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UWritz-MW. ler Verantwortlicher Redacteur: Csrl Ithnc in Dippoi^lswalde. 54. Jahrgang Donnerstag, den 9. August 1888 Nr. 93 lde. !SS rrson 7. oer !lvh- halten einfach in das System der sozialdemokratischen Agitation gegen das gesammte sozialpolitische Reform werk. Wenn aber hierbei speziell ein Feldzug gegen das Quittungsbuch in Scene gesetzt worden »st, so dürften die sozialpolitischen Hetzapostel mit diesem Be streben kein großes Glück haben, denn gerade aus den Arbeiterkreisen liegen bereits mehrfache Aeußerungen vor, welche anerkennend über die Vortheile des nur mit diesem Quittungsbuche möglichen Markensystems lauten. «Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 8. August. „Alles unter der Sonne ist eitel," hat schon der weise Salomo gesagt, und Tausende sprechen es ihm seufzend nach, wenn sw an den nahe bevorstehenden Schluß der wenn auch zum Theil veregneten, doch immerhin so erquicklichen und wonnigen Ferienzeit denken. Wir begreifen voll ständig die niederdrückende Schwere, die überwältigende Wucht dieses Gedankens und fühlen sie theilnehmend mit — dennoch sind wir leider außer Stande, irgend etwos zur Erleichterung derselben zu thun; im Gegen teil, wir werden vielleicht durch eine Manchem aller dings unbescheiden und indiskret erscheinende Frage dazu beitragen, das Unbehagen zu vermehren, das unsere Ferianten in dem Alter zwischen 8 und 18 Jahren bei dem Gedanken an den Ferienschluß zu be schleichen pflegt, die einfache Frage: Wie weit bist Du mit Deinen Ferienarbeiten? Wir sind freilich daraus gefaßt, von vielen Seiten zu hören, daß der naseweise Zeitungsschreiber darnach nicht zu fragen habe, daß ihn das einen — Quark angehe. Lon! Aber Die, die sich durch obige Frage daran erinnern lassen, daß man die Rückerinnerung, die so oft das Einzige ist, das uns von einem frohen Genüsse bleibt, nur da durch zu einer angenehmen gestalten kann, daß man in jeder Hinsicht seiner Pflicht eingedenk ist, und die deswegen jetzt noch das bisher Versäumte nachholen, werden es uns später Dank misten, wenn die neue Arbeitszeit ohne Verdruß für sie beginnt. Da sicher aber wenig der Betroffenen die Zeitung in die Hand nehmen werden, es sei denn an einem Regentage, an denen wir aber nun wirklich genug haben, und deren Fortsetzung wir unserm ärgsten Feinde nicht wünschen, so möchte es nichts schaden, wenn vielleicht die Herren Eltern unsere „naseweise" Frage so so passant zu der ihrigen machen wollten. — Zur Vervollständigung des in der letzten Nr. dieses Blattes gebrachten Referats ist uns noch die Mittheilung zugegangen, daß sich gegenwärtig auch in Höckendorf 65 Personen zur Sommerfrische auf halten und zwar 46 Erwachsene und 19 Kinder. — Die jetzige Höhe der Gerichts- und An waltsgebühren wird überall schwer empfunden und es wäre wirklich eine Wohlthat, wenn der Zeitpunkt recht bald einträte, zu welchem diese Gebühren ent weder herabgesetzt oder doch wenigstens in den Prozeß ordnungen Abänderungen getroffen würden, durch welche die prozessirenden Parteien Gebühren und Ver- läge sparen könnten. Bei der heutigen Höhe der Prozeßkosten ist es einer großen Anzahl Personen säst zur Unmöglichkeit gemacht, ihr Recht vor Gericht zu suchen, denn einestheils ist bei streitigen und nicht ganz sicheren Prozeßansprüchen das Kostenrisiko zu groß, und anderntheils ist es bei der gegenwärtigen Einrichtung unseres Prozeßwesens selbst schwer, unbe streitbare und sicher stehende Ansprüche, namentlich wenn dieselben höheren Werthklaffen angehören, geltend zu machen, weil der verlagsweise Kostenaufwand oft nicht erbracht werden kann. Nun besteht zwar das Armenrecht, Viele aber scheuen sich — und wohl auch mit Recht — davon Gebrauch zu machen, und weiter wird die Gewährung desselben ganz sicher abgelehnt werden, wenn es sich z. B. um Ansprüche handelt, welche zwar unbestreitbar, aber vorläufig doch ohne Aussicht auf Befriedigung sind und vor Gericht vor der Hand nur deshalb geltend gemacht werden sollen. Die Kritik -rr Alters- vud Anvalideu- Versichcrling. Seit der Veröffentlichung des von den Bundes- rathsausschüssen umgearbeiteten neuen Entwurfes