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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.01.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-01-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110103012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911010301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911010301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-01
- Tag 1911-01-03
-
Monat
1911-01
-
Jahr
1911
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BezugS-Preis ^k. »WM«. »L» 4««»cht.H»d0le0-eId. g«r»«r « vik«»«, Länumrt, »« U»pe«idu«, Nt«d«lL»t>e, *»v. ««VaM, «sch»«««, Sch»«, «. Sp«»»». z» «ll« llbr»^» Swat« »« »i«v »urch tzt» »4i»«t»»4Ü« «««M «chtttUch. Z>«, Let»,>g« L»««dl«n er^td««, a«M it-Uch, Sou» «. Arieri«,« «n mi^-4 , La-,«»4»l«, H, s« «»1««» Lrtair», M^c««, S»«du«u«« »tz «»»atzmeOellk». i»»c« «d Vn«tntg«r». »« »««« a»1g«d» t> d«r Ld«»>»»«ab» s «rdektt», ««» Grsch»fr«lrL«: Zoha«»'»gag« o. I«r»tz»»ch«r 14«L 14«^ I40V4. W.3. Morgen-Ausgabe Olenslsy, üen 3. Januar 19ll. npMerTagMM Handelszeitnng. Amtsölatt des Rates irnS des Rolizeiamtcs Ser Ltadt Leipzig. Lu,eign»-Preis O» «o» r^ivVD uao ^»,«ou»a di» S^o«ir*n, S0 m» dr»tti vur^t- L d«, 74 »» d«u, <»0««4^il« l »«» —»»»« » n«a«»-» l.L) 2«t««« »«« B«b»r»e» i» «mrttch« r«! »«- 74 »» d«a» Bevi^etl« 4t) Gitchtlr«aatcia«n mu PMAocmchrclle» «ad t» der «rcndau«tzLde >m Pre», «rtzcihl. Kedall nach Laril üeilageaebüdr b 0. laulenv exkU Postgcvühr. sxefterreilte LutrrLae es»»«» inchr znrück- grzogeo werden, hür da« buchetnea «a vchimmUn lagea und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. «nzngen-Annahme; Lugultu«pk«tz 8,. bei iämtllchen Ailialen n. allen Annoncen. Etdebttronen des In» und Auslandes. y«Kvl>NtU«l» v»rlt»! Carl Luackei o«rv>ar «avr. Hotduch. handln», Luhowltrane tll. (Tel vdo» VI. «r. 4»Ü). Hancht-Stltalr Lreedeu: Leeitr Itze 4. l lT«lci>tzoa 4t>^I.. los. Jahrgang. Das Dichtiglte. * Zn der gestrigen Sitzung der Stadtver- ordne ten zu Leipzig hielt Oberbürgermeister Dr. Dittrich die Neujahrsansprache. Zu Vor st ehern des Kollegiums wurden gewählt: Justizrar Dr. Nothe, Baurat Eule und Justizrat Schnaub (S. Bericht.) * Die Arbeiten zur Flottmachungdes böh mischen Landtages sind wieder ausgenommen worden. sS. Ausl.) * Wie aus Tanger gemeldet wird, hat Mulay Hafid das spanisch - marokkanische Uebereinkommen am 27. Dezember ratifiziert. * In Berlin ist der bekannte Bildhauer Professor Joseph llphuesgestorben. (S. Tageschr.) *GerhartHauptmanns Berliner Komödie „Die Ratten" gelangt am 12. Januar zur Ur aufführung. (S. K. u. Miss.) Die portugiesische Republik. Wer so wenig Sinn für die Realitäten des Völkerlebens und der Geschichte hat, daß er die Gründung der portugiesischen Republik jubelnd als Zeichen des Fortschritts der Menschheit buchte — und solche Jubelnden waren leider in der deutschen Presse nicht wenige zu zählen —, der muß eigentlich allmählich von einem unbe haglichen Gefühl beschlichen werden. Denn die glorreiche jüngste Republik Europas beeilt sich einigermaßen, zu erweisen, daß die veränderte staatsrechtliche Form, in die das portu giesische Chaos gegossen wurde, an den Zu ständen nicht das mindeste gebessert hat. Ja, wenn man durch den dichten Zensur schleier einigermaßen richtig hindurchspähen kann, sind die Zustände am Tajo und,Duero noch erheblich schlimmer geworden, seit der letzte Sproß des Hauses Braganza so wenig helden mütig dem teuren Vaterlandc den Rücken ge kehrt hat. „Die portugiesischen Revolutionäre haben mit