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Zweites Blatt. WchmM sm WW ThalM Men. Ziebenlehn md die Umgegenden Imlsölull Freitag, den 13. Oktober No. 82 1893 Drei Tage waren seit der Verlobung vergangen, jeder Abend war^uf ähnliche Weise verlebt worden, und jedes fühlte I sich von dem Beisammensein mit dem Andern immermehr be- für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Blätter und Blüten. Unser Leben ist ein Tag. Unser Leben ist ein Tag; Jahre sind die Stunden, Monde sind Minutenschlag, Wochen sind Secunden, Flüchtig ist das Morgenroth, Heiß des Mittags Schwüle, Bald dann naht, als Nacht, der Tod Und wir stehn am Ziele. Durch den Morgen hüpft das Kind Unbekannt mit Sorgen; Aber, Träumen gleich, verrinnt Dieser Lebensmorgen. Aus der Kindheit treten wir Und die Hände breiten Sich, mit stürmischer Begier, Nach Vergänglichkeiten. Wenn ein Spiel — ein Blumenkranz — Kindes Herz erfreuten, Strebt der Jüngling Ruhm und Glanz Stürmend zu erbeuten; Gold, Macht und Verschlagenheit, Sind des Mannes Waffen, Nimmer satt, aus Nichtigkeit Sich ein Glück zu schaffen. Thor, du bist beklagenswerth, Wenn dein Auge blendet, Und dein schwaches Herz bethört, Was die Erde spendet. Nur ein Irrlicht ist der Schein; Glückes wahren Schimmer Holst du auf der Erde ein, Mensch — von Erde, nimmer. Wer sich an die Erde hängt, Würde auch beschicken Ihm, wonach sein Herz sich drängt, Findet keinen Frieden. Wünsche lösen Wünsche ab; Und nach Gram und Schmerzen, Geht der letzte Wunsch — das Grab — Dennoch nicht vom Herzen. Wende weg, mein Herz, dich weit Von dem Weltgewühle; Fliehe hin, wo Seligkeit Deiner harr't am Ziele. Fürchten will ich meinen Gott, Will den Nächsten achten, Und, als Glückes Morgenroth, Grab und Tod betrachten. — Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis ^vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne f Nummem 10 Pf. Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. Freudig ergriff die Mutter beide Hände des Schwiegersohnes ;und drückte sie gerührt. „Marie," rief sie, „wo bist Du denn?" Aber Marie war nicht zu sehen; sie war hinausgehuscht. „Mein Gott, mein Gott," rief Frau Walter, indem sie ! den Schwiegersohn krampfhaft an den Händen hielt, als fürchte sie, er könne ihr entwischen, „was ist denn eigentlich mit dem Mädel?" „Marie", rief sie noch einmal, unschlüssig, ob sie ihr nach gehen und den Schwiegersohn loslassen oder bleiben und ihn festhalten jolle. „Lassen Sie doch Marie thun, was sie will," sagte Horn beschwichtigend. „Sie muß doch aber wissen, was sich schickt. Siewerden ja gar nicht wissen, was Sie von ihr denken sollen," sprach seufzend Frau Walter. „Ich weiß es eigentlich auch nicht." „Ich bin mit ihr zufrieden", sagte Horn, „und bitte Sie, ihr keine Vorwürfe zu machen. Frau Walter war erstaunt, aber noch mehr erfreut, über diese Nachsicht. „Wenn Sie erlauben," sagte Horn, „so komme ich nach dem Abendbrot mit der Zeitung etwas herüber. Bis um sieben Uhr arbeiten die Gesellen, dann ist das Abendbrot, und nach her lese ich immer die Zeitung und rauche eine Pfeife dazu." »Ja, ja, kommen Sie", bat Frau Walter, und bringen Sie ruhig Ihre Pfeife mit. „Mein seliger Mann konnte auch ohne Pfeife nicht leben." „Auf Wiedersehen also," sagte Horn. Draußen im Hausflur stand Marie und wartete auf ihn. „Sind Sie mir nicht böse," sagte sie leise; „die Mutter hat mir scharf gelegt, ich solle zärtlich gegen Sie sein; das ist doch gegen die Abrede und so wußte ich mir keinen Rath und ging heraus." Horn erzählte ihr eben so leise, was sich im Zimmer zu getragen hatte. Frau Walter aber, von Angst getrieben, hatte die Zimmerthür leise geöffnet und war lautlos in den Flur ge treten. Hier sah sie, daß die Beiden bei einander standen und leise flüsterten. Ein Alp ging ihr von der Brust. Also sie waren ganz einverstanden und nur in ihrer Gegenwart war das Mädel so närrisch. Wohl fühlte sie sich dadurch etwas