Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pr.mumceatwnS- PrelS 224 S-.r. 4 Thlr.) rienetjährlich, 3 Naler für daö ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theile» ter Preußischen Monarchie. für die Man rränumerirr auf dieses Dei0lattdkrAM,.Pr. CwalS- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. Alt; in der Provinz so >vie im Auslände bei den WohNöbl. Posl - Aemtern. Literatur des Auslandes. 74. Berlin, Mittwoch den 13. Juli 1832. England. Francis Jeffrey, der berühmte Schottische Advokat. Mit Recht beklagt man sich in Frankreich darüber, daß man von den Advokaten regiert werde: alle Stellen sowohl in den Mini sterien als bei den Provinzial-Verwaltungen sind ausschließlich für sie; ihnen fallt die Gewalt, ihnen die Opposition in den Kammern, ihnen endlich fallen die Sitze in der Akademie anheim. Wenn Paris in Belagerungs-Zustand versetzt wird, so glaubt man vergebens einer militairischcn Gerichtsbarkeit nunmehr anzugchören; nichts weniger als dies; die Kriegs-Gerichte find ein neuer Schauplatz, aus dem das Talent der Advokaten glänzen und dominircn kann. Nun wun dere man sich noch über Napoleons Antipathie gegen sie. Es war eine Eifersucht von Macht gegen Macht. Wer gab das erste Zei chen gegen Napoleon im Jahre 18l3? Die Herren LainL, Rav- nouard, Flaugergus, — Advokaten. Die consiitutionclle Regierung ist von Advokaten für Advokaten erfunden worden. Man betrachte England. Wer ist nach dem Könige die vornehmste Person? Der Lord-Kanzler. Was muß man gewesen srpn, um Lord-Kanzler zu werden? Advokat; Zeugen dessen sind Lord Eldon, Lord Lyndhurst rind in diesem Augenblick Lord Brougham. Durch wen ist die Eng lische Adels-Aristokratie besiegt worden? Durch die Advokatcn-Aristö- kratic. In einem engeren Kreise studirc man Schottland; dort besetzt der Advokatcn-Siand nicht allein alle Acnucr, sondern er zieht auch alles Vermögen an sich. Wem gehört jenes schöne Haus in der Neustadt? Einem Advokaten! Wem dieses Schloß? Einem Advokaten! Wer ist dieser Mann, Len alle Welt grüßt? Ein Advokat! Sir Wal ter Scott gehört dem Advokaten-Stande an. Wer ist der Autokrat ter Whigistiscbcn Kritik, der Herausgeber der Edinburgh-Rcvicw? Ein Advokat! Wer redigirt in London die mit ihr um die Herrschaft ringende Review? Ein Advokat! „Da es in Schottland keine andere Feudalität mehr gicbt, als die in der Phantasie Eurer Nomanschrci- bcr", sagte ich zu meinem Freunde Maclean, „da bei Euch der Herrschaft der phvsiscben Gewalt die des Verstandes gefolgt ist — wenigstens behaupte, Ihr dies, — so setzt mich in den Stand, die Schottische Intelligenz zu studiren." „Kommt mit mir nach dem Assi- sen-Gcricht", antwortete Maclean, „beute plaidirt gerade Herr Jef frey; Jeffrey, der König von Edinburg, denn es ist unser bester Advokat und zu. gleicher Zeit der Herausgeber unserer großen Review. " Ich war nicht wenig neugierig, diesen Koloß zu sehen und zu hören. Beim Eintritt in den Gerichts-Saal erkannte ich ans der Bank der Richter den berühmtesten der Aktuare, Sir Walter Scott selbst, in einer langen schwarzen Robe; er hatte einen Stoß geschrie bener Akten vor sich und nahm häufig Noten, die sich vielleicht mehr auf seine Romane als auf seine richterlichen Functionen bezogen. „Betrachte, doch