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Weitgehende Beschlüsse -es Reichskabinetts AkMMtMMemig 11. Prozent - Rolvvter «»er MteWeteo vrodtmolünng aaooror Sorlluor Sedrlttlottuog Berlin, 5. Juni. Die entscheidende Kabinettösitziing über den Ausgleich des ncucntstandcncn Defizits im Reichühaus- hait 1969 tn Höhe von etwa 767 Millionen Mark begann am Donncrstagnachmtttag um 4 Uhr und mar gegen 9 Uhr abends beendet. Im Anschluß daran wurde folgende amtliche Ver- laulbarung anogcgebcn: Die mehrwöchigen Beratungen der Reichsregierung über die Arbeitslosenversicherung und die übrigen mit der schwieri gen Wtrtschafts- und finanzpolitischen Lage zusammen hängenden Kragen wurden tn der heutigen Kabincttositzung ,u Ende geführt. DaS RelchSkabinett beschloß die Reform der Arbeits losenversicherung in weitgehender Anlehnung an die Beschlüsse tze» Vorstandes der NcichSaustalt für ArbettS- l»sen,«rsicherm»g^ jedoch mit der Maßgabe, daß der Beitrag von 91-4 ans 4>4 Prozent erhöht wird. Die wesentlichen Aendcrnngen im Gesetz, darnnter die vcitragSsestsetznng, sind bis 81. Mürz 1991 begrenzt. Eine Entlastung der Wirtschaft soll dnrch gleichzeitige Vorlage eines Gesetzes über die Reform der Srankcn» ocrsichernng angestrcbt werden. Sodann verabschiedete das Kabinett die weiteren Gesetz entwürfe, die den Ausgleich der Ausgaben aus sozialem Ge biete und der Mindereinnahmen des Haushalts zu decken be stimmt sind, nämlich ein Gesetz über die vorüber gehende Reichs Hilfe durch die Fcstbesoldctcn im öffent lichen Dienst und in der Privatwirtschaft. Das Gesetz sieht auch einen Betrag aus den Tantiemen der Aussichts- riite vor, ferner einen Sonderbettrag in Höhe von 19 Prozent der Einkommensteuer der Ledigen. Dazu tritt ein durch Kürzung der Stcuerfristen in der Zigaretten - industrie für das laufende Jahr zu beschaffender Betrag, der mit einer Berlängerunng der Kontigentierung für die Zeit bis zum 1. April 1982 verbunden ist. Hierdurch wird zusammen mit den durch nochmalige Durchprüfung dcS Haushalts 1949 herbeiznslibrenden Ersparnissen ohne neue die Wirtschaft belastende Steuer» eine »olle Deckung des Haushalts gesunden »erden. DaS Kabinett beschäftigte sich sehr eingehend mit dem Kernproblem der gegenwärtigen Wirtschasts- und Finanzlage, dem nicht in ausreichendem Tempo staltstndcndcn Absinkcn der A r b c i t ö l o f i g k c i t. Es legt cmlschcidcndes Kcmicht aus die Wicdereinbezichung von Arbeitslosen in den WirtschastSprozcß durch Einleitung größerer, den wirtschaft lichen Notwendigkeiten entsprechende Arbeiten. Die Reichs- post wirb in der nächsten Zeit eine umfangreiche Auftrags erteilung über das bisher vorgesehene Maß hinaus vor nehmen. Mit der Reichsbahn werden morgen die ein- ge'citcten Bcrhandlungen mit dem Ziele fortgesetzt, sie gleich falls in die Lage zur Vergebung dringender Aufträge zu ver sehen. Verschiedene Wege hierzu erscheinen gegeben. Der KleinwohnnngSban an denjenigen Orten, an denen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein dringendes Be dürfnis bejaht werden kann und an denen gleichzeitig be sonders große Arbeitslosigkeit vorltegt, wird durch Zurver- sügungltellnng zusätzlicher Mittel gefördert werden. ES ist im lausenden Jahre der weitere Ra« von IM t>99 bis 49 99» Wohnungen vorgesehen, welcher bis 159 999 Bauarbeitern Arbeitsgelegenheit verschafft. DaS Kab'nett