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ZlhinümM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Eolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den iLtadtrath zu Waldenburg. Freitag, den 22. September 221. 1882. *Waldenburg, 21. September 1882. Manchesterliche Sünden. Wie das Manchesterthum Geld und Menschen aus dem Lande treibt, darüber stellt die „Heilbron ner Ztg." folgende Betrachtungen an: „Im Jahre 1881 haben ungefähr 250,000 An gehörige des deutschen Reiches das Emigrantenschiff bestiegen, um sich jenseits des Oceans eine Nahrungs stätte zu gründen. Im laufenden Jahre mird die Auswanderung noch größer werden, denn während im ersten Quartal 1881 über Hamburg nur 24,635 Personen an Bord gingen, betrug deren Anzahl im ersten Quartal 1882 ungefähr 3000 Personen mehr. Leider ist diese ungeheure Summe an Productions- und Consumtionskraft nebst den baar mitgehenden Capitalien in der Bilanz unserer Nationalwirthschaft als purer Verlust zu buchen, da Deutschland weder eigene Colonisationsgebiete noch auch Organisationen besitzt, vermittelst deren die deutsche Auswanderung vorzugsweise nach solchen Ländern geleitet werden könnte, wo die Auswanderer wenigstens Deutsche und Consumenten deutscher Fabrikate bleiben. Das deutsche Manchesterthum, d. h. diejenige deutsche Abart der Sichselbstttberlassungsschule, welche im Gegensatz zu dem sehr thätigen englischen Man chesterthum das Heil in der ewigen Verneinung erblickt, treibt Geld und Menschen systematisch aus dem Lande. Nicht genug damit, daß es seins eige nen Anhänger entmannt und die ganze bürgerliche Unternehmungslust lähmt, hängt es sich auch noch wie ein Bleigewicht an die Flugkraft der Gesetzge bung, nm jeden Aufschwung aus dem Abgrunde zu verhüten Aber nicht nur auf dem Gebiete der äußeren Colonisation stößt die Negierung auf Abneigung und Widerstand, auch auf dem Gebiete der inneren Colonisation droht ihr das nämliche Schicksal. Nach den Vorschlägen der Regierung sollen als volks- und landwirthschaftliche Nebenwir kung des Rhein-Ems-Canals unfruchtbare Moor flächen von zusammen fechsundsechszig Quadrat meilen einer höheren Cultur zugeführt werden. Es handelt sich nämlich um die Aufschließung der Moor- und der Haideflächen Arenberg-Meppen, die jetzt beinahe vollständig ertraglos und sehr schwach be völkert stnd, denn es sind auf diesem ganzen Bezirke nur 84,000 Einwohner, die in den allerkümmerlich sten Verhältnissen leben und kaum einen erheblichen Steuerertrag liefern. Diese Einwohnerzahl würde, wenn sie nur 2000 Einwohner pro Quadratmeile hätte, auf ca. 140,000, also um beinahe 60,000 Einwohner gesteigert werden können. Wenn sie aber, wie auf den blühenden holländischen Moor- coionien, auf welchen Viehzucht und Landwirlhschaft in der höchsten Blüthe stehen und ein großartiger Neichthum herrscht, sich bis auf 200,000 Einwohner steigern, so würden sich dort beinahe 2'/- Mal so viel wie jetzt befinden. Die Motive führen den Beweis, wie sich durch den Canal auf den deutschen Mooren ganz ebenso blühende Bauernhöse und reiche Städte errichten lassen, wie solches auf hollän discher Seite mit dem nämlichen Boden möglich war. Anstatt nun ein solches Vorgehen der Negierung mit Jubel zu begrüßen, verderben die manchester- lichen Verweigerungskritiker der Regierung und dem Volke die Freude an der frischen, rettenden That, indem sie dem Plane die kleinlichsten Nörgeleien enlgegenstellen. Die „Nat.