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Nr 114. 18. Mai I8S«. Sonntag. EeiHßtg. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittags 4 Nhr au«- gcgeben. Preiß für das Vierteljahr 1V, Thlr. ; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Deutsche Allgemeine Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch all« Postämter de» In- und Auslandes, sowie durch di« Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Insertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. Preußen. -^Berlin, 16. Mai. Von mehren Seiten betrachtet man das Stattsinden eines Congresscs hier in Berlin im bevorstehenden Sommer so gut wir ausgemacht. Man geht darin indessen viel zu weit, und lediglich dieser Umstand veranlaßt uns, auf die Sache, die wir sonst noch nicht berührt hätten, zurückzukommen. Eine Zusammenkunft zwischen dem Kaiser Alexander und dem Kaiser Napoleon wurde schon von dem Augenblicke an, wo die Dinge eine friedlichere Wendung nahmen, von bei den Seiten dringend gewünscht, und es kann versichert werden, daß dieser Wunsch seit der förmlichen Unterzeichnung des Friedens in Betreff seiner inner» Eonsistenz eine ganz bestimmte Gestalt angenommen Hal. Wenn indessen früher gesagt wurde, daß der Kaiser Alexander beabsichtige, den Kaiser Napoleon in Paris zu besuchen, so übersah man dabei denn doch gewiß naheliegende Rücksichten, die eine so bedeutsame Reise, gleich nach Wiederherstellung des Friedens von dem besiegten Theile unternommen, schon von vornherein als sehr zweifelhaft erscheinen las sen mußten. Auch hat man die betreffende Reise in Paris selbst gar nicht erwartet, sondern, in richtiger Würdigung der hier in Betracht kommenden Rücksichten, auf den vertraulich kundgegebencn Wunsch des Kaisers Alexander sofort zu bemerken sich beeilt, daß man sich glücklich schätze, mit dem neuen russischen Monarchen an einem passenden dritten Ort zusammentreffen zu können. Als eine geeignete Gelegenheit zur Ausführung des Eingeleitelen betrachtet man beiderseits nun die Reise, welche der Kaiser Alexander im Spätsommer nach Deutschland zu unternehmen gedenkt, um seine Mutter, die Kaiserin-Witwe, welche bekanntlich in diesem Sommer ein deutsches Bad gebrauchen wird, wieder abzuholen und nach Rußland zu- rückzubeglciten. Als den zweckmäßigsten, weil für beide Theile gleichsam Halbwegs gelegenen Ort der Zusammenkunft betrachtet man Berlin. Ganz positiv ist die Zusammenkunft nun zwar noch keineswegs, aber sie ist, wie gesagt, doch sehr wahrscheinlich geworden. Was außerdem von der Hier herkunst noch anderer Monarchen, wie namentlich der Königin von Eng land und des Kaisers von Oesterreich, gesagt wird, dies entbehrt, als in Verbindung stehend mit der projeetirten Zusammenkunft des franzö- fischen und des russischen Kaisers, zur Zeit noch aller nähern Grundlage. Ein« Hierherkunft der Königin von England zur Zeit der Vermählung der Prinzessin Luise, der Tochter des Prinzen von Preußen, mit dem Re genten von Baden, hält man zwar für wahrscheinlich; aber dieser Besuch würde zunächst jedenfalls nur veranlaßt sein durch die innige Familienver- bindung, in welche zu treten das englische und das preußische Königshaus im Begriff stehen. Durch die Zeit, zu welcher die Vermählung der Prin- zessin Luise stattfindet, würde es sich nun allerdings treffen können, daß die Anwesenheit der Königin Vietoris mit der beabsichtigten Entrevue zwi schen dem Kaiser Napoleon und dem Kaiser Alexander, vorausgesetzt, daß dieselbe wirklich stattsindet, zusammenfiele, und es ließe sich dann auch wol denken, daß der Kaiser von