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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerationS- Preis 22 j Sgr. THIc.) vierteljährlich, Z THIr. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man »ränumerirt auf dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staat«,Zeitung (FriedrichSslr. Nr. 72); in der Provinz so wie im LuSlande bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. «6. Berlin, Mittwoch den 2. Juni 1841. Schweden. Hammerich's Volksbilder aus dem nördlichen Schweden.") Wandernde Dalkarlen und GustavWasa's Zufluchts ort zu Ornäs. Offen und freundlich lag die Gegend vor mir, als ich einige Meilen über die Gränzen Dalarnc's ins Land hineingekommen war, voller Laubbäume mit Sängern in ihren Wipfeln, die von den Früh lingsfreuden an den Ufern des Runncn-Sees sangen. „Aber was ist das für eine Schaar von Leuten?" so wandte ick mich zu meinem Skjuts""), einem alten, ehrbaren Dalkarlen, als eben ein Trupp junger und alter Bauern an uns vorbeiging, in braunen und blauen zierlich ausgenäheten Jacken, Kniehosen, Schuhen mit ungeheuer dicken Sohlen, breitkantigen Hüten, um welche ein Paar Quasten baumelten, und ihre Aerte auf der Schulter. „Gott hels' gleichfalls!" antwortete er zuerst ihrem Gruß und darauf sich zu mir wendend: „Es sind Dalkarlen, sehen der Herr, aus den oberen Kirchsprengeln; sie ziehen nach Stockholm auf Arbeit. Der Herr muß nämlich wissen, daß, obgleich jeder Bauer seinen freien Hof hat, die ser doch zu klein und der Gebirgsboden zu rauh ist, als daß alle sich darauf durch Landbau ernähren könnten. Zwar kann man karg bei Mehlgrütze ohne Milch und gesalzenem Süßwasserfisch leben, aber die tägliche Nothdurst fehlt selbst hierin oft; darum gicbt es Viele, welche zimmern, tischlern und Reifen schneiden oder auf Arbeit nach den Städten ziehen. Jeder solcher Trupp wird von einem eigenen, selbstgewählten Vormann regiert, wie cs auch in meinem Dorfe in guten alten Tagen Sitte war. Sie gehorchen dem Bormann, und wenn er sie zur Geißelung vcrurthcilte. Doch die Zeiten sind vor bei, kann der Herr glauben." — Der Weg verging munter im Gespräch über diese Auswanderer und über den alten Brauch, daß Bauern durch ihre selbstgewähltcn Richter ihre Streitigkeiten ent schieden; es interesfirte mich diese Sitte, weil sie meine Gedanken nach Jütland führte, wo eine ähnliche herrscht, und auch, weil sie mir veranschaulichte, wie das Volk unter den jetzt bestehenden Justiz- Verhältnissen dennoch in einem gewissen Grade sein uraltes Richter- Recht zu bewahren weiß. Zweckmäßig eingerichtete Vergleich-Kom missionen, deren Mitglieder von der Gemeinde selbst gewählt würden, könnten vielleicht das natürliche Recht des eigentlichen Volkes wieder- bringen, öffentlich Urtheil zu sprechen. — Mitten in diesen Gedanken hielt ich bei Ornäs. Jeder, der etwas von Schwedens Geschichte weiß, kennt auch Gustav Wasa's seltsames Abenteuer, als er vor dem Tyrannen in Stockholm, verborgen in der Tracht eines Dalbauern, einsam, mit den großen Plänen für seines Vaterlandes Freiheit flüchtete. Einer der ersten Orte, an die er so kam, war Ornäs, welches einem seiner Freunde, Arendt Pehrson, gehörte. Aber der Freund war treulos und wollte ihn den Dänischen Vögten verrathen, und hätte nicht die Thcilnahme, welche das Weib stets für den Verfolgten empfindet, im Herzen von Pehrson's Frau gelebt, so wäre wohl Gustav's Bahn hier zu Ende gewesen; doch sie rettete ihn. Das Haus, vor dem ich jetzt hielt und das von Geschlecht zu Geschlecht wie ein Familien-Heiligthum in seiner alten Gestalt bewahrt wird, liegt anmuthig auf einer Landzunge im Runnen. Seine Bauart hat etwas Eigenthümliches und Ehrwürdiges an sich; eS ist ein Balken- Gebäude, dessen oberste Etage, mit einem Umgang nach der Hofseite zu, weit über den unteren Theil hervorragt; es ist mit Planken ge- '> Friedrich Hammerich iss ein mn-crer DanifcherSchriftsteller, der nach mehreren Reisen sowohl im Norden als im Süden Eurova'S sich zuerst durch einige Aufsätze bekannt gemacht hat, in welchen die verschiedenen Na tionalitäten, die er kennen lernte, in prägnanter Weise aufgefaßt sind- Die hier gegebenen Bilder sind aus seinem >m Jahre 18-si als ein Ganzes er schienenen „Skandinavischen Reise-Erinnerungen", einem Buch, welches seine häufigen Wanderungen in Dänemark, Schweden und Norwegen enthält, die er zu dem Zweck unternommen hat, um alles das aufzusuchen und zu sam mein, was Uw <m Leben des gemeinen Volkes Dichterisches und dem Norden eigenthiimlich AngehorendeS findet. ES war dabei auch ,eine Absicht, recht h-rvorzuheben, wie die Bewohner der drei Länder im Grunde nur Ein Volk bilden, und es ist die begeisternde Idee seines Lebens, daß der Skandinavische Norden, wenn er sich erst geistig und wissenschaftlich näher an einander ge- Allonen haben wird, nicht allein in dieser, sondern kniMig auch in politischer Beziehung zu Macht