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IwöMr AiMger Md , H Tageblatt. E Amtsblatt de- Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträche zu Freiberg u. Brand. 4 «NS* Erscheint I.8rtib«gjed.Wochmt.M. ' " -, 'Preis »ierteljährl. -0 Ngr. Inserate MO 1 8 U. für den and. Tag. Jnser. werden DleNstag, dtN 11. JttM werden die gespaltene Zeile oder deren I K/I- K bis V. 1t U. für nächste Nr. angen. Raum mit 8 Pf. berechnet. I 4- Freiberg, 10. Juni 1872. ES ist wohl kaum zu verwundern, daß der dem deutschen Kaiserhause in voriger Woche gewidmete Besuch des italienischen Kronprinzen als ein bedeutendes Ereigniß allseitig aufgefaßt wird. Nicht als Ursache oder Einleitung einer Verständigung, sondern als Proclamirung der im Volksgeiste vollzogenen Annäherung, als Bries und Siegel auf die zwischen den Staaten geknüpfte Intimität gewinnt die Höflichkeit zwischen den Häusern Hohenzollern und Savoyen entscheidenden Einfluß auf die Beziehungen der Reiche. Deshalb kann wohl nur eine überspannte Pbamafie sich mit Ver muthungen über etwaige Bündnisse oder sonstige Abmachungen quälen. Derartige Besuche sind nur eine Signatur dessen, was ist, kein Schlüssel zu den Räthseln der Zukunft. Deutschland und Italien haben zwei gemeinsame Gegner abzuwehren: Die Rachelust Frankreichs und die fanatische Wuth des UltramontanismuS richten sich gegen beide junge Gemeinwesen im gleichen Grade. Die augen fällige Uebereinstimmung der Interessen hat Deutsche und Italiener zur gegenseitigen Zuneigung geführt; das wird dargethan durch die Palhenschaft des Kronprinzen Humbert bei der Taufe deS jüngsten Hohenzollern. Nach den Reisen des Prinzen Friedrich Karl in Italien und des Kronprinzen Humbert in Deutschland wird so wenig, wie vor denselben irgend ein Staat der Erde be droht; aber ein Merkmal ist durch die Besuche Allen gegeben, welche sich an einem der beiden Staaten vergreifen möchten. Ob dieser Thatsache speien die Ultramontanen aller Länder Gift und Galle; die Franzosen, welche ihrer Revanche-Begierde einen Riegel vorgeschoben sehen, machen gleichfalls ein sehr ärgerliches Gesicht. Wären sie fähig zu der Erkenntniß, daß die Nachbarvölker um ihrer selbst, nicht um Frankreichs willen existiren, sie hätten sich nicht während des letzten Krieges mit der Hoffnung auf italienische Hilfe genarrt und würden nicht täglich Dankbarkeit von demselben Italien fordern, welchem sie seine Hauptstadt Jahre lang vorent- hielten, ja eigentlich heute noch vorenthalten möchten, und an dessen Söhnen sie die einzigen Wunderthater der ChassepotS vollbrachten. Daß Thiers ein Feind sowohl der Einheit Italiens als Deutsch lands ist, und dem Wahn huldigt, mit Hilfe der Jesuiten die bei den mit einander befreundeten Staaten zu unterwühlen und dann zu zertrümmern, darüber lassen die Ereignisse seiner Präsident schaft keinen Zweifel zu. Aber die Verhältnisse sind stärker als sein Wille; er wußte sich in Anbetracht derselben sogar unlängst soweit zu beherrschen, daß er die Beleidigung Italiens in der Uebersted- lungS> und Gesandtenfrage nicht bis zum Bruch trieb und die zu Demonstrationen drängenden Ultramontanen mit dem Hinweise auf die Nothwcndigkeit des Friedens beschwichtigte. So wird auch für ihn und seine Franzosen der kronprinzliche Besuch in Berlin nichts weiter alS eine bittere Pille sein, die wohl oder übel hinunterge schluckt werden muß. Weder von Deutschland noch von Italien hat Frankreich etwas zu fürchten, so lange eS Ruhe hält und seine Verbindlichkeiten erfüllt. Denn in beiden neuerstandenen Reichen regiert der gesunde Menschenverstand, nicht das alberne Eroberungs gelüst einzelner Thoren. Der Reichstag hatte dieser Tage Gelegenheit, die Pleißen- burgfrage, welche am letzten sächsischen Landtage so viel Staub auswirbelte, in seiner Mitte angeregt zu sehen. Abg. Ludwig (Chemnitz) benutzte nämlich die Berathung über die Verwaltung des ReichSheereS zu dem Hinweise auf die Nothwendigkeit, bei Umbauten von Kasernen die Gesundheit der Soldaten mehr zu berücksichtigen. So sollte jetzt das Schloß Pleißenburg in Leip zig zu einer Kaserne verwendet werden, obgleich die Urtheile