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72« Jahrgang. O 80 Donnerstags 18. Februar 1928 Gegründet 18S« vrabt»»s<L>M! Machrlcht«, D»««b»« F«ri>Iv7ecd«r-Gammelinn>>m»r > 2V 2ck1 Nur tür Nachlaelvräch»! 20 011 l^o Mk. 0^0,nc,«»k^olliiFr "« .««- bi» ». Februar >»» de« «Lgl. »weNnali,«, »uftelluua Ne« Lau» l^c «->"ZUgS weouyt P,klb«,u„vrei, «ür Mona« Februar » Marl, ohne Poit»imelluno»aebiUn. Ei«»elnumu,«e to Die »«eraeu »erden nach Goldmarl, berechne« die emwalktae «- m» de»«« vlnratnan-^skrono» »ö Via-, mr auswärts «a Pia. Famlltenameigen und Stellenaeluch« odne Rabat« 15 Pia., auberkalb W Pi,, die '«> mm breile Reklamezelle rvo Pia. ' 25dP»a. Okiertenaebübr mPta Ausiv. AuitrSae aeaen Vorausbezabla. aukerbalb L chriMeiiu», »ud La u»l»«schLft»>«>»i Marienttrake SS ^2 Druck u. Veriaa von vtevick, ck gr«ia»«rd» tu Dreideu Poltlchcck-Koiilo lass Dresden Nachdnick um mit deutlicher Ouellrnanaade >.Dresdner Nnckir ' >uläsf>a Unverlanale ?chriitst!icke werden nicht auidewabrt. Reichstagsauslösung bis zum 31. Mörz. Jas Rotprogramm soll vorher durchgeführt werde». — Neuwahlen voraussichtlich am 13. Mai. Nach dem Scheitern -es Schulgesetzes. Es Ist gekommen, wie es nicht anders kommen konnte, nachdem die Gegensätze beim Schulgesetz sich in so hartnäckiger Weise versteift hatten: der Entwurf ist gescheitert. Das ist zweifellos eine deprimierende Enttäuschung für alle Freunde einer zielbewussten religiös-sittlichen Jugenderziehung, an gesichts deren nichts weiter übrig bleibt, als nun wenigstens die pädagogischen Handhaben, die der bestehende gesetzliche Zustand bietet, im Sinne einer christlichen Schulpolitik kraft voll auszulnitzen. Die Frage, die zunächst brennend ist. gipfelt aber darin, was jetzt mit der Koalition werden soll. Wenn die politische Vernunft regierte, müsste der von Hindenbnrg gezeigte Ausweg bcschrittcu werden. Der Appell des Reichs präsidenten an das nationale Pflichtbewusstsein der Parteien hatte den Zweck, die Streitenden daran zu erinnern, daß sie iiiioerantworttich Handel» würden, wenn sie sich wegen des Schulgesetzes die Haare zerrauften und blindlings der Wahl- leidenschast frönten, statt dem zwingenden Ruse zur Arbeit zu folgen, der von den großen noch der Lösung harrenden sonstigen Aufgaben der Rcichspolitik ausgeht: Etat, Land. wirtschastSnvthilfe, LiguidationSschüdengesetz, Kleinrentner, gesetz, Sicherung des Wohnungsbaues für 1828. Strafrechts» resorm. Die Deutschnattonalen haben ans den Appell Htn- denburgS am wärmsten reagiert durch die Erklärung, daß sie den Wünschen des Staatsoberhauptes in jeder Hinsicht cnt- gegcnzukommcn bereit seien. Auch die Deutsche Volkspartei hat in einem Fraktivnsbcschluß festgelcgt, daß Im Hinblick auf die dringenden, von der Koalition übernommenen gesetz geberischen Aktionen eine vorzeitige Auflösung des Reichs tages trotz dem Scheitern des Schulgesetzes vermieden werden müßte. Nur das Zentrum zog die Parteifahnc aus. Die „Kölnische Volkszcitung" äußerte, man habe das Schreiben Lindenbnrgs zwar mit dem Respekt ausgenommen, der schon durch die Person des „Briefschreibcrs" geboten sei. aber die Selbständigkeit der Entscheidung der Partei könne dadurch tn keiner Weise beeinträchtigt werden: die Lösung könne im Sinne des Reichspräsidenten nicht gesunden werden und die Krise sei daher unvermeidlich. Und die „Germania* stößt in dasselbe Horn, indem sie wegwerfend mit Bezug auf die Koalition von einer „nnangcnchmcn ZivangSgemcinschast" spricht. Warum die Lösung nach Hindenburgs Borschlag nicht zu finden sein soll, darüber schweigt sich die Zentrumspresse aus. Tatsächlich ist der vom Reichspräsidenten gewiesene Weg der einzige, der sich für verantwortungsbewußte Par- teien in solcher Lage bietet. Weshalb soll denn unter dem Schifsbruch des Schulgesetzes der gesamte übrige hochwichtige Arbeitöstvff des Reichstages leiden? Auch eine im