlands. Wr Frankreich war es von vornherein eine ausgemachte Sache, daß Deutschland, wenn man ihm überhaupt eine Einladung zuschickte, höchstens als gehorsamer Diener zu erscheinen habe, um mit demütig gebeugtem Rücken das Diktat entgegenzunehmen»unÄ die Un- terschrist unter ein Abkommen zu setzen, das uns zu den alten untragbaren Aasten neue aufbürdet, womit die Vetstladung des deutschen Volkes endgültig vollzogen wäre. Das war Poincarös Programm, -wie es jetzt Herriot ausführt. Im Innern feines Herzens denkt dieser ver mutlich anders. Aber die Furcht vor der Opposition und dem Groll Poincarös läßt ihn eben anders handeln als denken. Aus dieser Sackgasse wurde er durch den englischen Vorschlag befreit, wonach Juristen untersuchen sollten, ob Deutschland nl^ Verhandlungsteilnechmer eingeladon werden müsse. Diese Entscheidung liegt nun zugunsten Deutschlands vor. Klarerwei-se hätte sich die Montagkonferenz sehr kurz fassen können und die Einladung ergehen lassen müssen. Jetzt kam aber ein neues Hindernis. Die Deutschen sollen e r st e rscheinen, w errndie Einigkeit unte r de n Alliierten hergestellt ist. Damit hapert es aber sehr energisch. Drei Konunifsionen hatten sich im Schweiße ihres Angesichts bemüht, hier ein vollständiges Programm aufzu stellen. Es sollte ihnen auch schon gelungen sein. Am Mon tag mußten sie jedoch erklären, daß davon noch keine Rede sein könne. Wir wissen es aus den Meldungen^ däß in allen drei Hauptfragen der Starrsinn der Franzosen eine Einigung unmöglich macht. Die Einladung Deutsch lands kann man natürlich nicht umgehen. Da man aber bei der Flüssigkeit der Dinge den- Zeitpunkt noch nicht bestimmen kann, überließ man- ihn den groß enFünf, die dann auch gleichzeitig den Auftrag bekamen, die ReparationskomMission ebenfalls nach London zu bitten. Gewissermaßen um den Deutschen, die sehnsüchtig auf die Einladung warten, ein Pflaster auf die Wunde zu legen, -bemüht man sich ans der Gegenscite, ihnen klarzumachen, daß man siekeinemDik- tat unterwerfen will. Was bei alledem für uns dabei herauskommt, läßt sich Natürlich nicht sagen. Wir werden aber gut tun, unsere Er wartungen nicht allzuhoch zu spannen. Jeder Fluß strömt einein Ende zu. Doch läßt sich bei ihm, der durch User be grenzt ist, einiges über seinen Lauf sagen. Das ist bei Ver- haiMungen, wie bei denen in London, wo die Verhandeln den selbst kaum wissen, was sie wollen, außeroridentlich schwierig. Bisher hat man sich bei ähnlichen Gelegenheiten imrner mit einem Kompromiß geholfen, ein Ausiveg, den man -mich diesmal lvählen wird. Jedoch wurden bisher alle Kompromisse auf Deutschlands Kosten geschloffen. Was bis jetzt aus den Kommissionen bekannt geworden ist, läßt solches auch diesmal befürchten. Unsere Delegation wird deshalb einen sehr schwerer, Stand haben. Herr Coolidge ist zwar außerordeEch zuversichtlich. Unsere Vertreter würden aber einen unverzeihlichen Fehler begehen, wenn sie sich diesen Optimismus zu eigen machen und danach ihre Dispositio nen treffen wurden. Bei Dingen, die derartig wie in Lon don M ?enftteßen drohen, ist es immer besser, daß man sich auf das Schlunmste gefaßt macht. Dann kann man we nigstens nicht enttäuscht werden. Unerwartete Schwierigkeiten. VirSeaingungrn aer Anleihe. Dreierlei Garantien. Aus Loudon wird unter dem Datum des 29. Juli gc- llwldet: Zerrte wird eine wichtige Sitzung der amerika nischen, britischen und alliierten Bankiers stattfinden, wahrscheinlich unter dem Vorsitz Lamonts von der Firma Morgan u. Co., um die notwendigen Bedingungen der Anleihe zu erwägen. Wie verlautet, haben die Bankiers drei Arten finanzieller Garantien vorgesehen: 1. Allgemeine Garantten aller teilnehmenden Mächte, 2. Eine individuelle Garantie jeder Macht, tue eme sepa- . rate Aktton unternimmt, 3- Garantie der Bankiers der unter 2. erwähnten Machte. Man beachte Punkt 2, aus dem der Pferdefuß hervo^ In einem Nebensatz -versteckt werden da dow Sonderaktionen einzelner Mächte alsetwas Ge gebenes erwähnt. Wenn sich die Bankiers damit ab finden, so ist das ihre Sache, Deutschland aber kann sich mit einer solchen Regelung nicht einverstanden erklären. Deutschland kann nicht die neuen