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WSchtnMch erjchiinrn drei Nummern. PrSnumeralion«-Prri» 22j Silbergr. (j THIr.) vttN«IjSI>rlich, r Tdlr. lür da- ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25), s» wie von allen König!. Post >Aeml«rn, angenommen. Literatur des Auslandes. 141. Berlin, Sonnabend den 23. November 1844. Brasilien. Umschau in Rio-Janeiro. Ein grandioser Anblick, der sich dir bei der Einfahrt in den unermeßlichen Hafen von Rio-Janeiro aufthut! Zu beiden Seiten riesige Gebirgsmassen, von den lieblichsten grünen Thalern unterbrochen; rechts ein herrlich gelegenes, weißglänzendes Schloß, auf dessen Zinnen das grüne und gelbe Fähnlein vom Hauche des seewärts kommenden Windes bewegt wird, zu dessen Füßen drei Reihen Battcrieen terrassenartig hinter einander aufsteigen; gegenüber eines jener bizarren Naturspiele, eine länglich schmal sich erhebende Granitmaffe, etwa tausend Fuß hoch, der Zuckerhut benannt, dem Anscheine nach unzugäng lich. Noch weit launenhaftere Form zeigt der gebirgige Hintergrund, wenn du ihn vom Schiffe aus betrachtest, da, wo es eben in den Hafen einsegelt: die Form eines auf dem Rücken liegenden Alten, stattlichen Körperbaues, mit besonders erhabener römischer Nase. Einen wahrhaft komischen Eindruck ge währt die Deutlichkeit, mit der jeder Theil des phantastischen Gebildes er kannt wird; man unterscheidet Kopf, Hals, Brust, Schmeerbauch, Kniee, ja selbst die einzelnen Zehen, aber die Ehre eines eigenthümlichen Namens ward nur dem hervorragendsten Theile des Gesichtes: er heißt Lord Hood's Nase und bildet, für sich allein betrachtet, eine ziemlich bedeutende Gcbirgskuppe. Wo diese Ansicht aufhört, öffnet sich rechts eine fast kreisförmige, etwa sieben engl. Meilen im Durchmesser haltende Bucht, die Fünfklaftcr-Bai genannt. Zur Seite der pfortenartigen Einfahrt erhebt sich ein mit Gras bewachsener hoher Fels, der eine Kapelle auf dem Rücken trägt und durch eine leichte hölzerne Brücke, malerisch von Spitze zu Spitze hüpfend, mit dem Festlande in Verbindung steht. Dieser Bucht gegenüber liegt, eingchüllt in staubartigem Nebel, Rio- Janeiro, zwischen zwei mit Batterieen versehenen Hügeln, über welche hinaus zahlreiche Kirchen und Klöster ihre Kuppeln erheben. Dicht dahinter erblickt man die steil emporsteigendcn Höhen zweier bedeutenden Berge, des Corcovado und des Tejuca, ganz mit dichten Waldungen vom dunkelsten Grün bedeckt. Aber hier kommen wir an die Schattenseite des schönen Gemäldes — die Ein farbigkeit des Pflanzengrüns, das überall in Berg und Thal dieselben dunkeln Tinten zeigt, unterbrochen nur von den grauen Linien der Granitmaffen oder den Landhäusern, die wie weiße und rothe Pünktchen erscheinen. Wie himmel weit verschieden von den Gegenden unseres europäischen Klima's mit dem reichsten Farbenwechsel, wo das Grün von der äußersten Gränzc deS Gold gelben durch alle Abstufungen hindurch spielt bis zu dem dunkelblau gesättigten Tone ferner Hügelketten! Blau scheint aber der hiesigen Atmosphäre gänzlich zu mangeln; bei der wärmsten Luft eines schönen Sommerabends haben die Gebirgsketten, welche den Horizont beglänzen, eine schwarzgraue Färbung, als wären die Zwischenräume überall mit Staubmassen erfüllt. Von der Stadt seitwärts, mehr zur Rechten gekehrt, erblickst du die glänzende Oberfläche des mit Inseln reichbesetzten Binnensees, welcher der eigentliche Hafen genannt wird und dessen jenseitiges Ufer außer dem Bereiche des Auges liegt; nur einen langgedehnten mächtigen Bergrücken, sägenartig gezackt, siehst du in weiter Ferne, der dir etwa ein Viertel des Horizontes versperrt. Dieses Wasserbecken, das hundert Meilen im Umfange und Raum genug haben soll, alle Schiffe der Welt zu bergen, war, als ich eS sah, an dem der Stadt gegenüber liegenden Theile mit Fahrzeugen aller Art bedeckt; Kauffahrteischiffe drängten sich rings um die Küste, Kriegsschiffe in glänzender Zier umgaben sie mecrwärts. Da sah man englische, französische, brasilianische, neapolitanische, sardinische Fregatten, Korvetten, Briggs und Schooncr, — ein so prächtiger als Achtung gebietender Anblick, besonders wenn sic alle, durch irgend ein politisches Bcgebniß in der Residenz aufgefordert, zu gleicher Zeit salutirtcn. Jetzt schweifen deine Blicke über die stolzen Waffer-Paläste hinaus, dort auf die zierliche Bucht jenseits der Meerenge, wo die weißen Mauern der anmuthigen kleinen Weiler, Prapa-Grande und San-Domingo, im Sonnen schein erglänzen. „Seh' ich recht?!" rufst du plötzlich aus, mit schreckerfüllten