und Größe erstehen kann: eine Hoffnung, die er fass Mik der ganzen Jugend und mit vielen der nichtigsten und ausgezeichnetsten alteren Manner in allen drei Landern theilt. ') Der Bauer, welcher den Reisenden von Station zu Station fahren ziert, die wie Panzerschuppen zugehauen und mit heiterem Roth an- gestrichen sind. Inwendig kann ich dagegen den Geschmack nicht rühmen; das große Zimmer, in dem Gustav ausgenommen wurde, ist mit Bildnissen der Wasa-Könige, mit Gustav's eigenen und der Dalkarlen Waffen, dem langen Spieß, den Dal-Pfeilen und den starken Bogen behangen. Alles dies ist zwar noch recht schön und paffend, um die Erinnerung an Schwedens Heldenzeit lebendig zu erhalten; aber dazwischen steht ein ausgestopfter Gustav und ausge stopfte Dalkarlen. Mir scheint, daß wenn der alte Gösta und seine Genossen in sö häßlichen Gestalten spuken müssen, um Schweden daran zu erinnern, wer sie waren und was sic für dasselbe thatcn, so ist es schlecht mit der Dankbarkeit bestellt. — Vom Hoiloft (sonst der Name für Söller, hier die oberste Etage) führt ein Eingang in den Ort, der fast der sauberste in einem jeden wohleingerichteten Hause im hohen Schweden ist, obgleich ich dessen Namen lieber nicht vor zarten Ohren nennen will; und doch weiß ich ein herrliches zartes Weib, welches ihn Gustav nannte und ihm auch selbst den Weg dorthin zeigte; es war seine hochherzige Retterin Barbara, Stig's Tochter. Der Schlitten hielt aus ihre Veranstaltung unten, und sie beförderte ihn eilig durch die Oeffnung, um welche auf der selben Stelle ein Spaßvogel geschrieben hat: „Mancher ging durch schlimmere Wege zu einer Krone", und er und Schweden wurden durch ihren männlichen Muth gerettet. F a h l u n. Von Ornäs ging es durch den tiefen Wald nach Fahlun. Als letzterer sich öffnete, lag das Fahlu-Thal vor mir und eine Bergstadt mit allen ihren Umgebungen, so charakteristisch, wie ich sie nie ge sehen, stellte sich meinen Blicken dar. Gegen die Stadt zu war alles Pflanzenleben gänzlich ausgestorbcn; nicht ein Baum, nicht ein Strauch, kaum ein Halm grünte aus den stcinübersäcten Hügeln empor; kahl lagen diese vor mir, vom Rauch der Kupferwerke ge schwärzt. Bon der Stadt hinweg trieben die Dampfnebel vom Erz schmelzen mit dem Winde in länglichten Massen über den See; bis weilen standen sie still und schleierten die Stadt mit ihren grünspan- farbenen Kirchendächern ein, dann zerstreuten sie sich, zogen fort von dem schwcrmüthigcn Ort und stürzten sich über die Wellen des Run nen hin. Das Gedröhne der Hämmer und Räder wird stärker, je näher man kommt; und wenn man nun dicht unter den Bergen vor der Stadt ist, so kann man keine bessere Vorstellung vom Eingänge in Wö- lunds Burg erhalten! Alles ist hier eine unordentliche Ordnung: ganze Reihen von gewaltigen Haufen aufgeworfener Erde, wahre Kämpen bügel von Kupferschlacken, Rinnen, welche das Wasser auf und nieder, heraus und hinaus leiten, dann und wann in einem Geklüft zwischen den steilen Wänden ein natürlicher Bach mit seinen schwarzen Wellen, die Schmelzhütten malerisch dazwischen zerstreut mit den grünlichen Kupferflammen, die besonders des Abends sichtbar zu den Mündungen der Essen herausschlagen, und mit einem Dachübcrzug, der in der Entfernung gelbem Moose gleicht, aber erstarrter Schwefeldunst ist, und endlich der Schwefelrauch, der sich bald auf die nächsten Gegen stände wirft, bald in die Höhe geht. Aeußerst gastfrei von einem der Vorstände der Bergwerks-Schule ausgenommen, erhielt ich alle Gelegenheit, mich mit den Gruben be kannt zu machen, aus denen Schwedens Freiheit mit Engelbrecht Engelbrechtson, dem Gebirgsedelmann, heraufstieg. — Die Sage giebt einen Grund für den Beginn der Werke an, der sich fast in derselben Gestalt in Röraas und Kongsberg wiederholt. Ein Finne, der hier im Gebirgswald auf der Hochweide lag, wurde auf seine Ziege auf merksam, die hier gegraset'hatte und seltsam roth gefärbt nach Hause kam; er untersuchte den Weideplatz, fand die Erde überall von der selben Farbe, grub nach und stieß auf das Erz. Der Grubenbetrieb kann sich ungefähr aus dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert herschreiben, und die ersten Privilegien sind von Magnus Smek. Das Err liegt in einem Halboval, durch Einstürze sind aber seine Läger sehr zerstört. Es wird mehrmals an Ort und Stelle geschmol zen, bis es Rvthkupfer wird. Die Actien-Gescllschaft, der es gehört, hat 180 Faden tief danach gegraben. Ich stand an der großen Oeffnung zu Tage (Stöten), die durch einen Zusammensturz (Vergras) ihre jetzige Gestalt erhalten hat; ungeheure Wände in den abenteuerlichsten Formen, oft als Kolosse mit Menschenähnlichkeit, stiegen vom Grunde auf, mit Maschinen werken überbaut; die Arbeiter unten mit ihren Karren sahen aus wie kleine Mäuse. Ich wandte mich an den Oberaufseher, erhielt sogleich eine Bergmannstracht, einen der zweihundert Arbeiter, einen