Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration--Preis 22 s Silbcrgr. Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für LaS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen Ler Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veil ». Camp., Jägerstraßo Nr. 2Ü), so wie von allen Königl. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. . 49. Berlin, Donnerstag den 24. April 1843. Frankreich. Charakteristiken aus der Konsular-Epoche, nach Thiers. Die Konsuln- CambacLr«-, Lebrun. — Napoleon'- Familie- Joseph, Lucian, Madame Bonaparte. — Die Minister- Fouchä, Tallehrand. — Die Generale- Moreau, Kleber, Desaix. Wir geben nun, unserem Versprechen gemäß, die Charakteristiken der be deutendsten Personen aus der Konsular-Epoche, und zwar, so weit es die uns gebotene Kürze erlaubt, meist mit Thiers' eigenen Worten. Die Verhandlungen über die von SiepeS entworfene Constitution waren beendigt, man hatte sich über die zu treffenden Abänderungen geeinigt, es war nun nothwendig, das Personal für die Behörden auszuwählen, um die Theorie sogleich in der Praxis zu befestigen. Der General Bonaparte würbe auf zehn Jahre zum ersten Konsul ernannt. Man kann nicht sagen, daß er gewählt wurde; die Lage der Dinge bezeichnete ihn zu klar als allein dafür geeignet. SiepeS liebte die Geschäfte wenig, noch weniger aber eine unter geordnete Stellung. ES gefiel ihm nicht, den bloßen Gehülfen des jungen Bonaparte zu spielen, und er verzichtete folglich auf die Stelle des zweiten Konsuls. Man übertrug ihm, in Verbindung mit Roger-Duros, Cam- baceres und Lebrun, die Ernennung der absoluten Majorität des Senates oder der 31 Senatoren, welche dann die noch fehlenden 2d durch Abstimmung erwählen sollten. Mit dieser Handlung beschloß er seine aktive Laufbahn; die SenatS-Präfibentur und die Domaine Crosne wurden ihm als Entschädigung, und zugleich als Belohnung für die dem Vatcrlande erwiesenen Dienste, zuerkannt. Zum zweiten Konsul wurde CambacereS gewählt, ein tüchtiger Jurist, der durch Kenntnisse, Klugheit und Takt sich bereits ein großes Ansehen unter den Staatsmännern jener Zeit erworben hatte. Er war damals der Justiz. Minister. Die dritte Stelle erhielt Lebrun, ein ausgezeichneter Schriftsteller und schon unter der alten Regierung als Anhänger des gemäßigten Fort schrittes bekannt. Er besaß vorzügliche Kenntnisse im Finanzwesen und war zu sanft, um unbequemen Widerspruch befürchten zu lassen. CambacereS konnte den General Bonaparte sehr gut in der Verwaltung der Justiz ersetzen, Lebrun ihm bei der Einrichtung deS Finanzwesens vortreffliche Hülse leisten, und Beide konnten ihn aufü Vortheilhafteste unterstützen, ohne ihm irgend in den Weg z» treten. Es war unmöglich, die neue Negierung besser zusammen- zusetzcn. CambacereS erlangte auch bald das volle Vertrauen Bonaparte's, welches weder Fouche noch Tallcyrand erreichten. „Er besaß kein glänzendes Talent, aber einen scharfen Verstand und war dem ersten Konsul mit unbcgränzter Hingebung zugethan. Zehn Jahre lang war sein Leben unter Proscriptionen aller Art gefährdet gewesen, nun hing er mit einer Art Zärtlichkeit an dem mächtigen Gewalthaber, der ihm endlich die Möglichkeit gewährt hatte, ruhig zu athmen. Er liebte seine Macht, sein Genie, seine Person, von der er nur Gutes empfangen hatte und ferner zu empfangen hoffte. Weil er die Schwachheiten der Menschen, selbst der größten unter ihnen, kannte, so rieth er dem ersten Konsul, wie man rathen muß, um gehört zu werden, nämlich mit der größten Redlichkeit, aber zugleich mit der sorgfältigsten Schonung, niemals um seine Weisheit leuchten zu lassen, sondern stets um einer Regie rung zu nützen, die er eben so liebte als sich selbst. Oeffentlich billigte er alle und jede Handlungen derselben, nur unter vier Augen erlaubte er sich, seine Mißbilligung gegen den ersten Konsul auSzusprechen; er schwieg, sobald keine Hülfe nichr möglich war und die Kritik nur als eitle Tadelsucht erscheinen konnte; aber er sprach stets, und zwar mit einem Muthe, der bei einem so schüchternen Manne nur um so mehr zu loben ist, so lange es noch Zeit war, einem Fehler vorzubeugcn oder auf den allgemeinen Lauf der Geschäfte cinzu- wirkcn. Aber als müßte ein Charakter, der sich unaufhörlich zusammennimmt, wenigstens nach einer Seite hin ausschlagen, zeigte der Konsul CambacereS seinen Untergebenen gegenüber eine kindische Eitelkeit, lebte mit einigen Hof. leuten untergeordneten Ranges, die ihm auf eine grobe Weise schmeichelten, spazierte fast täglich lächerlich aufgcputzt im PalaiS-Royal und suchte in der Befriedigung einer sprüchwörtlich gewordene» Feinschmeckcrei ein Vergnügen, was seiner nüchtern verständigen Art zusagte. „Der erste Konsul übersah seinem Kollegen diese Wunderlichkeiten gern und hielt sehr viel auf ihn. Er schätzte seinen überlegenen Verstand, der nie