hat die Vorlegung eines Gesetzes be schlossen, das den ReichSarbettsmtnister zu allge meinen Anordnungen ermächtigt, durch welche die zweckmäßige Verwendung der »nr Verfügung gestellten öffentlichen Mittel und tragbare Mieten für die minderbemittelte Bevölke- rung sichergestellt werben. Diese Grundsätze sollen bereits bet der Vergebung dcS zusätzlichen Bauprogramms An wendung finden. Dabei wird der von dem Kabinett für die Wirtschaft im ganzen als notwendig angesehene Gesichtspunkt einer Herabsetzung von Kosten und Preisen für das Gebiet der Bauwirtschaft mit Nachdruck verwirklicht werden. Sin allgemeine» Straßenbanprogramm, dar den notwendigen Ausbau des vorhandenen Netzes Vor sicht, ist In Aussicht genommen. Die Beschaffung der Mittel wird vorbere'tet. DaS Kabinett trat alsdann in eine Beratung über die Mlig'ichkcit einer allgemeinen Senkung der ProdnktlonS- kosten und der Preise ein. Diese Beratungen werben nach Pfingsten fortgesetzt. Die Sitzung des Kabinetts schloß mit der Prüfung der vom Netchsf'nanzminister vorgelegten A»S- liabcnsenkungS- und Gpargesetze. ES erklärte sich mit ihren Knindzsigen einverstanden. Eine zweite Lesung und Be schlußfassung über die Einzelheiten wirb in einer Sttzliim »«mittelbar nach Pfingsten stattfinden. Die Stimmung im RcichSkabinctt war, wie wir hören, »li-rend der hentige« Beratung nicht so pessimistisch, wie «» angesichts der katastrophalen Defizitziffern in der letzten Jett geradezu zur Gewohnheit geworden war. Diese Wendung znm srenndlicheren ist auf Mitteilungen zurückznsühren, die sowohl der Rcichöstnanzmintstcr, als auch der ReichSpoft- minister machen konnten und aus denen hervorgina, daß daS Absinkcn der Steuereinnahmen im vergangenen Monat Mat nicht in dem befürchteten Ausmaße vor sich gegangen tft, so daß im Rcichöfinanzministerium t» dieser Hinsicht eine gewisse Beruhigung Platz gegriffen Hai. Auch die Erträgnisse der Neichöpvst sollen nicht ungünstig lein. Die Gesetzentwürfe, über die offizielle Mitteilungen nicht gemacht werden, ehe sie nicht dem Rcichsrat zu» geleitet sind, sind bereit» sertigacstellt unb werde« gleich nach Pfingsten vor de« ReichSrat komme«. Ueber ihren Inhalt laßen sich noch einige näher« Angaben machen. Zur Reform der Arbeitslosenversicherung muß frei, lich gesagt werden, daß die in Aussicht genommene Ueber- iiahmc der Beschlüße des Vorstandes -er RctchSanstalt für Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung tn di« dies bezüglichen Gesetzentwürfe nicht in allen Punkten den Forderungen der Wirtschaft entspricht. DaS Wichtigste daran Ist nämlich, daß eine Darlchnspslicht des Reiches bcstehc» bleibt, also eben das, wogegen die Wirt, schaft immer wieder Einwendungen erhoben hat, weit die Möglichkeit des Rückgriffes ans öffentliche Mittel all,« leicht dazu verführt, auch solche AnSgaben z« machen, die «ach der Finanzlage nicht hätten getragen werde« könne«. Beitrags ist au sich genug, und cS wäre allem da» Ventil der ReichSzufchüsse endgültig z» schließe«. Dem Notopser, das tn ganz neuer Form ausgenommen worden ist, hat man eine» neuen Namen, nämlich dem der Re ich Sh Ilse gegeben. Höchstwahrscheinlich wird dieses Notopser, fall» dtc Gesetze den Reichstag wirklich passieren, schon am 1. Juli erhoben werden. Die vorgesehen« Be fristung vermag nicht viel Trost zu spenden. Bor Ende dcS EtatSjahrc» ist wohl kaum