Kultur, Freiheit, Fortschritt genau so wenig zu schaffen wie ihre klerikalen Gegner. Nur führen sie diese Vokabeln in ihren Geschäfts anpreisungen, was jene nicht tun. Das ist, in allem Wesentlichen, der ganze Unterschied, Por tugal liegt ganz außerhalb des Bereiches, in dem diese Begriffe Geltung haben. Ob es klerikal oermufft oder freidenkerisch verlottert, das wird für das, was wir in falscher Verall gemeinerung die Menschheit und ihren Weg nennen, in alle Ewigkeit hinein ohne jeden Belang bleiben." Es wäre schlimm, wenn diese Sätze, die wir im Oktober, in der Zeit der Jubelhqmnen, schrieben, nicht zuträfen. Schlimm für die Menschheitshoffnungen. Denn in der Tat hat sich bisher nicht eine der Hoffnungen erfüllt, die die Republikanerführer zu wecken suchten und die ihnen zu wecken, wie wir erinnerten, in ziemlich weiten Kreisen gelang. Freidenke risch verlottert: das ist bereits in aller Gründ lichkeit geschehen. Die Regierung wagt nicht, den „Volkswillen" in allgemeinen Wahlen über ihre Existenzberechtigung zu befragen, weil ihr die republikanische Gesinnung der Provinzen einigermaßen zweifelhaft ist. Die Ausstände mehren sich, und die Arbeiter lassen die Vor schläge der Regierung unbeachtet. In den Uni versitäten und an den Schulen herrscht Disziplin losigkeit. In der Marine nicht minder. Die provisorische Regierung hat schon zu demselben Mittel greifen müssen, zu dem die königliche als letztem Rettungsanker greifen wollte: sie hat die in der Mündung des Tajo ankernden Kriegsschiffe auf Reisen geschickt. Werden die lange fortbleiben? Kein Marineoffizier will ein Kommando übernehmen, es finden keine Flottenübungen mehr statt, und die Manöver erfolgen mit der größten Nachlässigkeit. In der Landarmee wird da und dort und hier ge meutert, weil die Soldaten höheren Sold ver langen, den ihnen die Regierung aus den leeren Kaffen nicht zahlen könnte, und bessere Beköstigung, die den Profit der republikanischen Lieferanten schmälern würde. Dieser Extrakt aus Madrider Depeschen sagt genug wohl schon über die Zustände, die im gebenedeiten Lande der Lusiaden jetzt herrschen. Eins muß man freilich noch hinzunehmen: Die verehrliche provisorische Regierung hat sich nicht im mindesten gescheut, die Unabhängig keit der Rechtsprechung aufs gröblichste anzutasten. Die Richter, die ihr nicht zu Gefallen in den Anklagen gegen frühere Mi nister urteilen wollten, hat sie strafversetzt. Welch Schrei der Entrüstung würde durch die Menschheit gehen, wenn Gleiches aus dem Zarenreiche gemeldet würde! Unter diesen Strafversetzungen, die die schwerste Sünde gegen die von den Republikanern plaketierten Prinzipien bedeuten, ist eine besonders interessant: Unter den Richtern ist ein Mann, der offenbar in der Tat eine Persönlichkeit von Rechtssinn ist, und den nicht Cliquenintercssen bestimmten, den Regierungswünschen in den Ministeranklagen zuwider zu handeln. Abrau, so heißt er, wurde 1907 strafweise von der königlichen Regierung aus Lissabon versetzt. Die Republik hat ihn triumphierend zurück geholt. Da er aber in der Tat ein ehrlicher, anständiger Mann von Gerechtigkeitssinn ist, war er auch für sie ungeeignet. Jetzt ist er aufs neue strafversetzt worden. Und kann sich nun in provinzieller Muße überlegen, ob es mehr lohnt, unter königlichem oder unter republikanischem Regime in einem verlotterten Lande ein anständiger Mensch sein zu wollen. Anarchie herrscht überall in Portugal. Ein neuer Umsturz ist in Greifnähe. Wird er den „Jakobiner" - Chef Machedo Santos an die Spitze der Geschäfte bringen? Wird er