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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.06.1918
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1918-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19180622015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1918062201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1918062201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Text schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-06
- Tag 1918-06-22
-
Monat
1918-06
-
Jahr
1918
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Morgen-Ausgabe 02^,«*-»«-—ftr Leipzig ,nd Dörpel« z»«l»«l Ugllch VezugspreTS. in« s-ur gebracht «-N-IU» M. 200, plerteitLbrlich M. «00^ für Abholer monatlich M. 1.75: »«ch a»s«r< «utwÄrliqen Filialen int Haut gebracht monatlich M. 2LS, »lertel- itlhiitch M. SUiU: durch di« Post innerhalb Deullchland« Telamt-Aataad« «pnatllch M. 2^5. vierlellahrllch v!i. ö.7S: Morgen Äu«,ad« M. 4lb«adAv1gab« M. 0,86, Sonntaat-Aatgad« M. VLÜ monatlich (autschlletzlich Postdestrllgedühr». Lavptschriftleik«: Dr. Erich Everth, Leipzig. tzcmdels-IeUung /UntsblaU des Rates und des poUzetarntes -er Stadt Leipzig 112. Jahrgang f»r Sr^eeipji, u. Umgeb dl« «tnspaU. Kol.nelzeilr <0 Pf. v. aatw. 5Ö Pf.: 7lag«ta«» ». Beh-rSea im amtl. Teil di« Kolonelzeile 83 Pf. ». aue». SS Pf.: klein« Anzeigen die goi«nelz«ile 30 Pf. aatwärit 35 P«a ivefchäfttanzelaen mit Platz»or,chrift»n Im Preis« erhübi. B«tlag«n: Desamlaaflag« M. 7.— da« Tausend autschl. Poftgeblihr. Sin,«ln»»»«r i» Pf. — S,n». »nd Festtag« IS Pf. Svsfprech- Lnichlud Ar.l««»!. ltki» ««- »««»«.—Posticheckkonta 7200. Schrifileliung rmd Sefch-fttfiell«: Zohannitgafi« Rr.d. Verlag: Dr. Reinhold K Co., Leipzig. 1918 Sonnabend, den 22. 3uni Nr S13 Um den Monte Montello Sesterr.-ungar. Heeresbericht «vtb. Wien, 21. Juni. Amtlich wird gemeldet: Der Feind setzte seine Anstrengungen, uns die westlich der Piave erkämpften Erfolge wieder zu entreißen, auch gestern mit unverminderter Heftigkeit fort. S«ne Opfer waren aber ver gebens. Alle Anstürme brachen an dem unerschütterlichen Wider- stand unserer heldenhaften Truppen zusammen. Hu besonderer Wucht steigerte sich das Ringen auf der Karfihochflächc des Mon tello, wo an den flüchtig aufgeworfenen Verschanzungen der Divisionen des Feldmarschalleutnanks Ludwig Goiginger Sturm welle auf Slurmwelle zerschellte. Ueberall stand Marn gegen Mann im Handgemenge. Ans Frontbreiten von zwei Kilometern bastle der Feind Sturmlruppen in der Stärke von acht Regimentern zusammen, um den Wall unserer Braven ins Wanken zu bringen. Gewaltiger Kräiieoer- vrauch zwang den Italiener, Reserve auf Reserve in die Schlacht zu werfen. Neben hohen blutigen Verlusten nimmt auch feine Einbuße an Gefangenen täglich zu. So wurden am vorletzten Gesechtstage auf dem Montello allein 3200 Mann eingebracht, davon 2000 durch das ungarische Infanterieregiment Rr. 139. Ungarische Heeresregimenter, österreichische Schützen und unga rische Honveds haben in diesen beißen durch Tag und Nacht fort dauernden Kümpfen als Angreifer ebenso wie als Verteidiger ihrer ruhmreichen Geschichte ein neues Ehrenblatt eingefügt. An der GcbirgSsrvnt herrschte gestern Artilleriekampf vor. Der Chef des Generalstabes. Haag, 2l. Juni. (E i g. Drahlbericht.) Laut „NieuwS Bureau" beschreiben die Korrespondenten der britischen Presse der italienischen Front die Schwierigkeiten, mit denen die Oester reicher zu Kämpfen haben, besonders, nachdem es den Italienern ge- bmgen wäre die Initiative an mehreren Stellen zu ergreifen. Die Italiener hätten zwei neue Bundesgenossen, erstens eine Abteilung amerikanischer Flieger, die eben angekommen seien, und zweitens die Ueberschwemmung der Piave, die lste von den Oefierreichern geschlagenen Brücken jedesmal wieder nieder- reitze, so daß nur zwei davon zurzeit verwendbar seien. Dennoch sei es den Oesterreichern gelungen, noch drei weitere Brücken zu bauen, so dah sie jetzt deren fünf hätten, auf denen sie Reserven heran- sühren könnten. Artillerie lzälten die Oesterreicher noch nicht auf dem rechten Ufer, so dasz sie ihre vorgeschobenen Stellungen nur mit Ma schinengewehren verteidigen müssten. Insgesamt hätten sie bisher 5 0 0 0 0 Mann aus das Wcstufer derPiave hinubergebracht. Die Beeinträchtigung der strategischen Bahnen in Frankreich vtb. Berlin, 21. Juni. Die ersten drei Mouate der deutscheu Offensive im Westen haben neben allen anderen bedeutenden Erfolgen die Benutzung der französischen Eisenbahnen für den Feind in hohem Matze ver mindert. In der Angriffsschlacht von Coimbras—St. Quentin—La Fdre verlor der Gegner durch das schnelle Bordringen der Deutschen beim I ersten Stotz die Bahn Roisel — Peronne — Lhanlnes — l Roye, die ihm bisher das schnelle Hcrmnwerfen seiner Kampftruppen zwischen Somme und Aisne gestattete. Durch den fortschreitenden Angriff wurde die für den Feind wichtige parallel zur Front führende Hauptlinie Arras — Amiens — Montdidier — Berberie—Ormoy zwischen BoiSlaux und Dvrnaucourt und zwischen Moreuil und Combront unterbrochen. Diese Unterbrechungen bedeuten nicht nur für die Operation innerhalb der englischen und fran zösischen Kampfarmee eine erhebliche Störung, sondern erschweren auch das Eingreifen der französische» Divisionen an der englischen Haupkkamps- front. Diese Angriffsschlocht hatte für den Gegner ferner zur Folge, datz das wichtige Bahndreicck Lamotte — Amiens — Boves und die Bahnlinie Amiens — Paris in einer Entfernung von 5 bis 15 Kilo meter rm Bereich unseres Artilleriefeuers liegen. Der Gegner kann also mit der uneingeschränkten danernden Benutzung dieser Bahnen für operative Zwecke nicht mehr rechnen. Infolge der deutschen Offensive südwestlich Vpern wurde die Bahnlinie Poperinghc — Haze- brouck — Lillers — LhoqueS, die parallel zur neuen Front ver läuft, cuf eine Entfernung von 5 bis 10 Kilometer in den Wirkungs bereich des deutschen Arlilleriefeuers gezogen. Die Haoptbahnlinie i» der Rordsvdrichiung Dünkirchen—Hazebrouck—St. Pol—Doullcns— Amiens wurde dadurch für operative Zwecke des Gegners nicht mehr uneingeschränkt benutzbar. Die Folge der ersten beiden Angriffs schlachten ist, datz dem Feind für den nneingeschränkkeri Verkehr in nordsüdlicher Richtung nur noch die einzige leistungsfähige Bahn Calais—Boulogne—Royelles—Beauvais—Paris zur Verfügung steht. Die Entente ist gezwungen, starke Kräfte zum Ausbau neuer Bahnlinien einzusetzen. Die Schlacht am Lhemin des Dames und südwestlich Noyon halte für den Gegner den Verlust zweier wichtiger West-Ost-Bahnen für operative Zwecke zur Folge, und zwar die Bahn