Volltext Seite (XML)
MsdwffcrTagM« Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Ha» »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 4 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— NM. frei Haus, bei Postbestellung 1.80 NM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Npsg. Alle Postanstalten und Post boten, unsere Austräger u. n -r». re Geschäftsstelle, nehmen zu jederzeit Bestellungen ent- fUk U. UlNAkAkUd gegen. Im Falle höherer kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung ^s^Bezugspreises. Nüchsendung eingesandter Schriftstücke alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laut aufliegendem Tarif Nr. 4. — Na chweisung s-Geb ühr>S20 Npfg. — Vorgeschriebene Erschcinungstage und Plagvorschriften werden nach Möglichkeit berücksichtigt. — Anzeigen - Annahme Lurch Fernrus übermal. Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 !klien^An^iuc'n^ incn wir keine «cwahr. — — Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muh oder der Auftraggeber m Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meisten, des Stadt rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 6V — 94. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Tageblatt* Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 12. März 1935 Oer Sturm im Unterhaus. „Es ist möglich, daß wir vielleicht etwas sensitiv sind, allein das ist nur die natürliche Folge unseres fünfzehn jährigen Kampfes der Selbstbehauptung gegen den Ver nichtungsgeist von Versailles*, hatte der deutsche Sachver ständige für Abrüstungsfragen, v. Ribbentrop, einem bekannten englischen Journalisten erklärt, als dieser bei einem Gespräch eingeworfen hatte, die „deutsche Reaktion auf die Veröffentlichung des Weißbuches* erscheine in englischen Augen „etwas übertrieben*. Jenes Gespräch zwischen dem deutschen Diplomaten und dem Engländer ist veröffentlicht worden fast un mittelbar vor der Montagsitzung des Unterhauses, für die schon seit Tagen eine Auseinandersetzung über die Mit teilungen, die Behauptungen, aber auch die p o l itis ch en Wirkungen des Weißbuches angelündigt war. Man darf als Deutscher dabei nun allerdings eines nicht ver gessen: Das eigentliche Thema der Unterhaussitzung ist die Aufrüstung Englands, die von der Regierung MacDonald vorgeschlagen wird. Gegen das Ausmaß dieser Aufrüstung richtet sich im wesentlichen der Ansturm der Unterhausopposition. Andernfalls ist die in den sozusagen sachlichen Teilen des Weißbuches empfohlene Politik einer energischen Aufrüstung auch wieder nur der Ausdruck der allgemeinen Politik des englischen Kabinetts, — und damit gleichfalls Ziel der oppositionellen Angriffe. Nur in diesem Rahmen also konnte nach der vielfach geradezu schroffen Kritik, die in englischen Oppositions- blättern sofort an dem Weißbuch und dem Zeitpunkt seiner Veröffentlichung geübt wurde, nun auch deutscher seits damit gerechnet werden, daß sich beide, die Regie rung und natürlich erst recht ihre Gegner, nicht zuletzt auch mit der allgemeinen politischen Rückwirkung des Weiß buches auf Deutschland beschäftigen würden. Es mag hier übrigens bemerkt werden, daß in manchen Blättern des neutralen Auslandes eine auch in der Form sehr viel schärfere Verurteilung des englischen Schrittes erfolgt ist als dies in den deutschen Zeitungen der Fall war. Ob wohl wir Deutschen hierbei in der Abivehr waren und sind! Herr v. Ribbentrop kennzeichnete die „deutsche Reaktion* auf die Veröffentlichung des Weißbuches und der darin enthaltenen Vorwürfe an unsere Adresse sehr ernst mit dem Wort, daß es in Deutschland nicht Ent rüstung, „vielmehr eine bittere Enttäuschung* hervorgerufen habe! Als Auftakt für die Nnterhausdebatten sozusagen — weniger wohl im Hinblick auf die deutsche Kritik — hatte die englische Regierung erklären lassen, daß das Weißbuch schon vor längerer Zeit aufgesetzt worden sei, jetzt aber vor den parlamentarischen Verhandlungen über die Wehr vorlage habe veröffentlicht werden müssen. Alles was darin stehe, sei schon des öfteren gesagt worden, und die jetzige Veröffentlichung habe „eigentlich zu einer Klärung der Lage im Verhältnis zu Deutschland verhelfen sollen". Damit ist aber zugegeben worden, daß jene Denkschrift eben nicht bloß wehrpolitische Absichten hat, sondern bestimmte außenpolitische Wirkungen erzielen sollte! Hier war für die Opposition im Unterhaus ein Punkt zum Einhaken. Im übrigen hat der englische Außenminister es bereits vor einigen Tagen im Unter haus glatt abgelehnt, seinen Kollegen die Zurückziehung des Rüstungsmanifestes