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Wöch«mtich erschein«» drei Numniern. Pränum«rai,on§- Prei« 22z Sgr. st Mr.) vicrieliLbrM, Z Thlr. für da» gan;« Jahr, ohne Er höhnng, i» allen Theilen her Preußischen Monarchie. M a g a für die Man xrännmerirl auf hicset Litcralur-Blatt in Berlin in Hec Expedition der Alig. Pr, SlaatS-Zeitung (Friebrichsgc. Nr. 72); in der Provinz so >vie im Ausland« bei den Wohllöbl. Post > A-Mtcrn. Literatur des Auslandes. 146 Berlin, Montag den 6. Dezember 1841. Nord - Amerika. Die Literatur des demokratischen Amerika. Die Aufmerksamkeit Europa's hat sich seit einiger Zeit lebhaft aus die Zustände der Vereiniglen Staaien von Amerika gerichtet. Interessante Bücher haben uns in den Stand gesetzt, den politischen Mechanismus dieser eigenthümlichen Gesellschaft näher betrachten uud die Wechselfälle ihres Verfalles oder ihrer Größe für die Zukunft abwägen zu können. Eine solche Prüfung war wohl der Mühe Werth, zuvörderst wegen des Interesses, welches eine auf neuen, in der Vergangenheit nicht gekannten Grundlagen errichtete Gesellschaft erweckt, nnd dann, weil cS für Europa eine Unmöglichkeit ist, sich von starken Vorurtheilcn frei zu erhalten, wenn cs neben den alten Elementen des allgemeinen Gleichgewichts ein neues erstehen sicht, dessen Stellung und Werth noch nicht richtig abgeschätzt ist. Besitzt Amerika eine ihm allein eigene Stellung? Kann es in dieser poli tischen Absonderung beharren, die ihm von seinen weisen Gründern so sehr anempsohlen wurde, oder ist cs bestimmt, gewaltsamerweisc in die Sphäre der zukünftigen Combinatioucn der Europäischen Poli tik mit sortgerifscu zu werben? Liegt im Schoße der Amerikanischen Union hinreichende Kraft und ganz vorzüglich genug Stabilität, daß fremde Mächte daran denken könnten, hier die Grundlage für neue politische Bezichungcn zu suchen? Diese Fragen, von welchen einige schon gelöst sind und andcrc erst von der Zukunft ihre Lösung er warten, erklären die so allgemeine Thcilnahmc für die Angelegen heiten der Amerikanischen Union und sichern ihr seit zwanzig Jahren einen so bedeutenden Amhcil an allen Europäischen Streitigkeiten. ES liegt übrigens, man muß es zugcben, etwas Ergreifendes in dem Schauspiel, welches unS jetzt Amerika darbictet. Vielleicht hat niemals ein so rascher Fortschritt das erste Auftreten eines Volkes bezeichnet. Ausgedehnte Waldstrecken verwandeln sich durch die er- stauuenSwürdigste Thätigkeit plötzlich in bevölkerte Ländereien; Fa briken, Gasthäuser, ja ganze Städte »heben sich wie durch Zauberei, wo noch vor zwanzig Jahren der verirrte Jäger auf den elenden Wigwam des Indianers stieß; Eisenbahnen lausen nach allen Seiten hin und verbinden Punkte mit einander, die durch ungeheure Ent- scrnungen getrennt liegen; improvisirtc Kanäle durchfurchen die wasserreichen Becken des Ohio, des St. Lorenz, des Mississippi nnd verbinden diese großen Pulsadern des Amertkanischcn Kontinents mit einander nnd mit dem Ocean. Die Bewunderung einer solchen materiellen Entwickelung steigert sich noch, wenn man bedenkt, daß diese inmitten einer Bevölkerung von gestern entstanden ist, die säst durchaus von dcr unaufhörlichen Aufregung in Anspruch genommen wird, zu welcher sic die Natur ihrer Institutionen verdammt. Noch hat keine Revolution