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FmbcrgerAnMer und Tageblatt Amtsblatt für die königliche«; und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand 1875 Mittwoch, den 8. Dezember ßwelr- IvNjM »ä Lo ¬ ht VDK jcheidm geschnitten, so wird doch das deutsche Volk in seiner Mehr heit dem Reichsschlutzmacher dankbar sein. Denn daß auch die Redefreiheit der Sozialdemokraten da, wo sie eine Legi timation zum Sprechen besitzen, und oft auch, wo dies nicht der Fall ist, nicht verkümmert ist, lehrt ein flüchtiger Blick in die stenographischen Berichte eines jeden Reichstags. Diese Zurückhaltung des Zentrums trat nirgends so sehr zu Tage als bei der ersten Lesung der Strafgesetz novelle, die vorigen Freitag stattfand. Es überlies; den; Sprecher der Nationallibcralen, dem Abg. Lasker, denjenigen Bestimmungen des Entwurfs, welche die Freiheit der öffentlichen Diskussion in Vereinen, Versammlungen und Zeitungen beschränken wollen, den Krieg bis aufs Messer anzukündigcn. Der Sprecher der Ultramontanen, Reichen sperger (OlpH, hatte dann Nichts weiter zu thun, als die aus dem Feuer geholten Kastanien zu essen, indem er sich den Ausführungen Laskers einfach anschloß. Hat Lasker m.t seiner Rede ein Odium auf sich geladen, so ruht es auf ihm, bez. auf seiner Partei, und das Zentrum hat nicht nöthig, dieses Odium zu theilc». Tie Rede des Abg. Lasker, die volle zwei Stunden währte, war ein wahres Meisterstück. Lasker widerlegte die Anschuldigungen, die dem deutschen Strafgesetzbuch gemacht worden sind, mit dem Hinweis auf die außergewöhnlichen Zustände, welche feit den; Erlaß desselben bis jetzt geherrscht haben; er legte die Konsequenzen dar, welche viele der neuen Vor schläge auf das System des Strafrechts ansüben müßten; er zerpflückte unbarmherzig die dürftigen Motive, welche die prlitischen Paragraphen rechtfertigen sollten, nnd stellte die juristische Unhaltbarkeit namentlich des Paragraphen Arnim klar. Als acceptabel bezeichnete Redner nur die Paragraphen, welche eine Abänderung der Bestimmungen über die An tragsvergehen und Körperverletzungen bezwecken, und außer dem den Paragraph Duchesne, welcher die erfolglose An- oder Anbietung zu einem Verbrechen unter Strafe stellt. Hiernach theilte er die Gesammtheit der vorgeschlagenen erregte es allgemeine Aufmerksamkeit, daß Windhorst in einem neuen bismarckbraunen Rocke erschien. Man sah darin ein gewisses Anzeichen dafür, daß das Zentrum einen m.ulu« vivenäi mit der Staatsgewalt suche, und einige Erklärungen, welche der Vorstand der Zentrnmsfraktion in deren Leiborgan, der „Germania", erließ, lasten wenigstens soviel erkennen, daß das Zentrum seinerseits des Streites mit der Regierung müde ist und einen Ausgleich sucht, natürlich einen solchen, der ihm einen gewissen Einfluß und vor Allem die Existenz als politische Partei sichert. Sei es, daß das Zentrum mit seiner jetzigen bescheidenen Zurückhaltung sich dem Reichskanzler nähern will, den, schon die Entstehung der Partei ein Dorn im Auge war, und ihm vielleicht seine Mithilfe für mögliche Konflikte mit der natioualliberalen Partei in Aussicht stellen will, oder mag es damit auf den Kaiser direkt wirken wollen, der ja immer noch unter seiner nächsten Umgebung viele eifrige und ultramontane Katholiken hat: genug, das Be streben, sich den leitenden Kreisen zu nähern, ist unzweifel haft verhandel!, und vielleicht enthüllt schon in der nächsten Zeit ein unoermutheter Zufall den Schleier, der dieses Streben jetzt noch deckt. Bestimmungen in drei Kategorien. Die erste Kategorie bilden die Antragsvergehen, Körperverletzungen und der Paragraph Duchesne; über sie muß der Reichstag noch während der gegenwärtigen Session zu einer positiven Entschließung gelangen, sie wurden daher einer Kommission überwiesen, welche die etwa gegen die Fassung zu erhebenden Bedenken zu beseitigen hat. Die zweite Kategorie, welche die sechs politischen, die Beschränkung der Diskussions freiheit bezweckenden Paragraphen