Sterben begriffen« Koalition wird doch durch ihren Schwächezustand nicht vom kategorischen Imperativ befreit, sondern behält noch gewisse höhere Berpslichtungen im Sinne einer fort dauernde» Bindung an das parlamentarische Gcsamtarbeltö- programm, besten leichtfertige Verzettelung um einer wenn auch „och so bedeutsamen Einzelfrage willen eine schwere Pslichtvcrgesscnhcit darstcilen würde. Dieser Pflichtvergesscn- licit hat Hindenbnrg sein unerschütterliches und unbeirrbares Pflichtbewusstsein gegenübergcstellt und sich als rechter Pfad- sinder erwiesen. Wenn der kategorische Pflichtimperativ für den „demokratischen Parlamentarismus" überhaupt gilt, dann dürfte die Koalition nicht schon jetzt auseinanderfallen, sondern müßte bis zur Erledigung ihres Arbeitsprogramms beisammenblcibcn. DaS ginge auch durchaus, wenn das Zentrum nicht so rücksichtslos seinen Parteicgoismuö yerauskehrte, wie eS daö bei den interfraktionelle» Besprechungen insbesondere durch seinen groben Vorstoß gegen die Deutsche VvlkSpartei getan hat. Es ist gewiß nicht alles zu billigen, was die Deutsche Bolkspartei mit Bezug ans daS Schulgesetz »nternommen hat. und es geschieht zweifellos nicht ohne begründete »sachliche Unterlagen, wenn die Deutschnntionale Bolkspartei In ihrer Stellnngnahme zur Lage erklärt, die Deutsche Bolkspartei habe sich fortgesetzt In Gegensatz zu den drei anderen Regie rungsparteien gestellt und im Laufe der Zeit eine immer »»freundlichere und nnnachgiebigcre Haltung gegen das Gesetz eingenommen. Gleichwohl muß man -cm Ab geordneten Dr. Scholz recht geben mit seiner Ansicht, daß daS Scheitern deS Schulgesetzes nicht notwendig die Sprengung der Koalition zu bedeuten brauchte, sondern daß dieses Ergebnis erst durch die Haltung des Zentrums und der Bayrischen Bolkspartei herbetgeführt worden sei. Dabei ist gar nicht einzusehcn, welchen Erfolg sich denn eigentlich das Zentrum von einer sofortigen Lösung der Koalition mit unmittelbar nachfolgenden Neuwahlen ver. spricht, da es doch aus jeden Fall realpolitisch klüger wäre, sich erst einmal znwartend zu verhalten und sich genau über die künftigen KoalitiouSmöglichkeitcn zu unterrichten, die sich ergeben, wenn der Wahlkamps unter der Parole des Schul gesetzes geführt wird. Man will wissen, daß tn den letzten Tagen zwischen Vertretern der Deutschnationalen Bolkspartei, der Bayrischen Bolkspartei und des Zentrum- Besprechungen stattgefunden hätten, ob eS nicht möglich wäre, für den Wahl kampf unter der Losung „Für ein christliches Schulgesetz" eine Einheitsfront zu bilden. Es bleibt abzumarten, was sich aus solchen Verhandlungen als praktischer Kern herausschält. Zu- nächst dürfen die Deutschnattonalen für sich in An spruch nehmen, daß sie ins Schwarze getroffen haben mit der Forderung, der Etat, die L a n d w i r t s ch a f t s h i l s e sowie das Liquidationsschäden- und Klein- rcntnergesetz „in aller Ruhe und ohne jede krisenhafte U Überstürzung" unter Dach und Fach zu bringen. Nur so kann inan von einem Handeln im Sinne und Geiste Hiudcnburgs sprechen. Wenn sich dann nachher der parteipolitische Auflösungsdraug wirklich nicht mehr zügeln läßt, wird für die Strafrechtsreform ein Ueber- gangsgcsetz erlassen werden müsse», das den Fortbestand der bisherigen Beratungsergebnisse sichert, so daß im nächsten Reichstage nicht wieder von vorn angesangen zu werden braucht. Inzwischen richtet sich das allgemeine gespannteste Interesse auf den nächsten Schritt, den Hindenbnrg in dieser kritischen Lage tun wird. Bei dem schon jetzt mtt aller Heftigkeit «nchebenden Orakelsptel über den Wahltermin muß die Taktik der Linken entlarvt werden, die mit den französischen Kammer- mahlen zusammenhängt. Bisher wollten die Linksparteien nach den sranzösischcu Wahlen die Reichstagswahlen angesetzt wissen, weil sie in Frankreich eine Ltnkömendung erwarteten, die sie zu benutzen