in dein Grade, wenigstens nicht in materieller Beziehung, die kühnsten Hoffnungen ihrer Urheber verwirklicht; keine hat so früh und so vollständig die positiven Resultate, die daraus hcrvorgehen sollten, ans Licht gebracht. Diese Resultate konnten freilich nur mit Hülfe einer ausdauern den, hartnäckigen Thätigkeit erreicht werden. Man kann aber auch mit Recht behaupten, daß der Müßiggang hier gänzlich unbekannt Ist. Kaum hat dcr junge Amerikaner der westlichen Staaten sein sechzehntes Jahr erreicht, so beeilt er sich, eine Gefährtin zu erwäh len; bewaffnet sich dann mit Beil und Flinte und dringt in die düsteren Wälder ein, welche noch einen so großen Theil der neuen Welt bedecken. Seine Flinte, die er mit bewunderungswürdiger Ge schicklichkeit handhabt, verschafft ihm leicht Alles, was er für die be scheidenen Bedürfnisse seines beweglichen Hausstandes braucht; die Fehle der wilden Thicre werden gegen Kleidungsstücke umgetauscht. Hat er nun einen geeigneten Platz für seine Wohnung gesunden, so befreit er denselben schnell von Bäumen und Schlingpflanzen; wälzen sich aber die immer anwachscnden Fluthen der Bevölkerung bis zu ihm heran, so ist ost eine Handvoll Dollars hinreichend, ihn zur Ab tretung desselben zu bewegen, und er dringt tiefer auf neue For schungen in die Wälder ein. So ist das Leben der Squatters, dieser Pioniere dcr Civilisation dcr neuen Welt, beschaffen. ES ist ein Dasepn, in welchem, wie wir sehen, kein Raum für die Literatur ist, und so muß es auch seyn, denn nur den alternden Gesellschaften sind die moralischen Tradi tionen, die philosophischen, Alles besprechenden Gewohnheiten eigen, welche die Geister von der Außenwelt loslöscn und sie zu dcr WM der Ideen hinlcitcn. Dafür besitzt aber auch der Amerikaner, welcher dazu berufen ist, eine weite Strecke festen Landes urbar zu machen, sie zu bevölkern uud zu civilisiren, sowohl den Instinkt, wie den Geschmack für seine Sendung. Man kann behaupten, daß alle natür liche Fähigkeiten, welche die Naturforscher in den verschiedenen Gat tungen der Schöfung crkannt haben, sich in der Anglo-Amerikanischcn Race vereinigt und vervollkommnet vorsindcn. Man nimmt bei allen Klaffen, selbst bei denen, welche sich ausschließlich mit Gewcrbfleiß und Handel beschäftigen, denselben Trieb der OrtSvcränvcrung wahr. Sehet nur, wie die Amerikaner in Massen auf ihre Quais eilen, wie sie sich in die Dampfbötc stürzen und das Weite suchen, ohne anscheinend im geringsten auf jene furchtbaren Katastrophen zu achten, welche das Springen der Maschinen jeden Augenblick unter ihren Augen veranlaßt. Man möchte behaupten, cö flösse nicht Blut, son dern Quecksilber in ihren Adern. Man begreift leicht, daß bei einem solchen Volke und unter solchen Verhältnissen jeder Zuwachs an Be völkerung, weit entfernt, für die Oekonomistcn und Staatsmänner ein Gegenstand dcr Sorge zu sepn, welcher Fall in unserem alten Europa wohl eintritt, dort im Gegcntheil eine Quelle nationalen Wohlstandes und ein CivilisativnSniittkl ist. Man trifft auch da nirgends auf jene Race von Müßiggängern mit gezierten Manieren, welche bei den gebildeten Nationen der alten Welt ihr Leben in be ständigem Faullenzen verprassen. Arbeit, nichts als Arbeit, darauf läuft jede Amerikanische Existenz hinaus. Im Schoße einer