Lasten, die ihm der Dawes-Plan auferlegt, auf sich nehmen, wenn es weiter der Willkür Frankreichs ausge liefert bleibt. Ganz abgesehen davon, daß hier mit un scheinbaren Worten Frankreich (und Belgien) durch inter nationale Abmachung ein Recht zugestanden würde, das ihm bisher sogar seine Alliierten abgesprochen haben. Das Sachverständigengutachten ist nicht ausgearbeitet -worden, um Deutschland zu Helsen — das wissen wir —, sondern um der Welt den Frieden wiederzugeben. Für dieses hohe Ziel wollen wir Opfer bringen, aber das Ziel wird niedergerissen, -wenn weiter Kriegsmaßnahmen gegen uns, und nur gegen uns, erlaubt sein sollen. Und nichts an deres als Kriegsmaßnahmen sind und -bleiben militärische Sanktionen. kin Vorstoß Logans. London, 29. Juli. Vor der Vollkonferenz trat gestern noch der erste Aus schuß zusammen. Die Verhandlungen waren wieder ein mal ans dem toten Punkt angelangt, als der -amerikanische Oberst Logan einen unerwarteten, höchst dramatischen Vor stoß unternahm. Er erklärte, daß es eigentlich zwecklos sei, wenn der Ausschuß SicherheitsSedingungen für die An leihe festzusetzen wünschte, bevor die interessierten Parteien, d. h. die Deutschen als die Anleihesuchenden, die Bankiers als die Anleihegeber und die Reparationskommiffion als diejenige Stelle, die die besonderen Einnahmequellen für i die Anleihefrage zu geben habe, sich unter sich geeinigt hätten. Theunis griff den Gedanken sofort auf, während England und Frankreich auf die Anregung nicht eingingen. ÄM wieder « MWge, «der keine EWU Ein französisch-belgisches Programm für die militärische Räumung. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 3V. Juli. Der Londoner Sonderberichterstatter des „Quotidien" schreibt: Die Konferenz werde sich nicht offiziell mit der militärischen Räumung des Ruhrgebiets beschäftigen. Der englische Ministerpräsident habe die Aufmerksamkeit Frank reichs daraus gelenkt, ob es nicht ein Interesse daran habe, daß diese Frage im jetzigen Augenblick geprüft werde. Herriot habe sich dieser Auffassung nicht entzogen und die französische und die belgische Delegation hätten jetzt das Programm der militärischen Räumung des Ruhrgebiets ausgestellt. Diese» Plan würde man der deutschen und der britischen Regierung mitteilen; vielleicht würden sie sogar mit den deutschen Delegierten einige Punkte desselben erörtern, denn außer den Fragen der Bezahlung,, über die es keine Zweideutigkeit geben könne, werf die Räumung des Ruhrgebiets politische Fragen auf. Man habe in Verbindung damit von einem Tauschgeschäft gesprochen. Das sei kein glück liches Wort, denn daraus könnte man schließen, daß Frankreich fordere, daß man ihm die Zurückziehung seiner Truppen bezahle. In Wirklichkeit aber stoße die öffentliche Meinung der ganzen Well, besonders aber in England, sich an dem Worte Ruhr. Die Ruhr sei das Symbol einer tragischen Erinnerung und eine beunruhigende Warnung an Frankreich, spontan und rasch aus dem ! Ruhrgebiet herauszugehen. Damit würde Frankreich den vollen s Beweis feines guten Willens liefern und zu gleicher Zeit eine Handlung vollziehen, die für die französische Politik von größtem Nutzen fei. In diesem Sinne dürfte man annehmen, daß die rasche militärische Räumung des Ruhrgebietes zum Erfolg der Londoner Konferenz beitragen werde. HuG Amerika lorckert. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Rotterdam, 30. Juli. Wie die „Morningpost" meldet, hat Botschafter Kellvg in der gemeinsamen Vorbespre chung der alliierten Minister am Samstag die afrikanischen Ansprüche an Deutschland insbesondere für Erstattung der ame rikanischen Besatzungskosten, mit 280 Millionen Dollar zur An meldung gebracht. Die amerikanische Regierung verlange die Rückerstattung im Rahmen der allgemeinen Reparationszahlun gen, wie sie der Dawes-Plan vorsehe. Herriot «nd Theunis wünschen Ver stärkungen. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer- Tageblattes". London, 30. Juli. Theunis erklärte, er wünsche, seinen Außenminister zu den Besprechungen der großen Füm nunmehr hecanzuziehen. Herriot erklärte sein Einverständnis unter der Bedingnug, daß er seinen Finanzminister mitbringen dürfe. Diese f Tatsache deutet auf bevorstehende wichtige Beschlüsse hin. Die französische Kompromitzformel noch nicht fertig Paris, 30. Juli. Nach einer Havasmcldung aus London haben die beiden französischen Sachverständigen Aron und Willian Fisher, zu denen sich der jrauzösische Jurist Franageot gesellt hat, während des ganzen gestrigen Nachmittags an der Abfassung der französischen Kompromißsormel gearbeitet. Sie haben gewisse Fort schritte erzielt, haben aber den Text noch nicht vollkommen fertig stellen können. Aus diesem Grunde werden die Sitzungen der ersten und der dritten Kommission, die heute vormittag stattfinden sollten, aus geschoben werden. Wahrscheinlich wird auch die Zusammenkunft der Delcgationsführer, die auf heute nachmittag festgesetzt war, nicht statt finden, In Konferenzierkrcisen glaubt man gestern abend, daß die deutschen Delegierten erst Anfang nächster Woche nach London cingc- laden werden. Die Aepko reist noch nicht n«ch London. Paris, 30. Juli. Die Reparationskommission ist gestern nach mittag zur Erledigung laufender Angelegenheiten zu einer ordentlichen Sitzung zusammengetreten. Im Anschluß daran wurde eine offizielle Sitzung abgehalten, in der über die Beschlüsse der Londoner Konse- renz gesprochen wurde. Von dem Beschluß der Konferenz, die Repa rationskommission nach London zu bitten, hat Barthvu am Mon tagabend durch ein Telegramm Herriots Kenntnis bekommen. Nach kurzem Meinungsaustausch wurde vereinbart, vorläufig über die Ab reise nach London keinerlei Beschlüsse zu fassen unter Hinweis daraus, daß ein Zeitpunkt zur Einladung der deutschen Delegierten noch nicht festgesetzt worden sei. Die Form der Einladung Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 30. Juli. Der „Newyork Herald" schreibt: Die Einladung an Deutschland wird entweder eine kurze schriftliche Mitteilung sein, oder es werde eine mündliche Benachrichtigung durch den Londoner deutschen Botschafter erfolgen. Die Ein ladung wird keine genaueren Angaben betreffend Verhandlungs gegenstände enthallen. Morgan ist nicht zu umgehen. Paris, 30. Juli. Cs verlautet, daß die Vertreter der Finanzg-ruppen, die auf Veranlassung des belgischen Minister präsidenten in London erschienen, erklärten, sie wären nur in der Lage, 200 Millionen Goldmark aufzubringen, könnten aber für eine spätere Anleihe die Unterstützung der Morganbank nud der Bank von England nicht entboten. Der felckrug gegen Herriot. Eigener Femsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 30. Juli. Der Pariser Korrespondent des Daily Herald bringt ein langes Stimmungsbild aus Paris, in dem er von dem Feldzug gegen Herriot berichtet. Er schreibt, daß Briand und Locheur sich entschließen, Len jetzigen französischen Premier minister zu ersetzen. ver sionMt mit Wlantl beigelegt. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Berlin, 29. Juli. Der deutsch-russische Konflikt, der durch dte am 3. Mai gegen das Gebäude der rn^'-schen Handels vertretung in Berlin unternommene P- .zeiaktion ent standen war, ist heute durch die Unterzeichnung eines Protokolls beigelegt worden. Die Unter zeichnung sand im Auswärtigen Amt durch den gegen- wartigen russischen Geschäftsträger in Deutschland, Bot schaftsrat Bratman-Brodowsti, und den Reichs außenminister Dr. Stresemann statt. Das Protokoll setzt fest, daß dte beiden Regierungen den Notenwechsel über den Zwischenfall als abgeschlossen betrachten. Die deutsch eRegierung erklärt, daß das Norgehen der Berliner Polizeibehörde gegen die Handels vertretung eine eigenmächtige Handlung der Polizei ge wesen ist. Diese Polizeiaktion wird mißbilligt. Die deut - scheu Beamten, die sich gegen exterritoriale russische Beamte unrichtig benommen haben, sollen bestraft werden. Die russische Regierung erklärt, daß sie allen ihren Beamten und Angestellten verboten hat, i« irgend- welcher Weise an dem innerpolitischen Le ben Deutschlands teilznnehmen. Der russischen Handelsvertretung wird jetzt unverzüg lich der Verkehr für Deutschland wieder freigegcben werden, der russische Botschafter für Berlin, Krestinski, Wirtz voraussichtlich noch in dieser Woche auf seinen Aerlinci Posten zurückkehren. !Ms^ - ? ' . I - — —