gedachten, um ihre Chancen in Deutsch, land durch die Vorspiegelung zu verstärken, daß ein deutscher Linkssieg die Rhcinlandräumung herbcisühren werde. In zwischen hat aber der Pviucarismuö tn Frankreich ein« neue Stärkung erfahren, und da soll nun tn Deutschland vor den französischen Wahlen gewählt werden. Geht es dabei nach links, so erhofft mau davon einen entsprechenden Einfluß tn Frankreich, geht eS aber nach rechts, so hat man das Schlag wort, daß die deutsche „Nechtserei" das aussichtsreiche Räu mungsgeschäft verdorben habe. Also immer das gleiche Spiel! Demgegenüber wird Hindcnburg schon dafür sorgen, daß der Wahltermin, ivenn es so weit ist, lediglich nach den Ersorder- nisten des öffentlichen Wohles ohne Rücksicht auf partei politische Soudcrinteresse» angcsctzt wird. Einigung über die Ausrünmungsarbeiten. Auch die Opposition ist einverstanden. (Drahtmeldung unserer Berliner Schriftleitungst Berlin, 15. Febr. Amtlich wurde im Laufe des Abends folgende Mitteilung ausgegeben: In der heute unter dein Borsitze des Vizekanzlers Hergt mit den Fraktionöfiihrern der Deutschnattonalen Bolkspartei, des Zentrums, der Deutschen und der Bayri schen Bolkspartei abgehaltenen Besprechung wurde die Stellungnahme des Kabinetts zu den augenblicklich schwe benden inuerpolitischcn Fragen mitgctcilt. Es herrschte völlige Einmütigkeit über die Notwendigkeit der Durch führung eines Arbcitsprogramms, das den Haushalt für 1828. den Rachtragsetat für 1827 und wichtige damit im Zusammenhänge stehende Fragen zum Gegenstände haben soll. Die Einzelheiten dieses Arbcitsprogramms sollen noch in dieser Woche festgelcgt werden. Die Rcichürcgie- rung nimmt wegen der geschäftlichen Behandlung auch mit den übrigen Parteien alsbald Fühlung. In den interfraktionellen Besprechungen, die Im Laufe des heutigen Abends stattfanden, ist man unter den Regierungsparteien dahin übereingekommen, den Etat und den Nachtragsetat nach de» Wünschen des Kabinetts noch zu erledigen, ebenso die noch ausstehenden sozialen und landwirtschaftlichen NotstandSaktionen. Besonders von deutsch- nationaler Seite wird daraus hingewiescn, daß die Ncgie- rungshtlsc für die Landwirtschaft unter keinen Umständen durch die gegenwärtige Krise irgendwie beeinträchtigt oder verzögert werden dürfe. Wie wir hören, haben die Deutsch nationalen zur Bedingung ihrer Mitwirkung an diesem Arbcitsprogramm gemacht, dost zunächst jetzt einmal das Kabinett sich darüber schlüssig wird, welche Hilfe es der Landwirtschaft gewähren will. Sollte das Kabinett vielleicht infolge des Widerstandes der anderen Parteien nicht dazu kommen, die Hilfsmaßnahmen sür die Landwirtschaft in aller Kürze festzusetzen, so würden die Deutschnattonalen die sofortige Auflösung des Reichstages ver- langen. Im übrigen soll der letzte Termin für die Auflösung deS Reichstages der 81. März sein. Sollte sich die Erledigung des vom Kabinett gewünschten Arbeitsprogramms nicht ermöglichen lassen, dann soll aus den Reichspräsidenten eingewirkt werden, die Auflösung des Reichstags schon vor dein 31. März vorzunehmen. Man ist zwischen den Regierungsparteien auch darin über- etngekommen, die parlamentarische Behandlung dieses Arbeitsprogrammö so beschleunigt wie nur möglich vorzunehmen. Die Redezeit soll ganz wesentlich beschränkt werden und eventuell sollen zur Bewältigung des Arbeits- stosses auch N a ch t s t tz u n g e n vorgenommen werden. Die Regierungsparteien haben sich ferner gegenseitig verpflichtet, von der Stellung von Agttattonsanträgen, die die Beratung wesentlich verzögern und verlangsamen müßten, abzusehen. Ferner hat als Vertreter der Retchs- regierung der Vizekanzler Hergt heute eine Besprechung mit den bisherigen Oppositionsparteien, den Demokraten und den Sozialdemokraten, gehabt. Von den Sozial demokraten wurde ihm erklärt, daß man bereit sei, an einer möglichst schnellen Verabschiedung