Jeffrey", flüsterte mir Maclean zu, „es ist weder Euphemie Deüns noch der Schleichhändler Robcr'son, die man hier richten will, sondern die Klage Cooper s gegen den Marquis von Bute." Ich richtete meinen Blick demnach auf Icffrev, der in dem Augenblick rechts von dem romantischen Aktuarius'saß, und das Erste, was mir bei Jeffrey auffiel, war, daß er keine Perücke trug; ein Advokat oder ein Richter ohne Perücke ist in Großbrilanicn ein Wunder. Jeffrey ist der erste, der es gewagt hat, ä I» Titus Zu plaldiren, und es war dies eine um so kühnere Neuerung, da wohl Niemand mehr als er der Kleinheit seiner Figur etwas hiuzuzusiigcn nöchig hätte. Wenn Jeffrey fünf Fuß mißt, so kommt dies daher, weil das Schottische Maaß einen Zoll kleiner ist, als das unsrigc. Er ist immer schwarz gekleidet und läßt seine Robe stets nachlässig aus einer Schulter hängen, als ob er Len Blicken nichts von seiner kleinen schmächtigen Gestalt entziehen wollte. Seine Geficknsziige würden ziemlich regelmäßig scyn, wenn er nicht eine Brille trüge, welche dieselben ost des Ausdrucks der Feinheit beraubt, die ihnen die Lebhafligkeit.scincr Augen giebt; sein fast kahler Kopf läßt das Organ der Genialität in seiner ganzen Ent wickelung sehen— wen» cs anders erlaubt ist, die Schädellchre aus einen Mam, anzuwenden, der sich in seinem Review über Gall und Spurzhein, so lustig gemacht hat. Herr Ieffrep plaidirtc gegen Herrn Robertson und hatte den Bericht des General-Prokurators gegen sich; er schien aber von allen Gegenwärtigen der ruhigste und unbefangenste; „nd erst als er bemerkte, daß der General-Prokurator sich am Schlup seiner Rede befinde, schic» er an die Antwort zu denken, indem cr einige zer streute Akte» sammelte. Ans seinem Pulte liegen immer eine gewisse Art Pastillen; er verschluckte einige derselben, und aus ein Zeichen, das er gab, brachte man ihm eine Taffe Kaffee, die cr wie ein Wohlschmecker leerte, der den Duft der Mokka-Bohne zu würdigen weiß. Als daraus die Reihe zu reden an ihn kam, nahm er scine Brille ab, steckte sie, ohne sich zu übereilen, in ein Futteral, und sich erhebend, begann er seinen Vortrag mit der Rube oder viel mehr mit der Nachlässigkeit gewisser Stutzer der Französischen Barre. Er sprach, möchte man sagen, vertraulich zu Freunden, aber nicht zu Richtern. Nach und nach aber ließ cr sich weniger in seinen Wor ten gehen; einige anmulhsvolle und natürliche Bewegungen, einige Blicke voller Scharssinn vcrriethen mir seinen tünstlichcn Plan; seine Leichtigkeit setzte mich in Erstaunen; seine Ruhe, seine Genauigkeit, seine zwei Stunden lang unerschöpfliche Geläufigkeit, ohne einen einzigen Augenblick kalt oder einsörmig zu erscheinen, zeigten alle Hülssqucllcn seines Geistes. Er machte eine kleine Pause, und man brachte ihm eine zweite Tasse Kaffce, die cr wieder tropfenweise hcrunterschlürfte, nachdem cr ruhig gewartet hatte, bis der Jucker geschmolzen war. Ec hätte in seinem Kabinette nicht mit größerer Behaglichkeit frühstücken können. Als cr scine Rcdc wieder aiisnabm, wußte er aus eine sehr geschickte Weise den ersten Tbeit seines Vor trages in einigen ganz einfachen Sätzen zusammcnznfaffen, wie Je mand, der seine Richter schon für überzeugt hält, und Alle hörten ihm