Compidone — Reims und zweitens die Bahn Paris — Chalons. Für Truppen verschiebungen von Verdun nach dem linken feindlichen Heeresflügel kommt als nächste Bahn die durchschnittlich 25 Kilometer südlich der Marnetal-Bahn führende Strecke Revigny—Fere Ehanylivise—Cou- lommiörS—Paris in Betracht. Dieser nötig gewordene Amweg hat als weitere Folge einen beträchtlichen Zeitverlust für die gegnerischen Transporte. Da von der letztgenannten Bahn nur wenige Querverbindun gen zu den noch betriebsfähigen Teilen der Marnetal-Bahn und zur Front bestehen, sind dem Gegner für Trvppenverschietmngea und Nach schub erhebliche Schwierigkeiten entstanden, seine operative Beweglichkeit ist erheblich eingeschränkt. Entsprechend der Schädigung der französischen Verbindungslinien hat die deutsche Führung durch die Inbetriebnahme der neugewonnenen Bahnen in jeder Beziehung erhebliche Verkeile. *- Die Bahnanlagen von Amiens, St. Nicolas, Glizy, Boves sowie die Bahnlinie Fouercomp —Remtencourt wurden von uns wirkungsvoll beschaffen. Die wiederholken Tellangriffe und Erkunduagsvorstötze des Feindes au vielen Stellen der Front von Flandern bis nach Lhateau- Thierrb haben ihm schwere blutige Verluste gekostet und blieben ohne jedes Ergebnis. Besonders schwer muhten die Amerika»« bluten, die um 4 Uhr vormittags ohne vorherige Artillerievorbereitung am Lliguowbach nordwestlich Lhakeau-Thierry zum Angriff ansehlen. Bei Abwehr der feindlichen Erkun dungSvorflöhe wurden Gefangene und Beute eingebracht. * * wtd. Berlin, 21. Jank, abends. (Amtlich.) Von den Kampffronten nichts Neues. Die Wiener Krise Wien, 21. Juni. (Drahtbericht unseres Sonder berichterstalters.) Heute ist für die innerösterreichische Politik cii. kritischer Tag erster Ordnung. Heute tritt die Vollversamm lung deS Polenklubs zusammen, um nochmals über den Krakauer Beschluß und über das Verhältnis zum Ministerium Seidl« zu beraten. Gleichzeitig wurde für heute abend der Wiener Arbelterrat ein- bcrufen, um den Bericht über die Verhandlungen der sozialdemokra tischen Parteiführer mit der Regierung in der Brotkrise entgegen- znuehmen. Man nimmt an, datz die Regierung nach Ergebnis der heutigen Beratungen nochmals ihre Lage überprüfen werde nnd even tuell die Gesamtdemission überreichen wird. Frankfurt a. M» 21. Juni- (Eigener Drahtberlcht.) Aus Wien meldet man der .Franks. Ztg.': Es hat heute den An schein, als ob die deutsche Sozialdemokratie den Ver such machen wird, das Parlament zu retten. Eine sozial demokratische Abordnung sprach beim Ministerpräsidenten vor und legte ihm dar, datz das Parlament einberufen werden müsse, weil die durch die Brotverkürzung erregte Bevölkerung es wünscht. Man glaubt in sozialdemokratischen Kreisen, datz dieser Schritt den beabsichtigten Erfolg haben und die Parteien noch im letzten Augenblick zu einer Einigung bewegen wird. Herr von Payer und Ungarn Ein Missverständnis. Vertin, 21. Juni. (Drahlbericht unserer Berlin c'r S ch r i f t l e i t o n g.) Zu der Rede des Grafen Tisza wird in Berliner amtlichen Kreisen bemerkt: Diese Rede, sowie die Aeuherungen mancher ungarischer Zeitungen erwecken den Ein druck, als ob die Mitteilungen des Vizekanzlers v. Payer an den Vertreter der .Neuen Freien Presse' in Ungarn mihverstanden sind. Herr von Payer hat ja nur in ganz grotzen