an eine Aufhebung deS Not- opfcrs zu denken. Auf der anderen Seite sollen Nach, zahlungcn für die bereits verstrichenen ersten drei Monate dcS HanShaltiahrcS nicht in Krage kommen, so daß mit dem Notopser wohl zunächst auf neun Monate bindend zu rechnen ist. Es umfaßt sämtliche Kestbesoldete« im öffentliche« Dienst und in der Privatwirtschaft, nnd zwar all« ein, kommenstenerpslichtigc« Kategorien, lieber die Höhe dieses Notopser» verlautet «och nicht» ge- nancrcS, doch dürfte sic sich ans » biS 4 Prozent de» Sin» kommcnsteuerbetraacS belaufen. Zu diese« 8 bis 4 Prozent kommen bei Ledige» dann «och »eitere 1» Pr»,ent der Einkommensteuer. Hinsichtlich der Tantieme »ird ei» Stcncrzuschlag von S9 Prozent de» GtenerbetragS genannt. ES folgen dann in der amtlichen Verlautbarung die Maß nahmen, um aus der Z i g a r e t te n st e u e r für das laufende EtatSiahr Mchrerträge zu erzielen. Im wesentlichen handelt es sich bet der Kürzung der Steuerfristen lediglich um einen Vorgriff ans zum Teil erst im nächsten EtatSjahrc zu er wartende Steueraufkommen. Eine nochmalige AuSkämmung des Haushalts soll 59 Millionen Ersparnis erbringen, und tm übrigen glaubt man, daß durch diese steuerlichen Maß nahmen, verbunden mit der untrennbar mit ihnen verknüpf ten Sparaktton. eine volle Deckung des Haushalts gewähr leistet sein würde. ES wird, sobald die Gesetzentwürfe vor- liegen, an der Hand der Zahlen nachzuprttfen sein, ob diese Hoffnungen berechtigt sind. Zunächst scheinen hier und da noch erhebliche Zweifel vbznwalten, «b die «euerschloffenen Beträge wirklich ausreichen. ES scheint ferner» daß man ein« koninuktionelle Beste, rung in der Wirtschaft», «n» «röenSlosenfrage anch rechnerisch vorweqgenommen hat. Wichtig ist. daß eine Steiaerung der Umsaßstener, »»« der viel'ach ge, sprachen wnrde. nmaangen «»eben ist, — eine Tatsache, die tn der Wirtschaft sicherlich lebhaft Begrüßt »erben »ird. Ueber dem ganzen Komplex von Beschlüßen, die daS ArbeitSbeschaffungSprogram« auSmachen. stebt freilich als drohende» Fragezeichen da» Problem, wie nun bie notwendigen Gelber dazu aufgebracht »erden sollen. Bet der ReichSpoft mag es möglich sein, baß sie über die notwendigen Beträge verfügt, nm Aufträge an»,»schrei, den, die wirklich eine Entlastung der Wirtschaft mit sich bringen. Problematisch wirb e» schon bei der Reichsbahn. Die amtliche Berlauibarnng bewegt sich deSha'B wohl auch 'n zunächst vorsichtigen Wendungen. Sicher scheint sv viel, daß ein gröberer Betrag RetchsbahnvorzugSaktte» mobilisiert werden soll. Im Nbrigen scheint man einige Hoffnungen auf die flounganleihe ,u fetzen, nnd man will, nachdem diese Anleihe ur iergebracht ist, »ohl anch weiterhin an den ausländischen Kreditmarkt mit einer grö- ' ?ren ArbettSbe sch assungSa n leihe herantrcten. i« Erfüllung dieser Pläne ist wohl die Voraussetzung des usätzlichen Kletnwohnungöbaues, von dem man Brot für mindestens 150 999 Bauarbeiter verspricht. Der Rctchoarbcitsminister wird bereits am Freitag der Preß« nähere Mitteilungen über die Einzelheiten seiner Pläne machen. Wohnungsbau- und Straßenbanprogramm hängen weit gehend davon ab, ob eS gelingt, eine Kosten- und Preis senkung in der Barrwtrtschaft ganz allgemein hcrbcizuführen. Die» greift tn die allgemeinen Bemühungen über, die hinsicht lich einer Preis« nnd LohnfenknngSaktion bereits seit einigen Tagen in der deutschen Oesfentlichkeit be» kanntgeworben sind. Neuerdings werden hinsichtlich dcS Er folgs -er zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnchmerorgani- sattonen geführten Verhandlungen optimistische Stimmen laut. ES wir- behauptet, daß die Gewerkschaften grundsätzlich bereit seien, aus die Vorschläge des Reichsvcrband.