verletzt, andererseits aber auch beruhigt, und so trat sie ins Zimmer zurück. Und als Horn gar noch einmal zu ihr eintrat und sie nochmals bat, sie möge Marien durchaus keine Vorwürfe machen, da schwand der letzte Rest von Besorgniß, daß sie ihren Schwie gersohn wieder verlieren könne. Kaum aber war der unangenehme Gast aus ihrem Herzen vertrieben, als die verletzte Mutterliebe sich wieder von Neuen gegen die Tochter empörte. „Was hast Du denn," fragte sie," als Marie eintrat, „für ein unausstehliches Benehmen?" „Mutter", sagte diese, „Du sollst mir ja keine Vorwürfe machen." „Nun," sprach die Mutter, „ich muß doch dafür sorgen, daß Du vernünftiger wirst und Dir Deinen Bräutigam nicht verscherzest." „Horn ist mit mir zufrieden," widersprach Marie, „und ich bitte Dich, daß Du mich nicht tadelst." Was wollte sie noch sagen? Einverstanden waren sie also, denn er hatte Marien schon wieder gesagt, daß er die Vorwürfe der Mutter abwehre. Aber sie schüttelte den Kopf und sagte vor sich hin: „Ist das eine Verlobung!" Als sie sich mit ihrem seligen Manne verlobt hotte, da hätte ihr Herz springen mögen vor Jubel und Marie — ? Sie war so seltsam scheu, und er war auch zufrieden? War das jetzt eine andere Welt? Marie war doch sonst ein sehr gutes Kind und voll Rücksicht auf die Mutter gewesen, und nun dieses seltsame Gebühren? Nach dem Abendbrot erschien Horn, wie er versprochen. Außer der Zeitung und Pfeife brachte er das Nothwendige zu einem Punsch mit und ersuchte seine Braut, das heiße Wasser zu besorgen. Marie wollte wieder, wie gewöhnlich, nach dem Abendessen an ihre Arbeit gehen, doch Horn wehrte dagegen. i „Aber ich muß doch," entgegnete Marie, jetzt erst recht Tag und Nacht arbeiten. Erst muß ich die übernommene Arbeit fertig machen und dann die Ausstattung." „Dafür werde ich sorgen, daß Alles fertig wird," sprach Horn, „sowohl die fremde Arbeit, als auch die Ausstattung." Die Mutter seufzte. „Ja die Ausstattung!" Jetzt war ihr sehnlichster Wunsch erfüllt. Ihre Tochter wurde versorgt, aber da kamen gleich die Kosten — die würden wohl jeden Sparpfennig verschlingen. Mn wollte Marie einen Strickstrumpf zur Hand nehmen, Ein Ehevertrag. Roman von Fritz von Feldheim. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Wie steht mir der Hut? Wie sitzt mein Kleid? Was meinst Du, was ich mir für ein Mäntelchen kaufe? u. s. w." Solche Fragen wurden fortwährend an sie gerichtet, aber nicht ein einziges Mal wurde in Frage gestellt, was sie kleiden und was ihr sitzen möchte. Wenn er sich nun besonnen hätte und Alles sein ließe? Das wäre doch schändlich! Aber hatte sie nicht auch heut noch die Freiheit, „nein" zu sagen? Also mußte auch er sie haben. Ihre Unruhe steigerte sich zur Angst. Sie ging wieder inS Zimmer, um vom Fenster aus nach der Straße zu sehen. Da topfte es an der Thür und Horn trat herein. Er begrüßte Frau Walter, welche ihm zunächst stand. Dann schritt er auf Marien zu. „Fräulein", sagte er, „Sie hatten mir heut Antwort ver sprochen — waS kann ich hoffen?" „Ich bin einverstanden", sagte Marie mit vor Aufregung zitternder Stimme, indem sie angstvoll nach der Mutter sah. „Das ist mir lieb", sagte Horn, indem er sie bei der Hand nahm und ihr durch einen Druck derselben dankte. Mit Schrecken erwartete Marie was nun kommen sollte; aber auch Horn stutzte einen Augenblick. Wie sollte er der Mutter gegenüber auftreten? Daran hatte er nicht gedacht. Doch schnell faßt er sich; es mußte gesagt werden. Er trat vor sie hin und begann: „Frau Walter, Ihre Fräulein Tochter und ich haben beschlossen uns fürs Leben mit einander zu verbinden und ich bitte Sie um Ihre Einwilligung." doch auch dies ließ Horn für heut nicht zu. Heute war ihre Werbung und am Verlobungsabende wollte sie stricken! Endlich hatten sie sich zu einer gemüthlichen Unterhaltung zusammengesetzt, und Jedes hatte ein Glas brodelnden Punsch »or sich. Das Brautpaar saß auf dem Sopha, die Mutter