umfaßt, sind unannehmbar, und in die dritte Kategorie gehören diejenigen Paragraphen, die nicht unannehmbar, aber auch nicht dringlich sind, über die sich daher im Plenum wird streiten lasten. Zu ihnen gehört der tz 113, der die Strafe für Widersetzlichkeit gegen Beamte im Dienst erhöht, und der 8 353» (Arnim- paragraph), der Pflichtwidrigkeiten von Beamten im aus wärtigen Dienst unter Kriminalstrafe stellt. Der Reichskanzler, welcher nach Lasker das Wort er griff, zeigte eine unerwartete Nachgiebigkeit. Er ließ still schweigend die gesammten politischen Paragraphen fallen, indem er die Verantwortung für ihre Ablehnung dem Reichstage zuschob, und konzentrirte das ganze Gewicht seiner Autorität auf die beiden zuletzt erwähnten W 113 nnd I53a. deren letzteren er unbedingt zu bedürfen erklärte, wenn er die Verantwortung für fein Amt als auswärtiger Minister noch länger tragen sollte. Natürlich machte diese Erklärung den tiefsten Eindruck, und man kann heute schon sagen, daß der Reichstag Mittel und Wege suchen und auch finden wird, dem Reichskanzler als Dank für die Verzicht leistung auf die politischen Paragraphen den Arnim-Para- etwas abgeänderten, der juristischen Fahnde mehr an bequemten Form zn Füßen zu legen. Der LprecherderkonservativenFraktionen,l)>.v.Schwarze, sprach auch unverhohlen diese Meinung auS, indem er erklärte: „wir sind einmüthig der Meinnng, daß es unbedingt unsere Schuldigkeit ist, in allen denjenigen Punkten, in welchen die Ehre, der Schutz und Schirin des deutschen Reichs die Mithilfe des Strafgesetzbuchs verlangen, diese Mithilfe zu gewähren, und wir sind der ferneren Ueberzeugung, daß über die Frage, ob durch Disziplinarstrafen oder bereits vorhandene Bestimmungen des Strafgesetzbuchs das Bedürf nis; gedeckt sei, nicht uns die erste Stimme zusteht, sondern Denjenigen, die berufen sind, über die Ehre des deutschen Reichs zu wachen. Wenn uns in dieser Beziehung eine bündige Erklärung gegeben wird, so sind wir an diese Er klärung gebunden." Im klebrigen zeigte sich dieser Redner der Revision des Strafgesetzbuchs wenig geneigt, indem er die demselben gemachten Vorwürfe als größtentheils un begründet bezeichnet; gleichwohl erklärte er die Bereitwillig keit der konservativen Partei, sich an der Prüfung der Novelle zu betheiligen. Zum Schluß nahm noch I)r. Hänel im Namen der Fortschrittspartei das Wort, um einestheils dem Verlangen des Reichskanzlers gegenüber, den Arnimparagraphen durch- Lriefe aus dem Reichstage. V. Ll. Berlin, 6. Dezember. Wer das Verfahren der Zentrumsfraktion in früheren Sessionen des Reichstags zu beobachten Gelegenheit gehabt, wird über ihre jetzige Haltung einigermaßen erstaunt sein. Während die Ultramontanen sonst jede Gelegenheit hervorsuchten, sich an dein Reichskanzler zu reiben, ihm zu opponiren und ihn zu ärgern, sind sie jetzt fromm wie ein Lamm. Zwar haben sie die alte Oppositionsstellung noch nicht aufgegeben, zwar lieben sie es immer noch, sich als Freunde freier Institutionen und sparsame Volksvertreter hinzustellen, aber sie thun dies in einer mehr verbindlichen Weise, in einer Art, die den nervösen Reichskanzler nicht kränken kann. Wer erinnert sich nicht an die vorjährige Berathung des Etats, an die bissigen, heimtückischen Angriffe des Abg. Jörg und an die gereizte Erwiderung des Fürsten v. Bismarck? Und wer weiß nicht noch, wie der Antrag des Abg. Windthorst, den geheimen Dispositionsfonds des auswärtigen Amts zu streichen, mit Jubel von der Majorität benutzt wurde, um den; Reichskanzler, der anläßlich der Annahme der Resolution Hovcrbeck im Begriffe stand, sein Amt niederzulegen, ein Vertrauensvotum zu bringen? Bei der diesjährigen Etatsberathung ist kein Wort über die auswärtige Politik von Seiten eines Zentrums mitglieds gefallen, so daß selbst die „Nationalzeitung", was noch nie dagewesen ist, sich veranlaßt sah, der Haltung des Zentrums anerkennende Worte zu widmen und den pa triotischen Sinn desselben zu rühmen. Jörg, der allerdings schon in