Zügen die Richt linien angegeben, die für die militärische, politische und wirtschaft liche Vertiefung des deutsch-österreichisch-ungarischen Bündnisses gelten würden. Er hat nicht die mindeste Absicht gehabt, die ungarische Selbständigkeit irgendwie anzu- tast en oder die Interessen der ungarischen Industrie und Land wirtschaft zu beeinträchtigen. Ohne Zweifel wird in den kommen den Verhandlungen den ungarischen Ansprüchen in jeder Hinsicht Rechnung getragen werden. Alle solche Abmachungen enthalten ja nur dann die Bürgschaft für ihre Dauer, wenn sie auf den gcgeitseitigen Vorteil der Vertragschliessenden oufgebout sind. In Deutschland ist die Sympathie für das Bündnis mit Ungarn all- gemein. Wir halten auch an dem Glauben fest, datz die Bündnis- lreue, wie der Ministerpräsident Wekerle sie vertritt, im ungari- ichen Volk tiefen Boden gefotzt Hal und erwarten eine kräftigen Widerstand gegen die Umklebe der Karolyi-Partei. Balfour gegen die englischen Friedensfreunde Haag, 21. Juni. (E i g. D r a h * b e r . ck r, Lonton wird ge- mri-el: Im Unterhaus erwiderte Balfour nrf Sncwdcnä pazifistische Anträge in täng.»?:n Ausführungen. Balferr sagte u. a. folgendes: Eine Friedensoffensive ist ein Vorgehen unter dem Vorwande, den Krieg zu beenden und Spaltung und Uneinigkeit unter den Gegnern hervorzurufen. Snowdens pazifistische Rede sei ein Musterbeispiel von einer Friedensoffensive. Im Lande wünsche jedermann das Ende des Krieges herbei. ES handle sich ab« nicht um kleinliche internationale Differenzen, sondern um große Zwecke und Ziele, die die ganze Menschheit beträfen. Balfour entwickelte dann ein Bild von dem Streben Deutschlands, die Welkherr- schaftan sich zu reißen. Man habe das anfangs nicht gleich er- kannt, weil das Schicksal Belgiens alle Gemüter «füllt habe. Wie England im Jahre 1914 als Schützer deS Rechts in den Krieg ein getreten sei, so stehe noch heule England für die hohe» Prinzipien der Verteidigung von Freiheit und Recht in Waffen. Dieser Krieg sei nun einmal unvermeidlich gewesen: denn die Mllitärkaste, die für Deutschland die Weltherrschaft erstrebe, habe dieses Ziel seit 40 Jahren verfolgt, und falls eS nicht im Frieden gelingen sollte, es mit Gewalt durchzusetzen versucht. Der Hinweis Snowdens auf die Friedens angebote der Zentralmächte beruhe auf einem Irrtum: denn keines dies« Friedensanerbieten trage auch nur die Basis für mögliche Friedensverhandlungen in sich. Es sei nicht erwiesen, daß es Deutsch land jemals um seine Anerbieten Ernst gewesen sei. Balfour wies dann noch besonders darauf bin, daß die Geheimverträge der Alliierten kein Hindernis für den Frieden bilden. Auch das italienische Geheimabkommen stehe keineswegs einem Friedens schluß im Wege. Die Geheimverträge seien, sagte Balfour, weder von ihm noch von seiner Partei abgeschlossen: aber sie wurden geschloffen aus Gründen, die jede Regierung verantaßt hatten, «in derartiges Ab kommen abzuschließen. Amerikanische Sozialisten gegen den Frieden Haag, 21. Juni. (Etg. Drahkbericht.) AuS New D»rk wtvd gemeldet: Eine Delegation amerikanischer Sozialisten wir- nach London reisen, um der Konferenz der britischen Arbeit«- Partei am 28. Juli berzuwohnen, und um sich später in Frankreich. Italien und der Schweiz mit den dortigen Sozialisten zu besprechen. In