Zügen nach einem Punkte hinstarrend — „seht doch — »in Wasser dort — etwa fünfzig Schritt von hier entfernt — seht nur hin — bei Gott, ein Mensch!" „Ja freilich, ein Mensch." „So setzt doch die Böte aus — wie könnt Ihr denn so ruhig bleiben? „'S ist ein Todter, mein guter Herr." „Wie wollt Ihr das erkennen? Und wäre dem so, müssen wir nicht den Körper retten, eine Untersuchung anstellen, die Veranlassung des Todes er forschen, jedenfalls für ein christliches Bcgräbniß Sorge tragen?" „Ha ha ha! — verzeiht, guter Herr, aber ich muß lachen; — Ihr sepd nicht in England, Ihr sepd jetzt an der anderen Seite des großen Häring- teichcs, in Amerika, in der neuen Welt, in der Welt der Republiken und der Freiheit, wo man alle Tage mit menschlichen Geschöpfen Handel treibt wie mit anderen Waaren, — und jener Körper dort ist der eines Sklaven." „Unmöglich! — Ihr seht doch wohl, daß cs ein Weißer ist!" „Verzeiht, Ihr sepd abermals im Jrrthum. Das ist nur eine der ver schiedenen Methoden, nach denen Mcistcr Tod die Gleichheit der Schwarzen und Weißen lehrt. Das Wasser hat das Schwarz der Netzhaut aufgelöst und weggewaschcn, — oder habt Ihr jemals so frisches rosiges Weiß auf den Wangen einer celtischen Schönheit gesehen?" Jetzt hat die wachsende Fluth den Gegenstand des Gesprächs ganz dicht an das Schiff geschwemmt, und halb neugierig, halb schaudernd übcrgelehnt, sichst du ihn, ein Spiel der kurzen Wellen, hin und her an die Planken schlagen. Ganz deutlich erscheint er nun als ein längst in Auflösung über gegangener Leichnam, auf dem Rücken schwimmend, Hände und Füße aus gestreckt, Kopf herabhängend. ES ist wirklich ein Neger; an Händen und Füßen ist die ursprüngliche Hautfarbe unverändert geblieben, was ihm das Ansehen eines Weißen mit schwarzen Handschuhen und Strümpfen giebt. Du siehst ein Heer kleiner Fische an dem Fleische zupfen, bald loSlaffen, bald wieder anbeißen, und nimmst dir in Gedanken vor, unter keiner Bedingung in Amerika Fische zu genießen. Aber dort der dunkle Gegenstand, der so tief ins Wasser reicht, worauf die Fische immer wieder zuschwimmen und den sie mit ihren Schwänzen in zitternde Bewegung setzen, — was ist denn das? Ein Strick, der von dem Halse des Leichnams herunterhängt. „Er ist ermordet worden!" rufst du aus. „Nicht doch, er kann einer gewöhnlichen Krankheit erlegen, cr kann auch vor Hunger gestorben scpn, wenn nämlich sein Herr seinen Zustand hoffnungs los und ihn des Futters nicht mehr werth gefunden." „Aber der Strick?" „Denkt, Euer Hund scp an der Räude krepirt, in der Nähe befinde sich ein Fluß — werdet Ihr da nicht irgend einem Buben aus der Nachbarschaft den Auftrag geben, die tobte Bestie mit einem Stricke, einen Stein ans andere Ende geknüpft, hinein zu spediren, damit sie sicher am Boden bleibe?" „Nein, das würd' ich nicht; ich würde dem armen Thierc ein anständiges Grab im Garten vergönnen." „Recht schön, aber in Brasilien machen sie'S anders. Wenn ein Hund — wollt' ich sagen, ein Neger — krepirt ist, dann müssen ihn seine farbigen Brüder an dem Stricke hierher schleppen, und hinein mit ihm ins Meer!" „Kann das wirklich vorkommen? Ihr werdet mich doch nicht glauben machen wollen, daß so was in den Vereinigten Staaten geschehe? Schwerlich dürften Menschen, in deren Adern Ein Tropfen angelsächsischen Blutes fließt, solche Ungeheuer scpn." „Ja, seht, ich bin niemals in Nord-Amerika gewesen, kann folglich nicht aus eigener Erfahrung über dies Menschenhandel treibende Freiheitsland ur- theilcn; so viel weiß ich, daß die Kaufleute englischer und nordamcrikanischcr Abstammung hier bei uns nicht einen Gran mehr Milbthätigkeit besitzen, als die eingeborncn Brasilianer." „So ist denn der Anblick solcher umherschwimmenden Leichen nichts Unge wöhnliches?" „Jeder Schiffs-Capitain, der irgend mit Brasilien Handel trieb, kann Euch von Hunderten erzählen." „Welche Unmenschlichkeit! „Laßt es nur endlich dabei bewenden; schaut lieber nach der Stadt hin, mit der dichten Rauchwolke darüber und dem grün bekleideten Corcovado im Hintergründe. — Das Boot ist bereit, wir können nun ans Land gehen. — So, jetzt werft, eh' wir abstoßc», noch einen Blick auf die kleinen Last schiffe da drüben! Das find Sklavenschiffe, und in jedem befinden sich etwa 3S<1 Neger." „Daß Gott erbarm'! Das scheinen ja Schiffe von höchstens vierzig bis fünfzig Tonnen, — wie können sie denn einer solchen Menge Raum ge währen?" „Ja, seht, man muß es mit den Sklaven machen wie mit den Waaren; sic werden gehörig gepackt." „Aber dabei muß ein großer Theil umkommen!"