seinem Aeußeren an das schleichende Reptil er- p-->- < xe«-IIenc<-, ist der Abgeordnete für das Fürstenthum Schwarzburg-Sondershausen, Rechtsanwalt a. D. Justizrath Valentin, wohnhaft in Kreischa bei Dresden. NaL- dem er sich schon mehrere Sessionen hindurch des dankbaren, aber — wenigstens in Bezug auf diejenigen Parteien, deren Redner das Wort abgeschnitten wurde — ebenso odiosen Amts, den Schluß der Debatte zu beantragen, befleißigt hatte, wurde ihm in der vorigen Session von befreundeter Hand ein ganzes Packet gedruckter Cchlußanträge geschenkt, in Verbindung mit dem Erlös aus dem durch Affinirung zur Ausscheidung gekommenen Golde und Kupfer im Be trage von 6,467,474,^ Mark, zusammen 18,484,160,^ Mark. Die Ausgaben für Prägckosten, Transportkosten und die Verluste belaufen sich auf 4,188,872,^, Mark. Der nach Deckung dieser Ausgaben verbleibende Ueberschuß von 14,295,288,, Mark ist in die Rechnung des Jahres 187.', übertragen worden. Die Reichstagsabgeordneten Frhr. Nvrdeck zur Rabenau, Richter (Meißen) und Scipio haben au den Reichstag eine Einladung ergehen lasten zur freien Besprechung der Paragraphen 55 und 361 Nr. 6 der Novelle zum Straf gesetzbuch. Tie Besprechung wird heute «Dienstag) Abend statlfiuden Diese beiden Paragraphen betreffen die Be strafung von Kindern unter 12 Jahren nnd die Vorschriften ob und in wieweit die Strafbarkeit der gewerbmäßigen Unzucht von dem Vorhandensein polizei licher Anordnungen abhängig sei. Nach der Fassung dieses Paragraphen soll die Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Unzucht als Regel gelten, und deren Straflosigkeit nur da eintreten, wo die Polizeibehörde speziell Duldung unter Kontrole gewährt. Die 400,000 Aktien des Suezkanals, welche im Jahrs >857 ausgegeben wurden, waren folgendermaßen zur V.r- theilung bestimmt: Türkei-Egypten 96,517, Oesterreich 5!,246, Rußland 24,174, England 5085, Vereinigte S >a,- len 7000, Spanien 4046, Niederlande 2615, Italien 1870, Tunis 1714, Schweiz 460, Belgien 924, andere Staaten 28. Frankreich übernahm jedoch thatsächlich 207,111 Aktien nnd die für die Türkei und Oesterreich bestimmten gingen in die Häilde des Vizekönigs von Egypten über. Die übrigen Tagesschau. Freiberg, den 7. Dezember. Gestern machte der Reichstag eine unfreiwillige Pause. Sofort nach Eröffnung der Sitzung wurde dieselbe auf heute vertagt, weil in Folge baulicher Aenderungeu an den Ventilationseinrichtungen der Sitzungssaal nicht ge nügend erwärmt werden konnte. Das fünfte Verzeichniß der bei dem Reichstage einge- gangeuen Petitionen enthält 104 Nummern, welche sich auf Schutzzölle, die Gewerbeordnung, Börsen- und Braustener und Juvalidenpensionen beziehen. Außerdem sind daraus u A. hervorzuheben: Eine Petition des StandeSbeantteu Hofferichter in Breslau, den Eid der Justizpflege betreffend. Der Professor Carl Pancratius zu München ersucht nm Abhilfe der theuern Zeitverhältnisse und Verbesserung der Lage der Lehrer. H. Eckmann und Gen offen zu Schönberg im Fürstenthnm Ratzebnrg bitten um eine Verfassung für ihr Fürstenthum. Die finanziellen Ergebnisse der Münz re form be rechnen sich für das Jahr I874 wie folgt: Der Brul'.o- Münzgewinn beträgt bei der Ausprägung 12,016,686,.^ M. graphen, wenngleich er nach dem Ausdruck des Reichskanzlers „in die juristische Fa>,ade nicht paßt", in einer vielleicht >!ich der I :ch eine I :cht der I io weit I nit den I me fast I Wem I >e durch I vordem ! »mußt, I Tanker- i Mund Worten. ,: Mr ch Gott rfahren. Mjbh vohnern > lgegend, ach der >, nicht edigten, se mir fuchten. Bruder th und meinen em Ge- »d ihrer in lin sten. — n GutS- und die lusnahm M be ersichere re, das ssentliche Danke d vielen zenborn, HelbigS- illig ge- ich vrr- e vieler rimaths- stendung inmlung früheren rstützten. rbrichter Brand- n erlitt, eise sich angenen Es ist ner und oth mir, stgethan, Dittrich, Namen l Herzen aten als n letzten schrieben zu Theil zeichnen n. 875. milie. rpslichtet »es auch nr beide hreckenS- Inserate den bis Lor- u-äta-S 11 Uhr für nächste Rr. ange» nommen u. die ge spaltene Zeile »der deren Raum mit 1 v Pf. berechnet. Inserate find stets an die Expedition, Frotscher'sche Buch handlung, zu senden. um ihm die Mühe des Schreibens zu ersparen Er steht stets im Einvernehmen mit dem Bureau, um sich zu ver- gewissern, welche Redner sich noch angemeldet haben, und sein zur rechten Zeit eingebrachter Schlußantrag wird selten abgelehnt, meistens nur dann, wenn sich nachträglich ohne Wiste» Valentin's noch ein Redner gemeldet hat, den das Haus noch gern hören will, wie im gegenwärtigen Fall Or. Hänel. Einen steten Opponenten findet er in seinem Parteigenossen Lasker, der sich nie für einen Schlußantrag erhebt, außerdem aber im Zentrum, das wenigstens in der vorigen Session äußerst spröde gegen solche Anträge war, weil es sie oft gegen sich selbst angewandt iah. Wollte der Führer des Zentrums, Windthorst, noch außerdem eine Pression auf unzuverlässige Mitglieder seiner Partei ausüben, so erhob er sich, wenn der Präsident ankündigte, es sei ein Schlußantrag eingebracht worden, und sprach: „Ich bitte um's Wort!" Das war stets das unfehlbar wirkende Mittel, um sümmtliche Mitglieder des Zentrums, von den Freiherren von Aretin bis zum Freiherrn von Zu-Rhein, auf ihren Plätzen festzunageln. Böswillige Zungen versichern sogar, es sei von Valentin ein kleines Packetchen Cchlußanträge >» hlmmo auf dem Bureau nieder gelegt, von welchem der Präsident, wenn er die Debatte zu schließen wünsche, nur einen zu nehmen brauche, um sofort mit Fug nnd Recht sagen zu können: „Es ist ein Antrag auf Schluß der Debatte eingereicht vom Abg. Valentin." Aber wie gesagt, ich halte das für böswillige Verleumdung. Nichtsdestoweniger waltet der Abg. Valentin als ein höchst segensreicher Genius, und wenn sich auch die Sozialdemo kraten beklagen, es werde ihnen systematisch das Wort ab- Erschcmt irden Wochentag Abend» U Uhr für de» andern Tag. Preis vierteljähr lich 2 Marl 25 Pf., aweinionatl. l Mk. bv Pf. und ein- monatl. 75 Pf. Die Redaktion be findet sich Rinneu- gasse 86^. II Et. frau. kannten st mit, sbruder Brünn a ist. ückauf" >yer. lieben üminert idJahr aifer ilie. innert, das unvermuthet den arglosen Gegner überfällt,! hat das Wort überhaupt noch nicht ergriffen. Die Reden! des Abg. v Schortemer-Alst athmeten mehr einen gewiffen unschuldigen Humor als irgend welchen Unwillen; und die Worte der Abgg. Windthorst und Reichensperger (Crefeld), der Hauptredner des Zentrums, fließen über von Wohl wollen und Bonhommie. Schon zu Beginn der Session zubringen, auf gewiße Bedenken aufmerksam zu »lachen, und andrerseits auf das Entschiedenste Protest einzulegeu gegen einen Eingriff in die verfassungsmäßig garantirten Rechte der Reichsbürger, den er in den politischen Paragraphen der Novelle erblickte. Während der ganzen Verhandlung sah man de» Abg. Bebel mit einen umfänglichen Manu- script unruhig sich hin und herbewegen, und während der letzten Reden näherte er sich immer entschiedener von seinem Platze im Hinteren Theil des Saales dem Bureau. Augen scheinlich wollte er die Ansichten der sozialdemokratischen Partei über die Novelle dem Reichstage entwickeln. Leider trug dieser aber durchaus kein Verlangen, von den Erpectorationen des berühmten Demagogen Kenntnis; zn nehmen, und so sand der Antrag auf Schluß der Debatte die allgemeinste Zustimmung, nachdem vorher ein gleicher Antrag, unr dem Abg. Or. Hänel noch das Wort zu lasten, abgelebnt worden war. Bei dieser Gelegenheit komme ich auf das Institut der „Reichsschlußmacher" zu sprechen, dessen ich schon in einem früheren Briefe im Vorbeigehen gedacht habe. Dieser Schlnß- macher, welche sich das unsterbliche Verdienst erwerben, die Debatte nie übe: das Bedürsniß hinaus dauern zu lasten und namentlich unberufene Redner möglichst vom Worte abzuhalten, giebt eS mehrere. Zu nennen sind z. B. di: Abgg. Or. Dohrn und Oe. Hinschius; beides National liberale. Der berühmteste aber, der Reichsschlutzmacher