^ der Deutschen Industrie einzugehen, aber sie möchten wohl aus Gründen der kommunistischen Agitation keinesfalls den Namen einer ZentralarbeitSgemeinschast, der ihnen psychologisch vorbelastet zu sein scheint, verwendet wißen. Während auf b«r einen Seite behauptet wird, daß die Ver handlungen bereits morgen tn ein entscheidendes Stadium kommen würde», wird von anderer Sette darauf hingcwtesen, -aß man wohl erst nach Pfingsten mit abschließenden Er gebnissen wird rechnen können. Das AusgabensenkungSgeseh ist, wie die Ver lautbarung selbst zugtbt, noch keincssatto ln feste Formen ge- gossen. Dr. Moldenhauer hat seine Pläne vvrgctragen. Man ist im Kabinett mit den Grundsätzen einverstanden ge wesen, hat eS aber vorgezogen, die Debatte darüber erst nach Pfingsten sortzusetzcn. Wenn die rechnerischen Unterlagen dieses heute vom RelchSkabinett zunächst verabschiedeten Gesetzgebungswerkes stimmen, d. h. wenn die Gelder wirk lich langen, nm das Defizit voll und ganz auSzumerzen, und wenn auf der anderen Sette die Kapital- ansbringungShoffnungen, die Voraussetzung -eS ArbeitSbeschasfnngSprogrammeS sind, in Erfüllung gehe«, dann hat ungeachtet der schweren Belastung, der jeder einzeln« deutsche Staatsbürger erneut auSgcsetzt wirb, daS RetchSkabinett ein Werk vollbracht, da» als Ganzes starke Beachtung verdient. Seicht ist e» schon innerhalb de» ReichSkabinettS selbst nicht gewesen, schwerer wirb eS vielleicht schon im Re ich» rat fei», am schwersten, »enn nicht vielleicht sogar unmöglich, i« Reichstag. Hier »er-en die parlamentarischen Kämpfe aufs schwerste entbrennen, und man vermag wirklich noch nicht abzuschen, ob der Reichstag, der doch Anfang Juli in die Sommerfelle» gehen will, und -er doch noch in diesem Monat die entsprechen de« Gesetze verabschiede« müßte, damit die neuen Geldguelle» am l. Juli fließen können, diese Belastungsprobe Übersicht — oder ob der Kanzler Brüning nicht doch vor die Notwendigkeit gestellt wird, ihn nach Hause zu schicken und mit außer- parlamentarischen Mittel» die Sanierung burchzuführeu. SannshM kataftreMI» Kinmzaot Berltn. 5. Junt. tSigene D r a h t m e l d u n g.) Die Ablehnung dcS Etats der Stadt Darmstadt in der letzten VtabtratSsitzung hat den Oberbürgermeister veranlaßt, die offizielle Frier des 809sShrigen StadtjubiläumS am Ui. Juni ab, »sagen. Da alle anderen Veranstalt»«, gen der Vereine nsnr. stattsinden, hat diese Maßnahme keine ivelrntliche Auswirkung. Nun aber hat der Oberbürger meister »etter verfügt, daß sämtliche städtischen Unterhaltungsarbeiten etnzu st eilen sind, an Handwerker keine Rechnungsbeträge ober Bevorschussungen »u zahlen und die freiwilligen Leistungen in der Wohlfahrts pflege sofort etnzustelle« sin», und daß Vankostenvorichüfse nicht »nr Auszahlung komme« sollen. Die Wirtschafts- Verbünde habe« gegen die Verfügung de» Oberbürgermeisters sofort Protest eingelegt unb versuchen gegenwärtig, den Oberbürgermeister zur Zurücknahme seiner Der- füg« na »« veranlaßen. VF 0»r »LMG -«rrMskrer s«1t« IS unck 20 s