des Etats mitzuwirke», da auch die Sozialdemokratie Wert daraus lege, den Termin der Neuwahlen io früh als möalich scstznsctzcn. Die Sozialdemo kraten erklärten dem Vizekanzler im übrigen, daß sie den Etat ablchnen würden. Anch die Demokraten sollen ähnliche Beschlüsse gefaßt haben. Auch Preuherr will wählen? Berlin, 18. Febr. Im Preußischen Landtage verkantete heute, daS preußische Kabinett und die Koalitionsparteieu in Preußen hätten die Absicht, die Neuwahlen für den Preußi schen Landtag gleichzeitig mit den Reichst« gs- wahlen stattslnde» zu lasten. Bisher hat sich allerdings eine Bestätigung dieses Gerüchts nicht erreichen lassen. Als wahrscheinlicher Termin für Reichstags- nnd Prenßenwahlen wird der 18. Mai genannt. Erörterungen über die Schuldfrage. Eine Erklärung -er Deutschen Dolksparlel. lBo» unserer Berliner Schrlftlettuug.) Berlin, 15. Febr. Die Schuld an der Sprengung der Koalition will natürlich angesichts der bevorstehenden Wahlen keine Partei ans sich nehmen. Die schwierigste Position hat hierbei unleugbar die Deutsche Bolkspartei. Ihr bester Kopf, der gewiegteste Politiker in allen Krisen und Komplikationen, Dr. Strcscmann, iveilt fern von der Neichshauptstadt, und es gehen Gerüchte um, baß seine Er krankung eine derart schwere sei. daß sie aus die Dauer zn stärkeren Befürchtungen Anlaß sein müßte. Es scheint fast, daß die Deutsche Volkspartei uusicher operiert: Während die anderen Parteien Schlag auf Schlag in die politische Ent wicklung cingreifen, kommt sie erst gegen Abend mit Ihrer nachfolgend mttgcteiltcn Erklärung heraus. * Berlin, IS. Febr. Die Dentsch« Bolkspartei veröffent» licht eine Erklärung, in der daraus hiugemiese« wird, daß die Regier« uaSkoalttio« nicht allein zur Er» ledtgungdesSchnlgcsetzcS gebildet worden ist. In dem ans die bekannten «och der Lösung harrende« Ansgaben »ermicscn wird, betont die Erklärung weiter, daß Angesichts dieser Sachlage die Deutsche Bolkspartei der Auslassung ist, daß die Auflösung der Koalition und die damit verbundene Auslösung des Reichstags nicht gerechtfertigt werden kann. Sie war scdoch durch die Erklärung der übrige« Regierungsparteien in die Zwangs lage »ersetzt, dl« Sündlgnng der Koalition zur Senntnls z« nehmen. Bei de« verhandlnnge« -der da- Schnlgesetz hat die Deutsche Bolkspartei von Anfang an bereitwilligst mit» gearbeitet. Das Zustandekommen des Gesetzes ist gescheitert an der N eberspan nnng der Forderung deS Zen» trums, die im Endcrfolg zu einer Untergrabung der Auto rität des Staates über die Schule geführt hätten: Forde rungen, denen die Dcntschnationalc Bolkspartei allzu bereit willigst Gcsolgschast geleistet hat. Gescheitert ist cs an der Ncbcrspannnng des Begriffs des Elternrechts, die in ihrer Auswirkung zn einer Zersplittcrnng nnd Verschlechterung deS gesamten Schulwesens und — zum Schade» der christlichen ErzichungSgrmidlage — z» nnabschbarcr Entwickln«« reli gionsloser Wcltanschaunngsschnlen geführt hätte. Anch über die Kostcndecknng war die erforderliche Klarheit bis zum letzten Augenblick nicht hcrbcizusührcn. Fest stand nur. daß dnrch die letzten Vorschläge der Regierung und der übrigen Parteien eine erhebliche Steigerung der Lasten noch über die Vorlage hinaus entstanden wäre, sür die eine De, nicht vorhanden ist. cknng Die Ankworl -er Deutschnattonalen. Berlin, 15. Febr. In später Abendstunde gab die Presse stelle der Deutschnationalen Bolkspartei als Erwiderung ans die Erklärung der Deutschen Bolkspartei eine längere Mit teilung heraus, in der es heißt: Die RcichStagSfraktion der Deutschen VvlkSpartei kommt in ihrer Erklärung a«cs die Behauptung zurück, daß nach dem Scheitern desSchiiIgcsetzcS dicFraktionen der Deutschnattonalen Bolkspartei, des Zentrum» und der Bayrischen BolkSpartet gemeinschaftlich erklärt hätten, -aß dt« RegierungSkoalttion af» aufgelöst -n betrachten sei. Sie erklärt ihrer-