aller Sachverständigen darin übereinstimmen, daß dadurch die Gesundheit der Soldaten erheblich gefährdet sei. Nicht Mangel an Einficht, sondern Eigensinn bestimme den sächsischen Kriegsminister an der getroffenen Wahl festzuhalten. Man spreche allerdings von strate gischen Rücksichten, allein jeder Laie müsse einsehen, daß dies nur Flunkereien find. Strategisch bedeutsam könne der Punkt höchstens sein, um die Bürger Leipzigs erforderlichen Falles niederzukartätschen; zu einer solchen Eventualität ober dürfe das Reich nicht die Hand bieten. Handelte eS sich allein um eine, sächsische Angelegenheit, so würde er den Reichstag nicht behelligen, denn mit sächsischen Ministern werde man in Sachsen mit Hilfe deS VerantwortlichkeitS- gesetzeS, Gott sei Dank, allein fertig. (Heiterkeit.) Der sächsische Kriegsminister ziehe sich aber hinter seine Stellung zum Reiche zurück und deshalb fordere er (Redner) als Bürger des deutschen Reiches und Mitglied der sächsischen Kammer die Intervention der Reichsregierung. — Kriegsminister Graf Roon: Die von dem Abg. Ludwig ange führten Verhältnisse kenne ich nicht, und brauche sie nicht zu kennen. Dieselben gehören in die sächsische Kammer und bedaure ich nur, daß der Herr Abgeordnete die Spitze seiner Bemerkungen gegen einen Abwesenden gerichtet hat, der nicht in der Lage war , fein Verfahren zu rechtfertigen. Eine Veranlassung, die Sache in die Hand zu nehmen, kann mir eine solche gelegentliche Bemerkung überhaupt nicht geben. Bezweckte der Abgeordnete Ludwig eine solche, so hätte er durch eine Resolution, Interpellation oder durch das Einbringen eines besonder« Antrages die Initiative ergreifen können. Eine bloße Erwähnung in der Debatte kann für mich um so weniger maßgebend sein, in diese Verhältnisse einzugreifen, als dieselbe»' conventionsmäßig geordnet find. — Oberst v. Holleben kann als Vertreter der sächsischen Regierung nicht zugeben, daß hier eine innere Angelegenheit Sachsens verhandelt werde, für welche das sächsische Ministerium verantwortlich ist. — Abgeordn. Ludwig: Wohin soll eS führen, wenn man in Sachsen auf solche Klagen immer an daS Reich und im Reich an seine heimathliche Regierung verwiesen wird? Haben wir einmal ein einheitliches Reichsheer, dann muß man sich auch an den Vertreter desselben im BundeS- rathe wenden können; er darf sich durch eine bequeme Antwort, wie die vorhin ertheilte, seiner Pflicht nicht entziehen. Er muß diese Sachen hören und Rede stehen, dazu ist er da! Kriegsminister v. Roon: Der Vorredner hätte Recht, wenn ich Reichskriegsminister wäre, aber diese Stelle existirt überhaupt gar nicht. Nachdem Oberst v. Holleben versichert, daß eS ihm nicht eingefallen sei, die Verantwortlichkeit der sächsischen Regierung in dieser Sache abzu lehnen, schließen die Bemerkungen zum Militär-Etat, welcher dem Hause bekanntlich nur zur Kenntnißnahme und Erinnerung vorge legt wird. DaS neue Militärstrafgesetzbuch wurde durchweg nach den Commissionsvorschlägen in zweiter und dritter Lesung genehmigt. In Oesterreich ist man offenbar sehr besorgt, daß die Re gierung ein neues Concordat mit Rom abschließen werde. Wenn der Oesterreicher, sagt ein Wiener Blatt, über die Beziehungen seines StaateS zur Kirche schwarzseherisch ist, so kann ihm das Niemand verdenken. Noch brennen bitter am Volksleibe die Narben jener tiefen Wunden, die ihm das alte Concordat geschlagen hat. Der Kultusminister muß offen darlegen, welche Gesetze er an Stelle des ConcordatS einzufahren gedenkt, über welche Bestimmungen noch mit dem LleruS verhandelt wird und welche Hindernisse der sofortige» Erledigung im Wege stehen. Anders wird das verderblichste, ver wirrendste Mißtrauen genährt. In Frankreich ist die allgemeine Stimmung augenblicklich sehr entschieden für ein starkes, in allen Theilen durchgreifendes, alle Hinterthüren verschließendes RecrutirungSgefetz, denn man hofft, dadurch den kriegerischen Geist der Nation heben und die Sitten reformiren zu können. Diese Stimmung übt einen fühlbaren Druck auf die Verhandlungen der Nationalversammlung und giebt Gam betta und seinem Anhänge einen Einfluß, dep sie sonst nicht haben.