-Ztg." erhebt Einsprache, weil die Rentabilität, d. h. die Verzinsung der Canalanlage, nicht gesichert erscheine. Die „Tribüne" wacht schlechte Witze über die Vorlage. Nebenbei glaubt sie nicht an den Ernst derselben, weil sie dem Abgeordnelenhause erst in letzter Stunde zuging. Sie schlägt vor, „das Project ohne besondere Feier lichkeit zu begraben". Freilich ist das „Begraben" allmählich die große volkswirthschaftliche Capacität des deutschen Manchesterthums geworden " "Waldenburg, 21. September 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Wie nachträglich noch von dem Kaiserbesuch in Görlitz gemeldet wird, hatten zur Begrüßung Sr. Majestät des Kaisers am 14. d. M. an der Bahn hofsrampe u. A. auch sechs Veteranen aus den Be freiungskriegen, sämmtlich Greise von weit über 80 Jahren, Platz genommen. Der älteste derselben war der 89jährige Inwohner Christoph Kahle aus Daubitz, der nächstälteste Oberstlieutenant a. D. Schanz aus Görlitz, über 87 Jahre alt. Se. Maj. der Kaiser gab jedem einzelnen der Veteranen die Hand und richtete huldvolle Worte an dieselben. Oberstlieutenant Schanz war ihm von früher her schon persönlich bekannt und wurde vom Kaiser mit besonders leutseliger Ansprache beehrt; er wollte salutirend vor dem Kaiser stehen, welcher dies indeß nicht duldete, sondern den alten, geistig noch recht frischen Offizier zum Sitzen nöthigte. Prinz Wilhelm ist dis zum 10. October beur laubt und begiebt sich in der Zwischenzeit zu den Gemsenjagden nach Tirol. Der Prinz wird sich im Winter neben seinem Militärdienst bei der Re gierung und dem Landrathsamte in Potsdam mit der Civilverwaltung näher bekannt machen. Der „Nat.-Ztg." wird aus Paris gemeldet, daß Deutschland keine Einwendungen gegen eine directe Verständigung zwischen England und der Türkei machen wolle und nur im Falle einer Ver letzung des internationalen Rechts oder eines Con- flictS zwischen England und der Türkei eine Inter vention des europäischen Concerts für geboten erachte. Die „Kreuz-Ztg." bespricht den Antrag der Zittauer Gewerbekammer in Bezug auf Jn- nungsrechte und sagt: In den weitesten Kreisen würde er wohlthätig wirken, wenn eine Anzahl der bestehenden Innungen schon jetzt in den Besitz der ausgedehnteren Befugnisse trete, welche für sie in Aussicht genommen worden sind und wenn der Er folg lehrte, daß das Vertrauen der Gesetzgebung in die Leistungsfähigkeit des Handwerkerstandes ein be gründetes gewesen ist. Der preußische Staatsminister v. Bötticher hat am 14. d. M. in Gladbach eine Deputation von Handwerkervereinen empfangen, welche in der Zwangsinnung das Heil ihres Standes erblicken. Damit war der Minister nicht einverstanden: Er erwiderte, daß die Reichsregierung das Wohl des Handwerkerstandes im Auge habe; bezüglich der obligatorischen Innungen könne er jedoch keine Zu sage machen, man möge zuerst versuchen, auf Grund der Gesetzgebung vom vorigen Jahre die Sache herz haft anzufassen; es werde sich auch mit freien In nungen schon vieles erreichen lassen. Der Ein führung von obligatorischen Innungen ständen zu große Schwierigkeiten entgegen; dagegen sei die Reichsregierung bereit, gegen die Auswüchse des Hausirhandels Maßnahmen zu treffen. Es sei ja be kannt, welches außerordentliche Interesse der Kaiser sowohl wie auch Fürst Bismarck dem Handwerker stande entgegenbringen, und auch er (der Minister) wünsche von Herzen, daß der Handwerkerstand seinen goldenen Boden wiederfinde. Nachdem hierauf ein Deputirler unter Darlegung der dortigen Verhält nisse von neuem betont hatte, daß mit den freien Innungen nichts zu erreichen sei, hob der Minister besonders hervor, daß bei Einführung von Zwangs innungen eine