eine neue Monarchie herbeiführen, und welche dann: die des ängstlichen Königs Emanuel, die des tüchtigen Herzogs von Oporto oder die des ewigen Prätendenten Dom Miguel? Alles das sind Fragen, die unmöglich zu beantworten sind, die aber vermutlich bald eine Intervention des Auslandes herbeiführen werden, das einen neuen portugiesischen Staatsbankrott nicht ruhig mit anjehen könnte. Spanien, England machen sich bereit. Das neue Jahr wird uns noch manches aus Lissabon zu hören bringen. Der Reformator kraetke. Aus Berlin wird uns geschrieben: Man hätte sich's nicht träumen lassen: aber Herr Kr astte geht noch unter die Reformatoren. Und so heiß ist dieser späte Reformeifer und so wenig zu zügeln, daß das Wölfische Bureau noch in der weih nachtlichen Zeit bemüht wurde, um nächtens die er schütternde Meldung von den vom Eeneralpostmeister geplanten „D e r k e h r s e r l e i ch t e r u n g e n" in die Welt zu tragen. Aber soll, wonach Herrn Kraette bisher so gar nicht verlangt hat, wirklich der Ver kehr erleichtert werden? Wenn man das Expose. flüchtig mustert, ist man — mildherzig wie man in diesen Stunden zwischen den Jahren gestimmt ist — beinahe geneigt, es zu glauben. Sicht man genauer zu, so findet man frei lich unschwer den Pferdefuß. „Die Beförderung von Briefen durch private Eilbotcnan st alten sMessenger-Boy-Jnstitute) ist gesetzlich unzulässig": Na also! Es ist — wir alle kennen diese anmutige Eigenschaft bei ihm feit langem — der alte fiskalische Kraetke, dem es zu Herzen geht, daß auch noch andere Leute am Verkehr verdienen, und der nach emsigen Prozessen den Erfolg sich erstritten hat, daß auch das Reichsgericht seinen Auffassungen sich zuwandte und in den nicht immer übermäßig flinken, aber dafür durch die Bank greulich kostümierten Radfahrern dieser Eilbotenanstalten „Beförderungsmittel" sieht. Der Streit ist noch nicht endgültig ent schieden. Herr Kraetke aber hält ihn dafür. Und da auch er auf seine Weise dem rimo is ruons^ nach lebt, eilt er die Zeit zu nützen. Was hilft mir der Mantel, wenn er nicht gerollt ist? Was nützt die Vernichtung der privaten Eilbotenanstalten, wenn man's nicht versteht, den bisher ihnen zugeflossenen Gewinn in die eigene Tasche zu lenken? Man soll künftighin also telephonierend, oder schreibend, oder mündlich beim Postschalter sich behende Stephans- boten zu besonderen Aufträgen bestellen dürfen. Ob das so häufig geschehen wird, wie bisher mit den privaten Eilbotengängern, darf als zweifelhaft gelten. Ganz davon abgesehen, daß die Messenger- Boys ja nicht, weil ihnen die eine Funktion entzogen wurde, vom Erdboden verschwinden werden; es ja wohl auch noch allerlei Mittel und Wege geben wird, das Verbot zu umgehen. Man kann ein unbedingter Anhänger der Reichs post sein — wir sind cs —, mag sogar für eine weitere Ausdehnung der Staatsbetriebe schwärmen und wird doch gegenüber deren immanenten Grenzen nicht blind sein dürfen. In der Natur jedes Staats betriebes liegt es, daß die in ihm Wirkenden sich als Beamte fühlen. Und je mehr sie sich als Be amte fühlen, insonderheit als preußische Beamte, die auch in ihren besten und reifsten Exemplaren nie ganz die Vorstellung loswerden, daß sie die Blüte der Menschheit bedeuten, und das Publikum eigentlich um ihretwillen da ist, um so häufiger lasten sie's an Kulanz vermissen. Sie haben s ja gar nicht nötig, sich um die Gunst der Leute zu bemühen. Die müssen ihnen doch kommen. Sie ruhen auf dem sanften Kisten des Monopols. Versucht aber der eine oder andere findige Kopf es dann doch auf dem oder jenem Gebiet mit der Selbsthilfe oder rächt sich der mißhandelte Verkehr und läßt er nach, so wird halt kurzer Hand ein neues Gesetz gemacht, das die Provitrate wieder steigert. Wir glauben kaum, daß die staatlichen Messenger-Boys mit derselben eifern den Dienstwilligkeit ihre unterschiedlichen Botengänge verrichten werden wie die privaten. Und wir halten vollends die von Herrn Kraetke bei der Gelegenheit verheißene Installierung von Boten, die uns die Briefe vom Hause abholen und beim nächsten Postamt ab liefern sollen, für ein zweckloses Unterfangen, das unter Umständen nicht einmal die Kosten decken wird. Aber Herr Kraetke hat dann eben wieder einmal reformiert. Wie er schon das billige Ortsporto zu Tode reformiert hat: wie er uns die abendliche letzte Postbestellung und an den Sonntagen das Austragen von Geld und Paketen abschnitt und den Ankunfts stempel beseitigte, der allerdings für die längst nicht mehr findige Reichspost allmählich zur lästigen Kon trolle geworden war. Alles im Interesse des Ver kehrs, wie Herr Kraetke ihn auffaßt, der ja aucki das viele Telephonieren für eine höchst sündhafte und un nütze Erfindung zu halten scheint. Nun geben wir ja zu: was Herr Kraetke jetzt an Reformen plant, ist harmlos im Vergleich zu den sonstigen Erzeugnisten seiner veinrrn novnrum eupi ckätss. Unendlich viel harmloser jedenfalls, als die von ihm betriebene Verteuerung des Tele phons, die dieser im schlechtesten Sinne agrarische und gcwerbefeindliche Reichstag nach menschlicher Voraussicht noch vor seinem seligen Ende uns be scheren wird. Schließlich wird der Verkehr, der mäch tiger ist als Herr Reinhold Kraetke, sich doch wieder die Mittel schaffen, deren er bedarf. Aber auch der Allerfrommste und Versöhnlichste ergrimmt doch un willkürlich, wenn er sieht, wie ein fleißiges und tüch tiges Volk von bewunderungswürdiger wirtschaft licher Intelligenz in seinem Erwerbsleben immer wie der von den Behörden geschädigt, drangsaliert und beschränkt wird. Noch dazu ausgerechnet von den Be hörden, die von Rechts wegen zur Förderung von Ge werbe und Wirtschaft eingesetzt wurden. Und dabei gäbe es für den Reformeifer des Herrn Kraetke, der am Ende doch wohl erkannt haben müßte, daß ihm die Fähigkeiten zu Großem versagt wurden, im Kleinen so viel Nützliches zu leisten. Der Herr Generalpostmeister brauchte nur einmal nrchzusinnen, warum in den belebtesten, frequen- tiertesten Postämtern bisweilen zu den Zeiten des regsten Verkehrs so viele Schalter hermetisch ver schlossen bleiben. Oder er könnte ein übriges tun und den Beamten des Telephondienstes — den Herren wie den Damen — ein wenig mehr Kulanz, zu deutsch: mehr Entgegenkommen gegenüber den Kunden, einschärfen. Es ist doch wundersam, daß man in Berlin bei Ferngesprächen anstandslos zwei Nummern anmelden darf und in Kassel z. B. nicht. Es bedeutet weiter eine zwecklose Schikanierung wenn man bei Abonnementsgesprächen, die nur drei Minu ten auseinanderliegen, von den besonders pflicht treuen Beamtinnen (erfreulicherweise sind es nicht alle) mit dem kühlen Bemerken getrennt wird: das fortlaufende Sprechen dürften sie nicht gestatten, oos sei gegen die Vorschrift. Wie viel nützliche Arbeit gäbe es da für Herrn Kraetke! Sieh, das Gute liegt so nah. Wilhelm Dltmalü über UnioerMStsrekarm. Erne grundsätzliche Reorganisation des Universi tätswcsens befürwortet Geh. Rat Prof. Dr. Wilhelm Ostwald, unser berühmter Chemiker, jetzt in der „Um schau". Er weist auf Schäden hin, die aus der doppelten Ausgabe unserer Universitäten sich ergeben, der Fachausbildung einer-, der Forschungsausbildung anderseits — jene Schäden, die zu dem bekannten Plan der Gründung von Forschungsinstituten geführt haben, um die akademischen Lehrer nach der einen Seite hin zu entlasten, nach der anderen ihnen reichere Möglichkeiten zu bieten. Auch Ostwald will zwischen Fachschul- und Forschungsunterricht oder auch unterrichts loser Forschung eine Grenze gezogen wissen. Er meint, es werde Anstalten geben müssen, die durchaus für die Ausbildung zu bestimmten wissenschaftlichen Berufen eingerichtet sind, und außerdem andere An stalten, für die die schöpferische Erweiterung der Wissenschaft die eigentliche Aufgabe ist. wobei sich ein persönlicher Unterricht dazu '.esclle.l will oder nicht, je nach der Art und Natur der leitenden Forscher. Was diese letzte, höchste Form angebt, so erinnert Ost wald an die von Prof. Ehrlich und Edinger geleiteten Institute. Die Eigenart dieser Entwicklung liegt nach der Meinung des sächsischen Gelehrten darin, daß die gegenwärtigen Universitäten wieder unzweideutig den Charakter wissenschaftlicher Fachschulen annehmen werden. Don allen Lehrern dieser Fachschulen werde man dann, da ja für die Entwicklung der Wissenschaft durch das Vorhandensein der Forschungsanstalten ge sorgt sei, verlangen dürfen, daß sie den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf den Unterricht legen. Mit dieser Umwandlung hänge auch eine Reform unserer Mit telschule zusammen. „Wir werden endlich begreifen, daß die zwei oder drei letzten Schuljahre einRaub an der Persönlichkeit des Schülers und an dem aeiftigen Kapital der Nation sind, und daß ein regulierter Schulunterricht höchstens bis etwa zur Erreichung des Freiwilligenzeugnisses fortgeführt werden darf. Dann sind die langen Leute reichlich reif, um in den Fachunterricht einzutreten. Sie sind aber gleichzeitig jung genug, um noch einige Be schränkungen ihrer persönlichen Freiheit zu ertragen, die für die erfolgreiche und regelmäßige Absolvierung des Fachstudiums nur von Vckrteil ,ein kann. Es wird mit einem Wort die künftige Universität sich wieder ein wenig dem Typus des englisch-amerika nischen College nähern müssen, von dem sich die Hoch schule in Deutschland wegen der Aufnahme der Forschungsausbildung unter ihre Ziele entfernt hatte." Ostwald erwartet wegen, dieser Ansicht insbeson dere Proteste gegen die Degradierung der Uni versitätslehrer. In der Tat haben sich ja die akade mischen Lehrer stets energisch gegen die Beschränkung der Universität zur Fachschule ausgesprochen, und dem ha: noch der jetzige Rektor der Berliner Universität, Geh. Rat Max R u b n e r , beim Antritt seines Rek torats Ausdruck gegeben. * Wir geben im Anschluß noch eine Aeußerung Ee» heimrals Ostwald im „Berl. Lok.-Anz." über die Er rungenschaften des verflossenen Jahr zehntes wieder: „Der Fortschritt der Kultur voll zieht sich nicht sowohl in einzelnen Ereignissen als vielmehr in allgemeinen Bewegungen, die sich aus einer großen Anzahl Einzelljeiten zusammensetzen. Von solchen Bewegungen scheinen mir zwei besonders wichtig und ä>arakteristisch für das verflossene Jahr zehnt zu sein. Die eine große Kulturbewegung findet im Sinne der Erkenntnis statt, daß zweckmäßiger, besser, mit einem Worte menschlicher ist, wenn die verschiedenen Staaten und Völker den bisherigen Standpunkt der Gewalt und des Mißtrauens gegen» einander verlassen und sich die überragende Bedeutung ihrer gemeinsamen Güter zum Bewußtsein bringen. Die Friedensbewegung ist nur eine Seite dieses zu nehmenden