des Alters- und JnvalidenversicheruNgsgesetzes für die Ar beiter hat die Presse aller Parteien sich eingehend mit dieser wichtigen gesetzgeberischen Materie beschäftigt und kann man die Preßurtheile hierüber jetzt als abge schlossen betrachten. Erfreulicher Weise läßt sich hier bei vor Allein konstatiren, daß der humane Grundge danke des Gesetzentwurfs säst auf allseitige Billigung und Anerkennung gestoßen ist und nur wenige ultra radikale Organe haben sich verbissen selbst gegen das Prinzip der Alters- und Invalidenversicherung erklärt. Die einschneidendste Veränderung, welche der jetzige Entwurf im Vergleich mit dem früheren ausweist, die Ersetzung der Berufsgenossenschaslen durch Landesver sicherungsanstallen, resp. Provinzial- und Kommunal verbände als Träger der Organisation, erfreut sich überwiegend der Billigung der öffentlichen Meinung und lediglich voni praktischen Standpunkt aus betrachtet, bedeutet die Einführung geographischer Verbände gegen über den berussgewerblichen Genossenschaften entschie den eine Verbesserung des Entwurfs. Ebenso gilt dies von weniger hervorragenden Bestimmungen des um geänderten Entwurfes und ist da besonders der Ein schränkung der ursprünglichen langen Wartezeit bei der Altersgrenze von 30 Jahren — wenigstens für die Versicherten, welche jetzt das 40. Jahr überschritten haben — und ferner dem Wegfall der Fixirung der bedenklich hohen Beiträge von Arbeitgebern wie Arbeit nehmern fast allseitig zugestimmt worden. Dafür hat sich freilich die öffentliche Meinung mit anderen, nicht unwesentlichen Einzelheiten des neuen Entwurfes theil- weise nicht einverstanden erklärt. So wird vielfach die Altersrente von 240 M. noch als zu niedrig und die Altersgrenze von 70 Jahren, von welcher an der Genuß der Rente erst beginnen soll, als zu weit hinaus geschoben bezeichnet und führt man in letzterer Be ziehung als Hauptgegenargument an, daß das Durch- fchnittslebensalter der arbeitenden Klaffen weit hinter dem in Aussicht genommenen 70. Lebensjahre zurück stehe, während die Bemessung der Nentenhöhe bis zum Maximalbetrage von 240 M. als immer noch nicht den Versicherten vor Mangel schützend erachtet wird. Weiter hat das beibehaltene Kapital-Deckungsversahren hauptsächlich wegen der ihm fehlenden statistischen Unterlagen von vielen Seiten her abfällige Beurthei- lung erfahren und ist dafür das Umlage-Verfahren empfohlen worden, wie es sich schon bei den Kranken kaffen und Unfall-Genossenschaften durchaus bewährt. Endlich ist es auch als ein bedenklicher Fehler des umgeänderten Entwurfes gerügt worden, daß derselbe nur Ganzinvaliden kennt, welche dauernde, völlige Ar beitsunfähigkeit nachweisen sollen, zumal es der Ent wurf unterläßt, den Begriff der völligen Invalidität schärfer zu erklären. Es muß zugegeben werden, daß der Entwurf nicht nur in diesen, sondern auch in manchen anderen Einzelheiten verbesserungsbedürftig erscheint, und es wäre deshalb zu wünschen, daß der Bundesrath bei der zweiten Lesung der Vorlage den von der öffentlichen Meinung gemachten Einwürfen die nöthige Beachtung schenkt. Außerdem könnte es aber der ganzen Materie nur von Vortheil sein, wenn der Bundesrath sich mit den Wünschen und Interessen der Arbeiter und Arbeitgeber, sowie mit den Anschau ungen wissenschaftlicher Volkswirthe über die hierbei in Betracht kommenden Fragen vertraut machte, denn nur dann erst würden die weiteren Verhandlungen über die Alters- und Invalidenversicherung den natür lichsten und praktischsten Untergrund erhalten. Wenn man sich sozialdemokratischerseits in der Presse wie in Versammlungen unbedingt gegen die ganze AlterS- ünd Invalidenversicherung erklärt hat, so kann das nicht weiter Wunder nehmen, es gehört dieses Ver „Svel-eritz.grttun," erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42, Ma. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle P-stan- stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- ' stellungen an. Inserate, welch« bei d« bedeutenden Auflage det Blattes eine schr wirk same BerbreituNglsistdech werden niit 10 Psg- die Spaltenzrile »der deren 8Iau>n berechnet. — Ta« bellarische und compkicirt« Inserate mit entspreche«^ dem Aufschlag. — Singe« sandt, im redaktionell«« Theile, dj« Spaltenzrile 20 Pfg. um die drohende Verjährung zu unterbrechen. Sollte man sich zu einer Herabsetzung der Gerichts- und An waltsgebühren an sich nicht entschließen können, so ließe sich durch die Erweiterung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit, vielleicht bis zu Streitobjekten in Höhe von 1000 Mark, und weiter durch eine angemessene Einschränkung des Anwaltszwanges eine Verminderung der Prozeßkosten herbeiführen, denn durch die erweiterte amtsgerichtliche Zuständigkeit würden eine große Menge Spesen für Reisen der Parteien, Zeugen und Sach verständigen rc. in Wegfall kommen und durch eine ent sprechende Einschränkung des Anwaltszwangs, nament lich den so glatten Wechselprozessen so ipso Kosten erspart. — Laurentius. Nächsten Freitag, den 10. Aug., begeht die katholische Kirche zur Verherrlichung deS heiligen Laurentius ein Fest, welches uns in die Zeit der Christenverfolgungen im dritten Jahrhundert zu rückversetzt. Um gerecht zu sein, muß darauf hinge wiesen werden, daß der damalige Kaiser Valerian sich anfänglich den Christen geneigt zeigte, worüber sich die Kirchenvorsteher in hohem Lobe ergingen, bis ihn sein Günstling Macrianus völlig umstimmte, in Folge dessen im Jahre 257 ein Befehl erging, laut dem die Zu sammenkünfte der Christen untersagt wurden und die Bischöfe, falls sie nicht den Göttern opfern wollten, ins Exil geschickt werden sollten. Im folgenden Jahre nahmen die Verfolgungen sogar eine blutige und grau same Gestalt an, und einer der ersten, der das Opfer der strengen Maßregel wurde, war der aus Spanien stammende Diakon und Schatzmeister Laurentius zu Nom. Eine Hauplveranlaflung zu seiner Ergreifung ist in der Habsucht des Präfekten zu erblicken, dem hinterbracht war, daß die Christen über ungeheure Schätze verfügten und selbige versteckt hielten. Sofort gab er Laurentius auf, sämmtliche Reichthümer aus zuliefern, worauf dieser bemerkte: „Laß mir ein wenig Zeit, Alles in Ordnung zu bringen und jedes einzelne zu bemerken." Drei Tage darauf führte er alle von der römischen Gemeinde unterhaltenen Armen vor das Haus des Präfekten und sagte, zu diesem eintretend: „Komm und sieh die Schätze unseres Gottes! Der ganze Hof ist voll von goldenen Gefäßen." Beim Anblick all der armen Leute fand sich der Präfekt aufs Höchste enttäuscht; jedoch ließ sich Laurentius von dessen wüthender Geberde nicht beirren und fuhr ge lassen fort: „Was mißfällt Dir denn? Das Gold, welches Du so gierig verlangst, ist nur schlechtes, aus der Erde gegrabenes Metall und dient als Reizung zu Verbrechen. Das wahre Gold aber ist das Licht, dessen Jünger diese armen Leute sind. Diese sind die Schätze, die ich Dir versprochen habe. Und dann sind hier noch köstliche Steine; sieh nur diese Jungfrauen und Wittwen, sie sind die Krone der Kirche!" „Was," schnob ihn der Präfekt an, „Du wagst, mich zu ver spotten? Tod Dir! Und da ich weiß, daß Ihr Euch darauf was zu Gute thut, den Tod zu verachten, da rum sollst Du nicht auf einmal sterben!" Sofort ließ er Laurentius entkleiden und auf einen eisernen Rost binden, unter dem ein mattes Feuer unterhalten wurde. Der Legende nach gab der Märtyrer kein Zeichen des Schmerzes von sich, vielmehr forderte er nach einiger Zeit den Wütherich auf: „Laß mich umwenden, denn ich bin auf der einen Seite schon genug gebraten!" Das geschah unter Hohn, und endlich gab Laurentius, nachdem er noch für die Einwohner Roms gebetet hatte, seinen Geist auf. — Somit also bringt an diesem Gedenktage die katholische Kirche den Sieg des Glaubens über den Unglauben zum Ausdruck. — Laurentius scheint in früheren Zeiten der Schutzpatron von Dippoldiswalde gewesen zu sein, denn Jedermann kann sein Bildniß mit dem Roste, in Stein gehauen, noch am Nathhause der Stadt angebracht schauen. Von diesem Bildnisse geht auch noch die Sage, daß es jeden Krämer, der zuerst durch das Niederthor einen Jahr markt innerhalb der Stadtmauern bezog, mit freund lichem Kopfnicken begrüßt habe. für die Königliche Amtshanptmamschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Ktadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstem