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Dresdner Journal : 24.12.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-12-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188712246
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18871224
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18871224
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-12
- Tag 1887-12-24
-
Monat
1887-12
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 24.12.1887
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L^iosssmtr«« X>. k'sra.prvvk Ur 1>DL 7———-S Bestellungen auf da- „Dresdner Journal" für des nächste Vierteljahr werden zum Preise von 4 M. 50 Pf. angenommen für Dresden der der unter zeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), für ansmärts bei den betreffenden Postanst alten. In Dresde» - Nenstadt können Bestellungen abgegeben werden in der Hofmusikalienhandlung des Herrn Adolf Brauer (F. Plötner), Haupt straße 2, bei Herrn Kaufmann C. Siegmeier (Albertplatz am Alberttheater), woselbst auch Ankündigungen zur Beförderung an unser Blatt angenommen werden, und bei welchen ebenso wie bei Herrn Kaufmann Müller, Pillnitzer Straße 64, dem Bahnhofsbuchhandler Herrn Weigand (bühm. Bahnhof), dem Herrn Buch Händler Knecht (Kiosk am böhm. Bahnhof), Herrn Kaufmann Ernst Paul Brückner, Lchmiedegäßchen 2, Ecke der Hauptstraße und Herrn Kaufmann Lebr. Wesser, Prager Straße 50 einzelne Nummern des „Dresdner Journals" zu haben sind. üönigt. Expedition -es Dresdner Journals. Fernsprech-Anschluß Nr. 1295. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben dem Mitgliede der Generaldirection der Staatseisenbahnen Finanzrath Karl August Schmidt den Titel und Rang eines OberfinanzratheS zu verleihen Allergnädigst geruht. Bekanntmachung. Die nächste Aufnahme-Prüfung von Expektanten für do» Königl. Sächs. Kadetten-Korps soll in der ersten Hälfte des Monats April künftigen Jahre» stattfinden und werden die an das Kommando des Kadetten-Korp» zu richtenden bezüglichen Anmeldungen ultiwo Februar geschlossen. Die wissenschaftlichen Anforderungen an die Expek- tanten für die Aufnahme in das Kadetten-Korps, die übrigen Vorbedingungen, sowie die näheren Vorschrif ten, nach denen die etatsmäßigen Kadettenstellen mit einem jährlichen ErziehungSbeitrage von 90, 180 und 300 M. zur Verteilung kommen, sind aus dem Re gulativ für da» Königl. Sächs. Kadetten-Korps vom Jahre 1882 — käuflich zu beziehen in der Hosbuch- handlung von Karl Höckner, DreSden-Neustadt — zu ersehen. Dre»den, den l. Dezember 1887. Kriegs-Ministerium, v. Kabrice. Beyer. — > —- > . MchLamMLer Teil. AecegraphitcHe Hactzrichterr. Wien, 24 Dezember. (Tel. d. DreSdn Journ.) Daö „Fremdenblatt < hält es angesichts der wider sprechenden Auffassungen in Wiener, ungarischen und deutschen Blättern über den weiteren Verlauf einer etwaigen Lösung der bulgarische» Krage, welche, wa» die Stellung Österreichs anbelangt ans keiner ernstlichen Grundlage beruhten, für scbr zeitgemäß, die von dem Grafen Kalnoky in der De legation l^k abgegebenen Erklärungen zu revro- düzirren, worin die Auffassung der österreichischen Regierung in voller Klarheit dargelegt ist. ? Belgrad, 23. Dezember. (W. T. B Bri den Nachwaklen zur Skupschtina sind, mit Ans- nabme deS Wahlbezirks von Risch, wo die Wakl sistiert wurde, überall die liberalen »andidaten ge wählt worben. Dresden, 24. Dezember. Am Weihnachtsabend Nach segensreiche i Togen, die für unser gemein sames Vaterland der redlichen Arbeit, der Festigung unserer E nheit und Kraft gewidmet waren, ist die deutsche Familie heute wiedeium vereinigt in dem trau lichen Zimmer, darinnen mit seinen wonnestloblenden Lichtern der WeihnachtSbanm, der Baum des Lebens und der frohen Verheißung brennt. Freude mn irr Hebung verbinden und verjüngen alle Seelen, e-a, ci n Jung und Alt, das Gemüt ist ganz nach innen at > t in die kleine und doch an sich größte, reichst W I: die umspannt wird vom Kreis der häusliche Vl .. So wird unter dieser schönen Feier der heilig i C nacht der Blick abgezogen von der Außenwelt u den unheimlichen Vorgängen, die seit kurzer ' bürgerlichen Ruhe und Ordnung wie ein gespenst aus barbarischer Zeit entgegengetreün. W i können es nicht bannen dieses Gespenst, aber n c erhobene Stimmung darf sich seiner Einwirkung u ch: krankhaft und würdelos dahingeben. Möchte uns mit Ihm, dem erhabenen T oste aller betrübten Herzen, dem Versöhner mit t m irdi chen unerforschlichen Schicksal, dem Eröffne^ der Pforte zu einem neuen auswärtsführendcn Leben möchte uns mit Ihm, der nicht, wie so viele seiner Gemeinde wähnten, die Bekenntniseifersucht, d.,s Schwert und den Kamps gebracht hat. sondern en geduldsamen, für sich selbst redenden Glau en, die Hoffnung auf die Erleuchtung der Brüder, die Ver zeihung und begeisternde Macht der Liebe, — möchte uns mit Ihm heute wiedergeboreu und gesickert werden, wonach wir verlangen: einträchtig r Friede, dieser feste Grund vom großen unsichtbare:. DuipO, welcher der ganzen Menschheit zur stillen Rn.^m zur geistigen Entwicklung unentbehrlich ist > Möchten die Hände erlahmen, die in ve l Wahn damit umgehen, jenen Tempelgr-uT > > wühlen. Dieses Wunsche» Erfüllung liegt ' '>' jeder irdischen Macht Das zu erk nm» demütigende, es ist eine erhebende Empfind r führt ab vom Übermut und von der Selb! leit der Welt und drängt wieder näher und in gc heran zum Urquell alle» Segen». Wenn in dc. Welt geschichte drohende Ereignisse ihren Schalten maus werfen, dann ist wohl selbst für den Mutigsten der Augenblick da, wo er unter der dunklen Wolke er schreckt und beklommen zu Boden schaut. Toch der Opferwillige, der getreu seine Pflicht qethan, wiro sich unverzagt gar bald erheben und im festen Verbauen auf des Höchsten Hilfe der Zukunft entgegengehen. Die russische Armee. Seit die Siege der Jahre 1870'71 Deutschland seine jetzige Machtstellung verschafften, stand der Schutz und die Verteidigung der neu geschaffenen Westgrenze des jungen Kaiserreiches im Vordergründe des allgemeinen Interesses Nicht nur Frankreich starrte, um das geflügelte Wort zu ge brauchen, „wie hypnotisiert" nach dieser Grenze, auch in Deutschland hatte man sich allgemach daran gewöhnt, nur von dieser Seite her einen Angriff zu argwöhnen. Erst die immer schärfer hervortretenden Ziele der russischen Balkan politik in den letzten Jahren, die den Eintritt eines Zusammen stoßes mit Österreich, unserm engsten Bundesgenossen, früher oder später besorgen ließen, lenkten die Aufmerksamkeit dem gemeinschaftlichen östlichen Nachbar zu, der im Laufe der Jahre an der Westgrenze seines Reiches große Truppen massen zusammengebracht hatte, deren noch fortwährende Verstärkung bis in die letzten Wochen die Frage nach dem Zwecke dieser Maßnahmen zu einer brennenden machten. Es ist in den letzten Tagen so viel von der russischen Armee gesprochen und geschrieben worden, daß wir im nachstehenden Versuche, eine kurze Schilderung dieses der Zahl nach mäch tigsten der kontinentalen Heere zu geben, einem Wunsche unserer Leser entgegen zu kommen glauben. Die Nachrichten über die russischen Truppen und deren Standquartiere sind mit großer Vorsicht aufzunehmen, da offizielle Quellen, wie Rang- und Ouartierlisten, Parlamentsberichte über Etats beratungen u. s. w. in Rußland nicht vorhanden sind, aus denen man über die Streitmächte anderer Staaten sein Ur teil bilden kann, und so sind wir auf Flugschriften, Fach zeitungen und statistische Nachweisungen als Quellen ge wiesen, deren Zuverlässigkeit nicht immer eine unbedingte ist. Bis zum Regierungsantritte Peters des Großen bestand in Rußland kein geregeltes Heerwesen. Erst dieser große Organisator schuf eine russische Armee auf der Grund bedingung allgemeiner Wehrpflicht, in Höhe von 180 000 Mann, ungerechnet der etwa 100000 Kosaken, die im Kriegsfälle die Reihen des Heeres verstärken konnten Nach ihm war es Katharina II., welche die von Peter über- kostimenen und von seinen Nachfolgern unangetastet ge lassenen Heereseinrichtunaen einer zeitgemäßen Neuordnung unterzog. Den Zaren Paul und Alexander I. verdankt das russische Heer viele Verbesserungen und Verstärkungen, so daß Kaiser Nikolaus bei seiner Thronbesteigung im Jahre 1827 bereits eine wohlgeschulte Armee vorfand, die er bis zum Ausbruch des Krimkrieges auf 1 151000 Mann re gulärer Truppen brachte, hinter denen als Reserve über 200 000 „Irreguläre" standen. Die in diesem Kriege hervorgetretenen großen Mißstände gaben dem Nachfolger dieses Kaisers, Alexander H., die Veranlassung zu einer völligen Umwandlung des bisherigen Systems. Diese be gann 1862, mußte den Erfahrungen des deutsch-französischen Krieges zum Teil aber wieder weichen und neuen Einrich tungen Platz machen, so daß bei Ausbruch des türkischen Krieges im Frühjahre 1877 die Armee noch immer eines festen Gefüges entbehrte Auch dieser Krieg, in dem Ruß land Unmassen von Soldaten opferte, zeigte, daß Führung und Verwaltung, wie auch die Gliederung selbst, sehr vieles zu wünschen übng lasse Die Folge davon waren erneute Um formungen, die von dem Kriegsminister Miljutin bis zum Tode Alexanders fast vollständig durchgeführt, durch dessen thätigen Nachfolger, Wannowski, aber unter dem jetzigen Zaren voll endet wurden Unter Alexander III. wurde bei der Armee, welche bisher ganz nach preußischem Muster eingerichtet war, ein erhöhtes Gewicht auf die russische Nationalität gelegt, und mit Recht, da der wirkliche Russe im europäischen Zaren reiche die überwiegende Nationalität ist. In der Gleichheit des Volksstammes der 44 Millionen Russen ruht eine bedeutende Kraft, politisch, weil sie dem Staate eine feste Grundlage bietet, militärisch, weil sie der Armee das feste, gleichmäßige Gepräge verleiht, das diese wirklich hat. Im allgemeinen sind die Russen von sehr kräftigem Körperbau, hoch und gerade gewachsen, hart und widerstands fähig gegen Krankheiten. Sie leben einfach, sind genügsam. Haben sie auch von Natur aus keineswegs bedeutende kriege rische Anlagen, so werden sie doch während der etwas länger wie bei anderen Armeen dauernden Dienstzeit zu vortrefflichen Soldaten gebildet. Auf den Schlachtfeldern haben sich die Russen immer bewährt, hervorragend durch Gehorsam, Willigkeit und mit passiver Hingebung gepaarte Standhaftigkeit. Da der Russe gleichförmig in seinem Charakter ist, wie die ein förmig sanftwellige Bodengestaltung seiner Heimat,fehlt ihm das individuelle Gepräge. Erwirkt nicht leicht aus sich heraus,Selbst ständigkeit und Initiative mangeln ihm, er bedarf kräftiger Leitung, sei es durch seinen Herrn, sei es durch seinen Kom mandanten Mit der Einförmigkeit seiner Heimat mag es aber auch zusammenhängen, daß der Russe wenig wirkliches Hcimatsgefühl besitzt und sich deshalb leicht überall ein bürgert, da er im europäischen Rußland — und von diesem nur sprechen wir hier — fast überall die gleichen Verhält- FeuiUtton. Weihnachtserzählung von Marcus Boyen. (Fortsetzung.) E» dünkte der Frau Rat doch recht angenehm, wenn da» Strickzeug, dessen in Unordnung geratene Maschen sonst oft lange auf Jungfer JustinenS Hilfe hatten warten müssen, jetzt so schnell und gut geordnet in ihre Hand zurückgegeben wurde, wenn der Inhalt der Zeitung ihr jetzt von einer gebildeten Stimme vor- gelefen wurde; es war so seltsam erfrischend, den Ton eine» lauten Lachen» im Hause zu hören, wenn da» junge Kind den grämlichen Kater zu kindischen Spiele reien verleitet hatte, e» war der alten Frau so neu, die vielen Fragen zu hören und zu beantworten, welche Lißbeth unbekümmert über alles stellte, was ihre jungen Augen sehen konnten. Die Frage freilich, welche Lisbeth oft so gern der traurig blickenden Großmutter vorgelegt hätte, die Frage nach dem, wa» gewesen und was kommen könnte, wagte sie nicht zu stellen, aber sie sühlte sich auch nicht entmutigt. Sie stand diesem großen Rätsel in dem bleichen alten Gesicht mit aller Zuversicht ihrer siebzehn Jahre gegenüber, die Großmutter war ja gut, überall war ja die Welt schön, und im Himmel war Bott, der täglich Lisbeths Bitten hörte. Er würde ja helfen. Wohl war e» ein recht stille» Leben in dem Hause, ja welche» kaum jemals ein fremder Fuß trat, aber in Lisbeth wuchsen Liebe und Hoffen auf irgend etwas, was sicher kommen mußte. Zuweilen, wenn das kurze Tageslicht vergangen war und Justine die Lampe noch nicht gebracht hatte, gelaust e- Lisbeth, die Großmutter zu bewegen, allerlei Erinnerungen aus der eignen Jugend zu berichten, bis in die Zeit von Eheglück und Kindersegen. Doch immer, wenn Lisbeth dachte, daß nach den kleinen Erlebnissen aus der Mama und der Tanten Kinderzeit auch einmal des verlorenen Sohnes gedacht werden würde, dann erstarb der Er zählenden da» Wort, und Lisbeth schwieg auch und wagte keine weitere Frage zu stellen. Auch der allen Justine wagte Li»beth keine Fragen nach dem Leid de» Hauses vorzulegen, obgleich der Anblick ihre» jungen Gesichts rasch ein Herzenilabsal für die . lie Dienerin geworden war. Die hatte schon lange v.r gessen, daß sie gemeint, so ein quirrliches ju. Ding, das alle Tage würde was neue» haben wollen, sei nichts für da» stille Hau», und keine Arbeit ward Justinen zu ichwer für „das Kind", wie sie mit aller Vertraulichkeit einer verwöhnten Geno sin der Frau Rat Lisbeth sich zu nennen erlaubte. Die Frau Rat verließ nie ihr Han-, auch nicht, um Sonntags zur Kirche zu gehen. Auch heute am Totenfest war Lisbeth allein unter den vielen frem den Menschen in der Marienkirche und horchte mit schwellendem Herzen auf die mächtigen Klänge der alten Orgel. Da sah sie, nicht weit von sich entfernt, an einem der starken Pfeiler, die da» Mittelschiff der Kirche trvsten, einen Mann lehnen, dessen Augen den ihrigen mit einem langen Blick begegneten, um sich dann auf da» weiße Schildchen zu heften, auf dem mit weithin sichtlicher Schrift der Name der Frau Rat Wegener als Besitzerin dieses Kirchenplatzes ,u lesen war. Der Mann war schäbig gekleidet, und sein Körper schien unter dem Einfluß der kalten Kirchen lust von Frost geschüttelt. Warum schaute der elende Mann nach Lisbeth hin? warum hefteten sich seine Augen so oft auf das kleine Namenschild vor ihr? Lisbeth zwang sich, dem Prediger zu folgen. Der sprach von Tod und Sterben. Wie weit lag der eigentliche Begriff dieser Worte für das Mädchen, in dessen junge- Leben noch kein Schatten gefallen war. Aber daheim, die Großmutter, die trauerte um einen Toten und mehr noch um einen Verlorenen, den zwar nickst die Erde, aber die Ferne und ein böses Ver gessen deckte. Wie mochte er wohl ausgesehen haben, der sortgelaufene Onkel? Schwarzhaarig wohl, wie ' ei der Großmutter das Bild des verstorbenen Groß- octers ouSsah, mit dunkeln Augen und breiter trotziger Stirn? wie, ja, jo wie der Mann dort am Pfeiler, so konnte er ausgesehen haben, wenn er dem Bilde daheim, seinem Vater, ähnlich sein sollte Eine Flut verwirrender Gedanken, rasch gezogener Schlüsse überstürzte Lisbeth, sie blickte von neuem zu dem Manne dort hin, da» Herz so erfüllt von jähen, unklaren Hoffnungen, daß rhr fast der Atem stockte, und wieder begegnete sie den dunkeln Augen deS dort Lehnenden und eine Aufforderung, ihn zu bemerken, schien darin zu liegen. Erregt von dem, was sie gesehen und wa» sie gedacht hatte, kam Lisbeth zu Hause; dort fand sie zu ihrer Verwunderung die Großmutter au»geaangen. „Die Frau Rat ist hinau» zum Kirchhof, so thut sie e» all« Jahre und will'» nicht erlauben, daß ich nisse findet. Dagegen ist sein Nationalgefühl und seine An« hänglichkeit an das große „heilige Rußland" scharf aus geprägt. Weniger zuverlässig ist der Pole. Adel und Bauer ist durch eine unübersteigliche Kluft getrennt. Jener der Herr, dieser bis vor kurzem noch geknechtet, ist noch immer nicht fähig, die ihm seit 1864 verliehenen Freiheiten zu seinen Gunsten zu benutzen. Zur Ausfüllung der Lücke zwischen Adel und Bauer dienen die zahlreich eingewanderten Deutschen und Juden, in deren Händen Gewerbe und Verkehr liegt. Die Gesinnung der Polen gegen die Russen ist ihrer vaterländischen Geschichte entsprechend keine freundschaftliche Die polnischen Rekruten kommen deshalb grundsätzlich zu den im Innern des Reiches liegenden Truppen. Für den Kriegsdienst hat der Pole vorzügliche Eigenschaften, beson ders für den zu Pferde, auch für technische Truppen und Werkstätten ist derselbe seiner besseren Schulbildung wegen gut verivendbar. Während im Durchschnitt der Russe 57 Proz. der Be völkerung des westeuropäischen Rußlands ausmacht, kommen auf die Polen 23 Proz. Der Rest sind lithauische Völker, Deutsche und Juden. Erstere sind aufgeweckte, kräftige, etwas schwerfällige, aber bildungsfähige Menschen, sehr ge eignet für den Dienst zu Pferde. Deutsche und Juden bleiben im Charakter überall dieselben. Noch zu erwähnen sind die Kosaken Dieselben sind ur sprünglich Russen, welche sich in der Mongojenzeit anfangs des 14. Jahrhunderts am Dniepr ansammelten, nur von Krieg und Beute lebten und die Tataren ost besiegten. Schlau und findig, mit natürlichen militärischen Anlagen reich begabt, von Kindheit an an den Umgang mit Waffen und Pferden gewöhnt, bilden sie einen vortrefflichen Teil der russischen Armee Ihre Unternehmungslust haben die Kosaken bewiesen, als sie Sibirien eroberten, durch riesige Schneesteppen bis an den Ocean vordrangen und auf leichtem Kahne die Behringstraße entdeckten. — Es sind also nur wenige verschiedenartige Nationalitäten, aus denen sich die russischen Streitkräfte ergänzen und daS gereicht ihnen zu großem Vorzüge. Wir entnehmen die nachstehenden Ziffern in der Haupt sache einer soeben in der Helwingschen Buchhandlung zu Hannover unter dem Titel: „Rußlands nächster Krieg" er schienenen höchst interessanten „strategischen Studie", deren Inhalt auch für den Nichtfachmann leicht faßlich geschrieben, auf großer Sachkenntnis beruhend erscheint. Die russische Armee selbst besteht im Frieden aus folgen den Körpern: Dem Gardecorps mit 7 Divisionen und zwar 3 Gardeinsanterie-, 3 Grenadier- und 1 kaukasischen Grena dierdivision, 2 (im Kriege 3) Gardekavalleriedivisionen,7 Garde artilleriebrigaden zu je 6 Batterien, 1 reitenden Garveartillerie- brigade zu 6 Batterien, 1 Gardeschützenbrigade zu 4 Bataillonen und 1 Gardesappeurbrigade, sodann aus 15 europäischen und 2 kaukasischen Armeecorps mit zusammen 41 Infanterie divisionen zu je 4 Regimentern, welche stets je 4 Bataillone zählen. Zu jeder Infanteriedivision gehört 1 Fußartlllerie« brigade zu 6 Batterien mit 4, im Knege 8 Geschützen. Die beiden kaukasischen Armeecorps setzen sich aus der beim Garde corps erwähnten kaukasischen Grenadierdivision und 5 werteren Infanteriedivisionen nebst den dazu gehörigen 6 Artillerie- brigaden zusammen. Zu jedem Armeecorps gehört 1 Kavallerie division. Als erste Reserve sind die 12 Schützenbrigaden zu je 4 Bataillonen anzusehen, die im Frieden außerhalb de» Rahmens des Armeecorps stehen, im Kriege den ArmeecorpS zugeteilt werden. Weiter gehören die 6 Sappeurbrigaden zur Armee, die je aus 3 Sappeur-, 1 bis 2 Pontonier- und 1 Eisenbahnbataillon, nebst 1 Feldingenieurpark und 2 bis 3 Telegraphenparks bestehen. Im Kriege werden außer den eingangserwähnten 48 In fanteriedivisionen noch 24 Infanteriedivisionen zu je 16 Ba taillonen aufgestellt, und zwar bilden hierzu die bereits im Frieden bestehenden 97 Reserveinfanteriekadresbataillone die Rahmen je I Reserveregiments, 12 dieser Reservedivisionen gehören zur Feldarmee und erhalten jede 1 Reservefuß artilleriebrigade zu 4 Batterien mit je 8 Geschützen zuge wiesen Die 12 übrigen Reserveinfanteriedivisionen, welchen gleichfalls die gleiche Anzahl von Reservefußartilleriebrigaden zugeteilt werden, dienen zu Besatzungszwecken. Alle Armeecorps sind mit den nötigen Train- und Sani tätsanstalten ausgestattet. In erster Linie besteht die russische Operations armee aus dem stehenden Heere, in zweiter aus der Reserve, sie begleite", berichtete Justine ärgerlich; „sie kommt wohl bald heim, aber gut thut rhr der Gang nie mals. Sprechen Sie die Frau Rat nur nicht darauf an, Fräulein LiSbethchen, sie mag nicht denken, daß man weiß, wo sie gewesen ist." Lisbeth ging m das Wohnzimmer, wo der leere Platz der Großmutter am Fenster sie ganz unheimlich berührte. Da lag die Bibel auf dem kleinen Tisch chen, Lisbeth blickte in die aufgeschlagenen Blätter, sie las darauf das Evangelium von dem verlorenen Sohn, und sie wußte nun, wem die stille Zwiesprache gelten würde, welche die Großmutter dort draußen mit dem Grabe ihres Gatten halten würde. Ob die Großmutter wohl dachte, daß der ver lorene Sohn bald wiederkehren würde? Ob er so trotzig, wie er gegangen, zurückkommen, oder, wie der verlorene Sohn des Evangeliums, um sich vor feiner Mutter in demütiger Bitte um Verzeihung zu beugen? Und würde er in Bettelarmut kommen, von Frost geschüttelt, wie heute der elend aussehende Mann in der Marienkirche? Zuerst, seil Lisbeth hier im Hause der Groß mutter war, verging der Tag, al» hätte der Ernst und die Stille des Hause» allen Jugendmut in dem frischen Kinde erdrückt. Als Lisbeth dann gute Nacht sagte, schienen die quälenden Gedanken sie zu über wältigen. „Großmutter, fei nicht so traurig," schluchzte Lis beth, „ach wenn Du mich doch für werth halten möchtest, um mit mir von Deinem Kummer zu sprechen!" Die alte Fran legte ihre Hand sanft auf den Kopf deS vor ihr dnenden Mädchen-. „Möchte
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