ganze Reihe von unerwünschten Ele menten in die Innungen ausgenommen werden müßte; er habe übrigens selbst vorgeschlagen, den freien Innungen noch gewisse weitere Befugnisse zu gewähren, dieser Vorschlag sei jedoch vom Reichstage abgelehnt worden. Hierauf nahm der Sprecher der Deputation wieder das Wort; eine gedeihliche Ent wickelung des Handwerkerstandes, sagte er, sei ebenso nur durch obligatorische Innungen zu erreichen wie die allgemeine Volksbil dung durch den Schulzwang. Der Minister er klärte sich mit den Zielen des Redners vollständig einverstanden, glaubte aber, daß dieselbe auch auf dem Wege der freien Innungen zu erreichen sei. Der Einführung der Zwangsinnungen stehen eben so große Bedenken gegenüber, daß er ihnen dieselben zur Zeit nicht in Aussicht stellen könne. Er dankte schließlich der Deputation, daß sie sich ihm gegen über so offen ausgesprochen; die Regierung werde dem Handwerkerstande helfen, wo sie könne. Er gab der Deputation wiederholt den Rath, auf Grund des Gesetzes vom vorigen Jahre weiter zu arbeiten, sich zu vereinigen und lebenskräftige Organismen zu bilden, besonders auch dem Kaffenwesen die Thätig- keit der Innungen zuzuwenden. Oesterreich. Die Czechen, welche von den Wiener Gemeinde behörden bezüglich der Errichtung einer czechischen Volksschule in Wien abgewiesen worden, wollen sich mit diesem Bescheide durchaus nicht zufrieden geben. Die gesammte czechische Presse, an ihrer Spitze „Pokrok", Narodni Listy" und die halboffi- ciöse „Politik", wendet sich an ihren Landsmann, Minister vr. Prazak und das „gesammte patriotische Czechenthum der maßgebenden Kreise", damit diese das Zustandekommen einer czechischen Volksschule in Wien unterstützen mögen. Die Czechen drohen selbst mit einer Massen-Petition an das Unterrichts-Mini sterium und Reichsgericht. Die tschechische Gemeinde-Vertretung des Fabrik ortes Holeschowitz bei Prag hat am 19. Sept, die vom Deutschen Schulvereine errichtete, von 200 Kindern besuchte Schule angeblich aus Gesundheits rücksichten geschloffen, obgleich bei der Besichtigung der Schulräume durch eine Commission dieselbe ordnungsmäßig befunden worden und der Landes- schulrath die Concession zur Eröffnung der Schule anstandslos ertheilt hatte. In Triest dauern die Verhöre mit den Zeugen wegen der Bombenaffaire fort. Am 19. d. war auch der Pflegevater Oberdank's bei der Polizei. Derselbe ist Chef der Triester Schiffslader im Range eines Beamten. Er heißt Ferencsics und sagte zum Commissär: Wenn man mir die Erlaubniß geben würde, ich würde meinen Sohn selbst aufhängen. — Oberdank, welcher sich bekanntlich Rossi nannte, wurde am Bahnhofe von dem dort befindlichen Polizeicommissär Buschis, welcher bis 1878 mit Oberdank in Wien studirte, sofort erkannt. Nach kurzem Leugnen legte der Verhaftete ein Geständniß ab, nachdem auch seine Photographie bei den jüng sten Hausdurchsuchungen bei einem Irredentisten gefunden wurde. Nach Feststellnng der Identität schwand die Frechheit, welche er bisher gezeigt. Seine cynischen Drohungen gegen Oesterreich hörten auf; gebrochen saß er da. Sein Pflegevater liebte ihn sehr, schickte ihm — trotzdem er mit bescheide nem Gehalt drei Kinder ernährt — monatlich 50 Francs nach Rom. Schon während der Triester Studienzeit verkehrte Oberdank viel mit Irredentisten. Der Vater überraschte einmal die ganze Gesellschaft in feiner Wohnung beim Conventikel. Ein gewisser Piazza, schon seil längerer Zeit in Haft, war der intimste Freund Oberdank's. 1878 wurde Oberdank einberufen. Oberdank leistete Folge und kam nach