einer Erklärung der Abordnung heißt es, dah rm Augenblick nichts lnrrch Friedensdesprechongen gewonnen werden könnte. Jeder internationale Sozialistenkongreß müßte vor allem bedingungslos die Frie- -enSbedingungen Wilsons vom 8. Januar annehmen, ebenso aber auch die -er Ententesoz tollsten vom 22. Februar, die in der Londoner Konferenz proklamiert worden seien. Weit« heißt es in der Erklärung, daß die Delegierten nur mit den sogenannten Mi n d e rb e i t s s o z i allsten der feindlichen Länder ver- handeln wollen. Der rumänische Frieden im Reichstage E Berlin, 21. Juni. (Drahlbericht unserer Ber liner S ch r i s t l e i t u n g.) Noch bis in den Beginn der heir- tigen Sitzung hinein stritt inan sich darüber, ob es heute em so genannter großer Tag werden sollte, ob Herr von Kühlmann die Aussprache über den rumänischen Friedensvertrag mit einer Er läuterung nnd Verteidigung des Werkes einleiten würde, oder ob Wahrscheinlichkeit vorhanden wäre, dass die Erörterung heute im Sande verrinne und erst im Ausschuss und dann vielleicht bei der zweiten Lesung der Reichstag seinen Spruch zu fällen hätte. Die Regierung war dafür gewesen, die wirkliche Generalaussprache in den Ausschuss zu verlegen. Man wird ihr, will man gerecht sein, für ihre Auffassung manche gute Gründe zubiliigen können. Solange Mars noch immer die Stunde regiert, läßt sich über alles das, was für einen solchen Teilsricden massgebend gewesen sein kann, nicht gut auf offenem Markte reden. Am wenigsten dann, wenn dieser Teilsrieoc einen Abschnitt in einem KoalitionSkriege bildet, bei dem, mag die Einigkeit in grossen und wesentlichen Dingen noch so stark sein, immerhin manche Punkte Zurückbleiben, in denen die Auffassungen der Verbündeten auseinandergehen. Indes, wir haben die Unabhängige Sozialdemokratie, und wir haben auch die Konservativen, die Herrn von Kühlmann nun ein mal gram sind und anscheinend auch in Fragen parlamentarischer Technik keine Lust haben ihm cnkgegcnznkommen. So erlebte man heute eine ganz eigentümliche Debatte. Wäk- rend sie zum Teil wirklich schon zu einer Generalaussprache ward und das Vertragslvcrk in allen Einzelheiten ableuchtetc und zer zauste, gab sie sich zum anderen Teile mit Bewußtsein und Absicht als provisorisch und behielt sich alles Weitere für Ausschuss und zweite Lesung vor. Am strengsten wurde dieser Standpunkt von dem Redner der Fortschrittlichen Volkspartci Herrn Wicmer und von dem sozialdemokratischen Mehrheitspräsidenten gewahrt. Aber schon Herr Groeber kam einigermassen ins Gedränge. Auch sr wollte sich kurz fassen, aber er sprach doch auch von der Not wendigkeit, das endgültige Schicksal der Norddobrudscha bald zu entscheiden, fand Worte, milder Rüge für die glimpfliche Art, in der Rumänien beim Frieden wegkam, und vergass nicht, das Greuelkapitel der Behandlung der deutschen Gefangenen in Ru mänien ins Licht zn rücken. In ähnlicvcm Gedannengang bewegte sich auch der nationaliiberale Fraktionsführer. Dr. Stresemann wies darauf hin, dah die rumänische Kriegserklärung geradezu einen Niederbruch unserer Diplomatie bedeutet hätte, und wie es nun darauf ankäme, in Zukunft unsere Bündnispolitik nicht mehr auf die Dynastien zu stützen, sondern auf gewisse Idcenzusammen- hänge, die geistige und wirtschaftliche Annäherung der Völker, die