vorzuschlagen, wie ihm von dem Führer der Opposition empfohlen wurde. Dazu wäre es auch längst zu spät! In Deutschland weiß man also recht genau, daß bei der Unterhausdebatte innenpolitische Span nungen in England selbst das Wesentliche sind. Was deutscherseits zu dieser Debatte beigetragen werden mußte, ist in den Erklärungen Ribbentrops auch vor der breiten Öffentlichkeit des In- und Auslandes gesagt worden. Das für uns bei den Verhandlungen des Unter hauses Entscheidende sind also nicht die Redekämpfe zwischen Freunden und Gegnern dgr Regierung, sondern eben das, was diese Regierung nun auch vor der Öffentlichkeit über die politischen Wirkungen des Weiß buches in Deutschland sagt. Es hat sehr viel Porzellan zerschlagen! Man wird die Empfindung nicht ganz los, daß das Weißbuch seine Einseitigkeit gegen Deutschland auch deshalb erhalten hat, um die Arbeiterpartei, die ja alles andere als deutschfreundlich, Wohl aber Gegner der Rüstungsvorlage ist, zum mindesten zu „handikapen*. Immer wieder mutz anläßlich der Unterhausdebatte — was wir Deutschen dabei nicht vergessen dürfen — doch darauf aufmerksam gemacht werden, datz auch die Oppo sition sich wenig oder gar nicht gegen die Beschul digungen selb st gewandt hat, die das Weißbuch an die deutsche Adresse richtete, sondern nur gegen diese Ver öffentlichung unmittelbar vor aussichtsreichen deutsch-eng lischen Verhandlungen. Was der Regierung im Unter baus vorgeworfen wird, hat also mit irgendwelchen „deutschfreundlichen' Gefühlen nicht das geringste zu tun, sondern ist lediglich durch die wirklichen oder ver meintlichen Interessen der englischen Politik selbst bestimmt. Vie aeuttche Luftwaffe. eine Unterreaung keichsminifters «öring mit lUsra Price. Der Reichsminister der Luftfahrt, General der Flieger Göring, hat am 10. März 1935 dem Sonderbericht erstatter der „Daily Mail", Herrn Ward Price, ein Interview gegeben, in dem er zu der Frage der deutschen Luftwaffe Stellung nimmt. General Göring erklärte: Im Ausbau unserer nationalen Sicherheit mußte, wie wir mehrfach der Welt erklärt haben, auch für die Sicherheit in der Luft Sorge getragen werden. Ich habe mich hierbei auf das not wendigste Maß beschränkt. Die Richtlinie meines Handelns war nicht Schaffung einer die anderen Völker bedrohenden Angriffswaffe, sondern nur die Errichtung einer militärischen Luftfahrt, stark genug, Angriffe auf Deutschland jederzeit abzuwehren. Dies geschah bisher in einem allgemeinen Rahmen, in soweit wir nur allgemein von Fliegern gesprochen haben, ohne eine scharfe Trennung nach militärischen Gesichts punkten durchzuführen. Durch die englische Regierung ist Deutschland u. a. aufgefordert worden, einem Luft- Pakt beizutreten, einem Pakt, der zum Inhalt hat, ge meinsam gegen einen den Frieden störenden Angreifer zur Lüft vorzugehen, d. h. die eigenen Luftftreitkräfte dem bedrohten Lande zur Verfügung zu stellen. So die For derung Englands. Deutschland, in dem Bestreben alles zu tnn und über all mitznwirkcn, wo der Friede gesichert werden kann, hat in seiner Antwortnote einem solchen effektiven Schutz, wie ihn die Lustkonvention darstellt, zugestimmt. In dieser Antwortnote hat Deutschland England in Aus sicht gestellt, daß es bereit sein würde, seine Luftstreit kräfte dem bedrohten Lande zur Hilfe zu senden. Nachdem die deutsche Regierung also die Bereit willigkeit der Hilfe ausgesprochen hatte, war es not wendig, nun eine klare Trennung innerhalb der deutschen Luftfahrt durchzusühren, nämlich in der Richtung: Welches sind die Luftstreitkräfte, die zur Verfügung gestellt werden können? Ans dieser Lage heraus wurde die Bestimmung getroffen, wer innerhalb der deutschen Fliegerei künftig zu den Luftstreitkrästen gehört und wer in Zukunft bei der zivilen Luftfahrt bzw. dem Luftsport zu verbleiben hat. Es char notwendig, auch äußerlich diese Abgrenzung kenntlich zu machen da durch, datz die Angehörigen der deutschen LuftstrcitkrSfte Soldaten im Sinne des Gesetzes wurden, ihre Führer also Offiziere. Es handelt sich hier bei aber nur um einen Teil der bisher in der allge meinen deutschen Luftfahrt tätigen Personen. Der Unter schied zwischen unseren Luftstreitkrästen und der zivilen Luftfahrt geht deshalb in Zukunft klar und deutlich aus der Verschiedenheit der Rangabzeichen, sowie aus der Dienstgradbezeichnung hervor. Ich fasse zusammen: Unsere Bereitwilligkeit zum effektiven Schutz des Weltfriedens, unsere Zusagen, den Bedrängten zui Hilfe zu eilen, machte die Heraushebung der militäri schen Luftfahrt notwendig, wenn unsere Zusage