mit immer wachsendem Interesse zu. Die Sache, um die csJich handelte, war folgende: Der ver storbene Lord Byte hatte einen Herrn Cooper, Studenten dcr Theo logie, mit der Erziehung seines Sohncs beauftragt und ihm nach einigen Jahren, als Belohnung für seine Dienstes eine lcbensläng- iiclze jährliche Rente gegeben. Da einige Zeit darauf dcr Lord Bute dcm Herrn Cooper eine Stelle in Walles, die jährlich 300 Psd. Stig- cintrug, verschafft hatte, so gab Letzterer ihm im Jahre 1811 die Atte über die lebenslängliche Rcntc zurück. Im Jahre 1820 starb Hcrr Cooper, und sein Vater verlangte nun von" den Erben des Lord Bule den Betrag der Rente vom Jahre 181 l bis zum Jahre 1820 einschließlich. Die Sache drehte sich um zwei Fragen: War der Verstorbene bei gesundem Verstände oder nicht, als er die Schenkung zurückgab? — War die Schenkung erloschen, weil sic dcm Ausstcllcr derselben zurückgegebcn wurde? Der Advokat des Herrn Cooper glaubte die Geistesverwirrung des Verstorbenen durch unum stößliche'Beweise dargethan zu haben, als Hcrr Jcffrcy mit ciner un- glaublichcn Zuversicht und mit anschcincndcr Aufrichtigkeit durch die selben Beweise das künstliche Gebäude seines Gegners Stück für Stück niedcrzureißen versuchte; er fand für Alles eine» Grund. So war Herr Cooper eines Morgens ganz früh aus dem Belte aufge standen und hatte im Hemde, einen Degen in dcr einen und ein Pistol in dcr anderen Hank, ein Huhn verfolgt; die Tbatsacbc war bewiesen. Jcffrcy läugncle sic nicht, wolltc äbcr kcin Zcichcn von Vcrrücktbcit darin erkennen, und nachdem cr durch eine komischc Schilderung dieser Heidenthal die Richler und die Zuhörer, den bc- rühmlcn Äktuarius mit einbegriffen, zum lauten Lachen verführt hatte, erklärte er das Ganze für den originellen Streich eines jun gen Menschen. Ein anderer Beweis: Wahrend scincs Auscnthallcs im Pembroker Kollegium bildete sich Herr Cooper ein, der Gegen stand des Haffes seiner Kameraden und Vorgesetzten zu seyn, und entfloh aus Cambridge. — „Und nun, meine Herren Geschworenen", fuhr Jeffrcy fort, indem cr die Arme über die Brust iills Kreuz schlug und immer scine unbcfangcnc Haltung beibehielt, „kommen wir zu einer anderen Chimäre unserer Gegner. Herr Cooper, dcr sich für einen Gegen stand des Gelächters dcr Studenten und Professoren in Cambridge hält, verläßt die Universität; und darum ist er toll, wenn man näm lich die sophistischen Grübeleien meines gelehrten Freundes, des Herrn Robertson, gelten lassen will. Wie, meine Herren! So kann man also von jedem Menschen, der mit offenen Augen eine abgeschmackte unerklärliche Handlnng begeht, sagen, daß er bis zu einem gewissen Gradc toll scy, das heißt, daß er sich nicht bei gesundem Verstände befinde? Ich bin jcdoch dcr Meinung, daß Herrn Coopers Benehmen, als er sich den ironischen Bemerkungen derer, mit denen er lebte, auSgcsetzl sah, weder so aus dcr Lust gegriffen, noch so unvernünftig war. Ich gehe noch weiter und behaupte, daß, wenn ich oder Hcrr Robertson in Cambridge gewesen und 'wie Herr Cooper behandelt worden wä ren, wir auch, ich wenigstens gewiß, uns ohne viele Umstände ent fernt hätten. Es ist sehr Möglich, sage ich, daß Herr Cooper, von seinen Kameraden geneckt oder vermiede», Lust gehabt hat, nach sei-