Oesterreich den Augenblick zu benutzen geneigt sein möchte, um durch seine Anwesenheit die Vereinigung der fünf ersten Monarchen Europas vollständig zu machen; aber alles Dieses hat, wie ge sagt, noch gar keine nähere Grundlage, und wir erwähnen die betreffenden Möglichkeiten überhaupt nur, um zu zeigen, wie die Angaben, in welchen das Stattfinden eines Monarchencongreffes in unserer Hauptstadt bereits als so gut wie eine ausgemachte Sache hingrstellt wird, großentheils nur noch auf sehr problematischer Conjeeturalpvlitik beruhen. ? Berlin, 16. Mai. Der Entwickelung der SUN dz olla »gelegen- heit gegenüber dürfte sich Preußen in einer mehr abwartenden Stellung verhalten. Wenn es auch begründet ist, daß Rußland, Schweden, Nor- wegen und Oldenburg sich in einem Protokolle günstig für die ermäßigten Vorschläge Dänemarks behufs der Ablösung deS Sundzolls erklärt haben, so möchte eS jedoch jedenfalls voreilig sein, daraus den Schluß ziehen zu wollen, daß sich auch Preußen sofort den obengenannten Staaten in dieser Beziehung anschließen werde. Auf die Zustimmüng Englands und Preu- ßens, den nächst Rußland zunächst betheiligten Staaten Europas, möchte es bei der Lösung der Sundzollfrage hauptsächlich ankommen. — Das Er- gcbniß der letzten Zählung der Einwohner Berlins stellt heraus, daß sich die gesammte Seelenzahl der preußischen Hauptstadt mit Einschluß des Militär- auf 447,161 beläuft. — Die.Aushebung des Rheinzolls ist nach dem Ausspruch bedeutender Handelskammern der Rheinprovinz im Interesse des Handels gegenwärtig um so dringender geboten, je mehr die Schienenverbindungen von den deutschen Nordseehäfen aus nach Mittel- und Süddeutschland sich der Vollendung nähern und den naturgemäß und geschichtlich den Rheinstädten zufallenden Verkehr aus der altgewohnten Bahn abzulenken drohen. — In den betreffenden hiesigen Kreisen wird es lebhaft besprochen, daß die kölner Handelskammer in ihrem Jahresbericht an das hiesige Handelsministerium sich für dir Vereinigung des Zollver eins mit dem österreichischen Zollgebiete ausspricht. Es heißt näm- lich in dem besagten Berichte folgendermaßen: „Die neue Ermäßigung ver schiedener Zollsätze in Oesterreich hat den österreichischen Zolltarif abermals dem des Zollvereins einen bedeutenden Schritt nähergebracht. Die voraus- sichtliche baldige Herstellung einer einzige» festen Valuta wird eine weitere Schranke des Verkehrs aus dem Wege räumen. Mit jeder neuen Annä herung wächst das Bedürfniß einer völligen Vereinigung der beiden Zoll gebiete. Die bisherige kurze Erfahrung hat dargelhan, daß der bestehende Vertrag zwischen Oesterreich und dem Zollverein den davon gehegten Er- Wartungen bisher nicht in vollem Umfang entsprochen und namentlich die diesseitige Industrie nicht die davon erwarteten Früchte getragen hat. Und dieser getäuschten Erwartungen ungeachtet haben sich dennoch die Verkehrs- beziehungcn des Zollvereins zu Oesterreich in den letzten Jahren schon le- deutend näher und inniger gestaltet. Es ist auf diesen Wegen eine so starke Verkettung der Interessen angebahnt, daß der Ruf nach gänzlicher Zolleinheit zwischen dem Zollverein und Oesterreich bald von den verschie- densten Seiten lauter und lauter erschallen wird. Wir wünschen, daß Preußen zur Herbeiführung dieser Einheit, die wir in einer weitern Zu kunft als mit Nothwendigkeit aus den Verhältnissen sich ergebend betrach, ten, in einem günstigen und schicklichen Momente die Initiative ergreife wie einst bei Begründung des Zollvereins, und wünschen, daß dieser Mo ment nicht fern sein möge." Bei der mit dieser großen Frage in gleicher Weise so engen Verkettung der Frage wegen höherer Besteuerung des Ta- backs oder gar des Tabackmonopols brauchen wir kaum darauf hinzuwei sen, daß das Tiefgreifende des Ganzen hier erkannt wird. — Der Nestor der hiesigen Geschichtsforscher, Professor Friedrich v. Raumer, wird in diesem Sommer eine Reise nach Dänemark, Schweden und Norwegen un ternehmen. Derselbe hat vor wenigen Tagen sein sechsundsiebzigstes Lebens jahr in rüstiger Gesundheit und Geisteskraft angetrelen. — Die auf heute früh bestimmte Abreise des Königs nach Gumbinnen ist infolge eines leichten Unwohlseins Sr. Maj. ausgesetzt worden. — Wie die Preußische Corrcspondenz mittheilt, ist der zcither mehrfach bezweifelte Austausch der Ratificationen des zwischen dem Zollverein und Bremen geschlossenen Vertrags, welchem kein Hinderniß mehr entgegen stehe, binnen kurzer Frist zu erwarten. Baiern. /^Aus Baiern, 15. Mai. In der bekannten Frage von der Steuerbefreiung der zur Dotirung von geistlichen Pfründen fundirten Stiftungscapitalien hat heute unsere Kammer der Abgcordnctcn ihr letztes Wort gesprochen. Bekanntlich hatte sie mehrmals darauf beharrt, daß von der Steuer zwar die Capitalrenten, welche auf Unterrichts- oder Wohlthätigkeitszweckc stiftungsgemäß verwendet werden, befreit sein, daß aber jene, welche nur Zwecken des Cultus, d. h. dem Unterhalte der Geist lichkeit dienen, die betreffende Steuer bezahlen sollen. Welchen Sturm von Petitionen, Adressen und Beschwerden, namentlich an die Kammer der Reichsräthe, von Seiten der Geistlichen dies hervorgerufen und welchen ent- sprechenden Erfolg dieselben gehabt, davon haben Sie bereits Notiz genom- men. Da nun weder die I. noch die II. Kammer von ihren gefaßten Be schlüssen weichen wollten, haben einerseits die Negierung, andererseits der Abg. vr. Edel Vermittelungsvorschläge eingebracht, von denen der erste von der Rcichsrachs-, der letztere von der Abgeordnetenkammer angenommen worden ist. Nach jenem sollen die Fundationscapitalien der geistlichen Pfrün den befreit sein, wenn das Gcsammteinkommen derselben den Betrag von 1000 Fl. nicht erreicht; nach diesem aber überhaupt, soweit ihr Rentcn- ertrag verwendet werden muß auf ständige Passioleistungen an den Staat oder andere Berechtigte oder auf Besoldung und Verpflegung von Hülfs- Priestern. Nachdem das Staatsministerium mit jedem der Bermittelungsvor- schläge sich einverstanden erklärt hatte, die Abgeordnetenkammer in zweckmäßiger Nachgiebigkeit dem Vorschlag vn. Edcl's sich angeschloffen, ist an einer entsticken Uebereinkunft über das ganz Gesetz hoffentlich nicht mehr zu zweifeln. Aber bemerkcn-werth ist die Art und Weise, wie von Seiten jener Deputirten, welche dem geistlichen Stande angehören, die Nachgiebigkeit der Kammer auf- genommen wurde. Nachdem der Abg. Fürst v. Wallerstein wahrhaft herz liche Worte gesprochen über den unseligen Zwiespalt, den diese leidige Frage nicht nur zwischen beiden Häusern, sondern innerhalb desjenigen der Abgeord neten selbst hervorgerufen, über die Nothwendigkeit, den Frieden wiederherzu stellen, und nachdem er die Hoffnung ausgesprochen, der heutige Beschluß werde diesen Frieden wieder gründen und Zufriedenheit nach alle» Seilen verbreiten, erhob sich in großem Eifer vr. Ruland aus Würzburg, mit heftigen Worten versichernd, der geistliche Stand werde der Kammer die heutige Nachgiebigkeit niemals danken — „wir" wollten aus Princip befreit sein und nicht aus Gründen der Zweckmäßigkeit für das Gesetz in, Allge meinen; man hat „uns" einen Schlag ins Gesicht gegeben durch die srü-