so organisirten Gesellschaft kann man keine Literatur erwarten, die reich an Dichtern, Dramaturgen und Roman- schrcibern wäre. Die geringe Muße, die dem Amerikaner fein so wohl benutztes Leben übrig läßt, muß den für den Bürger unum- gängiich noihwendigen geistigen Ucbungen, den ernste» Familien- und RcltgionSpflichten gewidmet sepn. Eine kalte und wenig sich äußernde Frömmigkeit, eine Philosophie, die scharf und streng ist, sich aber selten zu allgemeinen Ideen erhebt, eine Rechtspflege, die noch durch kein Gesetzbuch fcstgcstellt ist, nnd eine Geschichte, die nicht weiter hinauf reicht, wie das Gedächtniß der Zeitgenossen, das sind wenig fruchtbare Elemente für eine Literatur. Und doch ist das Alles, was die Vereinigten Staaten besitzen, wie anderer Meinung einer ihrer Schriftsteller, Vial, auch in dieser Hinsicht sepn möge, auf dessen kürzlich erschienenes Werk über dir Literatur seines Vaterlandes wir hier Bezug nehmen; denn als guter Bürger möchte cr gern den von seinem Volke errungenen Trophäen auch noch die des Gedankens hinzufiigen. Weil Amerika in industrieller Hinsicht, in physischer und materieller Entwickelung merkwürdige Fortschritte gemacht hat, fo kann der erwähnte Schriftsteller cs nicht übcr sich gewinnen, der Ueberzeugung Naum zu geben, daß cs in Bezug auf die Literatur einen anderen Platz, als den ersten, einnehmcn solle. Obgleich man dies als einen Jrrlhum bezeichnen muß, so ist es doch ein sehr ver zeihlicher. Die Völker haben, wie die Individuen, ihre Eigenliebe, ihren edlen oder thörichtcn Stolz; in der Literatur, wie in jeder anderen Beziehung, empfinden, sie das Bedürfniß, groß und ausge zeichnet zu erscheinen und den obersten Rang einzunehmen. Bictet ihnen die Gegenwart keine Befriedigung, so suchen sie dieselbe in dcr Vergangenheit. Die Geschichte, die Ueberlieferungen, ja selbst die Legenden werben zu diesem Zwecke auSgebeutet, und sicher entdeckt irgend ein beharrlicher Alterthumsforschcr in der Dunkelheit, die über den ersten Annalen eines Volkes «uSgebreitet liegt, doch einige zer streute Strahlen eines zweifelhaften Ruhmes, und man bildet sich daun ein, in der Vergangenheit die Größe aufgcfundcn zu haben, welche der Gegenwart fehlt. In den meisten Fällen aber erwählt sich die Eigenliebe ihren Fokus in der Gcgenlvart; kühn erhebt man his in die Wolken als ein Wunder von Genie diesen oder jenen Schriftsteller, von dessen Verdienst sich die Welt nie überzeugen wird, und das Ausland erstaunt nicht wenig, wenn cs sieht, daß selbst ver ständige Männer die freilich ganz ehrcnwerthen Namen eines Joel Barlow und eines Bryant denen der ersten dramatischen Dichter anderer Nationen zur Seite stellen, ohne die Größe des Sakrilegiums zu fühlen. Man kann gewiß während seines Lebens ein sehr guter General gewesen seyn, ohne deshalb an den Ruhm eines Cäsar's oder eines Napoleon's Anspruch zu haben; man kann als Philosoph, als Staatsmann ausgezeichnet seyn uud deshalb sich doch nicht zur Höhe eines Montesquieu, eines Richelieu cmporfchwingcn. Ein Amerikaner sollte sich also nicht scheuen, einzugcstehen, daß seine LandSlcutc in der Poesie und in den Künsten noch viel zu leisten haben, bevor sie ihre Namen neben die der Europäischen Berühmt heiten stellen können. Ihr Stolz kann sich durch ihren niederen