hatte auf dem Lehnstuhl am warmen Ofen Platz genommen. Zuerst wurden die Ereignisse der Stadt besprochen, dann las Herr Horn aus der Zeitung vor. Er begann mit den Er eignissen, welche aller Orten gemeldet wurden. Bis jetzt hatte den beiden Frauen die Hauswirthin immer das Stadtblatt, welches wöchentlich zweimal erschien, geborgt; daraus hatte die Mutter die „schöne Geschichte" und die An zeigen gelesen, doch zu einer Zeitung hatten sie sich nie verstiegen. Es war für Mariens regen Geist ein großer Genuß, an andern Vorgängen theilzunehmen, und als nun der Bericht über eine Nordpol-Expedition an die Reihe kam, hatte sie soviel zu fragen, daß das Lesen sehr langsam vorrückte. Für Horn war es sehr angenehm, Marie über die Sachen zu belehren, und dieser ging eine ganze Welt voll neuer Ge danken auf. Die Mutter auf dem Lehnstuhl war eingenickt, denn der Punsch hatte sie schläfrig gemacht, und nun hielt es Horn für den geeigneten Zeitpunkt, mit Marie den Termin der Hochzeit festzusetzen. „Dieses Jahr," sagte Mariechen, „ist es doch nicht mehr möglich." „Warum denn nicht?" fragte Horn. „Jetzt kommt der November," gab Marie zur Antwort, „dann ist gleich der Advent, und nachher ist doch nicht mehr soviel Zeit, daß das Aufgebol erfolgen könnte." „Ich möchte aber", sprach Horn, „spätestens den dritten Weihnachtsfeiertag Hochzeit haben. Der Haushälterin will ich zum fünfzehnten November kündigen. Sie sollen sich ein Mädchen miethen und so wäre es doch sehr störend, wenn Sie zum Neu jahr nicht bei mir sein könnten. Wir sind nun einmal Kompagnons und müssen mit einander unsern Vortheil berathen. „Ich wexde aber doch nicht fertig", wandte Marie eilt; gegen ihren Willen ein Wenig verletzt durch diese praktische Rücksicht. „Nun sehen Sie," sprach Horn, „Sie sollen sich auf meine Rechnung helfen lassen". Marie erröthete tief. „Ich sollte von Ihnen Geld annehmen", sagte sie abwehrend. „Dies Zartgefühl," widersprach Horn, „mag wohl ange bracht sein, wo die liebende Braut ein solch' plepejisches Opfer verschmäht; aber ich halte Ihre Anwesenheit in meinem Haus halt für vortheilhafter, als die zu machende Ausgabe und da die Interessen eines Jeden von uns gleichzeitig die des Andern sind, so müssen Sie sich schon fügen und unsere beiderseitigen Vortheile wahinehmen". Vernünftiger Weise ließ sich nichts dagegen einwenden und Marie gab nach. Der Mutter wurde bei ihrem Aufwachen bedeutet, daß die Hochzeit am dritten Weihnachtsfeiertage sein und wie das Alles bewältigt werden sollte. Sie hörte mit Verwunderung, wie groß die Freigebigkeit ihres Schwiegersohnes sei und staunte ihn als ein Muster von Edelmuth an. Sie gab sich der Hoffnung hin, daß er bei dieser Charaktereigen schaft vielleicht auch Einiges von der Ausstattung noch auf sein Konto nehmen werde und sie fühlte zum ersten Mal et was, das man Glück nennen konnte. Aber mit dem Abschied des Paares, auf den sie sehr ge nau Achtung gab, war sie gar nicht zufrieden. Horn reichte Marien die Hand, und diese legte die ihre in die seine. „Ich danke Ihnen," sprach sie, „fü'' Ihre Unterhaltung." „Da haben Sie nichts zu danken," entgegnete Horn. „Ich freue mich, wenn ich mit Jemandem sprechen kann, der meine Anschauungen theilt. Und nachdem er noch der Mutter die Hand gereicht hatte' ging er nach Hause. „Ach, mein Gott", sagte die Mutter, als sich die Thür geschlossen hatte, „wenn Du ihn mit Deinem sonderbaren Wesen nur nicht noch vertreibst!" „Mutter," sprach Marie vorwurfsvoll, „wenn Du mit solchen Bemerkungen nicht aufhörst, so sage ichs ihm." ! Die Mutter schüttelte rathlos den Kopf. Er hatte freilich mehr denn einmal schon ihre Vorwürfe abgewehrt. Marie sagte es ihm —. Sie waren also ganz einverstanden, aber man bemerkte weder einen Kuß, noch sonst die geringste Zärt lichkeit — sie sagten sogar „Sie" zu einander! War das nur so vor den Leuten? Ja, ja, es mußte so sein; woher käme denn sonst das Einverständniß?