Internationalismus und Mutualismus, bei welchem die Wissenschaft, wie es sich gebührt, die Führung hat. Als charakte ristisches Ereignis in diesem Sinne nenne ich die friedliche Lösung Norwegens von Schweden, welche der Welt gezeigt hat. daß politische Aenderungen tief- greifender Art ohne Blutvergießen möglich sind. Das Beispiel ist inzwischen nicht vereinzelt geblieben. Die andere große Kulturbewegung findet in dem Sinne statt, daß mehr und mehr die Wissenschaft als die einzige zuverlässige Führerin in allen Fragen der Kultur ohne jede Ausnahme erkannt wird, und zwar je an ihrem Orte die freie wie die angewandte Wissenschaft oder Technik. Als charakteristisches Er eignis in diesem Sinne nenne ich die Eroberung der dritten Dimension für den Verkehr der Menschheit. Da« Luftschiff »ruß und wird all« Grenzen illusorisch machen. Damit mündet diese Kultur strömung in die erstgenannte ein." Die kontelüoneUen vertiAtMe Sschlrns. Der soeben erschienene Jahresbericht der evangelisch-lutherischen Landeskirche des Königreichs Sachsen für das Jahr 1909 gestattet einen Ueber blick über die Veränderungen, die sich im Jahre 1909 ereigneten. Hiernach sind vorgekommen: Uebertritte Austritte ;ur Landeskirche von aus der Landeskirche .-,u 3 der reformierten Kirche 17 906 der römisch-kakhol. Kirche 47 15 den Deutjchkatholiken 302 2 den separierten Lutheranern 31 25 den apostolischen Gemeinden älterer Ordnung 12 39 den neuapostolischen Ke meinden 164 29 den Methodisten 373 13 den Baptisten 62 13 der Tempelgemeindc und anderen Sekten 350 24 dem Judentum« 7 27 Personen, die keiner andern Gemeinschaft angehör- ren, bzw. die nicht zu einer andern Gemein schaft übertraten 374 1096 1739 Es sind also 643 Personen mehr aus der evan gelisch lutherischen Landeskirche ausgetreten als zu ihr übergetreten. Oer Vatikan unü üie üeutlchen Kloüerniven. Von unserem römischen Mitarbeiter wird uns ge schrieben: Es war mir daran gelegen, festzustellen, welchen Eindruck die Nachrichten über die Opposition deutscher klerikaler Kreise gegen die Ablegung de» antimodernistischen Eldes im Vatikan her- vorriefen. Man zeigt hier weit mehr Ueberraschung als Unwillen über die Weigerung und ist der festen Ueberzeugung. daß die Angelegenheit unangenehme Folgen nur für die Widerspenstigen haben würde. In der Umgebung des Staatssekretärs Merry del V a l trägt man eine große Siegesgewißheit zur Schau. Ein Prälat, der als Vertrauensmann Merry des Vals angesehen werden darf, meinte unter Hinweis auf di« obstruierenden Professoren: „Mit denen wird man schon fertig werden!" Der Total' eindruck ist der: In den leitenden Kreisen hat man ein blindes Vertrauen auf die Mithilfe der preußischen und der bayrischen Re« gierung bei der „Pazifikation der rebellischen Ele mente" (sie!) und spricht sehr viel vom Höherhängen des Brotkorbes und von einem Zukreuzekriechen der durch eine systematische liberale Hetze aufrührerisch gewordenen „Modernisten". Besonders charakteristisch ist ein Satz des obenbezeichneten Prälaten, der in allen deutsch-klerikalen Fragen von Merry del Val gekört zu werden pflegt. Er sagte: „Vergessen Sie nicyt, daß in Deutschland das Zentrum aus- schlagaebend ist. Diesem können wir in aller Ruhe die Ordnung der Dinge überlassen." Viel un angenehmer wirken die Nachrichten, di« der Vatikan aus Frankreich und Spanien erhält. Dort bereitet die Affäre der Kardinal, Lucon Schwierig keiten, in Spanien aber zeigt sich nach der Auf fassung des Vatikans der Klerus allzu lau in der
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