mals glänzen, sondern nützen wollte, der Alles in einem gemäßigten und wahren Lichte darstellte. Er schätzte besonders die Aufrichtigkeit seiner Zu neigung, und gab ihn, dadurch den größten Beweis seiner Achtung, daß er nur ihm allein Alles sagte, nur um sein Nrtheil besorgt war. Deshalb machte sich bei ihm auch nur sein Einfluß geltend, und zwar war dieser um so größer, je weniger man ihn vcrmuthete. „Der Konsul CambacereS wirkte besonders beschwichtigend auf seine Hef tigkeit gegen Personen, auf seine hastige Thätigkeit. Während nun diese beiden Bestrebungen gegen einander liefen, indem der Eine nach einer raschen Reaction drängte, der Andere sie bekämpfte, blieb CambacereS unbeugsam, sobald cö sich um die Aufrechthaltung der Ordnung handelte; in allem Ucbrigen sprach er sich stets dahin aus, daß man minder eilfertig zu Werke gehen sollte. Das Ziel selbst, dem man sichtlich zustcucrte, bestritt er nicht. Er hatte nichts dagegen, daß man eines Tages dem ersten Konsul alle beliebige Gewalt über trüge; aber nur nicht zu rasch, wiederholte er ohne Unterlaß. Er wünschte überhaupt, daß man stets die Wirklichkeit dem Scheine, die wahre Macht dem äußeren Gepränge vorzöge. Ein erster Konsul, der so viel Gutes thun konnte, als er wollte, war in seinen Augen mehr, als ein gekrönter, in seiner freien Thätigkeit gehinderter Fürst. Handeln und verborgen bleiben, vor Allem aber nicht zu rasch handeln, das war seine ganze Weisheit. DaS ist zwar freilich nicht Genie, aber doch Klugheit! und um einen großen Staat zu gründen, bedarf man beider. „CambacereS wurde dem ersten Konsul nicht bloS durch den Nath eines überlegenen Verstandes nützlich, sondern auch dadurch, daß er den Senat zu lenken wußte. Der Senat besaß eine sehr große Wichtigkeit, sofern er die Personen zu allen Aemtern wählte. Anfangs hatte man ihn in gewisser Hinsicht dem Abbe SiepeS überlassen, als Entschädigung für die dem Konsul Bona- parte in ihrer ganzen Ausdehnung übertragene erekutive Gewalt. SiepeS war freiwillig zurückgetretcn und lebte auf seinem Landgutc Crosne, allmälig aber fing er an, fich über seine Einstußlosigkcit zu ärgern, denn wohl Jeder, der einmal eine bedeutende Stellung einnahm, bereut zu Zeiten seinen Rück tritt. Hätte er Willenskraft und Beharrlichkeit besessen, so hätte er den Senat dem ersten Konsul abwendig machen können, und dann wäre nichts übrig gc- blieben als ein Staatsstreich. Aber CambacereS wußte sich ohne Geräusch und ohne Aufsehen in diesem Kollegium festzusetzen und den Bode» einzunehmen, den die schmollende Nachlässigkeit des AbbäS ihm überließ. Man wußte, daß man durch ihn zum ersten Konsul, von dem Alles abhing, gelangte, und darum wendete man sich denn auch a» ihn. Er wußte das im Geheimen mit großer Kunst zu benutzen, um die Widerstrebenden zu zügeln oder umzustim- men. Das geschah aber mit solcher DiScretion, daß Niemand daran dachte, sich darüber zu beklagen. In einer Zeit, wo die Ruhe zur wahren Weisheit geworden war, wo die Ruhe selbst nöthig war, um den Sinn für die echte Freiheit zu entwickeln, in einer solchen Zeit wagt man nicht, einen Mann zu tadeln oder verderblicher Bestrebungen anzuklagen, der von der einen Seite den von den Umständen eingesetzten Herrn zur Mäßigung lenkte, von der anderen die Unüberlegtheiten einer zwecklosen, »»zeitigen und unpolitischen Opposition zurückhielt. „Den Konsul Lebrun behandelte Bonaparte mit Achtung, selbst mit Zu neigung, aber als einen Mann, der sich mit Ausnahme der Verwaltung wenig in die Geschäfte mischte. Er übertrug ihm die Aufsicht über das Finanzwesen im Einzelnen und ließ sich besonders von ihm über die Ansichten und Unternehmungen der Ropalisten, von denen der dritte Konsul häufig um geben war, unterrichten. Es war ein Ohr, ein Auge, das er unter ihnen besaß, doch nahm er an dem, was von dieser Seite her kommen konnte, kein weiteres Interesse, als das der Neugier." Es war beschlossen worden, daß die Konsuln, welche bisher, wie zuvor schon die provisorischen Konsuln, im Luxembourg gewohnt hatten, sich »ach den Tuilcrieen übersiedeln sollten, die für diesen Zweck wohnlich eingerichtet und von den zurückgebliebenen Spuren des Konventes befreit wurden. Für den ersten Konsul wurden die Zimmer des ersten Stockwerkes bestimmt, in denen die gegenwärtige königliche Familie ihre Soireen hält. Seine Frau und seine Kinder sollten unter ihm im Entresol wohnen. Die Dianen-Galerie bildete damals wie gegenwärtig den Eingang zur Wohnussg des Staats-OberhaupteS. Der erste Konsul ließ sie mit einer Reihe von Büsten großer Männer schmücken, in deren Auswahl sich seine vorherrschende Neigung aussprach; es wäre» Demosthenes, Alexander, Hannibal, Scipio, Brutus, Cicero, Cato, Cäsar, Gustav Adolph, Turenne, Conde, Duguai-Trouin, Marlborough, Eugen, der Marschall von Sachsen, Washington, Friedrich der Große, Mirabeau,