sich entschlossen hätten, eine längere oder kürzere Meile zusammen zugehen. Und wie zuvor Herr Groeber, sprach Herr Stresemann von der Gefahr des Kondominiums nnd von der Erfordernis, die Ansprüche der Bulgaren zu erfüllen, die ja nur mit dem einen Ziel in den Krieg gezogen seien, bei dieser Gelegenheit sich die Eigenheit und Geschlossenheit von Volkstum und Staatsgebiet zu erkämpfen. Dann rührte der Redner an die Wiedereinsetzung der mit Verrat und moralischen Gebresten aller Art belasteten Dynastie, die auch das neue Rumänien wieder zum Giftherd der Entente machen würde. Aber das waren immerhin nur Rand bemerkungen und Rankenwerk, ein paar allgemeine Betrach tungen, die ruhig geäußert werden konnten, selbst wenn man die Gründe der Regierung nicht kannte. Graf Westarp aber bemühte sich schon ganze Arbeit zu leisten. Er ist ein trockener Redner, alles andere eher als ein eleganter Fechter, aber in seiner Trockenheit, die die Worte schwer und dumpf vor sich auf das Pult niederfallen lässt, liegt Gift und Galle. Der konservative Sprecher beglückwünschte die Donaumonarchie zu ihren geschickten Diplomaten. Aehnlich, nur nicht ganz so scharf, äußerte sich hernach der Abgeordnete Marmuth von der dentHhen Fraktion. "Dann sprach sich der Herr Ledebour wieder einmal die Seele frei. Herr von Kühlmann hatte derweil, ein airscheinend nicht ein mal sonderlich interessierter Zuhörer, still und stumm an seinem Platze gesessen. Erst als die sechste Stunde sich ihrem Ende näherte und die Rednerliste erschöpft war, «hob auch er sich zu einem Spruch. Einem kurzen Spruch, der im Grunde nur eine Anzahl Richtigstellungen aneinanderreihte. Herr v Kuhlmann möchte nicht, datz man über den Bulgaren die anderen Verbündeten vergäße: sie alle haben beim Friedensvertrag einen gerechten An spruch auf Erfüllung oder wenigstens Berücksichtigung ihrer Wünsche, lind Herr von Kühlmann sieht cs auch nicht gern, datz man dem neuen Rumänien, das nun erstehen soll, mit grundsätz lichem Misstrauen begegnet. Ein gewisses Misstrauen sei nach der Vorgeschichte des Krieges ja verständlich, aber wir sollten versuchen, es abzutun: Denn die überwiegende Mehrheit der rumänischen Nation sei nur widerwillig non einer kleinen Gruppe ränkesüchtiger Geschäftspolitik« in diesen Krieg hineingetricbcn worden, lieber diese würde aber das rumänlsä-e Volk selber das Strafgericht halten, und je wenig« dabei ein Druck von aussen mikspiele, um so höher wäre diese Sühne einzuschätzen. Von umfassend« politischer Bedeutung war In den Ausführungen des Staatssekretärs nur der Satz, den er an die Spitze stellte: Die Norddobrudscha soll unter allen Umständen den Bulgaren zu fallen, das Kondominium bedeutet keinesfalls einen Dauerzustand. DaS war in grotzen Zügen der Inhalt der ersten Lesung der rumänischen Friedensverträgc. Wie man sicht: Die Ausbeute war nicht gerade überwältigend- Aber im grossen Zusammen- Hang der Dinge wird man auf alle diese Fragen ja zurückkommen, wenn in der nächsten Woche der Etat des Auswärtigen Amtes zur Verhandlung steht. Sitzungsbericht Am Tische -es BundeSrats: von Pa»«, von KSHlmoni,. Abg. Bartjchat sFortschr. Vpt.) froot an. worum in -er prsvinH Ostpreußen noch immer -er »«schärfte Betagenmgsmitan- besteht, oh-
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