nicht leere Phrase bleiben sollte. Auf die Frage des Berichterstatters über die Unter-, stellungsverhältnisse in der neuen Luftfahrt, ihre Uni- sormen und ihre Titel antwortete der General: Die Luftstreitkräfte stehen unter dem Befehl des Reichs ministers der Luftsahrt, der außerdem auch die Kontrolle der zivilen Luftfahrt hat. Sein militärischer Titel ist: „G e - neral der Flieger". Die Uniform bleibt der des deutschen Luftsportverbandes ähnlich, wird jedoch durch klare militärische Rangabzeichen äußerlich kenntlich ge macht. Auch die Titel entsprechen den militärischen Dienst gradbezeichnungen vom Leutnant aufwärts bis zum General der Flieger. Aus die Frage nach der Ernennung von deutschen Luftfahrtattachss bet den deutschen Auslandsmissionen erwiderte General Göring, daß dafür die Vorberei tungen noch schweben. Auch über die zahlen mäßige Stärke der Luftstreitkräfte erklärte er, abschließende Zahlen noch nicht nennen zu können. Was ihr prozen tuales Verhältnis zu den Luftstreitkrästen der anderen Mächte anbelangt, so müßte jeder klar und anständig denkende Mensch einsehen, daß das besonders bedrohte Deutschland hier die Zahlen beanspruchen müsse, die die absolute Sicherheit des deutschen Volkes gewährleisten können. Auf die Frage nach der Nolle der Luftwaffe innerhalb der gesamten Wehrmacht erklärte General Göring im heutigen Zeitpunkt eine klare Ab schätzung der Lage noch für unmöglich. Fest stehe jedoch, daß die Luftwaffe ein integrierender Bestandteil jeder Sicherheit sein müsse und ohne Luftwaffe auch Armee und Marine, mögen sic noch so stark sein, ohne Nutzen seien. Der Berichterstatter fragte zum Schluß, ob die deutsche Luftwaffe imstande sein werde, Angriffe auf Deutschland abzuwehren. Hierauf erwiderte General Göring wörtlich: „Von dem Gefühl, das Vaterland bis zum letzten Einsatz zu verteidigen, ist die deutsche Luftwaffe ebenso leidenschaftlich durchdrun gen, wie sie andererseits überzeugt ist, daß sieniemals dafür eingesetzt werden wird, den Frieden anderer Völker zu bedrohen.* Vie grotze kültungsauslprache r— kine Machtprobe im Unterhaus - vss III R^VHUVII MeMucb Kernpunkt aer Kursprache. England steht im Zeichen der großen Unterhaus aussprache über das Weißbuch, durch das die englische Regierung die Notwendigkeit der englischen Ausrüstung begründete und in dem sie schwere Borwürfe g^cn Deutschland erhob. Nachdem dieses Weißbuch ,n der Welt berechtigtes Aufsehen und in Deutschland bittere Ent täuschung hervorgerufen hat, blieb es dem Unterhaus Vor behalten, die i n n e r p o l i t i s ch e Span n u n g, die sich hinter den RÄstungsauseinandersetzungen abspielt, näher ans Licht zu rücken. Es war seit langem bekannt, daß eine starke Oppo sition besteht, die mit der Marschroute der Regierung durchaus nicht einverstanden ist und die auch das Weiß buch nicht billigt. Insofern wurde die Rüstungsaussprache eine Machtprobe. Gleichzeitig wird sic auch für die küuftige Haltung der Regierung in innen- und außen politischen Fragen bedeutsam sein und auch den Besuch des Außenministers Simon in Berlin be stimmend beeinflussen. Die Negierung hatte alle Vorbereitungen getroffen, um sich den Sieg im Unterhaus zu sichern. Die Ein peitscher der Regierungsparteien haben keine Mühe gescheut, um eine Stimmenmehrheit für die Regierung zu sichern. Aber auch die Opposition hatte alle Kräfte zum Stotz zusammengezogen. Alle Londoner Zeitungen wiesen bereits vor der Unterhausdebatte darauf hin, daß diese Parlamentssitzung wohl die wichtigste seit dem Ende des Krieges sei. Das Weißbuch über die Aufrüstung der drei Waffen und die Notwendigkeit einer Organisation zur Verteidigung des britischen Weltreiches wird als ein Dokument von geradezu historischer und weltbewegender Bedeutung hingestellt. Zum erstenmal seit dem Weltkrieg hatte das englische Unterhaus die Frage der Landesverteidigung in seiner Gesamtheit zu überprüfen. Im Mittelpunkt der Aus sprache, soweit die rein militärisch-technische Seite der Frage in Betracht kam, stand die Tatsache, daß die Wehrhaushaltc Englands um mehr als 10,5 Mil lionen Pfund (fast 1,5 Milliarden Mark) erhöht worden sind. Das ist die höchste Summe, die seit dem Jahre 1922 in England für Rüstungszwecke ausgegeben worden ist. Die Aussprache gründete sich auf einen von der Arbeiterpartei eingebrachten Mißtrauensantrag, in dem erklärt wird, daß die Politik der Regierung in völligem Widerspruch zu dem Geist stehe, in dem der Völkerbund geschaffen worden sei, um einen umfassenden Weltfrieden zu erhalten, daß sie ferner die Aussichten auf